UHER SG630 logic - was war nochmal das Problem?
#1
Hallo zusammen,

ich gebe zu, der Titel klingt ein wenig ketzerisch.

wenn man das virtuelle Tonabndmuseum besucht und dort den Bericht über das UHER SG630 logic liest, dann entsteht der Eindruck, dieses Gerät sei die größte Katastrophe überhaupt und es kann eigentlich gar nicht funktionieren.

Ich habe mir eines gekauft bei den Kleinanzeigen, es tat natürlich nicht und ich hatte schon eine Wut. Mit wenig Aufwand war festzustellen, dass der Capstangummi ausgeleiert war. Provisiorisch habe ich ihn mal durch einen bunten Kameraden aus der Haushaltstüte ersetzt. 

Dann der Versuch mit einem Band, vorsichtshalber habe ich mal ein uraltes, hellbraunes, unbekannten Ursprungs verwendet, auf einer 13er Spule.... es funzt auf Anhieb Smile 

Dann habe ich ein anderes, altes BASF Band genommen, eines von der ganz dunklen Sorte, mit dem tat es nicht, die Capstanachse versuchte vergeblich Haftreibung herzustellen.... also doch eine Katastrophe?
Undecided 

Dann habe ich alles um die Köpfe und die Omega-Mechanik sorgfältig geputzt und mit einem kleinen Tropfen Ballistol vorsichtig das geschmiert, was sich bewegt und aneinander reibt. Achja, das Zählwerk bekam auch ein Tröpfchen, alldieweil es gräslich kreischte, beim Spulen. Und ein Tröpfchen Sinterlageröl gabs auch, da wo es hingehört.

Ein erneuter Versuch mit zwei 26er Spulen sollte meinen Optimismus zum Ausdruck bringen. Das Bandmaterial da drauf kenne ich nicht, aber es ist auch eher ein dunkes, vermutlich BASF aus den 70ern.

Und was soll ich sagen, das Gerät läuft völlig ohne Probleme. Der Omege Mechanismus funktioniert seidenweich, das Band umschlingt den Capstand und es läuft. Auf dem Band ist eine Carmen-Aufnahme und der Klang ist einwandfrei, ich höre keinerlei Leiern oder sonstwas - trotz des Low-Budget Provisoriums: Haushaltsgummi. Man muss dazusagen: die Schwungmasse ist die größte, die ich bisher irgendwo gesehen habe.

Jetzt bestelle ich mir noch so einen Capstangummi und fertig ist die Laube. Ich kann nur sagen: mein Gerät funktioniert zumindest im Augenblick und mit den von mir verwendeten (alten) Bändern. Es nag sein, dass es mit anderen Bändern nicht läuft. Aber der generelle Eindruck, der im internet verbreitet wird, und speziell die Kritik im Tonbandmuseum kann ich nicht nachvollziehen.

Einzig mir fehlen die Füße zu dem Teil. Falls jemand welche übrig hat, würde ich sie gern kaufen. Anbei noch ein Bild des Gerätes.

Gruß
Stefan


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#2
jedes Klischee hat einen wahren Ursprung, der aber 40 Jahre später nicht mehr unbedingt eine Rolle spielen muss. Und leider ist der größte Teil der Menschen nicht in der Lage, ein einmal existentes Vorurteil in gewissen Abständen zu überprüfen - das führt dann dazu, das Mist, den ein Ding einmal an sich kleben hat, nie mehr verschwindet.

Das SG630 war wohl unausgereift, und jemand, der damals ein kleines Vermögen für ein Tonbandgerät ausgegeben hat, das anschließend nur noch in der Werkstatt gestanden hat, war zurecht stinksauer und hat seine Erfahrungen in die Welt getragen. Daran, dass doch noch recht viele Exemplare vom SG630/631 existieren, kann man aber auch erkennen, dass es einige Geräte gegeben hat, die funktioniert haben und auch haltbar waren. Und außerdem kann man heute ganz anders an die Sache herangehen, wenn man so ein Gerät für kleines Geld irgendwo abstaubt, und mehr dazu benutzt, Erfahrungen zu sammen, als es im Alltag einsetzen zu wollen.

Ich finde es immer gut, wenn es Leute gibt, die sich wie Du um ein "schwarzes Schaf" kümmern. Würde das niemand tun, würden wahrscheinlich aus der Zeit irgendwann nur noch Revox A77 und ein paar Japaner zu sehen sein.

Und was die Glaubwürdigkeit des Betreibers des virtuellen Tonbandmuseums angeht - der schreibt auch an anderer Stelle, dass Philips am Markt keinen Erfolg gehabt hätte, und erst mit den Modellen N7150 und N7300 endlich vernünftge Bandmaschinen auf den Markt gebracht hätte. Wenn ich die ganzen Dinge zusammentragen wollte, die auf diesen Seiten fragwürdig sind, dann könnte ich ein ganzes Buch schreiben. Lass Dich nicht entmutigen, viel Spaß mit Deiner "Omega-Uher" wünsch ich Dir.

