Röhrenfundgrube: UHER Stereo Record III
#1
Röhrenfundgrube: UHER Stereo Record III

März 2009, Flohmarkt. Ein großer Haufen regendurchtränkter Plastikelektronikschrott, alte Handys usw.
Da lugt hinten unten doch etwas hervor? Ein Koffer, jawohl, ein Tonbandkoffer, sehr alt. Philips? Moment mal, vorne steht UHER drauf und (Puls steigt) SR III. Haben! Völlig speckig der Koffer, ich habe mich gar nicht getraut den Deckel zu öffnen in Erwartung einer völlig verhunzten Ruine nebst obligatorisch fehlender Tonkopfabdeckung. Deckel auf: Stereo Record III, alles komplett, fast keine Beschädigung! Der ganze Schmier und Dreck hatte wahrscheinlich alles konserviert, sagenhaft. Humanen Preis ausgehandelt und ab nach Hause –zu Fuß. Schwer ist das Teil, sehr schwer.
Nach erster Öffnung und Bestandsaufnahme: Alles original, gut erhalten, kein Bastler hatte sich anscheinend daran zu schaffen gemacht. Ich habe mich getraut den Stecker einzustecken, langsam quälte sich der Motor, alle Lager verharzt oder trockengelaufen wahrscheinlich, der Verstärker rauschte aber schon und bei Aufnahme leuchteten mich 2 grüne Balken der EMM 801 an (hatte ich bisher noch nie live gesehen, ich dachte vorher es wäre eine EM 84), aber irgendwelche Relais schnarrten laut und es roch nach Funkenabbrand. Antriebsriemen waren ausgeleiert aber zogen noch etwas, Reibrad und Andruckrolle tadellos, ein Wunder fast bei Baujahr 1962.
Gereinigt, zerlegt, Lager gangbar gemacht: Es spielt! Gut sogar. Tonkopfsektion hat wenig Verschleiß, Motor seidenweich und kaum zu hören, kein Vibrator wie bei späteren Modellen (außer RdL). Umspulen schön kräftig. Vorsicht jedoch, die Bremsentechnik ist noch ziemlich einfach gehalten, besser keine Triple-Bänder verwenden. Der massive Druckgussrahmen ähnelt in seinem Grundaufbau sehr dem der späteren 700er Modelle, nur ist alles eine Spur kräftiger und massiver gehalten. Vorn die 3er Kombination Pause Stop Start, davor der Umspulschieber. Links der Zug- Drehknopf mit der Schaltkulisse für 3 Bandgeschwindigkeiten, darunter 2x Lautstärke, 2xTonblende, Spurschalter für Wiedergabe. Rechts Aufnahmeknopf, Mikrofon- Radioüberblendregler, 2x Aussteuerung, Spurschalter für Aufnahme. Alles ähnlich dem späteren ersten Royal. Mittig oben auch die beiden Umspulzwischenräder, die Rutschkupplung noch hier eingebaut und nicht wie später in den Spulentellern. AW-Antrieb des rechten Spulentellers mit Rutschkupplung durch langen Riemen von der Schwungscheibe. Die Starttaste hatte sich wohl mal von ihrem Metallrahmen gelöst, war hochgeschnappt und dabei zerborsten, das war die einzige Beschädigung an dem Apparat! Zum Glück lagen die Fragmente noch im Gehäuse und konnten wieder zusammengefügt werden.
Das Schnarren kommt daher, dass auf einer Leitung statt ca. 32 nur 23 Volt liegen, das reicht nicht für die Selbsthaltefunktion der Relais, die die Kontaktleisten für Wiedergabe/Aufnahme betätigen. Dem Fehler muss ich noch auf den Grund gehen, Siebelkos und Gleichrichter sind ok, es betrifft aber nur Aufnahme, erst einmal Nebensache...
Wie man sehen kann ist alles sehr gediegen und fast überdimensioniert aufgebaut, zur Wartung kann die Elektronik aufgeklappt werden, wird sogar von einem eingebauten Stahlseil gehalten, da hat man es gut gemeint. Andererseits zwar schon gedruckte Schaltung, aber Festverdrahtung ohne Pfostenstecker, damals also auch schon Uher-typisch. Alles in Röhrentechnik (bis auf Gleichrichter), sogar Stereo-Endstufe mit 2 eingebauten Lautsprechern, die eigentümlicherweise nebeneinander sitzen und nach vorn abstrahlen, für „richtiges“ Stereo müsste man schon externe Boxen anschließen (gab es als Zubehör in Extraklappkoffern). Auch besitzt das Gerät nur einen AW-Kombikopf, obwohl die Druckguss-Kopfträgerplatte durchaus mehr Platz zu bieten gehabt hätte.
Böse Falle: Die rechten Druckschalter für Aufnahme springen beim Umschalten in den Wiedergabebetrieb nicht in die Ruhestellung zurück. Spult man nach einer Aufnahme zurück ohne die Schalterchen entrastet zu haben, fabriziert der weiterlaufende Löschgenerator einen sonoren Ton auf das Band und die Aufnahme ist unbrauchbar. In späteren Uher-Prospekten wirbt man für bedienungssichere Aufnahmefunktion, jetzt weiß ich auch warum. Einige Kunden werden sich über diese Sache wohl sehr geärgert haben.
Ich frage mich, weil zur gleichen Zeit bei Uher schon das feingliedrige Report gefertigt wurde, ob es in der Firma so eine Art Frankenstein-Abteilung gab, die diese kleinen Röhrenmonster gebaut hat. Vielleicht weiß Anselm mehr darüber, 1962 hatte er ja seinen Dienstbeginn.


