Flachmann: Grundig TK 845
#1
Hallo,
viele von Euch werden diesen Apparat (oder seinen kleineren Bruder, das TK 745) noch kennen. 1975 reichte mein Taschengeld (nebst elterlichen Zuschüssen) nicht dafür, nur für das kleine TK 545. Warum ich damals so scharf darauf war (mit 12) weiß ich auch nicht mehr. Neu sollte es sein, Stereoaufnahmen machen können und nicht allzu teuer. Vorher hatte ich mein geerbtes TK 35 kaputtgebastelt und Grundig fand ich gut. Dass zwischen TK 35 und TK 545 Welten liegen, wusste ich nicht. Ein Kumpel hatte eine dickere Finanzspritze bekommen, kaufte sich ein TK 745 und gab reichlich damit an, mehr Geschwindigkeiten, mehr Knöpfe dran und und... War damals unerreichbar für mich und wurde irgendwie aus dem Gedächtnis gestrichen. Das TK 545 hat meinem Basteltrieb auch nicht lange widerstanden, nach 2 Jahren war es im Eimer.
Und wieder der Flohmarkt, vor 5 Jahren etwa. Da! Das kenn ich doch? Sogar noch größer, mit noch mehr Knöpfen! TK 845 (war mir damals kein Begriff). Sah noch brauchbar aus, nur der Tragegriff war abgebrochen. Für kleines Geld gings mit.
Ausprobiert: Ein Geschepper und Gerassel, ein Kanal ging nicht, die Potis kratzten zum Steinerweichen, Umspulen total schlapp. Keine Zeit, keine Lust, weg damit auf den Speicher.
Im Forum war schon ab und zu die Rede davon, wie qualitativ schlecht diese
Geräte seien, ich habe auch mitgemeckert.
Stimmts denn auch wirklich? Ich wollte der Sache etwas objektiver auf den Grund gehen und habe mir das TK 845 mal vorgenommen.

Hier ist es, Plastiklook mit aufgeklebtem Aluzierrat, gekrönt von Edelholzimitat-Kunststoffseitenteilen. Anscheinend europäischer 70er Jahre Geschmack:

[Bild: TK845vorn-1.jpg]

Nach dem Entfernen der Abdeckplatte präsentiert sich Blech und Plastik.
(Foto nach der Reinigung, alles war mit Fett und Staub zugeklebt):

[Bild: TK845vorn-offen.jpg]

Die Antriebsriemen waren hinüber, die Laufflächen der kleinen Zwischenröllchen
hart geworden, der Motor schnarrte und ein Lager der Rolle unter der weißen Kunststoffkappe in der Mitte (Rutschkupplung für die Umspulräder) war trockengelaufen, die Rolle lief deswegen recht unruhig und geräuschvoll.
Die Tonköpfe und die Andruckrolle waren noch gut.

[Bild: TK845Antrieb-oben.jpg]

[Bild: TK845K%F6pfe.jpg]


Ausbau des Chassis, zuerst muss das untere Bedienfeld raus, das geht recht einach, man kann es seitlich herausklappen:

[Bild: TK845aufgeklappt.jpg]


Zurück bleibt ein Kunststoff-Kunstwerk mit 2 Lautsprechern:

[Bild: TK845Geh%E4use.jpg]

Von hinten sieht man, dass das Gerät eigentlich nur ein vergrößertes TK 745 ist,
dessen Gehäuse ist zu erkennen, der untere Gehäuseteil ist quasi angepappt, die Seitenteile kaschieren das.

[Bild: TK845Geh%E4use-hinten.jpg]


Nun das Chassis von unten. Modultechnik, zwar servicefreundlich, aber auch empfindlich. Immerhin, nach mehrmaligem Stecken der Module und der Kabelstecker gingen beide Kanäle wieder. Bei dem Alter des Apparates ist dieses aber nicht verwunderlich und nicht einer besonders billigen Verarbeitung anzulasten. Ich finde den Aufbau der Elektronik übersichtlich und gelungen.

[Bild: TK845Chassis-unten.jpg]

[Bild: TK845Chassis-unten-Elektronik.jpg]

Links neben der Schwungscheibe ist die Rolle mit der Rutschkupplung zu sehen. Zwischen den beiden Teilen greift die Rolle, die je nach Bandgeschwindigkeit auf einer anderen Stufenscheibe läuft, auch diese war etwas hart geworden und rappelte mit trockenen Lagern. An das Ding heranzukommen ist wirklich besch.....! Man muss das ganze Gedöns um die Schwungscheibe herum auseinanderbauen. Um ein Teil zu lösen, muss erst ein anderes aus dem Weg, um dieses wiederum zu lösen, muss erst ein noch anderes aus dem Weg...
Nun gut, irgendwann ging es wieder schön ruhig zu. Der Motor ist eine weitere Geräuschquelle. Sparmotor mit Trafoanzapfung. Das Ding vibriert. (Ist in vielen günstigen Geräten verbaut). Die Gummilager des Motors waren altersbedingt geschrumpft, habe den jeweiligen Spalt an den Seiten wieder gestopft, den Motor geschmiert und seinen Läufer neu zentriert sodass er wieder einigermaßen Ruhe gibt.

Läuft, der Zusammenbau kann beginnen.

