PROTECT-Problem bei SONY-Receiver
#1
Geneigtes Forum,

der SONY STR-GX315 ist eine Kobination aus Verstärker und RDS-Tuner und verrichtet schon fast 14 Jahre bei mir seinen Dienst.

[Bild: str-gx315-protect.jpg]

Jetzt hat er aber ein Problem mit der Schutzschaltung, welches schon gelegentlich auftrat, sich aber eigentlich immer von alleine behoben hat. Jetzt ist es permanent, deswegen muss ich der Sache auf den Grund gehen.


Symptomatik:

Direkt nach dem Einschalten sprint die Schutzschaltung an, das Lautsprecher-Relais schaltet die Lautsprecher nicht an, im Display blinkt "PROTECT" (wie auf dem Bild), das ganze Gerät ist unbenutzbar. Es sind - außer der Stromzuleitung - keinerlei Kabel angeschlossen.


Vorwissen:

Es scheint sich um ein recht verbreitetes SONY-Verstärker-Problem zu handeln, jedenfalls ist das Netz voll von Fragen zu genau diesem Verhalten. Die Antworten laufen immer auf folgende Lösungsansätze heraus:

1. Boxenausgänge sind irgendwo kurzgeschlossen
2. Boxen haben zu niedrige Impedanz
3. Überlastung wegen hoher Lautstärke, Wärme, bassreicher Musik, ...
4. Gerät ist defekt, in die Werkstatt bringen

Die Punkte 1-3 kann ich ausschließen: Die Boxenverkabelung ist unverändert gegenüber einem gut funktionierenden Zustand, auch ohne irgend ein angeschlossenes Kabel bleibt das Problem bestehen, und es tritt auch völlig ohne Belastung auf.

Punkt 4 scheint zuzutreffen, aber die Werkstatt lohnt sich beim tatsächlichen Restwert wahrscheinlich nicht.


Näheres zur Schutzschaltung:

Soweit ich die Quellenlage richtig deute soll die Schutzschaltung die Endstufe gegen Überlastung sowie die Boxen gegen Gleichspannung schützen; wie sie das allerdings genau macht, habe ich trotz Schaltplan noch nicht verstanden.

Weil es zu groß und nicht komplett zu scannen ist, gibt es hier den entsprechenden Ausschnitt.

Zum Überblick: Am linken Bildrand kommt das Signal mit den beiden großen Pfeilen an, rechts oben ist das Relais, welches die Lautsprecher stummschalten kann. Die mit B+ und B- bezeichneten Leitungen führen +/- 12V Betriebsspannung. Nach den freundlichen Hinweisen im Plan sind für den Überlastungsschutz Q714, Q715 und Q764 zuständig, der Gleichspannungsschutz wird von Q716 und Q717 besorgt.


Fragen:

Könnte mir bitte jemand auf die Sprünge helfen, wie der Gleichspannungsschutz mit den beiden Transistoren funktioniert? Trotz angestrengten Hinschauens bin ich nicht dahinter gekommen.

Meine Arbeitshypothese wäre, dass dieser Gleichspannungsschutz zu Unrecht anspringt: Als vor etwa einem Jahr das selbe Problem bestand, ist es nach Lockern und Festdrehen aller erreichbaren mit Masse verbindenden Schrauben verschwunden. Möglicherweise gibt es ja wegen schlechter Verbindungen irgendwo eine Potentialdifferenz, die da nicht hingehört?

Welche der im Plan angegebenen Spannungen sollte ich zuerst überprüfen? Wäre es sinnvoll, die Schutzschaltung außer Kraft zu setzen, um dann nach der unerwünschten Gleichspannung suchen zu können?

Ich bin für jeden Hinweis dankbar!


Viele Grüße
Andreas
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#2
Damit die Schutzschaltung anspricht muss am Transistor Q714(764) die Emitterspannung positiv gegenüber der Basisspannung sein.
Dazu werden zwei Parameter überwacht, einmal der Spannungsabfall über den Emitterwiderstand R727 (777) und die Höhe der (Positiven) Spannung am LS Ausgang (Knotenpunkt der Emitterwiderstände) bei hochohmigen Emitterwiderstand R727(777) durch Klemmung der Basisspannung Q714 über D703 und R729.
Die Schutzschaltung reagiert allerdings durch Kapazitäten träge, ich vermute mal das rechts vom T718 noch ein Elko fehlt.

Das Abklemmen der Schutzschaltung empfehle ich, gerade aus der Ferne, nicht.
Als erstes würde ich die Gleichspannungsfreiheit der Endstufen (Emitter der Endtransistoren) testen, danach den Spannungsabfall über den Emitterwiderständen (Ruhestrom).
Wenn die Endstufen wirklich einwandfrei arbeiten als nächstes die Elkos in der Schutzschaltung.

