Das MTL-19, ein professioneller Bolide. Oder: Die Stasi mochte es bunt...
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Liebe Forianer,

Sommerzeit ist Urlaubszeit- und Sammlungszeit. Der überwiegende Teil meines Geraffels flog mir im Sommer zu. Diesmal war es nicht anders.

Der eine oder andere hat schon vom MTL-19, dem "Gerät für Staatliche Bedarfsträger" gehört, wie es dereinst "ReFuchs" in seiner Vorstellung dieses nannte. Hier ist sein damaliger Tread:
https://tonbandforum.de/showthread.php?tid=18827

Da mir gestern ebenfalls solch ein Gerät ins Haus gewalzt ist (denn von geflattert kann man bei einem Gewicht von 45kg wahrlich nicht sprechen), möchte ich es hier nochmal etwas ausführlicher vorstellen, da es ja bisher im Netz auch nur recht wenige Bilder gibt. Also, legen wir los:

Das MTL-19 wurde in den 80er Jahren im ITU, Außenstelle Beucha entwickelt und entweder direkt dort- oder beim VEB Nachrichtenelektronik Leipzig (da gibt es widersprüchliche Angaben) gefertigt. Genutzt wurde es überwiegend vom MfS für die Aufzeichnung abgehörter Telefonate bzw. des Funkverkehrs nach West- Berlin (unter anderem auf dem Fernsehturm)

Da ich hier aber nicht die politischen Aspekte erörtern möchte, sondern es vielmehr um die Technik geht, schauen wir uns das Ding mal an. 
Der Klopper ist riesig: 540 x 400 x 420 mm gibt das "Radiomuseum" an, nachgemessen habe ich es nicht. Das Gewicht ist ebenfalls gewaltig, 45kg bringt das Gerät auf die Waage. Nicht gerade ein portable... Big Grin
Es handelt sich um eine 1/4 Spur- Maschine mit 3 Köpfen und 3 Motoren ! Außerhalb der Studiotechnik meines Wissens das einzige DDR- Gerät, welches mit solch einer Ausstattung aufwarten konnte. Zwei Geschwindigkeiten werden angeboten,19 cm/s und 9,5cm /s. Die üblichen Home- Hifi- Geschwindigkeiten also.
Das Gerät ist in einem DDR- Typischen EGS- Gehäuse untergebracht, welches es in vielen Höhen und Breiten gab. Vom Messgerät bis zum 100W Verstärker war alles Mögliche in solchen Gehäusen verbaut. Die Front ist mit einer Plexiglas- Haube abgedeckt, welche sich teilen lässt, damit die Bedienknöpfe frei liegen. Ganz abnehmen kann man es natürlich auch.

                           

Dank des EGS- Gehäuses lässt sich das Gerät sehr leicht entkleiden: Einfach nur 4 Schrauben in den 4 Ecken an der Frontseite lösen, schon kann man das gesamte Chassis nach vorn aus dem Gehäuse herausziehen. Alle Anschlüsse befinden sich auf der Rückseite (mit Ausnahme der Kopfhöreranschlüsse) und auch sämtliche Verstärker und Entzerrer befinden sich als separate Einschübe auf der Rückseite.
Einmal aus dem Gehäuse geholt sieht man: Das ist ein ordentlicher Brocken Technik ! Man sehe sich nur mal die Seitenplatten des Chassis an ! Das sind Stahlplatten mit einer Materialdicke von 11mm (!!!) Da fragt man sich, was das soll. Da kann man ein Auto drauf abstellen... Auch die Frontblende ist aus dem Vollen gefräst: Eine 10mm Aluminiumplatte, welche dann nochmal von einer 0,5mm Frontblende abgedeckt wird. Material sparen war wirklich nicht deren Ding...

                       

Gleichfalls als separate Einschübe auf der Rückseite, befinden sich das Netzteil und die Anschalteinheit für die Fernsteuerung. Allein diese beiden Einschübe haben jeder für sich ein Gewicht der "mehrere Kilo Klasse". Langsam verstehe ich, wo das Gewicht dieses Boliden herkommt...

                       

Auch nicht gerade zur Entlastung tragen die drei Motoren bei. Und bei näherem Hinsehen denkt man sich: Nanu, was ist denn das ? Da war man sich beim ITU also nicht zu fein, diese beim "Klassenfeind" in der Bundesrepublik einzukaufen. Handelt es sich hier doch ausnahmslos um Papst- Außenläufer- Motoren. 

         

Übrigens sucht man jedwede Art von Gummi- also Antriebsriemen oder Reibräder- innerhalb der Maschine vergeblich. Der Capstan- Motor ist ein Direkt- Antriebsmotor ! Sowas gab es bei DDR- geplanten Maschinen erst wieder bei der Cuttermaschine T5234. Allerdings läuft der Motor hier in diesem Gerät sofort nach dem Einschalten des Netzes los, ist also für typischen Dauerbetrieb ausgelegt.

               

Wo das Ding jetzt gerade mal offen ist, werfen wir doch einen Blich auf die NF- Anschlüsse, also Eingänge und Ausgänge. sie sehen aus wie DIN- Buchsen, sind aber verschraubbar und daher eher als Kleintuchel- Anschlüsse bekannt. Buchsen als Eingang, Stecker als Ausgang- daher unverwechselbar.
Die Maschine hat davon eine ganze Menge, jeweils 4 Eingänge und 2 Ausgänge. Pro Kanal wohl gemerkt, also jeweils für Rechts und Links ! Man fragt sich warum, bis man mal von innen auf die Buchsen schaut: Es gibt nämlich unsymmetrische Ein- und Ausgänge (wie bei DIN- Buchsen üblich) und Trafo- symmetrische Ein- und Ausgänge. Für jeden Geschmack etwas dabei...

         

So, damit haben wir die maximale Anzahl an Datei- Anhängen erreicht. Somit lasse ich die Geschichte also erst einmal wirken und melde mich noch in dieser Woche mit der Fortsetzung... Schließlich gilt es ja noch aufzulösen, weshalb die Stasi es wohl bunt mochte... Big Grin

Grüße, Rainer
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Das MTL-19, ein professioneller Bolide. Oder: Die Stasi mochte es bunt... - von GDR 22 - 11.07.2022, 13:10

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