Gruß Frank
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#3
Da kann ich Frank nur zustimmen. Sowohl was die erwähnte Website als glaubwürdige Informationsplattform angeht als auch, was die Uher angeht. Die Website will ich hier nicht kommentieren... ...da soll sich jeder seine Meinung bilden. Ich habe die meinige gebildet... ...und die ist nicht positiv.
Was die Uher angeht, so sind die Legenden zumindest insofern wahr als dass dieses Gerät mehrfach während der Bauzeit nachgebessert worden ist (= nachgebessert werden musste) und Stefan vielleicht eines der späten Versionen erwischt hat. Darüberhinaus haftet dem Konstrukt eine gewisse Sensibilität an. Hier passt idealerweise alles zusammen: Zustand der Bandrückseite, Zustand der Omegarolle und Zustand des Bandzug-Regelkreises. Das schliesst nicht aus, dass das Ganze gut funktioniert aber die Anzahl der einflussnehmenden Parameter ist nun mal ungleich höher, als an einem Lastesel, wie einer A77 oder einer 3300SX. Dass eine A77 hinsichtlich des Bandtransportes leichter in Stand zu halten ist, ist angedenk der Einfachheit der Bandpfad-Konstruktion kaum verwunderlich. In meinen Augen ist die Uher auf jeden Fall ein interessantes Stück Technikgeschichte und ich bin sicher, dass es Uher gelungen wäre, das Konstrukt final stabil hin zu bringen, wenn Uher da nicht schon in finanziellen Schwierigkeiten gesteckt hätte (dass die 63x Serie für diese Schwierigkeiten verantwortlich gewesen sei, halte ich persönlich für eines der vielen Ammenmärcchen, die im Netz verbreitet werden. Das Grab war wohl schon vorher geschaufelt.). Dass selbst bei einer ausgereiften, aber komplexen, Konstruktion immer ein Stück "Mimosenhaftigkeit" übrig bleibt, ist selbstverständlich. Aber da gibt es auch andere Beispiele, die das unterstreichen (GX77, RS1506...).

Gruß
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#4
Also ansonsten finde ich diese Webseite Tonbandmuseum ganz informativ und unterhaltsam, nur der bzw. die immer weiteren Berichte über die SG630 haben mich schon verwundert. Ich kann nicht sagen, ob und was an meiner Maschine nachgebessert wurde, es ist aber eine 630, keine 631.

Ich hatte mir schon überlegt - falls es nicht funktionieren würde - auf diese Capstanwelle eine Hellermann Gummitülle aufzuziehen. Wegen des größeren Umfangs hätte dann zwar die Geschwindigkeit nicht mehr gestimmt, aber dann hätte es eben ein Band nur für diese 630 gegeben, das nicht auf anderen Maschinen abgespielt wird.

Ich habe nun zusammengetragen (von den Großen....):
- TS 1000 (morgen kommt hoffentlich auch noch die silberne TS1000 an)
- ASC AS 6002 S
- Tandberg 10XD

Der Vollständigkeit halber fehlt noch eine A77, aber irgendwie reizt sie mich so gar nicht. Versteht mich nicht fasch" Sicher ist das eine tolle und zuverlässige Maschine, aber vielleicht interessiert sie mich gerade deswegen nicht.
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#5
(06.12.2020, 18:45)Stefan_K schrieb: auf diese Capstanwelle eine Hellermann Gummitülle aufzuziehen. Wegen des größeren Umfangs hätte dann zwar die Geschwindigkeit nicht mehr gestimmt,
Die Geschwindigkeiten werden laut Service Manual mit je einem Trimm-Poti eingestellt (R2226 bis 2228).
Ein größerer Wellendurchmesser sollte sich damit ausgleichen lassen.
Kummer könnte aber ungenügende Durchmesser-Konstanz machen.

MfG Kai
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#6
Danke für den Tip, Kai. Aber ich lasse es jetzt erstmal, so wie es ist. Auf der Capstanwelle ist irgendwas eingelassen, irgendeine Kunststoffhülse. Vielleicht wäre es sinnvoll diese mit etwas zu pflegen, z.B. Armor-All Kunststoff-Tiefenpfleger, damit es geschmeidiger wird und die Reibung erhöht wird.

Eine Sache ist noch bemerkenswert an dem Gerät: Spulen tut es mit einer sehr hohen Geschwindigkeit. Dabei könnte man meinen, der Motor dreht endlos hoch, bis er irgendwann elektronisch abgeregelt wird - obwohl deutlich mehr ginge.

Innen ist das Gerät erstaunlicherweise wie geleckt, kein Staub, kein Dreck, alles blitzblank.

Schade ist, dass es ohne diese Füßchen eine ziemlich wackelige Angelegenheit ist, die fehlen mir leider.
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#7
Ich kann zu diesem Thema noch eine Aussage von Herrn Hilmar Krüger beisteuern: vor ca. 1,2 Jahren, als ich noch in der "Sammelphase" von Uher-Geräten war, empfahl er mir, um die Logic einen großen Bogen zu machen, weil die wohl auch für ihn schwierig zu reparieren sei (war). Ich habe mich daran gehalten.... Trotzdem herzlichen Glückwunsch zu der funktionierenden Maschine!

Gruß, Rolf
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#8
ich denke, wenn man zu einer Firma eine Sammlung aufbaut, ist das ja was anderes als wenn man sich eine Gebrauchsmaschine zulegen will. Zu einer Sammlung gehören meiner Meinung nach in jedem Fall auch die Exoten und die Irrwege, einfach, weil eine Sammlung immer auch was technikhistorisches hat.

Die N4450 und die N7300 von Philips sind auch so Geräte, wo jeder Tonbandspezialist einen großen Bogen drum macht, oder zumindest davor warnt. Und trotzdem steht die N4450 schon bei mir zuhause, und die N7300 kommt noch vor Weihnachten dazu. Es hat doch auch was für sich, wenn man auch in einigen Jahren nicht nur "Mercedesse" zu sehen kriegt, sondern auch noch "Citroens" und "Opels".

Und dieser Vergleich soll jetzt KEINE Auto-Diskussion lostreten, sondern nur zur Visualisierung dienen Big Grin .

Gruß Frank
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