Das blaue Palais. Marantz 5025 B
#1
Mir ist neulich ein Tapedeck untergekommen, das ich als heutiger Anwender der Kassettentechnik sonst wohl nicht weiter wahrgenommen hätte.

Es ist von 1978 (-80 im Programm), hat nur 2 Köpfe und ist natürlich noch nicht metal-tauglich.
Aber es ist aus erster Hand. Zwar angeschmutzt, aber gepflegt.
Wohlwissend, daß es zu den schönen Receivern aus dem Hause passt, beschloss ich, mich ihm anzunehmen.

marantz Model 5025 B

[Bild: 1a_5025B_v.links.jpg]

Nach Zerlegung und gründlicher Reinigung mit Schwamm, Schaum und Spüli, zeigte sich ein wahrlich erhaltenswertes Antlitz in klassischem Design.
Es wirkt weder nackt, noch überfrachtet. Fast etwas verspielt, aber dennoch klar und übersichtlich strukturiert.
In jedem Fall aber sehr solide. Ein Blender sieht anders aus.

[Bild: 2_5025B_Front_gro%DF.jpg]

In voller Pracht versteht man, daß diese Optik viele Sammler süchtig nach silber mit blauem Schimmer machen kann.
Die massive Aluminiumfront besteht aus 2 Platten, die miteinander verschraubt sind. Alle Regler und Schalter sind dickwandig Alu mit Kunststoffkern.
Das Anfaßgefühl und die Sattheit der Betätigungswege ist wirklich mehr, als gediegen.
Ich habe andere Panzer aus der Zeit gehabt, die auch massiv waren, aber hier ist alles eben noch einen Tick "mehr".

Die Potis und Schalter hatten dementprechend auch kein Kratzen und Knarzen gezeigt.

[Bild: 6_5025B_innen.jpg]

Innen ist es sauber und übersichtlich aufgebaut. Bei der Gerätegröße und dem damaligen Stand der Technik, reichte es locker aus, um alles unterzubringen, was für das damalige 2-Kopf Topmodell notwendig war.
Daß man sich auch hier im Detail Mühe gegeben hat, sieht man z.B. am kupfernen Abschirmgehäuse rechts auf der Platine. Kunststoff findet man nur dort, wo er sinnvoll ist.

[Bild: 7_5025B_LW_Idler.jpg]

So ist das Laufwerk auf einer gegossenen Wanne aus einem Duroplast aufgebaut. Zum einen sehr verwindungsteif, zum anderen dämpft das Material Schwingungen.

Sehr präzise gefertigt, umfasst es 5 Idler und drei Treibriemen. Die Idlergummis entpuppten sich nach der Reinigung als regelrecht frisch, wie schön. Dafür war der Capstanriemen schlapp, wie ein altes Hosengummi. Der Antriebsriemen für den Rest war dagegen lang und hart geworden. Der Zählwerksriemen mußte hingegen nicht getauscht werden. Offenbar wurde er bereits mal getauscht.

Die Kabel haben zum Teil einen Stecker, die der Köpfe sind dagegen verlötet. Sie sind aber lang genug für eine bequeme Wartung. Das ist auch gut, da man von allen Seiten arbeiten muß, um alle Idler und Lagerstellen zu erreichen.

Der Capstan ist vorne in einem Sinter-Lager geführt. Das andere sitzt hinter der riesigen Schwungmasse auf der Trägerplatte für die Einstellvorrichtung des Axialspiels. Keine Lagerstelle befand sich im "Notlauf", sodaß man überall noch sehen konnte, daß hier mit Fett geschmiert wird. Das erklärt auch, warum man keine "Washer" findet, die sonst das Öl davon abhalten sollen, an Stellen zu gelangen, wo es nichts zu suchen hat.

Es gibt einen DC-Servo Antriebsmotor, der alles erledigt und immer die gleiche Drehrichtung hat.
Er wird durch Betätigung einer entprechenden Taste gestartet und läuft nur, wenn er gebraucht wird.
So wird der eine Wickelteller beim Spulen über einen Idler angetrieben, der von den mechanischen LW-Tasten angelegt wird. Für die andere Spulrichtung gibt es dann noch ein zusätzliches Zwischenrad zur Laufrichtungsumkehr. Das funktioniert sehr kräfig und geräuscharm.
Die Werksangabe der Umspulzeit für eine C-60 von 105 sec, wird nach der Wartung um fast 10 sec unterboten. Dabei wickelt das LW sehr sauber auf.
Bei Play wird ein anderer Idler zwischen den Anguß an der Schwungscheibe des Capstans und dem Idlergummi der Rutschkupplung des Aufwickeldoms gezogen.
Das ist bei den späteren Compudecks ähnlich gelöst, hier aber deutlich langlebiger ausgelegt.

