Lenco's Wechselspiele(r)
#1
Moin, moin,

ein paar schlechte Bilder haben mir die Frage gestellt: sieht so ein Plattenspieler aus? Vor allem dann, wenn die Bildunterschrift auf einen Kassettenwechsler hinweist Wobei, "Wechsler", hört sich wiederum nach Plattenspieler an. Aber Plattenwechsler mit Platten in Kassetten?[
Das wäre wahrscheinlich eine interessante Idee gewesen, die es sicher irgendwo auch schon gegeben hat. Aber vielleicht nicht "Made in Italy" und auch nicht unter der Marke "Lenco".
Verwirrt?

   

Achtung: Dies ist ein Text, und er ist lang! Noch habt Ihr eine Chance hier abzubrechen und einfach weiter zu ziehen. Dabei murmelt ihr dann: „Das wollte ich sowieso alles nicht wissen“
Die, die nicht weiter ziehen, finden vielleicht die eine oder andere Anregung sich für etwas zu interessieren, um dann weiter zu ziehen um sich an anderer Stelle über Dinge zu interessieren, die man genauso wirklich nicht wissen muss.
Jedenfalls hat mein neuer Wechsler eine solide Holz-Zarge in dem Furnier, das ich von meinem L75 her kenne. Und oben drauf hat er einen durchsichtigen Plastik-Deckel. Also doch ein Scheibchen-Dreher?
Zumindest ein Lenco. Aber keiner von der Horst Neugebauer KG aus Lahr, ehemals mit der Schwarzwald Phono Radio GmbH unterwegs, und ab 1984 vorübergehend Inhaberin der Namensrechte von Lenco. Auch nicht von der STL Group BV aus Venlo in den Niederlanden, die 1992 die Lenco-Namensrechte übernahm, ebenso wenig von der Commexx International NV, die die Rechte seit 2015 hält. Von allen könnte ich mir das mit den Platten in Kassetten fast vorstellen. Machen die aber nicht.

Für diejenigen, die jetzt fragen, was faselt der alte Mann über "Lenco", ausgerechnet im Tonbandforum, dem sei beantwortet: Lenco hatte 1958 auch etwa zweihundert Spulen-Tonbandgeräte vom Typ T30 gebaut. Nicht den Lenco-Tuner T30; den hatte die koreanische SeoUm hergestellt. Und ein Wechsler war der T30 auch nicht gewesen; weder der eine noch der andere. Wobei das auch eine interessante Idee wäre, Tonbänder in Kassetten … hat es gegeben ... für den schnellen Wechsel … hat es gegeben [1] … für den automatischen Wechsel … da auch [2]. Doch halt nicht von Lenco. Und Radiosender in Kassetten, zum schnellen Sender-Wechsler, hat es wohl auch nicht gegeben.
Beim Tuner könnte man das prüfen. Beim Lenco T30-Bandgerät eher nicht; das wird wohl kaum jemand jemals im Original zu Gesicht bekommen können, weil mehr oder weniger alle samt auf dem Weg in die USA verunglückt sein sollen. [3] Bandbruch. Besser sieht es bei den Tunern aus.[
Aber auch in Kassetten stecken ja "Bänder". Und bei Lenco wurden auch Kassettengeräte produziert. Auch für Blaupunkt. Aber dies ist kein Blaupunkt. Steht drauf.
Verwirrung gesteigert?

Tatsächlich hatte Lenco sich auch nach der T30 noch mit der Tonband-Technik beschäftigt gehabt, wie Patente [P01-P05] aus den Siebziger Jahren belegen.
Dazu hatte es Ideen gegeben, die sich allgemein auf das Magnetband [P06-P09] bezogen hatten.
Gelohnt haben dürften sich allerdings vor allem die Erfindungen, die unmittelbar die Kassettentechnik thematisiert hatten [P10-P14]. Wechsler sind nicht dabei gewesen.
Neben einzelnen Ausflügen in Sachen Lautsprecher und Radio, sowie für Abdeckhauben, hatte Lenco aber vor allem Patente für Motoren, Schallplatten-Reinigungs-Systeme und Plattenspieler zuerkannt bekommen. Keines davon für Schallplatten in Kassetten.

   

Lenco“? Über Lenco kann man im Netz eine Menge lesen. US-Amerikanische Publikationen deuten sogar an, die Familie Laeng hätte nur deswegen angefangen, professionell Plattenspieler zu bauen, weil der Amerikaner David Bogen, Gründer der David Bogen Company, auf der Suche nach geeigneten Plattenspielern mit variabler Geschwindigkeit, für das Be- und Abspielen von Transcription Discs für amerikanische Tanz-Studios, nicht in den USA fündig geworden wäre. Stattdessen hätte er in Europa suchen müssen und sei letztlich, im schweizerischen Burgdorf, auf einen kleinen Laden gestoßen, in dem man ihm einen „entirely satisfactory machanical apparatus“ [4] gezeigt hätte. Gemeinsam mit seinem Schweizer Agenten, Charlie Liebi, hätte Bogen dann den Bürgermeister von Burgdorf überzeugt, Gewerbeflächen zur Verfügung zu stellen, und hätte der Familie Laeng mit einem Auftrag und einer Bürgschaft geholfen, eine Fertigung aufzubauen und die Lenco AG zu gründen. „... The exact date of this transaction has been lost, but it can be surmised that this all occured sometime in 1935/36. ...“ [4] Und das Schloss Neuschwanstein haben die Bayern in Disneyland geklaut: Nachts eingebrochen, Luft raus gelassen und einfach mitgenommen.Die Amis haben es dann, kleiner, neu gebaut. Oder?
Faszinierend, was die Amerikaner so auf die Beine stellen können. Wenn die etwas wirklich wollen, sind sie schneller als alle anderen, selbst schneller als die Realität: Denn in der Schweiz denkt man, das Ehepaar Marie und Fritz Laeng hätte die Laeng & Co. (Lenco) erst am 6.12.1946 gegründet. [3] [5] Mehr scheint auch die Stadt Burgdorf nicht erzählen zu wollen [6]. Auch das BURGDORFER JAHRBUCH nennt 1946 als Gründungsjahr der Lenco AG.

Der kleine Laden“ war zweifellos älter gewesen, hatte vor 1946 existiert. Die HiFi-Wiki [8] schreibt, Marie und Fritz Laeng hätten im Jahre 1925 einen Elektronik-Laden eröffnet gehabt. Das JAHRBUCH BURGDORF deutet 1929 an, veröffentlicht für den Oktober 1969, „Die nun seit 40 Jahren bestehende Firma Radio Laeng führt im Stadthaus eine umfassende Sonderschau ... durch.“ [9]. Schon im Jahrbuch für 1951 warb Radio Laeng: „25 Jahre Radio Laeng.“ [10] 1926?
Wer nun vermutet, selbst die Firma Laeng hätte nicht genau gewußt, wann sie gegründet worden war, der schaue in die Ausgaben für 1985 und 1986: in beiden feiert Radio Laeng seinen Geburtstag: „60 Jahre Radio Laeng“. [11] [12]

Nun ist es zumindest denkbar, dass man schon in Vorkriegszeiten über Plattenspieler nachgedacht hatte. Nur gibt es dafür keinen an mich überlieferten Indikator.
Beispielsweise in DAS BURGDORFER JAHRBUCH taucht Radio-Laeng das erste Mal in der Ausgabe 1941 mit einer Werbung unter der Überschrift „Der gute Radio“ auf. [13]

   

Auch im BURGDORFER JAHRBUCH 1945 ist Radio-Laeng wieder vertreten [14]. „Radio heute für alle Leute!“ Noch immer ohne eine Erwähnung von Plattenspielern. Hatte man die eigenen Dreher nicht verkaufen wollen oder hatte es sie noch nicht gegeben?

   

Das änderte sich erst 1949. „Unabhängig vom Radioprogramm macht jederzeit ein Plattenspieler. ...“ Allerdings noch immer ohne Hinweis auf eine eigene Fertigung bzw. auf eine eigene Marke. [15]

   

Die Lenco AG hatte es 1949 schon gegeben gehabt. Und die HiFi-Wiki meint, erst auf die große Nachfrage nach Plattenspielern hätten die Laengs schließlich mit einer eigenen Fertigung reagiert gehabt. Ob mit oder ob ohne finanzielle Unterstützung aus den USA, ist heute kaum festzustellen. Jedenfalls nicht für mich.

