Frage an die alten Tonbandhasen
#1
Hi,

ich habe heute fünf Bänder erhalten die mir ein bisschen Rätsel aufgeben.
Es handelt sich um 22cm Kunststoffspulen, glasklar, im roten BASF Pappschuber
mit AEG Aufnahme (!). Deswegen hab ich die Dinger auch gekauft.

[Bild: basf_band.jpg]

Das Bandmaterial selbst kann ich nicht 100% zuordnen, ich würde aber auf
BASF DPR26 tippen. Schwarze RSM und schokobraune Schichtseite, ausserdem der typische BASF Geruch. Vorspannbänder waren selbst angeklebt und nicht original (Den blau-weissen Vorspann auf dem Bild habe ich vorher dranngenagelt).

Die Bänder sind in exzellenter Qualität (2-Spur stereo mit 19cm/s) bespielt mit Sendungen des RIAS Berlin aus dem Jahre 1975. Lauter super Musik (Beatles, Stones, Dylan, Grateful Dead, usw.) - genau meine Richtung - befindet sich darauf.
Abgespielt auf einer M12 ergibt sich am Mischpult ein max. Pegel von +6dB. Daher vermute ich, dass die Aufnahmen auf einer Studiomaschine entstanden sind. Darauf deuten ja auch die AEG Spulen hin.

Nun meine Frage: Wer hatte 1975 eine 2-Spur Studiomaschine zu Hause stehen und hat das nächtliche Radioprogramm mitgeschnitten?
Als typischen Tonjäger von damals habe ich mir immer einen pickelgesichtigen Teenager oder Anfang-20er vorgestellt, der um Band zu sparen jede Spur einzeln mit 9,5cm bespielt ;-). Vielleicht liege ich da ja ganz daneben...

Ein entsprechendes Tonbandgerät war damals ja fast unerschwinglich. Ich denke da eben an TFK's M10/12/15 oder eine A77ORF o.ä.

Das Band selbst ist mir auch noch ein Rätsel. Gab es DPR26 1975 überhaupt schon? Oder war damals noch DP26 aktuell? Es handelt sich auf jeden Fall um Doppespielband (Bandendenrollen sich beim Schneiden nach oben auf). Wer hat Doppespielband auf 22er AEG Spule angeboten? Die Bänder sind nicht geschnitten, also nicht aus kleineren Stücken gestückelt. Allerdings waren eben die Vor-/Abspänne nicht original.

Hat jemand einen Gedanken dazu?

David

EDIT:Sind das überhaupt BASF Spulen?
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#2
Zitat:David77 postete
Das Band selbst ist mir auch noch ein Rätsel. Gab es DPR26 1975 überhaupt schon?
Es kam wohl um die Zeit auf. Zuerst noch mit gelber Rückseitenbeschichtung.
Zitat:Wer hat Doppespielband auf 22er AEG Spule angeboten?
Diese Kombination ist so seltsam das ich nicht glaube dass das so verkauft wurde.
Wenn es Spulen mit 10cm Kern sind, dann passt ein 30cm Wickel genau auf 2 22er Spulen.
Die Erklärung wäre also vielleicht, der Vorbesitzer hatte Beziehungen zum Rundfunk und konnte dort 1500m / 30 cm Wickel abstauben. Die passten aber nicht auf seine alte Mühle, die Amateurspulen passten aber auch nicht ohne Umbau auf die Rundfunkmaschine zum Umspulen. Die Lösung sind hier AEG Spulen, die sehr selten sind.
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#3
@ Matze:

Die RSM der vorliegenden Bänder ist schwarz.

Du hast schon recht, die Kombi ist seltsam. Aber wo gab's denn beim Rundfunk 26µm Bänder?

Rätsel über Rätsel...
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#4
Hallo David,

diese "Bobby-Spulen" gab es auch mit BASF-Label. Hier eine mit 100 mm Kern- und 248 mm Außendurchmesser:

[Bild: Bobbyspule(3)640.jpg]

Und hier Werbung aus den 50ern:

[Bild: Bobbyspule640.jpg]

Zitat:Wer hatte 1975 eine 2-Spur Studiomaschine zu Hause stehen und hat das nächtliche Radioprogramm mitgeschnitten?
Z.B. ein Tonband besessener Cottbusser auf dieser Selbstgebauten:

[Bild: STM-02.jpg]

Viele Grüße
Hajo
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#5
Zitat:David77 postete
Du hast schon recht, die Kombi ist seltsam. Aber wo gab's denn beim Rundfunk 26µm Bänder?
Es kann ja sein das der Vorbesitzer sie nur auf einer grossen Maschine umspulen musste.
Aber, bist du sicher das es nicht Langspielband ist? Wie lang ist das Band denn?
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#6
@19null5
War die schon Stereo? Hast du weitere technische Daten?
Wo kamen die Teile her?
Man hat uns immer gesagt in der DDR gab es absolut nix. Wie kommt dann ein Normalsterblicher an Teile und auch Bänder für ein richtiges Gerät?
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#7
Da kannst du recht haben. Für Langspielband ist es zu labbrig, ausserdem rollt sich das Bandende beim schneiden eben leicht auf (nicht spiralig wie Tripleband), das hab ich bei LP noch nie beobachtet.
Die Länge weis ich noch nicht, hab mir noch keines der Bänder komplett angehört.