[Bild: sr3-1.jpg]
[Bild: sr3-2.jpg]
[Bild: sr3-3.jpg]

Hier die Endstufe von oben (rechter Spulenteller abmontiert):
[Bild: sr3-7.jpg]

Stabil gebaut!
[Bild: sr3-8.jpg]

2 mal Mono ergibt Stereo, übersichtlich auf jeden Fall:
[Bild: sr3-9.jpg]

Nur ein Motor war wohl Ehrensache bei Uher, dafür aber ein guter!
[Bild: sr3-10.jpg]

Prima auch die Servicefreundlichkeit:
[Bild: sr3-11.jpg]
[Bild: sr3-12.jpg]

Entzückend! Magisches Band EMM 801 in Aktion:
[Bild: sr3-5.jpg]

Zum Schluss noch ein Vergleich mit einem Royal Stereo von 1965, deutlich ist die Ähnlichkeit des Grundaufbaus zu erkennen:
[Bild: sr3-6.jpg]

Fazit: Ein gut klingendes, äußerst solides Gerät, für die Ewigkeit gebaut. Etwas schade, dass im Innern zwar geklotzt, beim Äußeren aber nur gekleckert wurde, die Bedienelemente sind aus einem sehr schlicht wirkenden Kunststoff, der Koffer wirkt auch etwas dröge mit seinem cremefarbenen Kunstlederbezug. Das mag allerdings Geschmackssache sein, besser jedenfalls als eine äußerlich effektheischende Plastikkrücke, davon gab es ja genug...

Gruß an alle Tonbandpaläontologen

Peter

Edit: Ein Fimchen zum Gerät gibt es jetzt auch
http://www.youtube.com/watch?v=tol0xc1fPSA
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#2
Hallo Peter,

saustarke Kiste ! Glückwunsch zu dieser Rarität, die hätte ich auch mitgenommen, aber hallo !

Eine der wenigen Uhers, die ich bisher nur vom Hörensagen (also Bildern, aus Prospekten oder dem prima Uher-Buch) kannte. Und jetzt endlich mal "live" und in geöffnetem Zustand bewundern durfte. Vielen Dank für die klasse Vorstellung und weiterhin viel Spass mit diesem "Kleinod".

PS:

Ich wollte die SR III auch immer haben, habe sie nie bekommen und weil unbedingt eine Maschine mit der tollen EMM 801 her musste, wurde es halt eine Revox F 36. Die Uher fehlt bis heute....klar, die Einzigste, die es heute wohl noch gibt, hast du jetzt ;-)

Gruß
Thomas
Manche Tonträger werden mit jedem Ton träger.
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#3
Hallo TK 240,
Neid ist nicht angebracht, ich hatte ja nicht jahrelang nach dem Ding gesucht oder lange dafür gespart. Ich hab's auch niemandem vor der Nase weggeschnappt. Es war Glück, es quasi vor dem Elektroschrottcontainer gerettet zu haben, so bleibt es damit der Nachwelt erhalten. Es wird wohl trotz aller anscheinenden Seltenheit noch mehr Exemplare davon geben, vor einigen Wochen war wirklich eines bei drei zwei eins zu sehen, ich habe verpennt mitzubieten (der Ersatzteile wegen). Auch soll es in den USA verkauft worden sein, vielleicht dort versuchen, die Amis haben zu der Zeit vielleicht die dickeren Gelbeutel gehabt und es gibt dort noch mehr Exemplare als hier. "Mein" Verkäufer war einer derjenigen Herren, die nächtens den Sperrmüll nach Brauchbarem absuchen und die Sachen dann auf dem Flohmarkt feilbieten. Irgendein Nichttonbandfreund hatte das Gerät also entsorgen wollen. Wahnsinn!
Ich habe mal als 16-jähriger Fahrradpassant mitansehen müssen, wie eine Dame kostbare Ersatzteile und Geräte einer Radiowerkstatt (wahrscheinlich der ihres verblichenen Gatten) entsorgt hat, so stelle ich es mir vor. Damals habe ich alles, was ich nur irgendwie transportieren konnte mitgeschleppt, der Großteil blieb liegen und war bei meiner Rückkehr...weg! So freut sich der Sammler, Jahrzehnte später trotzdem noch etwas gerettet zu haben.

Gruß
Peter
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#4
Hallo Peter!

Von mir auch herzlichen Glückwunsch! Bin zwar eigentlich kein Röhrenfreund, aber für das Gerät hätte ich wohl auch eine Ausnahme gemacht. :-)

Wo Du die Royal Stereo erwähnt: Du hast nicht zufällig noch eine Kiste mit Teilen dafür, oder? Ich suche vor allem noch ein rechtes VU-Meter.