Die gemessenen Gleichlaufschwankungen von 0,15% (DIN) gegenüber der Werksangabe von 0,13% (DIN), bescheinigen dies dann auch.
Für einen 32 jährigen Einmotorer doch ein unerhört guter Wert.

[Bild: 8_5025B_LW_Aufwickeldom.jpg]

Die "total shut off" Funktion wird mechanisch ausgeführt. Außerdem findet man hier am rechten Wickeldom eine Rutschkupplung, die mit Rastfeder und Filzring ausgeführt ist. (bezugnehmend auf die Bauform im Thread: http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...adid=10802 )

[Bild: 9a_5025B_LW_Aufwickeldom_a.jpg]

Man hat hier einige Idlergummis aufeinander laufen lassen, im Gegensatz zur üblichen Paarung Gummi / glatter, oder gerändelter Kunststoff. Das sorgt sicher für mehr Betriebssicherheit und leiserem Lauf.

[Bild: 5025B_links.jpg]

Hier spielt der Besitzer auf seiner Tastatur.
Es gibt ein dreistelliges digitales Zählwerk (von Marantz so beschrieben :-) ).
Außerdem eine schaltbare Memory Funktion, die den Rücklauf bei 999 stoppt. Eigens dafür hat man dem LW einen Hubmagneten spendiert, der die Tasten elektrisch entriegelt.
Alles andere geschieht rein mechanisch. Der Aufdruck "servo control" muß sich auf den geregelten Servo-Motor beziehen. Trotzdem arbeiten die Tasten sehr sauber und erfordern wenig Kraft.

[Bild: 4a_5025B_rechts.jpg]

Rechts findet sich dann das Aufnahme-Cockpit.
Es gibt kanalgetrennte Regler für "Micro" und "Line". Dazu einen nachgeschalteten "Master" Regler. Der Kanal-gleiche Lauf der Regelpotis ist sehr gut. Ich könnte mich nicht erinnern, so einen Gleichlauf schonmal erlebt zu haben (auch nicht bei ASC oder eumig).

Die Bandsortenumschaltung für die 3 Sorten (Typ I bis III) erfolgt über 2 Druckschalter, die alle möglichen Kombinationen zulassen.

Daneben gibt es einen Limiter, der aber wenig zu empfehlen ist.

Außerdem noch das "wichtige" Dolby B. Ein teurer Spaß zu der Zeit. Noch das Vorgängermodell 5220 wurde auch ohne dieses Feature als 5200 verkauft, um dem Käufer die Wahl zu lassen und die Möglichkeit, Geld zu sparen.

Darüber finden sich dann 4 rote kleine LEDs, die Aufnahmebereitschaft, eingeschaltetes Dolby und Spitzenpegel signalisieren. Die "Peak"-Dioden fangen exakt bei 0 VU an zu glimmen bzw. flackern.

Über allem thronen dann 2 von hinten in blau und rot durchleuchtete VU-Meter, die zugegebenermaßen unnachahmlich ausstrahlen (wenn meine Digicam das auch so sehen könnte).

[Bild: 3a_5025B_Aufnahme.jpg]

Alles bereit zur Aufnahme.

Der Abgleich gestaltete sich etwas schwierig, da ich keine Daten finden konnte.
Ich habe bei einer 200 nWb=0 dB Meßcassette 800 mV am Line out gemessen.
So habe ich zuerst auf die üblichen 775 mV abgeglichen. Das passte nicht. Ich hab´s dann auch mit 250 nWb versucht. Auch nicht. Zum Vorgänger habe ich die Angabe von 900 mV gefunden.
Am Ende war es mit 200 nWb und 900 mV richtig. Die Justage der VU-Meter haute zuerst nicht hin. Nach mehrstündigem Lesen habe ich dazu gelernt, daß man die VU-Meter auf einen Vorlauf von 6 dB (nach ASA-Norm) einstellen muß.
siehe da, bei exakt 0 dB fangen die Peak-LED´s an zu glimmen und unter dem Strich stimmten dann auch die Anzeigepegelvergleiche mit fremdbespielten Tapes. Auch die Eigenaufnahmen dieses Decks wurden kompatibel.

Der Abgleich der Aufnahmepegel gestaltete sich viel einfacher, als bei einem 2-Kopf Deck erwartet. Nach nur 3 gemessenen Einstellungen hatte man ein so gutes Gefühl für die Pegelsteller bekommen, daß man die benötigte Stellung fast "nach Auge" getroffen hat.
Marantz hat offenbar wirklich hochwertige Qualität verbaut. Der gute Ruf ist also mehr, als der "Hype" der Fans.

