"JVC's ARNS/Super-ARNS"
#8
Schön'n Sonntag!

Wer könnte ihn nicht brauchen, denn meist gibt's 'was anderes... So auch jetzt von mir, denn Wolfgangs Probleme sind systembedingt vermutlich nicht oder nur mit den Amateuransprüchen der 1970er zu bewältigen, an die JVC mit der Kompatiblitätsbehauptung appelliert. Ich denke deshalb, dass es etwas für sich hat, der Sache zunächst prinzipiell auf den Leib zu rücken,was allerrdings ein paar Buchstaben kostet; ich bitte daher schon vorweg um Vergebung.

Der von Michael dankenswerterweise eingestellte Text aus der Feder der 'technischen Autoren' von JVC beschreibt allerdings nicht direkt die Funktion von ANRS oder Dolby, sondern die eines jeden Rauschminderungssystems, dessen Prinzip schon Bruno Woelke 1944 in einem Patent für das Magnetband vorschlug und vom Reichsrundfunk nach Aussagen von Hans Heydas Elektroakustischem Taschenbuch 1947 (vermutlich) zur Dynamiksteigerung von Fernübertragungsleitungen in Gestalt eines elektronischen Regelverstärkers (!) verwendet wurde.

Das Problem des genannten Regelverstärkers besteht darin, dass die Ein- und Ausschwingzeiten des Verstärkungsregelsystems möglichst ohne Verzerrung des Signales arbeiten (schnelles, aber angemessenes Ein- und Ausschwingen) und ohne hörbares Rückkehren des Bandrauschens ("Rauschfahne") bei der Wirkungsreduktion des Kompanderzweiges bleiben. Dies erreicht man in der Regel durch vier (mehr unterscheidet/erwartet das Gehör nicht) voneinander völlig unabhängig wirkende Bearbeitungsfrequenzbänder, deren Ein- und Ausschwingzeiten man nach definitiv belegten psychoakustischen Kenntnissen soweit optimieren kann, dass man nichts hört.

Dies Verfahren aber ist für den Amateur zu teuer. Weil das Spektrum des störend wirkenden Rauschens günstig liegt, beschränkt[e] man sich daher in Amateurgerät auf einen einzelnen Hochtonkanal, was bei ANRS und Dolby B in gleicher Weise vorliegt.

Bei der Rauschminderung per se gibt es zwei grundsätzliche Verfahrensfamilien, die immer miteinander konkurrierten: Dasjenige mit gebogenen (Dolby) und ein anderes mit dB-linearen Kennlinien (NoisEx, dBx, Telcom). Die Vor- und Nachteile liegen weitgehend auf der Hand: Die gebogenen Kennlinien folgen letztlich nicht der Gehörserwartung, werden also nicht so leicht wahrgenommen, verlangen aber bei Aufnahme und Wiedergabe eine Ansteuerung des Prozessors mit exakt identischem Signal, damit die 'Kurvenbiegung' bei Aufnahme und Wiedergabe invers liegt, also das Ursprungssignal auch wirklich wiederhergestellt werden kann. Kompromisse sind da bis in die ordnungsgemäße Einmessung und die Bandsättigung hinein (Cassette!) eigentlich nicht zulässig. Hier wird es also eng. Dafür ist eben die Maskierung der Prozessorarbeit zusätzlich perfektioniert.

Nachdem in der Frühzeit der Kompanderverfahren die Chargenkonstanz der Bänder noch nicht so hoch war, entschied sich Ray Dolby für dieses Verfahren, was es aber für den anspruchsvollen, großindustriellen Einsatz beim Rundfunk hierzulande nicht gerade verwendbar macht, weil dem Sendetechniker nicht zugemutet werden kann, den Eingangspegel seines 'Sendeprozessors' demjenigen eines jeden aufzulegenden Bandes individuell anzupassen; (auch) hierzulande weiß man mit Murphy, dass all das schiefgeht, was schiefgehen kann. Es ist einem nur nicht gleichgültig (gewesen). Infolgedessen kam Dolby A hierzulande nie in den Sendebetrieb.

Bei dB-linearen Kennlinien aber ist es tatsächlich gleichgültig, mit welchem Pegel der Prozessor angesteuert wird, das Ergebnis stellt das Pegelspektrum des Originalsignales wieder her, verlangt aber auch beim einkanaligen Verfahren im Höhenbereich zweckmäßigerweise Zusatzmaßnahmen (Umschaltung der Ausschwingzeiten), um das Arbeiten der Regelschaltung unhörbar zu machen (Knackstörungen der LP waren für das frühe HoghCom ein Problem!). Breitbandige Einkanalsysteme mit linearen Kennlinien (NoisEx, dBx) erzeugen grundsätzlich Rauschfahnen, sind also die besten Rauschminderungssysteme, solange kein Signal ansteht....

Nach diesem langen Exkurs ist vielleicht verständlich, warum ANRS- und Dolby- B-Codierung nicht recht miteinander wollen, obgleich sie denselben Prinzipien (einkanalige Höhenbeeinflussung, gebogene Kennlinien) folgen: Die Ansteuerung des Prozessors bei Aufnahme und Wiedergabe ist vermutlich deshalb nicht gleich, weil JVC dem Regelverstärker andere Zeitkonstanten und dem bearbeiteten Frequenzband andere Grenzen gab, als das der sehr geschäftstüchtige Ray Dolby tat, der bei identischem Verhalten beider Prozessoren (ANRS und Dolby B) sicher nur mit offizierller Lizenz gestattet hätte, dass man sich 'seines' seit 1967 geschützten Prinzips bediente. Dem aber entging JVC wohl durch eine Dimensionierungsmaßnahme, die es ihrerseits aber generell unmöglich macht, dass beide Verfahren wirklich kompatibel (also wirklich spiegelbildllch) arbeiten. Über die generellen Mängel des Verfahrens gebogener Kennlinien bei Cassettenrecordern (ehedem irrsinnige Band- und damit Arbeitspunktvielfalt und grundsätzlich mangelhafte Pegelkonstanz) hinaus, kommen damit deutlich hörbare Pegelfehler ins Spiel, die den anspruchsvollen Nutzer fragen lassen, ob die Entscheidung zugunsten eines Prozessorverfahrens mit gebogenen Kennlinien wirklich nur beim Rundfunk hierzulande zu Diskussionen führen musste....

Um Grund ins Problem JVC<->Dolby zu bekommen, müsste der im Feuer stehende JVC-Cassettenrecorder zunächst sorgfältig (!!!) kompanderfrei eingemessen, dann eine tadellose Aufzeichnung nach ANRS angefertigt werden, die dann auf einem ebenso perfekt eingemessenen Dolby-B-Recorder wiederzugeben wäre. Wenn meine obigen Vermutungen zutreffen, wird selbst dann noch immer etwas zu hören sein, weil beim dynamischen Abhören (also dem mit den wechselnden Pegeln einer Musikmodulation) nicht nur der -vermutlich- abweichende Filterbereich klanglich hervortritt, sondern vor allem die Ein- und Ausschwingzeiten des Regelsystems, die die statische Messung der Parameter bei der klassischen Einmessung nicht erfasst.

Ach ja: . Einschlägige Diagramme belegen, dass Dolby B ab etwa 1 kHz 'kommt', während eine JVC-Grafik den Wirkeinsatz des ANRS ab etwa 500 Hz zeigt, was immerhin eine Oktave darunter läge. Dies ist aber mein großzügig bis potenziell fehlerbehafteter Rückschluss aufgrund von Diagrammen, deren Entstehungen nichts miteinander zu tun haben.

Hans-Joachim
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