Beim messen in der Endstufe aber immer entsprechend umsichtig vorgehen, die Gleichspannungen sind in gefährlicher Höhe.

Eine andere, dafür ungefährliche Möglichkeit ist es als erstes die Endstufentransistoren Ohmmäßig im ausgeschalteten Zustand zu überprüfen.


Gruß Ulrich
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#3
Hatte unlängst einen SONY STR-DE 475 mit ähnlichem Fehlerbild.
Man sollte wohl vor der Reparatur nicht allzu tief in die theoretischen Fehlermöglichkeiten eintauchen.
Besser erst aufschrauben und nachsehen, dann ist immer noch Zeit zum Nachdenken.
Die Geräte leiden an den selben Krankheiten wie andere Fabrikate auch.
Mein Gerät war mit kalten Lötstellen nur so übersät.
Auch sollte man die stabilisierte Spannungsversorgung für die Vorstufen in Augenschein nehmen, diese versorgen auch die Schutzschaltung.
Elkos und Festspannungsregler zählen auch hier zu den Verdächtigen.
Viel Erfolg!

Bernd
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#4
Hallo Bernd,
du hast natürlich recht, ich habe mich durch Andreas fragen etwas verzettelt und bin zu tief eingestiegen.

Gruß Ulrich
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#5
Hallo Ulrich, hallo Bernd,

Zitat:aufschrauben und nachsehen
habe ich getan; dabei ist mir nichts sofort ins Auge gesprungen, zumindest habe ich keine Spuren von übermäßiger Wärmeentwicklung oder offenbare Quellen für Kontaktschwierigkeiten gesehen. Trotzdem werde ich natürlich nochmal genau schauen.

Zitat:Endstufentransistoren Ohmmäßig im ausgeschalteten Zustand
Ich habe Q712, Q713, Q762 und Q763 mit meinem Multimeter nachgemessen; bei allen vier konnte ich jeweils die erwartete Sperr- bzw. Durchlassrichtung der beiden internen Dioden sehen. Von Kollektor zu Emitter hatte keiner Durchgang.

Zitat:Spannungsabfall über den Emitterwiderständen (Ruhestrom)
Über R726, R727, R776 und R777 habe ich jeweils 2,5 bzw. -2,6 Millivolt gemessen. Welche Größenordnung wäre denn hier zu erwarten?

Zitat:Gleichspannungsfreiheit der Endstufen (Emitter der Endtransistoren)
Hier setzt es dann aus:

Code:
........B     C    E
Q712  10,5  47,1  9,3
Q713   8,2 -47,7  9,3
Q762  10,4  47,2  9,3
Q763   8,2 -47,7  9,3
Die Emitter sollten laut Angaben im Plan (und auch nach meinem begrenzten Verständnis der Schaltung) auf Massepotential sein. Anscheinend habe ich irgendwoher eine Gleichspannung im System, die da nicht hingehört. Also springt die Schutzschaltung doch zu recht an ... ?

Zitat:Die Schutzschaltung reagiert allerdings durch Kapazitäten träge, ich vermute mal das rechts vom T718 noch ein Elko fehlt.
Nein, da ist kein Elko mehr: Hier nochmal der Schaltplan soweit mein Scanner reicht.

Zitat:und die Höhe der (Positiven) Spannung am LS Ausgang (Knotenpunkt der Emitterwiderstände) bei hochohmigen Emitterwiderstand R727(777) durch Klemmung der Basisspannung Q714 über D703 und R729.
Das hat meine geringe Schaltungserfahrung überfordert - was ist eine "Klemmung der Basisspannung"? Und was tun nun Q716 und Q717?

Vielen Dank für Eure schnelle Hilfe!

Viele Grüße
Andreas


Edit: Tabelle (hoffentlich) lesbarer gemacht...
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#6
Um die Schutzschaltung brauchst du dich erstmal nicht mehr kümmern, sie spricht ja nach deinen Messwerten zu recht an.

Was auffällt ist das beide Endstufen ein identisches Fehlerbild aufweisen.
Hier ist ein gemeinsamer Fehler wahrscheinlicher als zwei identische Fehler in beiden Endstufen.

Nicht doch irgendwo eine Kaltlötstelle/Unterbrechung (Masseverbindung/falsches Potenzial)?

Beim ohmmäßigen Messen der Endtransistoren hast du bedacht das es Darlington Typen sind?
Die sind nicht immer leicht ohmmäßig zu messen.
Nach den Spannungswerten sind sie aber in Ordnung.

Gruß Ulrich
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#7
Hallo Ulrich,

dann muss ich wohl nochmal genauer auf die Suche gehen; vor einem Jahr ist das Problem auch einfach durch schrauben verschwunden...