Die beste Quelle für die Geschichte von Lenco wäre es gewesen, dabei gewesen zu sein. Macht Ihr das. Ich lese mich lieber hier [3] und hier [16] ein.

Und das „hier“ erklärt mir auch, warum auf meinem neuen Lenco „Made in Italy“ steht: weil das der Hersteller so drauf geschrieben hat!
Denn produziert wurde mein Lenco tatsächlich bei Lenco. Nämlich in Osimo, bei der am 11.12.1961 gegründeten Lenco Italiana S.p.A., die zunächst vor allem Bauelemente und Motoren für das Schweizer Mutterhaus, die dann ab 1970 z.B. auch Lenco Plattenspieler und auch einige Kassettengeräte gebaut hatte: jene, die nicht aus Korea gekommen waren. Gefertigt hat Lenco in Italien für die eigene Marke „Lenco“, aber auch als OEM, zum Beispiel für Blaupunkt. Und auf all denen steht dann halt "Made in Italy" geschrieben.

   

Unter dem Deckel meines Lenco befindet sich jedenfalls kein Plattenteller, sondern ein Kunststoff-Magazin mit nebeneinander liegen Fächern, in das die Medien senkrecht eingestellt werden sollen, das aber selbst für Singles zu klein, zumindest falsch bemaßt scheint. Auch für Dias.

   

Immerhin scheint mir ein Wechsler, bei dem die Medien nicht gestapelt übereinander liegen, sondern, wie beim Diaprojektor, nebeneinander in einem Magazin stehen, eine interessante Idee. Und die hatte, Ende der Sechziger Jahre, bei weitem nicht jeder verfolgt gehabt.

   


Etwas Geschichte, die mit meinem Wechsler (noch) nichts zu tun hat.

Plattenwechsler waren einstmals erfunden worden, weil Schallplatten früherer Zeiten eine, aus heutigen Sicht, vergleichsweise kurze Laufzeit geboten hatten. Wer ein Jazz-Konzert oder eine Operette am Stück hatte hören wollen, der musste, regelmäßig und jeweils nach kurzer Zeit, die Platte bzw. die Plattenseite wechseln. Auch Hörspiele oder Hör-Bücher wurden durch Wechsler erst möglich! Kein Zufall das immer mal wieder behauptet wird, Sony hätte bei der Konzeption der CD die Vorgabe ausgegeben, es müsse die komplette 9. Symphonie von Beethoven drauf passen. Stimmt zwar nicht, ist aber eine interessante Geschichte. In früheren Zeiten hatten jedenfalls eine lange Laufzeit wohl nur das Magnetophon und das Tefifon gekonnt.

Die Notwendigkeit des Wechselns hatte sich im "Kampf der Systeme", nach der Einführung der Vinyl-Schallplatte, fortgesetzt. Denn auch eine Single hat nur eine kurze Spielzeit. Und die Verfechter der LP hatten, mit Hilfe eines Wechslers, erstmals damit werben können, dass man sich mit einem Wechsler sogar eine ganze Oper am Stück anhören könne, ohne den Sessel verlassen zu müssen. Jedenfalls, wenn die aufeinanderfolgenden Teile der Oper sich nicht auf unterschiedliche Seiten einer Platte verteilen. Oder wenn der Wechsler eine Platte auch umdrehen konnte.
Wechsler erlauben aber nicht nur eine längere Spielzeit. Sie ermöglichen es auch, sich ein ganzes "Programm" mit unterschiedlichen Künstlern und Komponisten selber zusammenzustellen. Der Heim-Wechsler konnte das, was Millionen Amerikaner, die sich kein eigenes Radio hatten leisten können, die ihre Freizeit nicht in der eigenen Wohnung verbracht hatten, schon seit den Dreißiger Jahren von der Jukebox her gekannt hatten, die in der Kneipe, im Fast Food-Restaurant oder im Waschsalon nebenan gestanden hatte.
Und in Zeiten, in denen auch die Wohnungen der weniger reichen Bevölkerung immer beheizt hatten werden können, und in Zeiten, in denen auch in den USA tatsächlich in jedem Zimmer Strom lag und immer mehr Bürger den Strom nicht mehr erst, per Münz-Einwurf, hatten immer wieder freigeben müssen, hatte der Besitz der kleinen Jukebox für Zuhause für viele eine ganz besondere Form der Selbstbestätigung bedeutet. Wie der Besitz einer Waschmaschine, eines Autos, eines Fernsehers, eines Kühlschranks.

Anders als in Europa, war der Wechsler und war auch sein Einsatz ein Teil der amerikanischen Massen-Kultur der Nachkriegszeit gewesen. Denn während in Europa der Rundfunk, weitgehend werbefrei, irgendwann zur Hintergrundbeschallung taugte und er dies, insbesondere in der Bundesrepublik, dann in UKW-Qualität tat, musste sich jeder Amerikaner entscheiden, ob er ein Musik- oder ein qualitativ mäßiges Werbe-Programm hatte hören wollen.
In einem „Equipment Report“ berichtete Edward Tatnell Canby für die AUDIO, würde man Verstärker und Tuner von Bogen mit Lautsprecher-Boxen verbinden, könne man komfortabel und in hoher Qualität Radio hören. Was auch immer da kam. Würde man das mit einem Miracord Plattenwechsler samt Tonabnehmer kombinieren, „... you have recorded music when you want it. ...“ [17] „Miracord“, das waren die Plattenwechsler der Kieler Elac gewesen.
Das „when you want it“ hatte in den USA nicht nur die Umsätze von Schallplatten, sowie bald auch der bespielten Tonbänder, Cartridges und Kassen befördert, sondern eben auch den von deren Abspielgeräten. In der BRD hingegen benutzte zunächst einmal jeder ein Rundfunkgerät, während die Wechselachse oft original verpackt im Schrank lag oder irgendwo in den Tiefen der Musiktruhe verschwunden war; bei einem relevanten Anteil der von mir erworbenen Dreher habe ich sie beispielsweise in der Zarge, unterhalb des Wechsler-Chassis gefunden.
Kurt Breh konstatierte 1971, zum Test des Braun PS600, der sei gebaut worden, weil die deutschen Plattenspieler-Hersteller halt stark Export-orientiert gewesen wären, „... und zwar mit Schwerpunkt USA, und dort wünscht eine erdrückende Mehrheit den HiFi-Wechsler. Irgendwie muß dies etwas mit der amerikanischen Mentalität zu tun haben. …
Und da solche Schallplatten-Wechsler halt gebaut würden, würden sie auch in Deutschland verkauft werden, „... selbst wenn die meisten Käufer von den Wechselmöglichkeiten nie Gebrauch machen ...“ würden. [18]
Im Prinzip konnten die gleichen Attribute, mit denen man den Plattenwechsler bereits beim Publikum bewarb, auch den Tonband- oder Kassettenwechsler für die Kundschaft attraktiv machen.

Um 1960 waren in den USA die ersten Wechsler für die Tonband-Spule auf den Markt gekommen: Beispielsweise Marvin Camras von der Armour Research Foundation hatte 1960 eine runde Kassette für Tonband-Spulen von 3, 5 oder 7-inch Durchmesser vorgestellt, die in Stapeln in einen Ladeschacht eines Wiedergabe-Gerätes gestellt werden konnte. Der Player hatte eine fest installierte Aufwickelspule und Camras‘s zuvor vorgestellter Mechanismus für das automatische Einfädeln des Tonbandes, mit Hilfe eines Vorspannbandes, sollte aus dem Gerät einen Wechsler machen. Das Basismodell sollte die vorbereiteten Bänder in fester Folge hintereinander abspielen. Bei einer zweiten Version sollte der Besitzer die abzuspielende Kassette per Knopfdruck auswählen können. [2].
Ebenfalls 1960 hatte beispielsweise die Newell Engineering Corp. den „triple-hub tape transport“ für den professionellen Einsatz vorgestellt gehabt. Auf der Basis dieses Antriebes wurde auf der National Telemetry Conference ein Kassetten-loser Wechsler präsentiert, der „... automatically play two-inch reels of quarter-inch tape containing up to 44 minutes of music ...“ [19].
Und wiederum Anfang der Sechziger Jahre hatte die Sarkes Tarzian, Inc., aus Bloomington, Indiana, ein Betreiber von Radiostationen und Hersteller von Radio- und Fernsehgeräten, ein Patent für einen Tonbandwechsler erhalten. Von hoher Klangqualität soll das Konzept nicht gewesen sein, wie Jahre später die österreichischen Vertreter des Belgiers Theo Staar bemerkt hatten, weil der Recorder nicht einmal über einen Capstan-Antrieb verfügt hätte, der Bandzug somit ausschließlich durch die Aufwickelspule im Gerät erzeugt worden wäre. Dementsprechend argumentierten die Vertreter des Entwicklers, Morton L. Weigel, auch nicht mit der Qualität. Stattdessen kritisierten sie, herkömmliche Tonbandwechsler für große Spulen könnten zwar viel Musik speichern. "... Diese Anordnungen haben jedoch nicht die Leichtigkeit der Auswahl eines automatischen Plattenwechslers, bei dem mehrere Schallplatten mit verschiedenen Aufzeichnungen, deren Spieldauer jeweils zwischen 3 und 5 Minuten liegt, in gewünschter Reihenfolge auf der Spindel eines Plattenwechslers angeordnet sind und in dieser Reihenfolge nacheinander automatisch abgespielt werden können. Die Leichtigkeit und Schnelligkeit der Auswahl eines bestimmten Stückes und die Kürze der Zeitdauer, die erforderlich ist, um von einer Platte auf die andere überzuwechseln, sind der Grund für die anhaltende Beliebtheit von Plattenwechslern, die von den Tonbandwechslern trotz des Vorteils der veränderlichen Aufzeichnungen bisher nicht verdrängt werden konnten. ..." [P15].

