Lorenz Dampfradio mit Tondrahtzusatz
#9
hallo Anselm,

da müsst Ihr aber wohlhabende Bekannte gehabt haben. Der VW Käfer kostete 1953 in der einfachsten Form irgendwas zwischen 3500 und 4000 DM, das frühe Schaub Supraphon, also das Drahttongerät mit Radio mit UKW, lag bei knapp 2000 DM. Eine Drahtrolle kostete um 15 DM, was ein knappes zehntel eines Arbeiter-Monatslohns war. Vor diesem Hintergrund wundert es mich immer, wie viele dieser Geräte heute noch existieren, scheinbar hat es in der frühen Bundesrepublik doch mehr Reichtum gegeben als vermutet.

Von Grundig gab es Anfang der Fünfziger eine Musiktruhe mit einem amerikanischen Drahttongerät:

http://www.radiomuseum.org/r/grundig_spi...hrank.html

Auch der Ursprung der Plattenwechsler in den ganz frühen Nachkriegs-Spitzen-Tonmöbeln ist nicht klar, aus deutscher Produktion gab es solche Geräte erst 1951/52. Grundig scheint in der Anfangszeit viel mit amerikanischen Komponenten gearbeitet zu haben, nur sind leider aus dieser Zeit keine Geräte mehr bekannt, die man sich in natura ansehen kann.

Von Blaupunkt soll es 1948/49 eine Truhe gegeben haben, deren Plattenwechsler auch Magnettonplatten be- und abspielen können sollte:

http://www.radiomuseum.org/r/blaupunkt_r...9_w_7.html

In der Zeit nach der Währungsreform wurde die Unterhaltungselektronik quasi neu erfunden. Der aufgezwungene Wechsel zum UKW-Rundfunk stellte sich als großer Glücksfall heraus und trieb die Entwicklung bei der Elektroakustik massiv vorwärts. Hinzu kamen Plattenspieler mit den neuen Vinyl-Platten und die magnetische Tonaufzeichnung. Die Plattenspieler vor dem Krieg waren eigentlich elektrische Grammofone, und den Wohlhabenden vorbehalten, Magnetton war für Privatleute unerreichbar. Nach dem Krieg änderte sich das sehr schnell, und in der Zeit von 1948 bis etwa 1955 gab es eine ziemlich kreative Zeit mit zahlreichen Entwicklungen, die später wieder verschwanden, wie auch das Drahttongerät. Aus Historikersicht ist die Zeit problematisch, weil zwar unheimlich viel passiert ist, das breite Volk aber ganz andere Sorgen hatte, und kaum etwas davon mitbekommen hat. Die produzierten Stückzahlen waren winzig, die Dokumentation schlecht, und auch Sammler interessieren sich kaum für Dinge, die niemand kennt, und die trotz ihrer Seltenheit kein Prestige geniessen. Die Wertentwicklung zeigt das auch ganz deutlich - Geräte wie die große Blaupunkt Raumton Truhe oder die Siemens Kammermusik Kombination gehen einerseits auf Auktionen für Fachkundige für satt verstellige Beträge weg, andererseits werden sie achtlos auf den Müll geworfen, oder wandern in die Hände von Leuten, die die "Alnicos", "Greencones" oder "Klangfilm-Lautsprecher" für die HiFi Esotheriker pflücken, und den Rest wegwerfen. Es ist wirklich traurig, wie viele solcher Schicksale seltener Geräte einem über den Weg laufen, wenn man intensiv danach sucht - leider kommt man nur selten zur richtigen Zeit wie ich bei dem Supraphon 52.

Gruß Frank
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[Kein Betreff] - von cisumgolana - 18.04.2010, 12:49
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