Gruß,
Timo
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#5
Hallo Timo,
ich hätte nicht gedacht, dass die graue Maus SR III so einen Anklang findet.
Bin auch erst nach dem Kauf und nachdem ich im Netz recherchiert habe so richtig darauf gekommen, ein seltenes Teil ergattert zu haben. War ja damals sündhaft teuer und dementsprechend wenige sind wohl gebaut worden.

Royal: Leider habe ich noch keine Bastelkiste, da ich mich mit diesem Modell erst seit diesem Jahr beschäftige. Ich könnte selbst ein Ersatzinstrument gebrauchen. Man kann aber auch z.B. ein linkes gegen ein rechtes Instrument tauschen, die Halterungen für die maroden Birnchen sind nur angeklebt und lassen sich ablösen. Ersatz findet sich in einigen alten 1€ Mono-Schrottgeräten (ich meine den Zustand), SABA und Telefunken etwa, oft sind die Instrumente wie beim Royal von der Firma Bertram. Mit ruhiger Hand kann man die Innereien transferieren und das Zeigerchen wieder anfügen, ich habe das einmal bei einem Uher 722 gemacht, hat funktioniert.

Gruß
Peter
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#6
Zitat:PSMS postete
Hallo TK 240,

Neid ist nicht angebracht

Gruß
Peter
Ääähmm, Peter, ich bin keineswegs neidisch. Dieser Satz, den du so auslegtest, steht unter jedem meiner Beiträge und bezieht sich keineswegs auf deinen Glücksfund ;-)

Gruß
Thomas
Manche Tonträger werden mit jedem Ton träger.
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#7
...oh ja, jetzt sehe ich es, hatte meine Forumslesebrille nicht auf. Dann bin ich beruhigt. Neid zu wecken oder sich gegenseitig mit den tollsten Apparaten zu übertrumpfen ist ja auch nicht Sinn der Sache. Gebt mir noch etwas Welpenschutz, da ich hier neu bin. Wiederkehrende Zitate, Avatare und kleine bunte Gesichter zu verwenden ist mir noch nicht so vetraut.

Wie kommt es übrigens zu "TK 240"? Fan der Baureihe?
Dann hätte ich mich eigentlich "TK 35 " nennen müssen, mein absoluter Grundig-Favorit.
Bei Interesse könnte man davon auch mal eine Gerätevorstellung posten, ist ja ebenfalls eine Art Urgestein aus heutiger Sicht.

Gruß
Peter
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#8
"Bei Interesse könnte man davon auch mal eine Gerätevorstellung posten"

Unbedingt! Solche Vorstellungen lese ich zumindest immer sehr, sehr gern.
(obwohl... danach werden die vorgestellten Kisten in 3-2-1 immer regelmäßig teurer... ;-)))

LG
Frank
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#9
Zitat:PSMS postete

Wie kommt es übrigens zu "TK 240"? Fan der Baureihe?
Dann hätte ich mich eigentlich "TK 35 " nennen müssen, mein absoluter Grundig-Favorit.
Bei Interesse könnte man davon auch mal eine Gerätevorstellung posten, ist ja ebenfalls eine Art Urgestein aus heutiger Sicht.

Gruß
Peter
@Peter,

joh, Fan deshalb, weil es das Gerät war, das Vattern 1968 gekauft hat. Ab etwa 1970 hatte ich als Fünfjähriger das Gerät schon unter meiner Fuchtel. 1977 gehörte es mir und das ist bis heute so. Leider ist gerade diese Baureihe unter Grundig-Freaks die Verschmähteste. Kann ich nicht verstehen, läuft saugut !

Und ja, eine Gerätevorstellung des TK 35: Immer her damit ! Alleine schon die Sache mit der Glühbirne auf der Unterseite des Chassis, die bei gedrückter Aufnahmetaste leuchtet !

Leider sind die bei mir verbliebenen Geräte aus dieser Baureihe alle wieder gegangen. Übrig sind nur noch TK 60 und TK 64. Für mich die interessantesten.

Gruß
Thomas
Manche Tonträger werden mit jedem Ton träger.
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#10
TK 64! Saustarke Kiste, eine der wenigen Grundigs, die ich bisher nur vom Hörensagen (also Bildern, Prospekten) kenne.

Aber es zählt das Gerät, zu dem man wodurch auch immer eine besondere Beziehung hat. TK 240 hatte doch glaube ich diesen eigenartigen Textil-Gummischlaufenantrieb, ich habe auch irgendwo noch eines davon, werde
es mal ausgraben und auf Gutheit prüfen. Vaters TK 35 diente bei mir 1970 als Kinderstimmenkonservierungsapparat, das prägte und ist die Wurzel meines Tonbandhobbys.

Die Gerätevorstellung vom TK35 dauert aber noch, ich habe gerade Urlaub und sonst nicht soviel Zeit.

Gruß Peter

--
Wer Regale sät, wird Ramsch ernten
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