Denn selbst der "Vorteil der veränderlichen Aufzeichnung“ muss erst einmal hergestellt werden: nicht selten benötigte also der Besitzer eines Tonbandwechslers zunächst einmal einen Plattenspieler, samt Platten, um seine Bänder bespielen zu können. Zudem dürften Tonbandwechsler groß und schwer gewesen sein, natürlich auch vergleichsweise teuer. Außerdem dürfte das Band bei vielen zumindest Kassetten-losen Wechslern immer noch zurückgespult werden müssen, was die Pausen beim Wechsel verlängert haben dürfte. Im Gegensatz zum Plattenwechsler. Platten spult man nicht zurück und „Anstandspausen“ zwecks Chancenausgleich im Wettbewerb waren nicht vorgeschrieben.
Anders beim Kassettenwechsler. Hier brauchte nicht gespult, konnten beide Spulen gleichzeitig entnommen oder gewechselt werden. Dieser Unterschied war ein Schritt zur Markt-Fähigkeit des Magnetband-Wechslers gewesen.


Zwischenspiel (zwischen bisher noch nichts und immer noch nichts)

Der Geräte-Typ Kassettenwechsler scheint mir primär ein US-amerikanisches Thema gewesen zu sein, so dass in Übersee auch wiederum der wichtigste Markt selbst für europäische Firmen gewesen sein dürfte. Wie beim Plattenwechsler.
Bei uns scheint hingegen die Erwartung an einen Kunden-Bedarf an Kassetten-Wechslern nicht besonders groß gewesen zu sein. Damals nicht. Heute sowieso nicht.

In den „Industrie“-Meldungen konstatierte die HIFI-STEREOPHONIE im Frühling 1971, der Fachverband Rundfunk und Fernsehen im ZVEI hätte mitgeteilt, dass sich der Absatz von „Rundfunkgeräten aller Art“ sehr positiv entwickelt hätte (+ 17% für 1970 gegenüber 1969). Knapp die Hälfte des Umsatzes entfielen auf tragbare, ein Viertel auf sogenannte „Tischgeräte“ (davon ein Drittel stereofon). Den Rest mache der Festeinbau in Autos, Booten usw. aus. Während das Tonbandgerät seine Stellung hatte behaupten können, setzten sich Kassettengeräte mit einem Schwerpunkt bei den Radiorecordern durch. „Auf dem Kassettengebiet kommt insbesondere der jungen Generation als Verbraucher eine besondere Rolle zu. ...“ [20]. Ob die „jungen Verbraucher“ sich für einen transportablen Wechsler interessiert hätten, ihn hätten schleppen wollen, ihn sich hätten leisten können? Welcher „junge Verbraucher“ fuhr in Deutschland des Jahres 1971 Auto oder hatte ein Boot?
Die jungen Deutschen blieben in den Siebzigern beim tragbaren Radiorecorder und stiegen irgendwann zum Tapedeck auf. Nicht zum Wechsler. Man stelle sich nur einmal vor, was einem „jungen Verbraucher“, Mitte der Siebziger, eine volle Bestückung eines Wechslers mit zum Beispiel[ zehn Kassetten gekostet hätte. Oder gar mit 24.

Zumindest in der FUNKSCHAU wurde in den Siebziger Jahren nicht über Kassettenwechsler berichtet. Lediglich im Frühling 1972 findet sich eine Kurzvorstellung einer "Musikbox für Compact Cassetten" von Wurlitzer [21]. Letztlich ein Karussell-Wechsler für zehn Kassetten (3 bis 60 min Spielzeit je Bandseite) mit Münzeinwurf und eingebautem 2x 35 Watt-Verstärker. [22] Und Wurlitzer ist eine US-amerikanische Firma, die sicher nicht primär für den deutschen Markt entwickelt hat. Und der „Münzeinwurf“ dient mir auch nicht als Hinweis auf eine geplante private Nutzung.
So findet sich auch in keiner Ausgabe des HIFI-JAHRBUCH der Siebziger und Achtziger Jahre ein Hinweis auf Kassetten-Wechsler. Nicht HiFi oder nicht in Deutschland?
Auch im britischen HIFI-YEARBOOK finde ich zwar Goldring-Plattenspieler von Lenco, sind Lenco Kassetten-Wechsler jedoch nicht erwähnt.
In der italienischen Heimat wurden tatsächlich Wechsler von Akai und Philips und ebenso Lenco-Kassettengeräte im ANNUARIO SUONO vorgestellt: Im Frühling und Herbst 1978 zunächst die eigenen Toplader C1102 und C2003. Ab 1979 dann ausschließlich Lenco-Frontlader aus Asien. Aber keine Lenco Wechsler.
Anders in den Marktübersichten in den USA. Und das nicht erst in den Siebzigern.

Doch bevor die ersten Wechsler für die Compact Cassette kamen, brauchte es erst einmal Kassetten.

   


erste Kassetten

Kassetten sollten zunächst dazu dienen, das lästige Einfädeln vorzubereiten und auch das Rückspulen zumindest zu vertagen. Beispielsweise Loewe-Opta hatte schon 1950 eine Kassette für 18cm-Tonbandspulen vorgestellt gehabt, die das schnelle Auswechseln des Bandes erleichtern konnte. [23] „... Beim „Optaphon" befindet sich das Magnetband in einer Kassette, die das Einfädeln des Bandes erspart. Der technische Vorgang des Einlegens ist so vereinfacht worden, daß man das Band überhaupt nicht mehr in die Hand nehmen muß. ...“ [24]
Im Jahre 1960 hatte 3M-Columbia ihr Kassetten-System fürs Magnetband, samt Wechsler, vorgestellt. Mit Hilfe der Kassette konnte das Band einfach in das Abspielgerät eingelegt werden, das es dann auf eine im Gerät befindliche Spule aufwickelte. Nach einer Spielzeit von 48 Minuten (stereo, 96 Minuten mono) wurde das Band wieder in die Kassette gespult und die wurde dann ausgeworfen. Es gab leere und, von verschiedenen Labels, vorbespielte Bänder. [25]. Für die 3M-Kassette zeigte als erstes Revere, zur Chicago Music Show 1963, einen tragbaren und einen stationären Player. Ein „audiophile Recorder“ sei in Vorbereitung gewesen [26]. In der Folge der Vorstellung sollen sogar die Verkäufe von Schallplatten-Wechslern merklich eingebrochen sein [27]
Der Revere war angeblich [28] der erste Wechsler für Magnetband-Kassetten am Markt gewesen.

