Ritter der traurigen Gestalt: Uher 724 Stereo
#1
Hallo,

schon wieder eine weiße Plastikkiste aus den Siebzigern, frisch vom Speicher.
Vor 25 Jahren einem Bekannten abgekungelt, dann etwas benutzt, wohl wegen ausgewiesener Häßlichkeit auf den Dachboden verbannt und dort fast vergessen.
Uher 724 Stereo, Baujahr 1974.
Mausgrau lackiertes Klebealuminium auf einer Kunststoffabdeckplatte, in einer weißlackierten Gehäuseattrappe sitzend. Ein wahrer Augenschmaus:

[Bild: D_UHER_1974_724_Stereo_Vorderansicht.jpg]

Zusätzlich ist dieses Exemplar nicht mehr gut erhalten, abgeschabt und abgegrabbelt, bäh.

Trotzdem, erst mal reinschauen:

Chassis raus, die mit Blechklammern ins Gehäuse reingesteckten Lautsprecher hängen festgelötet dran,
auf dem Tisch bleibt dann das "Gehäuse" liegen. Oh Uher, was habt ihr da für einen Klapperkram fabriziert, unwürdig fast für die Marke:

[Bild: D_UHER_1974_724_Stereo_Gehaeuse.jpg]

Die Optik- und Gehäuseabteilung bei Uher wird sich damals wohl mit der Technikabteilung gekloppt haben, diese hat nämlich in der traurigen Gestalt ihren
Ritter eingebaut!
Da ist es wieder, das wohlbekannte Massivchassis in feiner Verarbeitungsqualität:

[Bild: D_UHER_1974_724_Stereo_Chassis_oben.jpg]

Evolution statt Revolution, man hat das Chassis für Senkrechtbetrieb aufgepimpt (sagt man doch heute, gell?), Spulenverriegelungen spendiert und die Tasten für die Laufwerkssteuerung durch eine Drehknebelbedienung ersetzt. Funktioniert super, das Gerät bleibt beim Bedienen stehen und rutscht nicht weg. Für den Senkrechtbetrieb können unten zarte Mickymausplastikfüßchen angeclipst werden.
Eine weitere Änderung ist der Riemenantrieb für die Schwungscheibe, die oft unruhig laufende Zwischenrolle konnte so entfallen. Der Riemen wird je nach Geschwindigkeit von einem Bügel auf der Motorrolle umgeschubst. Primitiv vielleicht, aber klappt gut.

Das Chassis von unten:

[Bild: D_UHER_1974_724_Stereo_Chassis_unten.jpg]

Hier sieht man eine deutliche Modernisierung und Verzwergung der Elektronik,
Siliziumtransistortechnik mit Steckmodulen, eines für die Entzerrerplatine, eines
(mit Kühlblech) für den Verstärkerteil. Gut verarbeitet und anscheinend langzeitstabil alles, dieses Gerät funktioniert noch prima. Das 10 Jahre ältere 724 Stereo hatte (gleicher Rahmen, fast gleiche Mechanik) eine deutlich voluminösere
Elektronik, alles Germaniumtransistoren, Endstufe mit Übertragertrafos.
Hier sieht es im Vergleich dazu fast leer aus:

[Bild: D_UHER_1974_724_Stereo_Elektronik1.jpg]

[Bild: D_UHER_1974_724_Stereo_Elektronik2.jpg]

Ach ja, der Vergleich. Uher 724 Stereo, Baujahr 1964:

[Bild: 724alt.jpg]

[Bild: 724alt-unten.jpg]
DAS ist noch ein vernünftiges Gehäuse, hier rappelt nichts.

Wo ich schon dabei bin, da gibts noch eins. Uhers Schwanengesang und Abschied aus dieser Klasse.
Man hatte weiter evolutioniert, sich wieder dem Zeitgeschmack angepasst
und dem ganzen Werk eine neue Nummer verpasst: Uher SG 510.

Da, bitte, noch ein letztes Mal nahm man das bewährte Chassis:

[Bild: SG510Chassis.jpg]

Das Gehäuse ist etwas größer und fleischiger, von besserer Qualität allerdings. Es schnarrt und röhrt im Betrieb aber auch, genauso wie das weiße Gehäuse. Da hilft es auch nichts, dass die Lautsprecher in kleinen Häuschen sitzen.

