"Potis" im Wandel der Zeit
#1
Ein dicker, fetter Lautstärkesteller war lange Zeit Symbol für hochwertiges HiFi. Der Poti sollte nicht nur optisch sondern auch haptisch den Eindruck von Wertigkeit vermitteln: Gleichmäßig-satt, aber nicht zu schwer, möglichst spielfrei und je nach Geschmack mal "stufenlos" oder auch "rastend" musste er sich bewegen lassen.

Die Technik, die dahintersteckte, war im Kern primitiv: Eine Bahn aus Widerstandsmaterial, bei klassischen "Potis" ringförmig, bei Flachbahnreglern gerade aufgetragen, wurde von einem handbewegten Schleifer variabel abgegriffen, wodurch sich der Widerstandswert veränderte.

Nicht selten war die nach aussen hin wertig erscheinende Ausführung nach innen hin lausig, so daß es zu Knistern oder gar zu Kontaktproblemen kam. Aber auch an hochwertigen Konstruktionen nagte der Zahn der Zeit. Potis zählen bei etwas älterem Gerät zu den häufigsten Schwachpunkten.

Auch in gut erhaltenem Zustand gab es, bedingt durch Fertigungstoleranzen Probleme, wenn z. B. zwei oder mehrere Potis im Gleichlauf arbeiten sollten. Abweichungen von bis zu 6 db gelten als brachenüblich.

Kein Wunder das nicht nur versucht wurde, das Poti zu verbessern, sondern daß auch versucht wurde, es ganz zu ersetzten.

- Festwiderstände waren eine Lösung, vornehmlich im High-End, da teuer
- Elektronische Potis,
- diese nicht mehr per Handrad, sondern per Tipptaste gesteuert
- digitale Lösungen

Viele bedauern den Verlust der "Anfassqualität", andere begrüßen das Verschwinden des berüchtigten Poti-Kratzens. Nun, ganz ist es nicht verschwunden, auch elektronische Lösungen hört man.

Ich stelle jetzt hier einen Trichter auf, und jeder, der etwas über die Technik der Pegelregelung per Poti und seinen Varianten und Mutationen weiss, möge dieses Wissen bitte einfüllen. Wink
Michael(F)
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#2
Schon in den Fünfziger Jahren hatte man bei Saba Radios mit elektron. Sendersuchlauf und elektron. Lautstärkerregelung zusammen mit einer Drahtfernbedienung, die nur durch diese Technik erst möglich wurde. Die Regler wurden motorisch angetrieben.

Ich besitze einen relativ seltenen telecommander-Receiver von Saba, dessen Gleitschieberegler ebenfalls motorisch gesteuert sind und drahtlos fernbedient werden können...leider defekte FB-Einheit Sad

Außerdem habe ich einen sehr jungen Yamaha-Boliden, dessen Lautstärkepoti ebenfalls motorisch gesteuert und fernbedienbar ist - scheint bei den Surroundern Mode zu sein.

~ Ende der 70er Jahre wurden die Potis von den Zeitschriften entdeckt. Ich kann mich noch an die Lobeshymnen auf einen Anfang der 80er gebauten Canton-Vorverstärker erinnern: er hatte gekapselte Super-Potis. Offenbar haben sich aber die Entwickler nicht die Mühe gemacht, Altpotis genauer zu untersuchen. Sie hätten dann festgestellt, daß es dreierlei bedarf: kapseln, Abrieb absaugen und Widerstandsschicht autom. ausbessern Wink
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#3
Das motorgetriebene Poti war ein ganz normales Poti, wie die handbetätigten auch, mit allen Vor- und Nachteilen. Erzwungen durch den Wunsch nach Fernbedienbarkeit, wurde es länger als nötig am Leben erhalten, weil ein klassisches Poti als audiophiler galt als eine elektronische Lösung und man auf eine FB nicht verzichten mochte. Bei der mechanischen Motor-Lösung hatte man das Problem der Störgeräusche durch Streuungen des Motors und das Problem der Endlagen Ab- und Umschaltung.
Michael(F)
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#4
Hallo,
interessantes Thema. Mein 'neuer' Braun Regie 510 hat noch in Alu-Guss gekapselte Preh Potis, die kein Kratzen, oder Knistern von sich geben. Ich weiß nicht wie der Vorbesitzer über 30 Jahre damit umgegangen ist, die Potis sind noch top in Ordnung. Ich kann mich erinnern, dass die Preh-Potis damals keine Metallschleifer auf Graphit hatten, sondern Graphit-Stifte (eine Art Bleistiftmine) auf Graphit-Schicht. Ich kann mir denken, dass das eine sehr schleifbahnschonende Konstruktion ist, die eher Graphit vom Schleifer auf die Bahn transportiert, als die Bahn selbst abzuschaben, wie es Metallschleifer im Laufe der Jahre tun.
Gruß,
Michael/SH

Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu (Ö v. Horvath)
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#5
Recht früh gab es Decks, bei denen die Aussteuerung der Aufnahme über Tipptasten recht stufig zu schalten war. Nach wie vor keine gute Lösung. Beim Lautstärke- oder Klangregler hingegen ist mir die Stufigkeit relativ egal, zumal gute Geräte fast unhörbar kleine Schrittweiten haben.

Interessanterweise haben selbst billige Geräte immer noch einen Tuning- und einen Lautstärkeregler, aber Tipptasten für alles andere...
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#6
Es gibt gekapselte CERMET-Potis und -Trimmer.
Leider eher als Trimmer denn als großes Poti.
Doppel-Potis, logarithmisch, schon mal gar nicht.

Es gibt auch Leitplastik-Potis.

Aber irgendwie habe ich in Jahrzehnten nie wirklich überzeugende
Stereo-Potis mit Variantenreichtum und von mehreren Herstellern gesehen.
Überall anzutreffen sind die offenen Potis für wenige DM, die nichts taugen.

Digital-Potis sind oft mit 16-32 Stufen zu grob, besonders wenn Logarithmierung
weggelassen wurde.

Ich persönlich verwende:
Mechanische Drehimpulsgeber mit 32 Stufen pro Umdrehung, mit und ohne
fühlbare Stufung, ohne Anschlag, Lebensdauer >100000 volle Umdrehungen,
in Verbindung mit elektronischen Digital-Potis mit 256 Stufen.

Die Daten von elektronischen Potis sind phänomenal gut, da dort
FETs jeweils komplett Widerstände durchschalten.
Das ist quasi so wie eine offene Widerstandsmatrix, die mit mechanischen
Kontakten verschaltet wird.
Desweiteren sind sie prinzipbedingt fernbedienbar.

Sämtliche 11 Drehknöpfe an meinem Tektronix-Oszi sind mit Drehgebern
ohne Anschlag bestückt.
Das ist das beste Konzept, wenn etwas von Prozessoren beherrscht wird.
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#7
Zitat:Michael Franz postete
Das motorgetriebene Poti war ein ganz normales Poti, wie die handbetätigten auch, mit allen Vor- und Nachteilen. Erzwungen durch den Wunsch nach Fernbedienbarkeit, wurde es länger als nötig am Leben erhalten, weil ein klassisches Poti als audiophiler galt als eine elektronische Lösung und man auf eine FB nicht verzichten mochte. Bei der mechanischen Motor-Lösung hatte man das Problem der Störgeräusche durch Streuungen des Motors und das Problem der Endlagen Ab- und Umschaltung.
Hallo Michael

Das ist genau meine Erfahrung. Einer meiner Vollverstärker - ganz nach alter Schule gebaut - hat genau dieses Problem: Wird die Lautstärke verändert, hört man es in den Boxen. Lustig ist auch das Problem der Endlagenabschaltung: Der Motor würgt und würgt und würgt. Die Störgeräusche in den Boxen lassen nichts Gutes vermuten. Wenn ich den Finger nicht von der FB genommen hätte, wäre er wahrscheinlich noch heute am würgen.