Schon im Jahre 1958 hatte RCA-Victor die sogenannte Sound Tape Cartridge [29] präsentiert, die zumindest amerikanische Medien als das Vorbild für die Compact Cassette ansehen. [30] Sie sollte die Handhabung des 1/4“-Bandmaterials vereinfachen und bot diskrete 4-Spur-Aufzeichnung und Wiedergabe mit 9,5 cm/s bei 30 Minuten Laufzeit pro Seite. Eine Kassette hatte also eine Stunde stereofon oder zwei Stunden monofon laufen können. Das sogar in Autoreverse. Die zähe Einführung von Geräten und von vorbespieltem Bandmaterial verhinderten schließlich den Erfolg. Und auch der Preis der Kassette, der 1960 bei $4,50 (für 171m Bandmaterial) gelegen haben soll, gegenüber einer Tonbandspule von 365m Länge zu $3,50 [31]. Einen Wechsler für diese großvolumige Kassette hatte es nicht gegeben.
Ebenso wenig für die 1959 vorgestellte, deutlich kleinere Minifon-Kassette [32] der Hamburger Protona GmbH [33] [34], die diese bereits 1961 in einer angeblich HiFi-tauglichen Version realisiert gehabt hatte.

Tatsächlich hatte es noch deutlich mehr Kassetten-Systeme für das Magnetband gegeben. [35] Für die wenigsten Kassetten waren allerdings automatische Wechsel-Systeme verfügbar gewesen.

Wirklich durchgesetzt hatte sich, zumindest in den USA, die 1965 eingeführte, sogenannte Lear-Jet-Endlos-Kassette, die es zunächst als 4- und bald auch als 8-Spur Version gegeben hatte, die ihren Erfolg vor allem ihrem Einsatz als mobiles Gerät, im Auto, zu verdanken gehabt hatte. Dort waren solche gegenüber vielen Radiostationen von Vorteil, denn die meisten Stationen boten nur eine geringe Flächen-Abdeckung, so dass Reisende entweder oft am Einstellknopf hatten drehen oder sich auf die überregionalen Networks hatten beschränken müssen. Oder sie spielten ihr eigenes Programm von Kassette: werbefrei. Und das konnte die Endlos-Kassetten mit unübertroffenem Komfort! Und es hatte sie zunächst nur vorbespielt gegeben, was den Interessen der Lizenz-Inhaber entgegen gekommen war, was aber auch ihre Vermarktung befördert hatte. Relativ schnell waren auch Wechsler auf den Markt gekommen, und zuletzt auch Leerkassetten.


Die Philips

Beispielsweise im deutschen Prospekt für 1963/64 präsentierte Philips ein „Batterie-Kleinstgerät ... kaum größer als eine Zigarrenkiste. ...“ Der eigentliche Vorteil, „... ein ganz besonderer Pfiff des Taschen-Recorders ist die Schnellwechsel-Kassette. Ohne umständliches Bandeinfädeln ist die Kassette im Handumdrehen einzusetzen und nach 30 Minuten Spielzeit ebenso schnell für weitere 30 Minuten umzulegen. ...“ [36] (Anm.: es fällt mir echt schwer, mich an dieser Stelle nicht über die Aufforderung zum unnötig, quälend verlängerten Kassetten-Mord aufzuregen!)
Im Juli 1967 druckte BILLBOARD ein Interview mit dem Ass. Vice-President von Norelco („North American Philips electrical Company“), der resümierte, es sei weniger als drei Jahre her, dass Philips die Compact Cassette eingeführt hätte. Vor einem Jahr hätten bereits 39 Hersteller Equipment für die Kassette eingeführt gehabt und seitdem hätte sich die Verbreitung verdoppelt gehabt. 5,5 Millionen Geräte für das Magnetband würden laut Industrie-Quellen im laufenden Jahr 1967 verkauft werden und die Compact Cassette hätte bereits einen Marktanteil von 25% erzielt. [37] „.. Greater avilability of pre-recorded music is promting growth of the cassette system in other areas – namely in playpack equipment. At the E.I.A. show Norelco unveiled a series of new cassette players – including the industry‘s first automatic cassette changers ...“ [37]

Wie schon angedeutet, hatte auch die Philips Kassette ihren Durchbruch im mobilen Einsatz erringen können. [20] Gegenüber dem Spulen-Tonbandgerät boten Geräte für die Compact Cassette den Vorteil der geringeren Größe und des geringeren Gewichts, der einfachen Bedienung, des vergleichsweise geringen Energieverbrauchs: 25 Stunden hatte ein Batteriesatz laut Prospekt halten sollen. Um das bei einem Tonbandgerät zu erreichen, brauchte es mehr oder größere Batterien, also mehr Geld. Und die Aufwickelspule war bei der Kassette auch immer dabei!
Selbst im Vergleich zur Lear-Jet Cartridge konnte der tragbare Cassette Recorder mit seinem Größen-Vorteil punkten.

Doch das Gros der US-Amerikanischen Bevölkerung war auch Anfang der Siebziger Jahre noch immer mit Mittelwellen-Radio, billigen Schallplatten-Pressungen und eben Einloch-8-Spur-Cartridges versorgt gewesen. Insbesondere der Markt der vorbespielten Bänder war in den USA noch fest in der Hand der Lear Jet-Geräte gewesen, die etwa 70% Marktanteil gegen Spule und Compact Cassette hatten verteidigen können, wie die FUNKSCHAU 1972 [38] berichtet hatte.

Da hatte es auch nicht geholfen, dass ein Philips, im Gegensatz zum Lear Jet-Player, immer auch ein „Recorder“ gewesen war. Für die Verbreitung im wichtigsten Markt der Lear-Jet war das kein Kriterium gewesen: im Auto.

Die Philips-Bänder wollten zu Beginn von Hand umgedreht werden, um ihre volle Kapazität ausschöpfen zu können. Dabei muss die Kassette liegend in eine Haltevorrichtung geschoben und nach unten gedrückt werden, bis sie sauber im Transport-Mechanismus liegt. Für den Einsatz im Auto ein Ausschluß-Kritierium! „... Many auto supply dealers point out two major handicaps to the use of cassettes in cars: you have to turn them over every fifteen minutes or so; and unlike the endless-loop types, they don't pop out of the player at the touch of a button. ...“ [39]
Erst auf der Ausstellung der Automotive Accessories Manufacturers of America, im Sommer 1968, stellten erste Hersteller Geräte mit einem Mechanismus vor, bei dem die Kassetten auf Knopfdruck ausgeworfen werden konnten, und bewiesen damit, der Einsatz der Compact Cassette im Auto war nun sinnvoll möglich. Aiwa zeigte sogar einen Kassetten-Wechsler fürs Auto [39]. Und das, weil Theo Staar 1965 einen „Slot-Loading Cassette Transport“ [40] zum Patent angemeldet hatte.
Und so hatte die Compact Cassette schon Ende der Sechziger Jahre zumindest die 4-Spur-Version der Lear-Jet Kassette vom Markt verdrängen können [39].

   



Der Ladeschacht

Der Belgier Theophiel Clement Jozef Lodewijk Staar gilt als einer der wichtigsten Köpfe, wenn es um die Compact Cassette geht. Ohne seine Vorarbeit wäre nicht nur mein Lenco nicht möglich gewesen!
Wer bei „www.depatisnet.de“ den Suchbegriff „Staar SA“ eingibt, der findet aber nicht nur Patente zum Thema „Kassette“. Staar galt, seit der Nachkriegszeit, zunächst als Entwickler wichtiger Innovationen im Bereich Schallplattenwechsler, Diktiergeräte und Bandtransport. Prof. Dr. hc. Walter Bruch schrieb im Mai 1982 in der FUNKSCHAU, Theo Staar sei wahrscheinlich auch an der Entwicklung des ursprünglichen Philips Recorders für die Compact Cassette zumindest beteiligt gewesen. [1] Kein Zufall, dass sein Name zum Beispiel die Rückseite eines Grundig CNF-350 ziert. Ein Sanyo, in dem sich ein von Staar entwickeltes Laufwerk befindet.

Aber auch nahezu jedes Blaupunkt Auto-Kassettengerät der Siebziger basiert auf Staar-Lizenzen. Denn in diesen Blaupunkt ist ein Lade-System verbaut, das Theo Staar 1965 zum Patent angemeldet hatte, und das schon 1970 von fünfundzwanzig Herstellern aus der ganzen Welt, vor allem für Auto-Kassetten-Geräte, lizensiert gewesen war [30].