Von unten. Kleinere Änderungen (z.B. andere Endstufe), sonst jedoch ein 724 Stereo.

[Bild: SG510Chassis-unten.jpg]

So, ihr Lieben, jetzt wieder hübsch zurück in die Uher-Ecke auf dem Dachboden!
Ab und zu darf mal eines zum Spielen nach draußen.

Gruß
Peter S.
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#2
Das Gerät war mein erster Kontakt mit der Firma UHER.
Wenngleich auch nur über meinen Nachbarn, Klassenkameraden und guten Berater in Sachen Hifi.
Er riet mir mit seinen langjährigen Erfahrungen mit seiner UHER damals zu einem Philips N4504. Big Grin

Als ich hier vor 1 1/2 Jahren eingestiegen bin, hab ich dann gleich beide "gebuchtet".

Mir gefällt das schnörkellose, nüchterne Design aber gut.
Nix protziges; einfach eine richtige "Maschine" zum Tonbandeln.

Verwendet man die originalen (aber optionalen) schönen UHER-Metallspulen, macht das Ding schon was her.
Alternativ sehen auch die hellgrauen Shamrockspulen (deren tiefere Bedeutung wir damals noch nicht ahnten) gut auf dem dunkelgrau der Gehäuseplatte aus.

Die Technik war allerdings der intensiven Dauerspielwut unseres Nachbarn nicht gewachsen.
Nach zwei Jahren Hardcoreeinsatz quietschte das Gerät an mehreren Stellen zum Gotterbarmen und die Funktionshebel schlackerten irgendwie haltlos in ihren Lagersitzen.
Der Klang dagegen ist vom Besitzer (sein, in der Hinsicht noch derberer älterer Bruder besaß ein N4520) nie bemängelt worden.

Wenn Du es also zuviel hast, könnte es sich mit einem Geschwisterchen bei mir unterhalten.
Bert
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#3
´
Mann sollte nicht vergessen, dass es sich hier um ein Einsteigermodell der Nobelmarke Uher handelt. Damals hat man sich vermutlich gesagt, dass man besser am Gehäuse spart und nicht billiger Technik den Ruf verdirbt. Vermutlich konnte man auch auf Teile anderer Modelle (Variocord?) zurückgreifen oder von Parallelentwicklungen profitieren.

Als Besitzer eines Grundig TK126 war ich jedenfalls neidisch auf den Kollegen, der ein 724 sein Eigen nennen konnte und somit Stereoaufnahmen machen konnte.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#4
Genau so habe ich das als damaliger Besitzer einer N4308 auch empfunden.
Die UHER sah aus meiner Schülersicht aus wie die ultimative Studiomaschine.

Anders als meine Philips, die mit glanzeloxierten Zierblenden, Schnörkelknöpfen und Holzimitat-Wangen im Gelsenkirchener Barock daherkam.
Und natürlich nur in Mono.




Irgendwie toll, daß man sich heute noch gemeinschaftlich an solche Geräte erinnern und sie auch live erleben kann.
Bert
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#5
Zitat:Huubat postete

Irgendwie toll, daß man sich heute noch gemeinschaftlich an solche Geräte erinnern und sie auch live erleben kann.
Genau das ist der Zweck meiner Schreiberei. Wenn man schon selbst Spaß am Auseinanderpfriemeln, Reparieren und Einlagern hat, warum nicht gleich Fotos machen und einige herzige Zeilen dazu schreiben? Außerdem ist es ein beruhigendes Gefühl, dass, wenn mal ein Tonband kaputtgehen sollte, man "zur Not" noch eins als Ersatz zur Hand hat :-), deswegen haben sich so im Laufe der Zeit einige von den Kollegen angehäuft.

Gruß

Peter S.
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#6
Schön. Die 724 Stereo habe ich auch noch in guter Erinnerung, war meine zweite
Uher.
An dem Platikgehäuse habe ich mich nicht wirklich gestört, da die internen LS
nie benutzt wurden. Die Farbgebung war allerdings schon gewöhnungsbedürftig.