Dass es Darlington-Transistoren sind wusste ich nicht, haben die nicht normalerweise so ein Doppel-Transistor-Symbol? Und wie misst man sie richtig? Ich hatte nur festgestellt, dass es jeweils von der Basis herum zwei Dioden zu den übrigen Beinchen gibt, die bei PNP und NPN unterschiedlich gepolt sind...

Vielen Dank und viele Grüße
Andreas
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#8
Das es Darlingtontransistoren sind hab ich erst Anhand deiner Messwerte festgestellt, die Basis/Emitterspannung ist für “normale” Transistoren zu hoch.

Beim durchmessen sollte man ins Datenblatt schauen, sie bestehen nicht nur aus zwei Transistoren.
Im Gehäuse sind meist noch Widerstände und stellenweise auch Dioden untergebracht.

Hier das Innleben des 2SD2390

[Bild: eqi2sd2390.png]

Gruß Ulrich
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#9
Kurzer Nachtrag:

eben habe ich festgestellt, dass zwischen Gehäusemasse und den Massekontakten der Audioanschlüsse ebenfalls etwa 9 Volt anliegen - das sollte nun wirklich nicht so sein. Gegenüber der 'anderen Masse' stimmen auch die Messwerte an den Endstufen.

Jetzt werde ich mal nach der faulen Verbindung suchen und dann mal weitersehen...

Viele Grüße
Andreas


Edit: Wenn ich ein die Gehäusemasse mit der 'anderen Masse' durch ein Kabel außen verbinde, funktioniert er wieder. Da die Gehäusemasse auch auf etlichen Platinen-Masseflächen zu finden ist, muss ich wohl nach einer faulen Drahtbrücke suchen.
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#10
Hallo Ulrich,

oh, dann war ich etwas zu eifrig mit dem Messgerät und zu faul bei den Datenblättern... Danke!

Viele Grüße
Andreas
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#11
Hallo,

vorläufiger Schlussbericht:

Nachdem ich nach fast einer Stunde mit dem Durchgangsprüfer den wirklichen Übeltäter nicht gefunden hatte, habe ich die Lust verloren und zu einer ebenso einfachen wie unschönen Lösung gegriffen:

[Bild: str-gx315-draht.jpg]

Jetzt läuft er wieder wie vorher. Wenn ich mehr Muße finde, mache ich es richtig; aber nichts ist dauerhafter als ein Provisorium...

Vielen Dank nochmal an Ulrich und Bernd für die schnelle und zielsichere Hilfe!

Viele Grüße
Andreas
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#12
Hallo in die Runde,
ich habe mal mitgelesen, weil dies ein sehr tolles Bespiel für kompetente technische "Nachbarschaftshilfe" ist. Respekt!!!!

@Andreas: Beobachte aber deinen Stromverbrauch. Wenn zwischen Gehäuse und Masse eine Spannung anliegt hat das ja einen Grund gehabt. Nicht dass durch deinen "Kurzschluss" jetzt irgendwo richtig Strom fließt. Manche Geräte, z.B. meine GX-77er haben dafür einen Kondensator der nur für HF eine "Brücke" baut. Der ist aber im Schaltplan nicht beschrieben. Ich vermute dass der nachträglich als Modifikation in die Produktion eingeflossen ist. Vielleicht gibt es für deinen Sony auch eine spätere Modifikation ....

VG
Michael
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#13
Mal ein Schuss ins Blaue, hast du mal die Masseverbindungen überprüft die über bestimmte Stellen Platine(n) und Gehäuse miteinander verbindet?
So etwas in der Art:

[Bild: Masseverbindunggeha.jpg]

Irgendwo an einer solchen Stelle eine gelöste Schraube oder korrodierte Verbindung?

Gruß Ulrich
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#14
Lieber Michael, lieber Ulrich,

Zitat:Wenn zwischen Gehäuse und Masse eine Spannung anliegt hat das ja einen Grund gehabt.
ideal ist die Lösung sicher nicht, lieber hätte ich auch den eigentlichen Fehler gefunden. Auch kann man sich ja durch ungünstige Masseführung alle Arten von Störgeräuschen einhandeln.

Einen erhöhten Stromverbrauch kann ich mangels geeigneter Messmittel nicht feststellen, aber das Gerät wurde heute Abend bei mehrstündigem Betrieb nicht wärmer als sonst.

Irgendwann muss ich das Ding doch nochmal gründlich zerlegen und überholen.

@Ulrich:

Alle erreichbaren Schrauben dieser Art habe ich gelöst und wieder angezogen, aber alle zugehörigen Masseflächen der Platine waren auch auf Gehäusemasse, während andere Teile der Platine auf der 'anderen Masse' lagen. Ich vermute, eine der Drahtbrücken zwischen den Masseflächen hat aufgegeben...

Viele Grüße
Andreas
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