Wer schon einmal ein Auto-Kassettengerät der Siebziger benutzt hat, der weiß zu schätzen, dass das Laden und Entladen so eines Geräts ausschließlich mit Muskel- und Federkraft betrieben wird. Die Energie, die aufgewendet wird, die Kassette, gegen den Widerstand eines Federsystems, in den Schacht hinein zu schieben, wird durch die Federn gespeichert und kann auf Knopfdruck freigesetzt werden, die Kassette wieder auszuwerfen.[/font][/size]

Wer schon etwas länger hier mitliest, der mag sich an meine Vorstellungen des Beltek M1150 oder des Uher CG360 erinnern, deren Entwickler Staars Erfindung interpretieren hatten.

Dem originalen Philips-Recorder wird die Kassette quer liegend zugeführt. Man schiebt sie schräg von oben in die Halterung und drückt sie dann nach unten, bis die Kassette in der Bandführung liegt und einrastet. Zur Entnahme der Kassette muss ihr Gehäuse gegriffen und aus der Halterung gehoben werden: erst ankippen, dann heraus heben. Dies erfordert Aufmerksamkeit und einen geeigneten Platz im Wagen.

In der Praxis besteht der Unterschied zwischen Staars Ladeschacht und dem üblichen Philips-Recorder darin, dass der Benutzer eines Staar die schmale Seite der Kassette einfach nur in den Schacht zu stecken braucht; den weiteren Einzug und die betriebsbereite Positionierung macht das Gerät selbstständig. Das spart Platz im Cockpit, erlaubt die Positionierung nahe beim Fahrer und die Bedienung während der Fahrt. Soll die Abspielung beendet werden, drückt der Bediener auf nur einen Knopf und das Gerät beendet die Wiedergabe und wirft die Kassette aus, so dass sie mit einem Griff, mehr oder weniger ohne hinzusehen, entnommen werden kann. Ideal vor allem für Auto-Kassettengeräte und weitgehend fehlbedienungssicher.
Alfred Zuckman, Vice President Engineering der Benjamin Electronic Sound Corp., beschrieb das Verfahren 1970, anlässlich eines Artikels in ELECTRONICS WORLD so: „... As the cassette is pushed into the slot, it bears against pins attached to a plate on which is mounted the motor-flywheel-capstan system and the two hubs (...). The plate is hinged at four points by parallel-action linkages attached to the main chassis. As the cassette is inserted the hubs and the capstan swing up into the appropriate openings, engaging the reels fully and pinching the tape between the capstan and pinch roller in the final position when contact is made between the tape and the head. ... When the hinged plate is fully engaged, it is latched into position. ...“ [30]
Und eben dieser Mechanismus war die Voraussetzung für die Entwicklung eines effizienten Wechsel-Systems gewesen.


etwas Kontext

Viele US-amerikanische HiFi-Hersteller und -Fachhändler begannen in der zweiten Hälfte der Sechziger Jahre zu darben. Das Wachstum der Branche hatte die Kaufbereitschaft der Kunden überstiegen und so hatten immer mehr Hersteller und Händler versucht, breitere Käuferschichten mit immer günstigeren Preisen zu erschließen. Es war nicht mehr nur importiert worden, um Lücken in der Produktpalette zu schließen oder bessere Qualität liefern zu können, sondern zunehmend auch, um billiger anbieten zu können.
Nun sollten neue Geräte-Typen und neue Technologien die Lösung bringen: Beispielsweise Avery Fisher hatte zu einer Gruppe von Unternehmern gehört, die ihre Hoffnungen in die Quadrophonie gesetzt hatten.

   

Allerdings waren auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den USA allgemein schwierig geworden. Einerseits hatte die Hoch- und Höchst-Konjunktur der Nachkriegszeit einem Großteil der Bevölkerung der USA „zum ersten Mal“ einen guten Lebensstandard beschert gehabt: Schon „1960 hatten 55% aller Haushalte Waschmaschinen, 77% besaßen Autos, 90% hatten Fernseher und fast alle hatten Kühlschränke.“ [41] Die Menschen hatten konsumiert. Auch HiFi.
Andererseits hatte die amerikanische Konsumgüter-Industrie immer mehr Produktion und damit auch immer mehr Arbeitsplätze ins Ausland verlagert gehabt. Gleichzeitig kosteten Raumfahrt und Krieg den Staat ungeheure Summen, die mit Krediten finanziert worden waren. So berichtete DER SPIEGEL im August 1969, die „...jährliche Ausgaben für den Vietnam-Krieg in Höhe von annähernd 200 Milliarden Mark ...“ hätten „... den Wert des Dollars um fünf Prozent im Jahr schrumpfen lassen. ...“ Die Verbraucherpreise wären infolgedessen „... mit der Rekordrate von jährlich 7,2 Prozent ...“ gestiegen. [42] Nein, nicht heute. 1972.
Der Versuch, das Problem von der Zentralbank lösen zu lassen, war gescheitert: Die hatte höhere Zinsen verordnet, was zu einer Prime Rate von 8,5% geführt, aber die Kredit-Aufnahmen nicht hatte stoppen können: „... In der Hoffnung, die Kreditkosten in voller Höhe auf die Verbraucher abwälzen zu können, investierten Amerikas Unternehmer mehr geliehenes Geld als je zuvor. Allein in den ersten vier Monaten des Jahres nahm die Summe der Bankkredite um 15,5 Prozent zu -- gegenüber 11,5 Prozent 1968. ...“ [42] Dahinter hatte die Überlegung gesteckt, man könne quasi die Inflationsrate von den Kreditkosten abziehen. Gleichzeitig stieg auch die Zahl der Arbeitslosen und brachen in immer mehr Branchen die Gewinne ein. Denn Importe, auch die von Vorprodukten, wurden teurer und die Kunden im Binnenmarkt konnten sich immer weniger leisten. Die Lohnforderungen der Gewerkschaften stiegen. Eine Rezession drohte. 1972.
Auch die im Ausland hergestellten Produkte der HiFi-Firmen wurden plötzlich teurer und auch hier war die eigene Produktion in weiten Teilen abgebaut worden. Und so hatten viele HiFi-Firmen nochmal einen Einbruch an Umsatz und Profit erlebt. [43]

Die neuen Technologien sollten das lösen. Beispielsweise die Rauschunterdrückung sollte das Hintergrundrauschen beseitigen, das bei Aufnahmen mit langsamer Geschwindigkeit entstand, somit die Qualität verbessern. Und der Autoreverse-Wechsler sollte es ohne Benutzereingriff ermöglichen, gleich einen ganzen Tag lang Musik zu spielen. Beispielsweise Joe Benjamin vertrat Anfang 1972, im Interview mit Bruce Weber [44], die Ansicht, Rauschunterdrückung und Kassettenwechsler würden dem Umsatz vorbespielter Bänder einen Schub verleihen. "... Both technological breakthroughs promise to give cassettes a new dimension. ..." [43] befand die BILLBOARD schon Ende 1970.


Der Wechsler

Im November 1970 berichtete BILLBOARD über den technischen Stand der Kassetten-Wechsler, die bislang erhältlichen Geräte würden alle samt nach dem selben Prinzip arbeiten. „... stacking up from two to eight cassettes, like an automatic turntable. The changer plays the first program on each cassette, ejects it, and plays the first program on the following cassette. ...“ [43] Ampex und Norelco (Philips) böten Wechsler an, bei denen, von einem Vorrat, zunächst automatisch die ersten Seiten hintereinander abgespielt werden könnten, der dann im Ganzen umgedreht werden müsse, damit dann alle B-Seite in automatischer Abfolge gehört werden könnten
Schon im Sommer 1968 hatte Norelco in einem Werbe-Artikel den Philips N2502 beschrieben, „… an automatic cassette changer playback deck for use with existing high fidelity equipment. Accommodating six cassettes, it is the industry‘s first cassette changer and provides up to six hours of continuos music.
The changer consists of a removable sleeve that fits atop the machine. Cassettes stacked in the sleeve are automatically deposited into playing position and, as completed, stored within the cabinet. The unit automatically turns off when the final cassette has been played. (...) Cost is about 130$.
Two new models will be introduced later this year. The
2401 adds the convenience of an automatic changer to a stereo record and playback system. The unit is, in effect, a combination of the 450 series with the 2502 changer playback deck. It will be retail for about 250$. ...“ [45]

250$ nur für einen Wechsler? Einen Gesamtpreis von 150-200$ hatte sich RCA 1970 für eine einfache Quadro-Anlage für junge Leute vorgestellt, die den Absatz von Quadro-Bändern hatte befördern sollen. Sie hatte aus einer kompletten Anlage, Cassettenplayer, Verstärker und vier Boxen, bestehen sollen [46]