David
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#8
Hast du kein Bandlängenzählwerk?
Wobei, das hatte auch nur die ASC.
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#9
Wobei, eine Maschine die 30cm Wickel fasst kann mit Doppelspielband nicht umgehen.
Das ist viel zu dünn und wird lang gezogen. Wie ist denn der Klang? War der Empfang rauschfrei?
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#10
Ich müßte morgen mal graben - hab hier so ähnliche Spulen von Agfa liegen, allerdings mit PER 528 und definitiv aus dem professionellen Bereich.

Zitat:David77 postete
Die Bänder sind in exzellenter Qualität (2-Spur stereo mit 19cm/s) bespielt mit Sendungen des RIAS Berlin aus dem Jahre 1975. Lauter super Musik (Beatles, Stones, Dylan, Grateful Dead, usw.) - genau meine Richtung - befindet sich darauf.
Eine etwas fachfremde Frage: Ist das am Ende was aus den legendären "Rock-over-RIAS"-Sendungen?? :oah: :party:

Zitat:David77 postete
... Teenager oder Anfang-20er vorgestellt, der um Band zu sparen jede Spur einzeln mit 9,5cm bespielt ;-).
Genau, so einer war auch ich Anfang der 80er Big Grin

Michael
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#11
Der Klang ist sehr gut. Kein hörbares Empfangsrauschen, nur normales Bandrauschen. Ich hatte bisher nie fremde Bänder hier die in ähnlicher Qualität bespielt waren, ausser alten Rundfunkbändern.

Welche Sendungen das genau sind weis ich noch nicht. Auf dem einen Band, in das ich etwas ausführlicher reingehört habe, ist eine Nachtsendung. Am Bandende geht's auf die 4.30 Uhr Nachrichten zu. Zwischen den Moderationen werden immer 3-4 Titel gespielt, ausdrücklich für Höhrer die am Tonband sitzen zum mitschneiden. Alle Titel voll ausgespielt und mit kurzen Reaktionszeiten am Anfang und am Ende um die Pause Taste zu drücken. Herrlich! Sowas kenne ich gar nicht mehr. Was ich besonders faszinierend finde, ist, dass man in der Pause zwischen der Moderation und den Musikbeiträgen im Hintergrund deutlich hört wie eine Bandmaschine gestartet wird: Tscha-Klock! :-D

David

EDIT: Die Moderatoren weisen öfters ausdrücklich darauf hin, dass in Stereo gesendet wird :grins:
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#12
Zitat:Matze postete
@19null5
War die schon Stereo? Hast du weitere technische Daten?
Wo kamen die Teile her?
Man hat uns immer gesagt in der DDR gab es absolut nix. Wie kommt dann ein Normalsterblicher an Teile und auch Bänder für ein richtiges Gerät?
Stereo!
Motore und Umlenkrollen sind vom BG19. Die Köpfe habe ich selber beim Hersteller "VEB Goldpfeil Hartmanndorf" geholt. Die Elektronik ist alles Eigenbau, die Leiterplatten sind selbst entworfen und geätzt.
Bandmaterial? Es gab Mittel und Wege ... :-) (z.B. Abkauf von "gebrauchtem Material" von Tonstudios in Theatern, Stadthallen, Betriebsfunk usw.)
Das Gerät existiert noch, allerdings in einem erbärmlichen Zustand. Bin aber dabei (seit Monaten immermal wieder) die Kiste wieder zu reanimieren ...

Viele Grüße
Hajo
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#13
@19null5:
Wie sagt ein Bekannter von mir immer: Honecker sagte mal "Aus unseren Betrieben ist so viel rauszuholen!", und wir haben dann soviel wie möglich rausgeholt. :-D
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#14
`
Aus meinen zahlreichen Räumungen habe ich öfter auch Doppelspielbänder aus Rundfunkbeständen ergattert, teilweise sogar solche mit Kartons und Spulen mit dem Logo und den Hausfarben des Senders. Unlängst vom DLR sogar einige BASF TP18LH. Es gibt also nichts, was es nicht gibt.

Eines dieser Bänder, ein Agfa PEM269, war beschriftet mit "Weihnachtsprogramm 1978, 20:00 bis 22:00 Uhr". Ich denke, dass Du u. U. Sendekopien erwischt hast, die, um mit wenig Personal eine möglichst lange ununterbrochene Sendezeit zu erreichen, auf Doppelspielband gezogen wurden. Das macht an Feiertagen oder beim Nachtprogramm durchaus Sinn. Das Band läuft, wird für die Nachrichten gestoppt oder einfach nur ausgeblendet und nach den Nachrichten geht es weiter. Da braucht man keinen Techniker, das macht die Regie vom Mischpult aus. So spart der Sender Personal und damit Geld.

Man sollte beim Rundfunk nicht immer nur an die zwar meist benutzten Telefunkens denken, es gab und gibt Maschinen, die auch mit DP klarkommen, von z. B. Studer oder die auch mitunter bei der ARD verwendeten PR99.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#15
Genial! 19null5, das muss erst einmal jemand nachmachen! Ihr Jungs in der DDR konntet hervorragend improvisieren. Eine Maschine selbst zu bauen ist ja schon nicht einfach, aber wenn man zusätzlich Teile besorgen oder herstellen muss die es eigentlich gar nicht gibt...Hut ab! Hoffentlich lebt das Unikat bald wieder. Und: Glück gehabt, dass die Shlapphüte das Ding nicht bei Dir im Wohnzimmer entdeckt haben, das hätte bestimmt Argwohn erregt ;-)

Gruß
Peter S.
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#16
Zitat:David77 postete
Zwischen den Moderationen werden immer 3-4 Titel gespielt, ausdrücklich für Höhrer die am Tonband sitzen zum mitschneiden. Alle Titel voll ausgespielt und mit kurzen Reaktionszeiten am Anfang und am Ende um die Pause Taste zu drücken.
Ich war damals noch Grundschüler und habe auch später nie groß RIAS gehört, aber irgendwie könnte diese Beschreibung auf eine Sendung speziell für Hörer in der DDR passen, oder? (Deshalb komme ich auf Rock over RIAS.)

Hast Du evtl. eine Ahnung, wer die Moderation macht - ob es ein Haussprecher ist (dann würde es ziemlich distanziert klingen, so ähnlich wie die Wasserstandsmeldungen) oder die Legenden namens Barry Graves, Olaf Leitner & Co? :oah: (dann würde es anders klingen Wink )

Michael
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#17
@mk1967:

Ja, es handelt sich teilweise tatsächlich um Rock over RIAS. Und ja, die Moderatoren sind ein Barry, ein Olaf und ein Walter.
Es sind zumindest zwei Rock over RIAS Sendungen auf den Bändern, leider scheinbar nicht komplett. Einmal habe ich den Anfang einer Sendung (ca. 30min) und einmal irgendwas aus der Mitte.

Nachdem ich mir heute Vormittag ein Band angehört habe, kann ich ausschließen, dass es sich um Sendebänder handelt. Nur ein ziemlich ambitionierter Amateur.

Mal sehen was noch so zu Tage kommt.
Diese Rock over RIAS Sendungen scheinen jedenfalls ziemlich hörenswert gewesen zu sein.

Ich werde auf mal den Verkäufer der Bänder anschreiben, ob er noch mehr von dem Material hat.

David
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#18
Zitat:David77 postete
Ja, es handelt sich teilweise tatsächlich um Rock over RIAS.
:oah: Ja wie g**l ist das denn?? :bier:

Zitat:David77 postete
Und ja, die Moderatoren sind ein Barry, ein Olaf und ein Walter.
Da hätten wir die Herrschaften, in einem Bild aus dem Buch von Herbert Kundler: RIAS Berlin. Eine Radio-Station in einer geteilten Stadt. Programme und Menschen - Texte, Bilder, Dokumente, Berlin 1994, S. 255.
Bildunterschrift: "Sechs Nächte Rock over RIAS: (von links) Walter Bachauer, Barry Graves und Olaf Leitner."

[Bild: Bachauer-Graves-LeitnerN.jpg]

Man beachte Bachauers und Leitners prosaische Rock-over-RIAS-Fan-T-Shirts.

Zitat:David77 postete
Diese Rock over RIAS Sendungen scheinen jedenfalls ziemlich hörenswert gewesen zu sein.
Das kann man offenbar laut sagen. Smile In besagtem Kundler-Buch findet sich das hier auf S. 254:

[Bild: Rock-over-RIAS-N.jpg]

Offenbar war "Rock over RIAS" eine absolute Kult-Aktion, Marke Mittsiebziger Jahre. :respekt:

Michael
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