Mangels weiterer Daten habe ich dann nicht weiter "gedreht" und erstmal aufgenommen.
Mit dem hauseigenen Bandmaterial war kein Blumentopf zu gewinnen. Nun gut, diese "Kreischware" taugt eh besser zur Dekoration des Decks.
Ich habe dann eine TDK SA von 1983 und eine von 1988 getestet.

Voilá, das ist es. Beide liefern Hörergebnisse, die ich diesem Deck nun wirklich nicht zugetraut hätte. Nur zum angucken, ist das Gerät zu schade, will sagen, es schreit förmlich "benutze mich". Ich habe auch neben Dickschiffen noch ein "Cassettchen" mitzureden.

Ich freue mich doch sehr, mir die Mühe und diese Erfahrung gemacht zu haben.

Was bedeutet hier das "B"?
In diesem Fall die Gehäusebreite von 416 mm gegenüber 440 mm ohne B. Das bedeutet zum einen, daß es die gleiche Breite wie die meisten Receiver dieses Designs hat und zum anderen, daß es mit den optional erhältlichen Rackgriffen in das große Marantz-Rack eingebaut werden kann.

Die Höhe beträgt 146 mm und die Tiefe 297 mm.
Gewicht: 6,7 kg

Frequenzgänge (Werkangaben):
30 Hz - 15,5 kHz für Typ I
30 Hz - 17 kHz für Typ II
28 Hz - 17,5 kHz für Typ III

Fazit: Marantz hat mit diesem Gerät ein sehr wertiges, langlebig und solide gemachtes Tapedeck gebaut, das auch klanglich überzeugen kann. Umso mehr, als zu der Zeit viele Entwicklungen noch nicht stattgefunden hatten.
Schwachstellen konnte ich keine entdecken.

Darüber angesiedelt gab es noch den ersten 3-Kopf Recorder von Marantz, das Model 5030

Viele Grüße, Arnulf.
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#2
@Arnulf,
vielen Dank für diese Fotostory und gratuliere zum Gerät.
lG Walter

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Kofferradio LOEWE Opta LORD 92 368, 92 369 (Vorgänger vom T70)
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#3
Moin.

Anbei noch ein paar Bilder.

[Bild: 5025B_i.jpg]

[Bild: 5025B_VU.jpg]

[Bild: 5025B_Nacht.jpg]

Das Gerät bringt viel Spaß. Vielleicht entdecke ich ja noch meine Ader für mechanisch gesteuerte Laufwerke.

Viele Grüße, Arnulf.
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#4
Ich habe eines der Vorgängermodelle ... 5010.
Einfach und (nach einem Riemenwechsel) wieder voll OK.
Mich hat nur eines gestört: ein fehlendes Master-Level-Poti.

Darum legte ich mir noch ein 5220er zu (muß aber erst das Gerät reinigen sowie die Riemen wechseln)

Viel Spaß mit deinem Gerät!
lG Walter

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#5
Hallo Walter.

Vielen Dank für deine Glückwünsche.
Leider kann ich nur Erfahrungen sammeln, keine Geräte.

Ich schraube mich durch die interessanten Geräte, die ich so entdecke. Behalten kann ich sie aber nicht. Nach entsprechendem "Spielen" müssen sie wieder gehen.
So steht dies Deck auch zum Verkauf. Aber die Erinnerung bleibt. Im Hirn ist einfach mehr Platz, als in meiner Bude.

Ein 5220, oder 5200 würde mich auch noch mal interessieren. Mal sehen, wann´s kommt.

Ist meine Art der Liebhaberei. Zum Benutzen habe ich ja meine 4 Decks in der Anlage :-) .

Viel Spaß mit deinen "marantzen". Sehr solide sind sie ja.

Schönen Sonntag, Arnulf.
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#6
Zitat:Araso postete
[...] Im Hirn ist einfach mehr Platz, als in meiner Bude.
Tja Arnulf, das stimmt leider.
Mich "frißt" des öfteren der Neid, wenn ich an den Platz denke, den viele andere Sammler/Liebhaber haben.
... und in den Keller stelle ich (außer den Teilespendern) sicher nichts.
Aber: wer weiß, für was es gut ist :-)
Zitat:Ist meine Art der Liebhaberei. Zum Benutzen habe ich ja meine 4 Decks in der Anlage :-) .
Das müßte wohl reichen *gg*
Ich habe Geräte zwischen 1960 und 1975 "im Auge", und da in erster Linie die Geräte, mit denen ich damals in Berührung kam, bzw. mir gehörten.
Zitat:Viel Spaß mit deinen "marantzen". Sehr solide sind sie ja.
Yep, bin echt zufrieden, hab ja noch ein paar Receiver hier.
Zitat:Schönen Sonntag, Arnulf.
Thanks, wünsch ich dir ebenfalls ... ;-)
lG Walter

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