Ende Januar 1970 berichtete BILLBOARD, „... the North American Philips Corp. has developed a new cassette circulator, a snap-on device which gives continuous playback capacity to automatic cassette changers. ...“ [47] Ein einfaches Gerät ohne bewegte Teile Der CC-6. würde wie ein Ski-Lift funktionieren, hatte Wybo Semmelink von Norelco berichtet. „… The cassette moves into the changer‘s playing chamber, and, when finished, is pushed forward by the next cassette. The fourth cassette nudges the first ‚over the hill‘ and it slides automatically back into the playing stack. ...“ [47]
Das Konzept des Philips Circulators sei von Ampex und von Bell & Howell aufgegriffen worden. [48] Daher könne der CC-6 ebenso für die Philips-Wechsler 2401, 2401A und 2502 verwendet werden, wie für die Ampex Micro 90 und 95 und für die Bell & Howell 332 und 337. [47]

Ein idealer Kassettenwechsler würde jedoch, nach der A-Seite, zunächst die zweite Seite einer Kassette abspielen und erst dann automatisch zur ersten Seite der nächsten Kassette wechseln. [43]
Zumindest Autoreverse hatte das Kassetten-Laufwerk, das Theo Staar zwischenzeitlich vorgestellt hatte, bereits gekonnt: „...A more recent development is a transport mechanism which automatically senses the end of the tape on the cassette and reverses tape direction to play the other tracks. The Fast-Forward and Rewind push-button automatically reverse function when the tape reverses so that the Fast-Forward button functions as Fast-Forward irrespective of the direction of tape motion. ...“ [30]

Von der geforderten „zweiten Generation“ Kassettenwechsler des Jahrgangs 1972 berichtete BILLBOARD kurz vor Weihnachten 1971: Während die erste Generation zu teuer, zu wenig beworben und technisch nicht auf dem neuesten Stand gewesen wäre, zeigten sich die Wechsler nun als ein weiterer Schritt, „… in making the cassette a high fidelity medium.“ [48] (Anm.: was mal wieder zeigt, dass man in den USA eine doch andere Vorstellung von der Bedeutung des Begriffs „High Fidelity“ gehabt hatte, also hierzulande)
Bei Erscheinen des Artikels im Dezember 1971 hätte Benjamin bereits den Wechsler RAC-10 nach dem Staar-Prinzip progpagiert, der von Lenco hergestellt würde; ein vergleichbares Modell auf Staar-Basis war für 1972 mit dem Ampex Micro 335 angekündigt gewesen. [48]
Bereits 1970 hatte Alfred Zuckerman das beschrieben: „... A further development for home entertainment use is a cassette changer which incorporates the control features of the bi-directional unit just described. In this unit, a small tray which accepts up to eight cassettes is loaded onto the top of the machine. The first cassette drops into a slot, plays, reverses, plays the return tracks, and then rises to the tray. The tray advances to permit the net cassette to play. The process continues until the last cassette is played at which time the cassette returns to the tray and the mechanism shuts itself off. ...“ [30].
In der Serien-Version sollte das Magazin des Lenco dann zehn Kassetten tragen.

Schon in der Juli-Ausgabe der BILBOARD von 1970 hatte Dick Merryman, Vertriebs-Manager der Konsumenten-Sparte von Wollensak festgestellt, „... the cassette changer concept will bust the home enternainment market for cassettes wide open. ...“ Wollensak wolle in 1971 einen Autoreverse-Wechsler unter dem 3M-Patent auf den Markt bringen. [49]
Sony hatte für 1971 einen 24fach-Autoreverse-Wechsler mit Schaufelrad-Spender angekündigt gehabt. [50] Auch Vivitar hatte einen Autoreverse-Wechsler in das Programm für 1972 aufnehmen wollen.
Der Distributor Roberts hatte für das Jahr 1971 Hoffnungen auf einen Wechsler für sechs Kassetten gemacht, der die Kassette umdrehen könne; der Autoreverse-Recorder solle unter 200$, der Wechsler unter 300$ kosten [49]: Tatsächlich hatte Akai dann im Dezember 1971, mit den CC-60 und CC-600, seine Wechsler-Version des "invert-o-matic" genannten Autoreverse-Systems vorgestellt. [48]
Neben dem RAC-10 hätte Benjamin immer noch den seit Ende 1970 beschriebenen Karussell-Wechsler für 24 Bänder angekündigt gehabt („... There is also a 24-cassette version of the changer which uses a rotating tray. ...“ [30]). Auch Panasonic (Matsushita) wollte weiterhin ein solches Gerät mit einer Kapazität von bis zu 20 Kassetten anbieten; beide basierten auf Staar-Patenten. 3M/Wollensak hatte einen 5fach-Wechsler präsentiert, der den Kassetten-Vorrat, dem Wurlitzer gleich, auf einer rotierenden Platte getragen hätte. [48]
Anfang 1972 kündigte Joe Benjamin im Interview für die BILLBOARD [44] für das Jahresende einen 10fach-Wechsler mit Dolby-Rauschunterdrückung und umschaltbarer Bandsorte für etwa $350 an. Außerdem plane Lenco immer noch die Einführung eines 24fach Wechslers. Benjamin wolle einen 24fach Karusell-Wechsler in den USA mit Aufnahme-Funktion anbieten.
Joe Benjamin beendete das Interview mit den Worten: „... The monetary confusion must be resolved in the next few months before we can accurately predict the business climate for 1972“, um dann der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass die „... problems are behind us, inflation will level off, dock strikes should be over, and the economy should be turning. I‘m bullish.“ [44]

In der Ausgabe vom 22.08.1971 hatte DER SPIEGEL einen Artikel mit den Worten begonnen, „... US-Präsident Richard Nixon hat mit seinem Radikalprogramm zur Rettung des Dollars den Welthandel in eine schwere Krise gestürzt. ...“ [51]: Die Aufhebung der Gold-Bindung des US-Dollar. Ein Moratorium von Lohn- und Preissteigerungen für zunächst 90 Tage. Die Einführung einer 10%-Einfuhrsteuer auf die Hälfte der Handelsgüter.
Bereits zwischen Mai und August 1971, vor der Verkündung der Maßnahmen, hatte der US-Doller gegenüber der D-Mark 8% an Wert verloren. Amerikanische Touristen in Rom mussten binnen einer Woche im August einen Wertverlust ihrer Barschaft von 10% hinnehmen. „... Ein Sprecher der First National City Bank in Rom erklärte: »Wenn Touristen bei uns Dollar eintauschen wollen, müssen wir ihnen sagen: »Tut uns leid, wir tauschen überhaupt keine Dollar mehr -- weil wir einfach nicht wissen, was er noch wert ist.« ...“ [51] Viele Deutsche Firmen waren in den USA nicht mehr konkurrenzfähig gewesen, zu teuer geworden, und hatten in der Folge nicht nur ihr „HiFi“-Programm weitgehend eingestellt. Auch das Design orientierten die Großen der Branche nicht mehr am US-amerikanischen Geschmack.
Nicht nur Lenco hatte in diesen Zeiten die Entscheidung treffen müssen, ob es lohne, den 24fach-Wechsler für die USA zu produzieren. Benjamin musste entscheiden, ob er einen Wechsler mit Dolby bestellen wollte. Und Joe Benjamin hatte einen Preis für einen in Italien produzierten Wechsler finden müssen. Auch im nächsten Jahr, im übernächsten. Im Juli 1971 war der Endkundenpreis des RAC-10 mit 249,95$ angegeben worden. Ende 1971 nannte Benjamin für den Wechsler immer noch einen Preis von „unter dreihundert Dollar“ [48]. Im März 1972 sprach das HIGH FIDELITY MAGAZIN von exakt dreihundert Dollar [52].
Im Verlauf der Siebziger sollte der Dollar gegenüber der D-Mark fast ein Drittel an Wert verlieren und im Oktober 1976 nannte die AUDIO für einen Lenco-Wechsler, nun ohne Aufnahmefunktion, einen Preis von 579,95$ [53]. Und es scheint, der Lenco Karussell-Wechsler ist nie auf den Markt gekommen. Und auch der Panasonic verschwand nach nur einem Jahr wieder aus den Katalogen. Die japanischen Firmen begannen den europäischen Markt für sich zu entdecken und immer mehr Hersteller boten ihre Spitzen-Geräte gar nicht mehr in den USA an.