Aber an sich ein recht gutes Gerät, ich habe noch Bänder die mit dieser Kiste
aufgenommen wurden. Jedesmal wenn ich einen dieser Riemen auf die Revox
schmeisse bin ich vom Klang wieder überrascht.

Meine 724 wurde dann 1999 von der A77 abgelöst und irgendwann hab' ich
sie verschenkt. Ob sie heute noch lebt, weis ich nicht.

David
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#7
Hallo Peter,
Zitat:PSMS postete
DAS ist noch ein vernünftiges Gehäuse, hier rappelt nichts.
D-a-n-k-e-! Big Grin

Ich kann mich wohl noch an die Typbezeichnung 724 erinern, aber nicht mehr an das Gerät. Ich weiß nicht einmal mehr, in welcher Fertigung die Mühle gebaut wurde.

Grüße, Anselm

Edit: Statt Vorschau.
Früher war mehr UHER. Cool Meine UHER-Erinnerungen
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#8
So eine 724 hatte ich auch mal aus der Bucht gefischt.
Die Vorbesitzerin hatte sich das depressive grau mit original 70er Jahre Prilblumenstickern und Bandstickern verziert.
Die technische Qualität fand ich auch sehr gelungen, nach 2 Jahren aber hat meine Frau daruf gedrängt diese Version nicht mehr in ihrer Sichtweite zu benutzen - da habe ich dann entschlossen es als Schlachtgerät zu veräussern. Etwas trauere ich dem graubunten Kasten nach.

Grüße,
Wolfram
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#9
Hallo Wolfram,
Zitat:Tonband Paule postete
Die Vorbesitzerin hatte sich das depressive grau mit original 70er Jahre Prilblumenstickern und Bandstickern verziert.
Die Geräte können infiziert ausgeliefert worden sein. Die Prüferinnen konnten es nicht lassen, solche Blümchen-, Comic-, Tier- und Starfoto-Etiketten auf ihre Prüfgeräte zu pappen ...

Gruß, Anselm
Früher war mehr UHER. Cool Meine UHER-Erinnerungen
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#10
Super! Da haben die Endkontröllnerinnen ohne es zu wollen durch Bestäubung eine
Flower Power-Edition auf den Markt gebracht. Ein prilgeblümtes Designstück für die Dame. Ich schau mal schnell nach, ob an meinem Exemplar irgendwo noch ein Trimm Dich Männchen oder eine Blume klebt.

Vielleicht hätte das Auge der Käuferin oder des Käufers durch eine Flower Power Edition ab Werk milder gestimmt werden können:

[Bild: 724in-schön.jpg]

Das Zubehörsortiment hätte für dieses Modell allerdings erweitert werden müssen:

[Bild: Schale.JPG]



Gruß
Peter S.
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#11
Auch nicht schlecht.
Dann aber auch mit Hanfriemen und "Grateful Dead"-Demoband.


I will survive!
Bert
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#12
Hallo Peter,
klasse Design, Andy Warhol wäre stolz gewesen.
Das hat sich damals wohl keine seriöse Firma getraut der Jugend anzubieten.

Dagegen sieht meine in Hammerschlag Metallic lackierte A77 Frontblende aus wie ein Werkzeugkoffer ;-)

Grüße,
Wolfram
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#13
Ich verstehe nicht was ihr alle gegen das Teil habt.
Habe mir das Gerät , muss so 1971 gewesen sein, hart von meinem Lehrlingsgehalt abgespart. Wurde auf jede auswärtige Party mitgeschleppt.
Hat alles klaglos überstanden , gerne erinnere ich mich an The Who und LedZepplin. Die füllten das erste Band.
Leider habe ich es dann gegen ein Akai eingetauscht.

Gruss Hardy
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#14
Ein Band gegen eine Akai ist doch kein schlechter Tausch, oder? Wink

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#15
Zitat:niels postete
"Trinkt Magnetbier, denn Magnetbier ist antistatisch!" Eugen Egner
Ist das Allgemeinbildung? Na, Google ersetzt Allgemeinbildung.

Gruß, Anselm

Edit: Statt Vorschau
Früher war mehr UHER. Cool Meine UHER-Erinnerungen
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#16
Wird wohl so sein, daß man in ein paar Jahren Kinder nicht mehr in die Schule schickt, sondern sie via unter die Haut gesetztem Chip direkt mit Wikipedia verbinden läßt.

