UHER CR 124, ein Aschenputtel aus dem Dreck
#1
Hallo Cassettenfreunde,

zu den vielen schönen Cassettenschätzen der letzten Zeit passt eigentlich
auch die Vorstellung eines alten Apparates. Heute auf dem Flohmarkt erspähte ich in einem schmutzigen Haufen aus Schrottfernbedienungen und Kabeln ein kleines Täschchen. Völlig speckig, es stand "UHER" drauf: Her damit! Es stellte sich heraus, dass die völlig verhunzte Tasche ihren Zweck erfüllt hatte, sie hatte ein CR 124 vor Beulen und Kratzern bewahrt. Zu einem einen zivilen Preis wechselte alles den Besitzer, auch das Netzteil Z131, das einen halben Meter daneben lag.
Zuhause sofort Stecker rein: Es funktioniert noch!
Mit Jaulen des Laufwerks aufgrund erschlaffter Riemen und Kratzen der Potis und Kontaktleisten hatte ich gerechnet und so war es auch. Na gut, das dürfte wieder hinzubekommen sein, außerdem ist das CR 124 von 1973, da darf etwas kaputt sein.
Nach dem Öffnen war ich über den sauberen und unverbastelten Originalzustand erfreut, das hatte ich nicht erwartet. Gut, dass die Elektronik noch funktioniert, hier ist ja zur Reparatur fast ein Mikroskop nötig! Sehr kompakt alles, für die damalige Zeit bestimmt ein Wunder an Winzigkeit. Eine Reparatur lohnt auf jeden Fall, der Tonkopf zeigt kaum Einschliff und das Ding scheint einen sehr guten Klang zu haben (wenn ich ihm die Gleichlaufschwankungen ausgetrieben habe).

Schlichtes und funktionelles Design, so etwas finde ich gut:

[Bild: UherCR124-1.jpg]


Im Ganzmetallgehäuse das Laufwerk mit dem Uher-Cassettenlift:

[Bild: UherCR124-2a.jpg]


Schön bunt und nett anzusehen, die Elektronik. Bei einer Reparatur dürfte sich die Freude aber bald trüben...

[Bild: UherCR124-2b.jpg]


Die Kopfsektion, noch gut erhalten. Autoreverse, aber Aufnahme nur in einer Richtung möglich:

[Bild: CR124K%F6pfe.jpg]


Von unten. Die Kabel sind haarfein, bloß nicht anfassen!

[Bild: UherCR124-3.jpg]


Die Anschlüsse von der Seite (hinten sind noch DIN-Buchsen für Netzteil/Ladegerät und Autoradio):

[Bild: CR124Seite.jpg]


Zuletzt noch, obwohl der Vergleich etwas hinkt, ein Größenvergleich mit
dem Uher Report:

[Bild: CR124-Report-Vergleich.jpg]


Wer wohl damals solch ein teures Gerät gekauft und wofür benutzt hat?
Die Reporter hatten das Report-Tonbandgerät, als Heimcassettengerät war es wohl zu aschenputtelhaft und für Jugendliche, die damit heimlich Rockkonzerte mitschneiden konnten war es wohl zu teuer. Vielleicht als Autocassettenabspieler für gut Betuchte?

>>Nachtrag (falls es jemanden interessieren sollte, wie man dem CR 124 & Konsorten wieder auf die Sprünge hilft):

Erst einmal weg mit dem Cassettenlift, dann sieht man schon mehr:

[Bild: OhneLift.jpg]

Dann die Capstaneinheit lösen und überholen, auch neue Riemen natürlich:

[Bild: AntriebGeklappt.jpg]

Danach kommen die Wickelteller dran, reinigen, Lager und Rutschkupplungen überprüfen. Hier sieht man, dass der Filzring den Teller etwas blindgeschliffen hat, 1000er Nass-Schleifpapier und geduldiges Polieren mit Muskelschmalz bringen wieder Glanz und die Rutschkupplung ist geschmeidiger:

[Bild: TellerOben.jpg]
[Bild: TellerUnten.jpg]

Nach dem widerlich kniffligen Zusammenbau (nichts für Choleriker) hat zumindestens das hier gezeigte Gerät anstandslos funktioniert.

Toller kleiner Kasten, nur ein Nachteil bleibt, der für mich persönlich dessen Praxistauglichkeit für Liveaufnahmen zunichte macht: Man sieht nicht, wie weit die Cassette schon durchgelaufen ist! Das Zwergenzählwerk ist kaum zu erkennen und kein Ersatz für ein Sichtfenster, das der Nachfolger CR 210 ja dann auch hatte, sogar beleuchtet.

Gruß
Peter S.
Zitieren
#2
Hallo Peter!

Ich möchte Dir für Deine spannende, reich bebilderte und
ausführliche Präsentation des CR124 danken. Du hast da
einen Klasse-Bericht abgeliefert!

Außerdem bewundere ich Deine Geduld und Deine Finger-
fertigkeit bei der Instandsetzung dieses filigranen Gerätes.
Zur Auswechselung der Treibriemen gibt es im Netz einen
sehr ausführlichen Wort-/Bildbericht bei einem CR210, der
sehr gut veranschaulicht, mit welchen Schwierigkeiten zu
rechnen ist.