   


Auto-Reverse

Unter den Titel „Wollensak Developing Cassette Changer & Bi Directional Unit" schrieb der Autor in einer BILLBOARD-Ankündigung noch im Sommer 1970 [49], „... Cassette changers will appear in more product lines in both Norelco vertical stack on type in which the cassettes are horizontal and the Staar type units with the cassettes stacked vertically on a horizontal rack. ...“ und zitierte Wollensack‘s Sales Manager Dick Merryman, „When the automatic reversing cassette recorders are matched with changers, it will enhance the acceptance of changers."

Die ersten Kassetten-Wechsler am Markt waren tatsächlich keine Autoreverse-Geräte gewesen. Noch Ende 1971 konstatierte BILLBOARD, „... Dealers selling cassette changers should warn consumers that not all units combine the changer with an automatic reverse feature and hance will play half of each cassette in the sequence. ...“ [48]
Beispielsweise der um 1970 erschienene Philips N2401 verfügte über einen Ladeschacht, in den sechs Kassetten, liegend, übereinander hatten gestapelt werden können. [54] Die Kassette, die zu unterst lag, befand sich im Laufwerk und konnte gespielt werden. Forderte der Benutzer, per Tastendruck, die nächste Kassette an, stoppte das Band, wurden die Andruckrolle, der Tonkopf und ebenfalls der Bandtransport abgeschwenkt und die Kassette mit einem Schieber nach rechts, in ein Vorratsfach ausgeworfen und die nächste Kassette konnte in das Laufwerk fallen.
Bessere Geräte waren in der Lage gewesen, in einem zweiten Durchlauf des Band-Vorrats, jeweils die B-Seiten der Kassetten abzuspielen. Beispielsweise bot Philips für den N2401 den skurrilen, optionalen Kassetten-Wender N6711 an. [55] Wurde der aufgesetzt, beförderte der Schieber die ausgeworfene Kassette nicht in das Vorratsfach, sondern auf eine Plexiglas-Bahn in der Form eines liegenden „U“: Eine ausgeworfene Kassette drückt, angetrieben durch den Schieber, die zuvor ausgeworfene weiter in die Bahn, bis sie, nun umgedreht, wieder in das Laufwerk fällt. Damit hatte Philips nicht allein gestanden: „... Many changers will also accomodate a Norelco-made „circulator“ that plays six cassettes, and then flips them over for other sides. ...“ [48], denn einige Mitbewerber hatten nicht nur die Compact Cassette lizensiert, sondern auch den Philips-Wechsler samt Zubehör.
Beispielsweise Akai hatte das „selbstständige“ Umdrehen einer Kassette perfektioniert und im Dezember 1971, mit den Wechslern CC-60 und CC-600 [48], seine Invert-O-Matic [56] präsentiert, brachte sie 1972 auch in die Heim-HiFi-Serie ein. [57]

"... The next big tape innovation from Japan is expected to be a player that not only changes cassettes automatically but reverses itself and plays both tracks of each cassette before changing. The Staar system has been licensed to no fewer than eleven Japanese manufacturers, with more expected to join the list as the year rolls on. Actually, the Staar changer is not a Japanese invention but the brain child of Dr. Theo Staar of Belgium. Developed originally to make cassettes more practical for automobile use by obviating the need to flip over the cassette at the end of each track, the tape reverses direction and a second record / playback head takes over the playback function automatically. As the changer finishes playing the second track in each cassette, it ejects the cassette and a new one falls into place. ...“ [58]

Der Staar-Wechsler weicht von den beschriebenen zeitgenössischen Konkurrenten also durch eine Eigenart ab: es handelt sich um ein modernes, zwei-motoriges Autoreverse-Gerät: Ein Motor treibt beim Lenco die beiden angetriebenen Capstan-Wellen an, ein anderer die beiden Wickel. Das Band kann erst in die eine, dann in die andere Richtung transportiert werden, braucht dabei im Laufwerk nicht umgedreht zu werden.
Im Laufe der Bauzeit wurde das Laufwerk modifiziert, kam zwischenzeitlich auch als 4-Motorer in den Handel.

   

Fortsetzung folgt ...



Der Staar-Mechanismus

Viele frühe Wechsler waren, einem Pocket-Dia-Projektor gleich, mit einem Vorratsbehälter ausgestattet gewesen, in dem die Kassetten übereinander gestapelt werden und nacheinander in das Laufwerk fallen, sobald ihr Vorgänger, mit Hilfe einer Schublade oder eines Schiebers, entfernt worden war. Die Philips [54] arbeiteten nach diesem Konzept.
Um das zu ermöglichen, musste das Laufwerk liegend verbaut und der Vorratsbehälter darüber angeordnet sein und die Möglichkeit bestehen, Achsnippel, Capstan, Tonkopf und Andruckrolle, sowie so etwas wie eine Halteklammer beweglich zu installieren, damit sie das Laden und Entladen nicht blockierten. Der Auswurf muss dabei getrennt von der Zuführung erfolgen, damit die gebrauchte Kassette die nächste nicht blockiert. Für den Einsatz im Auto eher nicht geeignet.

Für den Einsatz in einem Kassettenwechsler für das Wohnzimmer wurde Staars Ladeschacht variiert: die Mechanik vereinfacht und gleichzeitig sein Antrieb elektrifiziert. Offensichtlich wird die Kassette nicht mit der Schmalseite eingesteckt, sondern mit der Breitseite eingeführt, die offene Bandführung zuerst. Bei senkrechter Zuführung hilft die Erdanziehung mit, führt das Bandmaterial direkt der Bandführung zu.



   

Die Idee hatte darin bestanden, einem Diaprojektor gleich, Kassetten in einem Stab- oder Karussell-Magazin vorzusortieren und dieses so über dem Ladeschacht zu bewegen, dass eine Kassette, mit Hilfe der Gravitation oder mit einem Lift, in den Schacht befördert werden kann. Das Fassungsvermögen des Magazins ist konstruktiv weitgehend unabhängig vom eigentlichen Wechsler. Es muss immer nur das Magazin größer werden, wenn mehr Kassetten bevorratet werden sollen, während bei der Methode mit Vorrats-Schacht auch der Auffang-Behälter wachsen müsste, wenn mehr Kassetten gewechselt werden können sollen. Außerdem erlaubt die Verwendung eines Magazins die nicht-lineare und auch die mehrfache Auswahl von Kassetten in einem Abspielvorgang. Sogar die direkte Anwahl ist möglich.
Zudem ist es auf diese Weise ohne großen Aufwand möglich, eine größere Anzahl von Datenträgern in so einem Magazin oder sogar in mehreren Magazinen vorzubereiten und beliebigen, baugleichen Abspiel-Systemen en bloc zuzuführen.

Hört sich logisch an? War beim Diaprojektor bereits realisiert. Warum war das also nicht vor Beginn an so gemacht worden? Weil zunächst Theo Staar seinen Lademechanismus hatte präsentieren müssen.

   

Theo Staar hatte also nicht nur den Lade-Mechanismus und das Laufwerk, sondern einen kompletten Wechsler entwickelt. [59] Die ursprüngliche Patent-Anmeldung für den Wechsler stammt aus dem Juno 1967. In den USA wurde das Patent 1968 beantragt [59].
Ampex in den USA, Plessey in England, Matsushita in Japan und eben Lenco in Italien hatten schon 1970 eine Lizenz erworben gehabt, so einen Staar Magazin-Wechsler zu produzieren. [4]

   

Die Produktion bei Lenco Italiana soll, im Gegensatz zur Ankündigung von Benjamin Ende 1970 [30], im Herbst 1971 begonnen haben, wie die Hauszeitschrift von Lenco in der Ausgabe 5 von 1971 berichtete: "... In Italien wurde diesen Herbst nun die Fabrikation unseres Kassettenwechslers in Angriff genommen. ..." [60] Gezeigt wurde ein RAC-10 mit Aussteuerungs-Regler und Pegel-Instrumenten.

   

Die Kassetten werden, die Bandführung nach unten, in ein oben und unten offenes Magazin gestellt, und durch einen beweglichen Metall-Bügel vor dem nach unten Herausfallen gehindert.

   

Auf der Oberseite des Lenco gibt es zwei Schienen, zwischen denen ein beweglicher Schlitten aufgehängt ist. Dieser wird mit Hilfe eines Zahnrades, Stück für Stück fortbewegt. Auf diesen Schlitten wird das Magazin aufgesetzt.