In der ersparten Zeit können sie dann volkswirtschaftlich nützlicher noch mehr sinnlosen Krempel konsumieren.
Muß man doch schließlich nicht mehr alles selbst lernen, wenns einem der große Bruder ins virtuelle Ohr flüstert. Wink


Aber zurück zum Thema:

Beim Gummilieferanten Hewicker gibts für die 724er und die 714er unterschiedliche Riemensätze, wobei der für erstere Maschine auch ein paar Doppelmark teurer ist.

Wie aber das?
Soweit mir bekannt ist, unterscheiden sich die Maschinen nur durch den Stereobetrieb der 724.
Wird da der zusätzliche Lautsprecher mit einem Riemen angetrieben?
Bert
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#17
Um nicht OT zu werden:

http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...adid=10691

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#18
Hallo Huubat,

das 714 hat nur eine Bandgeschwindigkeit, der Riemen ist anders, weil er nicht auf der Motorrolle umgelegt wird wie beim 724 mit seinen zwei Bandgeschwindigkeiten.

Von diesem Ding gibt es unter anderem auch die (hier abgebildete) alte Version mit dem guten Holzgehäuse (als Typ 704) und später analog zum 724 die herrliche weiße Version.

[Bild: Uher714alt.jpg]

Das spätere 714 von 1970 hat schon das Kunststoffgehäuse, jedoch in braunem Edelholzimitatlook. Auch noch Bedientasten anstatt Knebel:

[Bild: UHER714-vorderansicht.jpg]

Hier sieht man deutlich, dass es mit einem Aufklebervirus infiziert ist!

Und weil es so schön ist, auch noch eine Innenansicht:

[Bild: D_UHER_1970_714_Chassis_oben.jpg]


Gruß
Peter S.
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#19
Hallo,

mir lässt das keine Ruhe. Bestäubung während der Produktion?
Beim Aufkleben mag es wohl geschehen sein, direkt von den Prilblumen
her konnte das aber eigentlich nicht kommen, die waren ja aus
neutraler Plastikfolie.
Ich könnte mir eher eine andere Ursache vorstellen:

[Bild: Prilblumenbest%E4ubung.jpg]


Gruß
Peter S.
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#20
Guten Tag.
Es wurmt mich, wenn nur ein Exemplar mit vermackeltem Gehäuse zur Verfügung steht.
Wenigstens eines noch als Reserve (Päckchen kriegen und öffnen macht außerdem Spaß):

http://www.youtube.com/watch?v=cGJeyeRoJJ4

Hier hatte noch niemand Aufkleber appliziert. Das Gerät hat jahrelang im Senkrechtbetrieb gespielt (wenn man die Spuren liest) und ist dann wohl wegen einiger Defekte ausgesondert worden. Nichts allerdings, was sich nicht wieder beheben ließe. Das abgebrochene Teil vom Taster fand sich dankenswerterweise im Gehäuse.

Gruß

Peter S.
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#21
Moin, Klasse Peter,wieder mal eine witzige Vorstellung im Film. Eigentlich könntest Du ein Museum für Uher-Geräte aufmachen,Du hast ja mehr Bandgeräte, als das Deutsche -Verkehrsmuseum Fahrzeuge hat.Wink..grins.

Gruß Holger
Jede Tonbandmaschine ist ein kleines Wunder!

Maschinen:Telefunken M -15 A, und M-20.... 1 X Philips 4420... Uher Report 4000-L ,(Mono)
Uher- Royal -de Luxe . .. Philips N-4422 .. Akai GX 600 DB... und das Abenteuer geht weiter
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#22
Diese Uher war im Übrigen auch mein erstes Tonbandgerät; das Geld dafür habe ich mir als 15jähriger in einem Ferienjob abgetrotzt und es reichte dann gerade mal für dieses Gerät ( kann es sein .. so etwas über 400 DM ??? )
Ich war dan später von den Klangeigenschaften nicht mehr so überzeugt und habe mir dann von meinem ersten Gehalt eine Revox gekauft ....
2 Dreher und ca. 38 Tonbandgeräte an drei Anlagen ............  Rolleyes
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