Der Purismus im Hifi-Bereich - welchen ich an und für sich für pervers halte - wird ja immer wieder durch den besseren Klang gerechtfertigt. Klangregler beinflussen den Klang, Auftrennbare Vor- und Endstufen beieinflussen den Klang etc. Ich frage mich gerade, wie der Schönheitsfehler "Störgeräusche in Boxen durch Lautstärkeregleung" wohl dem ahnungslosen Kunden verkauft wird.

Abgesehen davon, sind die Motor-Poti-Lösungen häufig nicht sensibel genug. Normalerweise kommen ja zwei Probleme zusammen: Die grobe Rasterung im unteren Bereich des Potis sowie der für diesen Bereich zu schnelle Motor. Der Kunde will ja nicht zu lange drücken müssen, bis die Musik leiser wird, wenn gerade das Telefon klingelt.

Gruss
Etienne
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#8
Als die Profiszene noch schussfest arbeitete (und vor allem dachte), waren die als geschaltete Widerstandsnetzwerke (H- oder Pi-Regler) konzipierten Steller von Konski & Krüger, später diejenigen Hans Eckmillers (und von Wettbewerbern) natürlich die große Nummer.
Sie haben ja auch ihre ganz eigenen Vorzüge, mussten aber regelmäßigst gereinigt und mit speziellen Kontaktfetten behandelt werden, damit sie bei Betätigung nicht (allzusehr) brutzelten. Die Pflege wurde natürlich entsprechend gehandhabt, weshalb die Dinger im niedrigen Pegelbereich praktisch immer lärmten.
Mein Freund Johannes W. (Autor jener Tonstudio-Bibel und Filmtonpionier) erzählte mir dazu eine kleine Geschichte, die auch die Profiszene angemessen beleuchtet:

Bei der Bavaria Film besaß man ein transportables Mischpult mit damals noch üblichen Rundstellern, die in diesem Falle aber geschaltete Widerstandsnetzwerke enthielten, die natürlich die oben geschilderten 'Eigenschaften' entwickelt hatten. Ein Steller war so schlimm, dass man ihn nicht mehr gebrauchen konnte, weshalb man sich für eine Ersatzbestückung immer wieder vergeblich an den Hersteller gewandt hatte. Irgendwann wurde Johannes die Sache zu bunt und er begab sich zur Radiobastler-Apotheke Holzinger am Münchener Marienplatz und erwarb ein simples Kohleschichtpoti, das er dann eigenhändig den Lötkolben schwingend ins Pult einbaute, und:
Die Kollegenschaft überschlug sich im Lob für dieses Reparatur: "Was hast du denn da gemacht, nichts knistert, das ist ja großartig, das ist das bisher besten Potentiometer, mit dem wir zu tun hatten und deshalb überall brauchen...."
Soviel zur Illustration dees real existierenden, professionellen Anspruchs.

Ich selbst besitze ein halbes Dutzend Konski&Krüger-Steller W24 von etwa 1939/40 (die Skalen geben das Dämpfungsmaß in Neper an...), deren Widerstände sämtlich (es sind -glaube ich- jeweils 96 Stück...) aus Widerstandsdraht auf kleine Porzellankörper gewickelt sind. Anzusehen ist dies Exemplar der Feinmechanik mit großer Freude. Brutzeln hören möchte ich ein solches Poti heute aber nicht mehr.

Hans-Joachim
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#9
Hallo Freunde der alten Technik
das gute Holzingerpoti war halt auch von Preh.
Die haben übrigens auch gute DIN-Stecker gemacht.
Falls es doch mal zu kratzen anfängt hilft bei mir - auf Jahre - das bei den Jägern als Allheilmittel beliebte Ballistol, vermutlich, weil es gleichzeitig reinigt und schmiert. Es entfernt auch Sulfit von den Preh-Steckern.

mfG Hans
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