Hier nochmal die Bandführung von hinten:

[Bild: TK845K%F6pfe-hinten.jpg]

Wenn alle Laufgeräusche minimiert sind, ist die Kiste recht leise. Wie lange die unterdimensionierten Antriebsröllchen und deren Lager noch halten weiß ich nicht, allzu lange wirds wohl nicht sein. Für so eine Lebensdauer war das Grundig ja auch nicht konzipiert, dafür ist der Zustand nach 35 Jahren noch ok, kaum Bröselerscheinungen an den Kunststoffteilen, Zinkfraß gibt es mangels entsprechender Bauteile auch nicht. Grundig musste zu der Zeit wohl schon sparen wo es irgend ging, man sieht es außer an der Elektronik überall.
Klanglich braucht sich das TK 845 aber nicht zu verstecken (ohne jetzt genaue Messwerte zu haben oder anzufertigen), rein subjektiv geurteilt. Brillanter, sonorer Klang, nichts daran auszusetzen. Dazu noch allerlei Gimmicks, Echo, Dia, Hinterbandkontrolle (nur mono), Multiplay, Mischmöglichkeit. Eine Hobbykiste mit der man gute Aufnahmen machen konnte (und immer noch kann!). Nach ein paar Jahren sollte sie ihren Dienst getan haben und in den Müll wandern, so hatten sich es Grundigs Konstrukteure wohl gedacht.

Wieso eigentlich Flachmann?
Der Vergleich mit dem allseits bekannten Report zeigt es:

[Bild: TK845Vergleich-Flachmann.jpg]

Flach und leicht gebaut, das nahm kein Regal übel.

Trotz aller Billigkeit und Mängel finde ich das Gerät erhaltenswert, zumal es gute Aufnahmen macht. Nur aufmerksam gepflegt und nicht grob behandelt werden
möchte es.

Gruß
Peter S.

Anbei zusätzlich Fotos vom Chassis des TK 745, im Prinzip der gleiche Apparat. Das 745 hat jedoch nur ein Anzeigeinstrument, das oben beschriebene kleinere Gehäuse und weniger Funktionen wie Mischpult, Diapilot usw.

[Bild: VergleichTK745-1.jpg]
[Bild: VergleichTK745-2.jpg]
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#2
Sehr schöne Vorstellung. Vielen Dank dafür.
Mir tut die ausgeglichene Beschreibung sehr gut.

Mit einem 745 wollte mich ein ehemaliges Forenmitglied für Grundig einnehmen. Es ist leider mißglückt.

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#3
Guter Bericht, Peter.

Jedes Gerät ist auf seine Art sammelwürdig, weil es einen Platz in der Entwicklungskette einnimmt.
Manche Geräte sind einfach nur gelungen und werden zu Klassikern.
Andere verschwinden irgendwann aus dem persönlichen Horizont, weil sie technisch und optisch mausgrau waren.

Dazu zählt für mich diese Grundig.
Schon das erste Foto mit den Gehäuseoberflächen löst in mir absolut nicht diesen allen Sammlern bekannten und fatalen "Habenwollen"-Effekt aus; im Gegenteil.
Den haptischen Todesstoß für das Gerät setzt Du aber mit dem Foto der Innenansicht des Gehäuses .... Wink

Aber vermutlich sah es in einer Reihe zeitgenössischer Wickler damals schon ähnlich aus. Kostenminimierung durch technische Abmagerung.
Man hat mich aus den gleichen Gründen auch vor dem N7150 gewarnt, daß nur von außen so massiv und metallen aussieht, aber weniger wiegt als ein gutes Kassettendeck.

Trotzdem schön, daß Du Dich dieses Gerätes angenommen und uns berichtet hast.
Bert
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#4
Nachtrag:

Bei mir liegen noch einige Philipsbänder, die ich vor fast 20 Jahren mal zusammen mit einem 4418 gekauft habe. Ganz schreckliche deutsche Schlager von ca. 1970 sind da drauf. So schrecklich, dass man sich bei manchen Texten gruseln oder kaputtlachen kann, je nach dem. Als Freund des Verschrobenen möchte ich die Aufnahmen natürlich retten, die Bänder brauche ich für Liveaufnahmen (weil sehr gut noch, die Philipse). Leider ist alles nur mit 4,7cm/s aufgenommen, Viertelspur mono. Der Klang ist dementsprechend bescheiden. Mit Uher RdL und den alten Royals klingen sie irgendwie nicht, auch nicht mit Azimuthspielereien, das Originalaufnahmegerät ist nicht mehr. Nun, das TK 845 hat auch 4,7, mal probieren. Schau mal einer an, super Klang! Besser als mit den anderen Geräten, kaum Rauschen, mehr Höhen. "Wer Grundig kauft, traut sich auch 4,7" haben die Konstrukteure wohl gedacht und der dementsprechenden Entzerrung anscheinend einige Aufmerksamkeit zukommen lassen. So hat das TK 845 doch noch etwas zu tun bekommen:
[Bild: TK845Digit.jpg]
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#5
Was ich an der Maschine dem äußeren Anschein nach gut finde, sind die großen Aussteuerungsinstrumente. Leider hatten deutsche Hersteller ja eher ein Faible für ziemlich mickrige Ausführungen.

Ansonsten kann ich beim Anblick der Maschine (die ja zeitweise sogar das Spitzenmodell der Marke war) leider nur zu gut nachvollziehen, warum Grundig in den 70ern die Tonband-Kunden weggelaufen sind. Veraltete Technik, billige Materialien und halbherzig bei den Japanern abgeschautes Design, das ist für den ehemaligen Weltmarktführer eine ziemlich schwache Vorstellung.
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