Zu Deiner Frage, wer die (ziemlich teure) "Mini-Report"-
Zielgruppe gewesen sein könnte:
Unter anderem war der ambitionierte Hobbyfilmer im Focus
der UHER-Verkaufsstrategen. In Zusammenarbeit mit der
Firma BRAUN gab es eine Broschüre für Hobbyfilmer (im
download-Bereich des Forum zu finden), bei der das CR124
eine Hauptrolle spielt. Wie Dein Vergleich zeigt, ist es doch
wesentlich handlicher als das klassische Report. Und wenn
der Gleichlauf stimmt, braucht es sich klanglich nicht zu ver-
stecken (im Vergleich zu 9,5cm/s bei der Report).

Dein Argument mit der schlechten Lesbarkeit des Zählwerks
stimmt - allerdings kann man bei den Report-Modellen es
ebenso schlecht ablesen (ganz schlimm m. E. die Modelle,
wo das Zählwerk eine Plexi-Abdeckung hat - Reflexionen!).
Und wenn das Report oder auch das CR210 in der Bereit-
schaftstasche steckt (und da ist es nun mal bei Außenein-
satz praktischerweise drin), nützt das Sichtfenster (auch mit Be-
leuchtung) Dir überhaupt nichts. Nur die allererste Ledertasche
des Ur-Report hatte eine Öffnung, damit man den Spulenfüll-
stand kontrollieren konnte. Danach hatte m. W. keine der
Bereitschaftstaschen wieder sowas praktisches...

[Bild: 4000_Tasche_oben_red.jpg]

Ich habe mein erstes CR124 vor 15 Jahren gebraucht gekauft.
Weitere zwei folgten in kurzen Abständen. Zu allen habe ich
Tasche und NT Z131, sowie die passende Mikro-Kombination
M640 (bei UHER einmaliger Spezialstecker! Andere Mikro´s
passen nicht ohne Selbstbau-Adapter - keine UHER-Glanz-
leistung). Aber ich nutze die CR124 nur zur reinen Wiedergabe.
Eines spielt (über Auto-Adapterkabel K528) im Auto an einem
Becker GrandPrix (Nadelstreifen) und hat das langjährige 4000-S
ersetzt (Cassettenwechsel während der Fahrt ist halt einfacher).
Das zweite CR124 dient als Beschallung des Balkons, wenn ich
zu faul bin, eines meiner diversen Report heraus zu kramen. Das
Dritte dient als Reserve, wird aber durch Ringtausch immer wieder
in Betrieb gesetzt.
Denn - einer der größten Schwachstellen ist m. E. die zickige Reak-
tion auf längere Standzeiten (>6 Wochen). Das CR124 quittiert die
lange Standzeit mit teilweiser Verweigerung Cassetten abzuspielen.
Entweder eine Richtung geht nicht - oder schlimmstenfalls beide
Richtungen (ACHTUNG - führt u. U. zu Bandsalat!). Auch das Um-
spulen ist dann mehr oder weniger unmöglich. Nach einer "Warm-
laufzeit" (>1h) ist dann meist wieder alles ok. Anderenfalls hilft nur
oberer Deckel ab und vorsichtig etwas "nachhelfen" - oder schlimmsten--
falls ist eine Reparatur erforderlich (war bei mir Gottlob noch nicht
nötig).

Ich wünsche Dir viel Freude mit Deinem Flohmarktschnäppchen.

Grüße
Wolfgang

PS.: An die heimische Stereoanlage angeschlossen glaubt man
kaum, daß es sich um ein frühes C-Deck handelt. Es klingt richtig gut...
Noch ein Bild der "CR124-Balkonanlage" (die Endstufen reichen locker
aus, um die angeschlossenen Visonik David 8000 zu mehr als aus-
reichender Lautstärke anzutreiben - stundenlang, ohne schlapp zu machen).
Anschluß über das Adapterkabel K633, welches auch bei der Monitor-
Serie für den Anschluß von externen LS zu benutzen ist.

[Bild: Balkonanlage_CR124_red.jpg]
Zitieren
#3
Ich habe noch ein CR210, sieht ähnlich aus, nur mit schwarzer Front. Das Ganze erinnert mit der Anordnung der Bedienungsknöpfe, der Mikrobuchse und des VU-Meters einwenig an ein CB-Funkgerät. Die Größe (Standard Autoradio) kommt ja auch in etwa hin.
Zitieren
#4
Hallo,
freut mich, dass der Bericht gefallen hat. Das Basteln hat Spaß gemacht, aber eine gewisse Winzigkeitsschmerzgrenze war schon erreicht beim CR 124, danach kommt Uhrmacher und dafür habe ich kein Werkzeug. Trotzdem Hut ab, was die Konstrukteure sich damals haben einfallen lassen, so etwas muss man einfach am Leben erhalten, Plastikschrott gibt es genug und viele alte, aber hochwertige Sachen werden diesen Einwegkrempel überleben.

Das verdeckte Sichtfenster beim Report in der Tasche hat mich auch schon genervt, warum nur haben sie bei Uher die Aussparung später wieder weggelassen?
Das Ur-Ur-Report ist sehr interessant, auch hier schlichtes Design ohne Firlefanz, sehr schön.

Gruß
Peter S.
Zitieren
#5
Hallo zusammen!

Eine Berichtigung muß ich hier nachtragen:
Die Mikro-Kombination M640 paßt auch an die Monitor-Baureihe,
so habe ich gelesen.

Grüße
Wolfgang

PS.: für Peter - Du findest detaillierte Bilder aller meiner Report-Geräte
(und deren Zubehör) in der Tonband-Galerie unter meinem Pseudonym...
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste