23.07.2021, 07:35
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 23.07.2021, 07:41 von nick_riviera.)
(22.07.2021, 16:58)timo schrieb: Ich find' den Artikel vor allem deswegen unpassend, weil er den Eindruck hinterlässt, daß die erwähnte Rückkehr einiger Fahrer zum Verbrenner endgültig sei.
Tatsache ist doch, daß die ganze E-Auto-Technologie noch in den Kinderschuhen steckt. Die meisten Probleme, die heute noch zum Verdruss führen, werden in ein paar Jahren in der heutigen Form und dem heutigen Ausmaß vermutlich nicht mehr existieren. Und ganz abgesehen davon glaube ich nicht, daß man mittelfristig überhaupt noch die realistische Option haben wird, weiter einen Verbrenner zu fahren (es sei denn, man konserviert sich ein vorhandenes Exemplar und nimmt Nachteile wie ein sich ausdünnendes Tankstellennetz u.A. in Kauf).
Und, nein, ich bin trotz einiger erfreulicher Perspektiven (sinkende Abhängigkeit der westlichen Welt vom Erdöl) auch kein uneingeschränkter Freund der Elektromobilität. Vor allem ist mir diese Abkehr vom Verbrennungsmotor zu hysterisch.
die hysterische Abkehr von Verbrenner würde ich erstmal nicht so ernst nehmen. Man muss sich nur mal ein paar Kühe ansehen, die die Politik in der Vergangenheit durchs Dorf getrieben hat. Es ist z.B. noch keine 30 Jahre her, wo die Politik der Menschheit den Diesel als den ultimativen Umweltretter aufgedrängt und subventioniert hat, ohne sich mit den Nebeneffekten des Diesels auseianderzusetzen, die schon damals bekannt waren. Das hat dann 2006 zu der absurden Situation geführt, dass es Autos gab, die zu der Zeit noch steuerbefreit waren und den blauen Umweltengel trugen, und gleichzeitig mangels grüner Plakette nicht mehr in unsere Hauptstadt einfahren durften.
Viele Leute, auch Du im zitierten Posting, sehen die Sache so, dass das Elektroauto noch in den Kinderschuhen steckt, aber vom Prinzip der richtige Weg ist. Bezogen auf die Probleme, die die Menschheit in den nächsten Jahrzehnten zu lösen haben wird, ist das E-Auto ein Irrweg, weil es an den grundsätzlichen Ursachen der Umweltprobleme nichts ändert. Im Grunde ist das E-Auto ein typischer Vertreter der Philosophie "Pelz waschen, ohne sich nass zu machen".
Egal, was die Industrie da für eine goldene Zukunft präsentiert, die Kernprobleme der - ich betone bewusst - AUTOMOBILEN E-Mobilität bestehen seit Beginn des Automobils im späten 19. Jahrhundert. Es ist die Unmenge an Energie, die nötig ist, um einen schweren vierrädrigen Karren vorwärts zu bewegen, die Speicherung dieser Energie und die Bereitstellung / Verteilung. Die Probleme sind bis heute nicht gelöst. Der einzige echte Durchbruch in der Akku-Technologie hat in den neunziger Jahren stattgefunden, es war die Einführung der Li Ionen Akkus. Wenn man einen Li-Ionen Akku der späten neunziger neben ein Exemplar von heute legt, und die Energiemenge im Verhältnis zum Volumen rechnet, wird man feststellen, dass bei der Energiedichte nur wenig passiert ist in den rund 25 Jahren. Alle Versuche, die Akkus energiedichter und vor allem nachhaltiger zu machen, sind bisher im Forschungsstadium steckengeblieben.
Die Bereitstellung der Energie würde nur praktikabel umsetzbar sein, wenn sie an der Stelle erzeugt wird, wo sie zum Laden gebraucht wird. Die zentralisierte Verteilung des Stroms, wie sie heute Standard ist, ist für die E-Mobilität unbrauchbar - auf der ganzen Welt wird es nicht so viel Kupfer geben, um so ein Verteilsystem aufzubauen.
Ich kann das ja irgendwie verstehen - unser Staat und unsere Gesellschaft sind in zwei Abhängigkeiten gefangen - der Abhängigkeit zum Industriesystem generell, das der Logik einer Krebszelle folgt, und der Abhängigkeit von der Autoindustrie im Speziellen. Wenn die Politik wirklich was für die Umwelt tun wollte, müsste sie endlich anfangen, diese beiden Abhängigkeiten aufzulösen, ohne einen wirtschaftlichen Totalzusammenbruch zu produzieren. Ich bin mir auch sicher, dass das Auto in der heutigen Form zumindest als einziges Verkersmittel nicht zukunftsfähig ist. Genauso sicher bin ich mir aber auch, dass das E-Auto vom Grundsatz keine Option ist, und dass wir die Mobilität von morgen noch gar nicht erfunden haben. Wenn man die Umweltzerstörung der Erde mit einer Krebserkrankung vergleicht, ist das E-Auto so, als ob man versuchen würde, Krebs mit Schmerztabletten zu behandeln. Mich persönlich bringt es zunehmend auf die Palme, dass auch die politischen Entscheider offenbar nicht in der Lage sind, über das Ende ihrer eigenen Nasenspitze hinaus zu schauen. Wir wohnen seit etwa zehn Jahren direkt am Wald auf einem naturbelassenen Grundstück - ich brauche nur regelmäßig aus dem Fenster zu gucken, um zu begreifen, was die Natur besser macht als die Menschen, und dass das Leben mit der Natur möglich wäre, ohne unsere zivilisatorischen Errungenschaften aufgeben zu müssen. Wieso kämpfen die Menschen gegen das, was sie am Leben hält, und sehen diesen Kampf als Fortschritt an ?
Ach ja, dass die Menschen öfter doch gar nicht so dumm und ignorant sind, wie es uns die E-Auto-Jünger glauben machen wollen, erkennt man z.B. an dem wahnsinnigen Erfolg, den das E-Bike seit vielen Jahren feiert. Ein kleiner 250 Watt Motor macht Fahrrad Varianten möglich, die man mit Muskelkraft alleine kaum bewegen könnte, und nimmt dem normalen Fahrrad als Alltagstransportmittel den Schrecken. Und auch wenn jetzt jeder so ein Vehikel hätte, müsste man an der vorhandenen Elektro-Infrastruktur kaum was ändern. Der einzige Nachteil des E-Bikes ist, dass es für die Industrie zu wenig Futter bietet.
Gruß Frank