   

Zwischen den Führungen des Schlittens befinden sich, auf der Oberseite des Lenco, zwei Kunststoff-Schienen, auf denen die im Magazin befindlichen Kassetten zu stehen kommen können, sobald die Wechsler-Mechanik mit ihrem Greifer den Haltebügel zur Seite drückt. Das passiert, wenn der Wechsler eine Kassette in das Magazin hinein hebt oder wenn eine Kassette in das Wechsler-Gehäuse hinein gefahren werden soll. Der Arm des Transport-Liftes, der den Bügel zur Seite drückt, gibt ihn wieder frei, sobald der Lift zurück in das Innere des Gehäuses gefahren ist; dann ziehen zwei Federn den Bügel wieder in seine Position, so dass er die Kassetten von den Schienen abhebt und so die Bewegung des Magazins ermöglicht und gleichzeitig die Kassetten vor dem unerwünschten Herausfallen schützt.

   

Das Ein- und Ausfahren der Kassette erfolgt durch einen senkrechten Schacht, der an der Oberseite des Player-Gehäuses beginnt und letztlich am Gehäuseboden endet. Die Stütz-Schienen auf der Oberseite des Lenco führen beidseitig bis an den Rand des Schachtes heran. Der Schacht verfügt an beiden Schmalseiten über jeweils eine Schiene, die in einer Auflage enden. Zwischen den Schienen fällt die Kassette nach unten bzw. zwischen ihnen wird die Kassette nach oben gehoben.
Zwischen den Auflagen, oberhalb des Bodens sitzt der fest installierte Tonkopf und blickt gewissermaßen erwartungsvoll nach oben. So er denn blicken und erwarten kann. Unterhalb des Niveaus des Tonkopfes befindet sich die Parkposition des Liftes, der durch eine Kunststoff-Gabel gebildet wird.
Es wird also am Boden des Schachtes nicht die Kassette in das Laufwerk gedrückt, sondern das komplette Laufwerk wird an den Kassetten-Schacht heran gefahren.

   

Ist die eingelegte Kassette abgelaufen bzw. wird die Auswurf-Taste gedrückt, wird ein Greifer, der in die Haltestange am Magazin greift, nach außen bewegt, so dass auch die Stange nach außen gedrückt wird und die im Magazin befindlichen Kassetten auf die Schienen abgesetzt werden. Das leere Fach im Magazin ist nun von unten zugänglich und die Kassette kann hinein gehoben werden. Zeitgleich wird das Laufwerk von der Kassette weg gefahren. Im nächsten Schritt beginnt sich die Gabel also nach oben zu bewegen und hebt die im Schacht befindliche Kassette an.
Wenn der obere Totpunkt der Lift-Mechanik erreicht ist, fährt der Greifer zurück zur Mitte und die beiden Federn am Magazin führen den Bügel wieder unter das Magazin, so dass die Kassetten nun von den Führungsschienen abgehoben und gegen das nach unten Herausfallen gesichert sind. Der Lift beginnt wieder nach unten zu fahren und das Zahnrad bewegt das Magazin so weit, dass die nächste Kassette über dem Schacht zu stehen kommt.

   

Der Greifer fährt nach außen und öffnet das Magazin erneut nach unten und die über dem Schacht befindliche Kassette fällt auf die in Abwärts-Bewegung befindliche Lift-Gabel. Anschließend bewegt sich der Greifer zurück zur Mitte und verschließt das Magazin.

   

Auf der Seite der Lift-Mechanik befinden sich am Schacht vier elektrische Schalter, die von Nocken bedient werden, die sich mit dem Transport-Lift bewegen.

   

Auf der gegenüberliegenden Seite ist ein solcher Schalter installiert, der von einem Stößel motiviert wird, der mit der Basisplatte verbunden ist, auf der der Antrieb montiert ist.

   

An der Außenseite der Basisplatte sind die Antriebsmotoren für den Capstan und der Wickelmotor, sowie das zugehörige Getriebe installiert. Die Wickel-Dorne und die Capstan-Achsen durchstoßen die Platte.

   

Sie ist mit einem Parallelführungs-Gestänge mit dem Schacht-Gehäuse verbunden: vier an beiden Seiten drehbar gelagerte Verbindungsstangen halten in der Ruheposition das Laufwerk oberhalb der Betriebsposition, so dass die Verbindungsstangen schräg nach oben, fast ganz senkrecht stehen.
Wird die Verriegelung gelöst, zieht die Gravitation die Platte nach unten und die Verbindungsstangen führen sie zudem an den Kassetten-Schacht heran.

   

Soll die Kassette entnommen werden, fährt der Zahnrad-Antrieb die Basisplatte wieder in die Ruheposition zurück.

Die Mechanik des Liftes besteht beim Wechsler also aus drei beweglichen Elementen, die, mit Hilfe von Zahnräder angetrieben, einen gemeinsamen Ablauf durchführen, der letztlich durch einen Stegmann-Motor angetrieben wird. Reaktiv helfen Federn und Gravitation.
Da die Mechanik direkt getrieben ist, sind sämtliche Antriebs-Funktionen, d.h. der Vortrieb des Magazins, der Kassetten-Lift und auch die Mechanik für das Laden der Kassette in den eigentlichen Bandtransport, miteinander in einem geschlossenen, Zahnrad-, Steuerscheiben- und Schubstangen-getriebenen Ablauf verbunden.
Da die Gravitation helfen soll, kann dieser Lenco nur stehend betrieben werden. Ansonsten würde der Transportlift zwar in das Innere des Gehäuses fahren, die Kassette jedoch irgendwo am Schacht-Eingang liegen bleiben. Auch das Herabfahren der Laufwerksplatte wird bei liegendem Gerät nur bedingt funktionieren. Wer den Lenco also, Platz-sparend, hängend unter die Tischplatte schraubt, schafft vielleicht ein wachsendes Kunstwerk auf dem Fußboden, hört aber wenig Musik.

Prinzipiell kann die Erdanziehung natürlich auch durch Motorkraft ersetzt werden. Wenn die Gravitation nicht hilft, könnte halt, wie beim Diaprojektor, ein Schieber oder ein Zahnrad zum Einsatz kommen. Dann wäre es auch vollkommen egal, ob der Schacht unter, über oder neben einem Magazin angeordnet wäre.

Tatsächlich hatte Theo Staar zwei Formen des Wechsler konzipiert gehabt. Während Alfred Zuckerman in seiner Vorstellung in ELECTRONICS WORLD [30] einen Wechsler für ein Stab-Magazin vorgestellt hatte, in dem die Kassetten hintereinander standen, warb sein Arbeitgeber zunächst für einen Karussell-Wechsler: „... Benjamin Electronic Sound has a 24 cassette changer with automatic reversing a system designed by Theo Staar and manufactured for Benjamin in Switzerland. ...“ [49]
Laufwerk und Ladeschacht dürften bei beiden Geräten identisch sein. Lediglich die Form des Gehäuses und die Konzeption des Magazins unterscheiden sich. Wie beim Diaprojektor, den es auch mit Karussell-Magazin gab.

Lenco hatte mit dem RAC-10 zunächst einen 8fach-Wechsler mit Stab-Magazin vorgestellt gehabt [30], der dann als 10fach-Wechsler tatsächlich in den Handel gekommen war [61]. Ampex hatte auf der gleichen Basis, mit dem Micro 335, einen 12fach-Wechsler mit Stab-Magazinen vorgestellt. [48]
Ob der Lenco Karussell-Wechsler über das Prototypen-Stadium hinaus gekommen ist, ist mir nicht bekannt. Zumindest gebaut hat so einen Wechsler Staar‘s Lizenznehmer Matsushita ab dem Jahre 1972. [62] Da es die Marke „Technics“ noch nicht gegeben hatte, war der RS-296 US unter der Marke Panasonic in den Handel gekommen, taucht jedoch in den deutschen Gesamt-Prospekten nicht auf: Wechsler-Land war halt in Übersee gewesen.

Fortsetzung folgt ...
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
Lenco's Wechselspiele(r) - von Matthias M - 24.06.2022, 16:58
RE: Lenco's Wechselspiele(r) - von Matthias M - 24.06.2022, 17:26
RE: Lenco's Wechselspiele(r) - von cisumgolana - 28.06.2022, 06:19
RE: Lenco's Wechselspiele(r) - von Pernod61 - 28.06.2022, 18:01

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste