08.08.2009, 18:41
Röhrenfundgrube: UHER Stereo Record III
März 2009, Flohmarkt. Ein großer Haufen regendurchtränkter Plastikelektronikschrott, alte Handys usw.
Da lugt hinten unten doch etwas hervor? Ein Koffer, jawohl, ein Tonbandkoffer, sehr alt. Philips? Moment mal, vorne steht UHER drauf und (Puls steigt) SR III. Haben! Völlig speckig der Koffer, ich habe mich gar nicht getraut den Deckel zu öffnen in Erwartung einer völlig verhunzten Ruine nebst obligatorisch fehlender Tonkopfabdeckung. Deckel auf: Stereo Record III, alles komplett, fast keine Beschädigung! Der ganze Schmier und Dreck hatte wahrscheinlich alles konserviert, sagenhaft. Humanen Preis ausgehandelt und ab nach Hause –zu Fuß. Schwer ist das Teil, sehr schwer.
Nach erster Öffnung und Bestandsaufnahme: Alles original, gut erhalten, kein Bastler hatte sich anscheinend daran zu schaffen gemacht. Ich habe mich getraut den Stecker einzustecken, langsam quälte sich der Motor, alle Lager verharzt oder trockengelaufen wahrscheinlich, der Verstärker rauschte aber schon und bei Aufnahme leuchteten mich 2 grüne Balken der EMM 801 an (hatte ich bisher noch nie live gesehen, ich dachte vorher es wäre eine EM 84), aber irgendwelche Relais schnarrten laut und es roch nach Funkenabbrand. Antriebsriemen waren ausgeleiert aber zogen noch etwas, Reibrad und Andruckrolle tadellos, ein Wunder fast bei Baujahr 1962.
Gereinigt, zerlegt, Lager gangbar gemacht: Es spielt! Gut sogar. Tonkopfsektion hat wenig Verschleiß, Motor seidenweich und kaum zu hören, kein Vibrator wie bei späteren Modellen (außer RdL). Umspulen schön kräftig. Vorsicht jedoch, die Bremsentechnik ist noch ziemlich einfach gehalten, besser keine Triple-Bänder verwenden. Der massive Druckgussrahmen ähnelt in seinem Grundaufbau sehr dem der späteren 700er Modelle, nur ist alles eine Spur kräftiger und massiver gehalten. Vorn die 3er Kombination Pause Stop Start, davor der Umspulschieber. Links der Zug- Drehknopf mit der Schaltkulisse für 3 Bandgeschwindigkeiten, darunter 2x Lautstärke, 2xTonblende, Spurschalter für Wiedergabe. Rechts Aufnahmeknopf, Mikrofon- Radioüberblendregler, 2x Aussteuerung, Spurschalter für Aufnahme. Alles ähnlich dem späteren ersten Royal. Mittig oben auch die beiden Umspulzwischenräder, die Rutschkupplung noch hier eingebaut und nicht wie später in den Spulentellern. AW-Antrieb des rechten Spulentellers mit Rutschkupplung durch langen Riemen von der Schwungscheibe. Die Starttaste hatte sich wohl mal von ihrem Metallrahmen gelöst, war hochgeschnappt und dabei zerborsten, das war die einzige Beschädigung an dem Apparat! Zum Glück lagen die Fragmente noch im Gehäuse und konnten wieder zusammengefügt werden.
Das Schnarren kommt daher, dass auf einer Leitung statt ca. 32 nur 23 Volt liegen, das reicht nicht für die Selbsthaltefunktion der Relais, die die Kontaktleisten für Wiedergabe/Aufnahme betätigen. Dem Fehler muss ich noch auf den Grund gehen, Siebelkos und Gleichrichter sind ok, es betrifft aber nur Aufnahme, erst einmal Nebensache...
Wie man sehen kann ist alles sehr gediegen und fast überdimensioniert aufgebaut, zur Wartung kann die Elektronik aufgeklappt werden, wird sogar von einem eingebauten Stahlseil gehalten, da hat man es gut gemeint. Andererseits zwar schon gedruckte Schaltung, aber Festverdrahtung ohne Pfostenstecker, damals also auch schon Uher-typisch. Alles in Röhrentechnik (bis auf Gleichrichter), sogar Stereo-Endstufe mit 2 eingebauten Lautsprechern, die eigentümlicherweise nebeneinander sitzen und nach vorn abstrahlen, für „richtiges“ Stereo müsste man schon externe Boxen anschließen (gab es als Zubehör in Extraklappkoffern). Auch besitzt das Gerät nur einen AW-Kombikopf, obwohl die Druckguss-Kopfträgerplatte durchaus mehr Platz zu bieten gehabt hätte.
Böse Falle: Die rechten Druckschalter für Aufnahme springen beim Umschalten in den Wiedergabebetrieb nicht in die Ruhestellung zurück. Spult man nach einer Aufnahme zurück ohne die Schalterchen entrastet zu haben, fabriziert der weiterlaufende Löschgenerator einen sonoren Ton auf das Band und die Aufnahme ist unbrauchbar. In späteren Uher-Prospekten wirbt man für bedienungssichere Aufnahmefunktion, jetzt weiß ich auch warum. Einige Kunden werden sich über diese Sache wohl sehr geärgert haben.
Ich frage mich, weil zur gleichen Zeit bei Uher schon das feingliedrige Report gefertigt wurde, ob es in der Firma so eine Art Frankenstein-Abteilung gab, die diese kleinen Röhrenmonster gebaut hat. Vielleicht weiß Anselm mehr darüber, 1962 hatte er ja seinen Dienstbeginn.
Hier die Endstufe von oben (rechter Spulenteller abmontiert):
Stabil gebaut!
2 mal Mono ergibt Stereo, übersichtlich auf jeden Fall:
Nur ein Motor war wohl Ehrensache bei Uher, dafür aber ein guter!
Prima auch die Servicefreundlichkeit:
Entzückend! Magisches Band EMM 801 in Aktion:
Zum Schluss noch ein Vergleich mit einem Royal Stereo von 1965, deutlich ist die Ähnlichkeit des Grundaufbaus zu erkennen:
Fazit: Ein gut klingendes, äußerst solides Gerät, für die Ewigkeit gebaut. Etwas schade, dass im Innern zwar geklotzt, beim Äußeren aber nur gekleckert wurde, die Bedienelemente sind aus einem sehr schlicht wirkenden Kunststoff, der Koffer wirkt auch etwas dröge mit seinem cremefarbenen Kunstlederbezug. Das mag allerdings Geschmackssache sein, besser jedenfalls als eine äußerlich effektheischende Plastikkrücke, davon gab es ja genug...
Gruß an alle Tonbandpaläontologen
Peter
Edit: Ein Fimchen zum Gerät gibt es jetzt auch
http://www.youtube.com/watch?v=tol0xc1fPSA
März 2009, Flohmarkt. Ein großer Haufen regendurchtränkter Plastikelektronikschrott, alte Handys usw.
Da lugt hinten unten doch etwas hervor? Ein Koffer, jawohl, ein Tonbandkoffer, sehr alt. Philips? Moment mal, vorne steht UHER drauf und (Puls steigt) SR III. Haben! Völlig speckig der Koffer, ich habe mich gar nicht getraut den Deckel zu öffnen in Erwartung einer völlig verhunzten Ruine nebst obligatorisch fehlender Tonkopfabdeckung. Deckel auf: Stereo Record III, alles komplett, fast keine Beschädigung! Der ganze Schmier und Dreck hatte wahrscheinlich alles konserviert, sagenhaft. Humanen Preis ausgehandelt und ab nach Hause –zu Fuß. Schwer ist das Teil, sehr schwer.
Nach erster Öffnung und Bestandsaufnahme: Alles original, gut erhalten, kein Bastler hatte sich anscheinend daran zu schaffen gemacht. Ich habe mich getraut den Stecker einzustecken, langsam quälte sich der Motor, alle Lager verharzt oder trockengelaufen wahrscheinlich, der Verstärker rauschte aber schon und bei Aufnahme leuchteten mich 2 grüne Balken der EMM 801 an (hatte ich bisher noch nie live gesehen, ich dachte vorher es wäre eine EM 84), aber irgendwelche Relais schnarrten laut und es roch nach Funkenabbrand. Antriebsriemen waren ausgeleiert aber zogen noch etwas, Reibrad und Andruckrolle tadellos, ein Wunder fast bei Baujahr 1962.
Gereinigt, zerlegt, Lager gangbar gemacht: Es spielt! Gut sogar. Tonkopfsektion hat wenig Verschleiß, Motor seidenweich und kaum zu hören, kein Vibrator wie bei späteren Modellen (außer RdL). Umspulen schön kräftig. Vorsicht jedoch, die Bremsentechnik ist noch ziemlich einfach gehalten, besser keine Triple-Bänder verwenden. Der massive Druckgussrahmen ähnelt in seinem Grundaufbau sehr dem der späteren 700er Modelle, nur ist alles eine Spur kräftiger und massiver gehalten. Vorn die 3er Kombination Pause Stop Start, davor der Umspulschieber. Links der Zug- Drehknopf mit der Schaltkulisse für 3 Bandgeschwindigkeiten, darunter 2x Lautstärke, 2xTonblende, Spurschalter für Wiedergabe. Rechts Aufnahmeknopf, Mikrofon- Radioüberblendregler, 2x Aussteuerung, Spurschalter für Aufnahme. Alles ähnlich dem späteren ersten Royal. Mittig oben auch die beiden Umspulzwischenräder, die Rutschkupplung noch hier eingebaut und nicht wie später in den Spulentellern. AW-Antrieb des rechten Spulentellers mit Rutschkupplung durch langen Riemen von der Schwungscheibe. Die Starttaste hatte sich wohl mal von ihrem Metallrahmen gelöst, war hochgeschnappt und dabei zerborsten, das war die einzige Beschädigung an dem Apparat! Zum Glück lagen die Fragmente noch im Gehäuse und konnten wieder zusammengefügt werden.
Das Schnarren kommt daher, dass auf einer Leitung statt ca. 32 nur 23 Volt liegen, das reicht nicht für die Selbsthaltefunktion der Relais, die die Kontaktleisten für Wiedergabe/Aufnahme betätigen. Dem Fehler muss ich noch auf den Grund gehen, Siebelkos und Gleichrichter sind ok, es betrifft aber nur Aufnahme, erst einmal Nebensache...
Wie man sehen kann ist alles sehr gediegen und fast überdimensioniert aufgebaut, zur Wartung kann die Elektronik aufgeklappt werden, wird sogar von einem eingebauten Stahlseil gehalten, da hat man es gut gemeint. Andererseits zwar schon gedruckte Schaltung, aber Festverdrahtung ohne Pfostenstecker, damals also auch schon Uher-typisch. Alles in Röhrentechnik (bis auf Gleichrichter), sogar Stereo-Endstufe mit 2 eingebauten Lautsprechern, die eigentümlicherweise nebeneinander sitzen und nach vorn abstrahlen, für „richtiges“ Stereo müsste man schon externe Boxen anschließen (gab es als Zubehör in Extraklappkoffern). Auch besitzt das Gerät nur einen AW-Kombikopf, obwohl die Druckguss-Kopfträgerplatte durchaus mehr Platz zu bieten gehabt hätte.
Böse Falle: Die rechten Druckschalter für Aufnahme springen beim Umschalten in den Wiedergabebetrieb nicht in die Ruhestellung zurück. Spult man nach einer Aufnahme zurück ohne die Schalterchen entrastet zu haben, fabriziert der weiterlaufende Löschgenerator einen sonoren Ton auf das Band und die Aufnahme ist unbrauchbar. In späteren Uher-Prospekten wirbt man für bedienungssichere Aufnahmefunktion, jetzt weiß ich auch warum. Einige Kunden werden sich über diese Sache wohl sehr geärgert haben.
Ich frage mich, weil zur gleichen Zeit bei Uher schon das feingliedrige Report gefertigt wurde, ob es in der Firma so eine Art Frankenstein-Abteilung gab, die diese kleinen Röhrenmonster gebaut hat. Vielleicht weiß Anselm mehr darüber, 1962 hatte er ja seinen Dienstbeginn.
Hier die Endstufe von oben (rechter Spulenteller abmontiert):
Stabil gebaut!
2 mal Mono ergibt Stereo, übersichtlich auf jeden Fall:
Nur ein Motor war wohl Ehrensache bei Uher, dafür aber ein guter!
Prima auch die Servicefreundlichkeit:
Entzückend! Magisches Band EMM 801 in Aktion:
Zum Schluss noch ein Vergleich mit einem Royal Stereo von 1965, deutlich ist die Ähnlichkeit des Grundaufbaus zu erkennen:
Fazit: Ein gut klingendes, äußerst solides Gerät, für die Ewigkeit gebaut. Etwas schade, dass im Innern zwar geklotzt, beim Äußeren aber nur gekleckert wurde, die Bedienelemente sind aus einem sehr schlicht wirkenden Kunststoff, der Koffer wirkt auch etwas dröge mit seinem cremefarbenen Kunstlederbezug. Das mag allerdings Geschmackssache sein, besser jedenfalls als eine äußerlich effektheischende Plastikkrücke, davon gab es ja genug...
Gruß an alle Tonbandpaläontologen
Peter
Edit: Ein Fimchen zum Gerät gibt es jetzt auch
http://www.youtube.com/watch?v=tol0xc1fPSA