wie messe ich den Modulationsrauschabstand
#1
Hallo Experten,

in den Testberichten der einschlägigen Literatur von Tonbandgeräten tauchte zumindest bis in die späten 80er Jahre der Modulationsrauschabstand auf. Typische Werte lagen für Cassettengeräte bei 30 (mäßig) bis knapp 40 dB (hervorragend). Im Prinzip ist mir klar, worum es sich dabei handelt: das Rauschen bei Vorhandensein eines Tons, im Gegensatz zum Ruhegeräuschspannungsabstand, der das Rauschen ohne Nutzsignal mißt. Meine Frage nun ist, wie mißt man so etwas. Wenn ich mir das Störspektrum eines z. Bsp. 3 kHz Signals ansehe, dann sieht das von Platte oder Cassette nicht wie eine schmale Spitze im Rauschgrund aus, sondern die Spitze ist oben spitz und verbreitert sich zum Rauschgrund hin. Wie kann ich hier einen Abstand messen, gibt es hier eine Definition, in welchem Frequenzabstand zum Nutzsignal zu messen ist?
Wer weiß mehr?

Viele Grüße
Lukas
Viele Grüße
Lukas
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#2
Hallo Lukas,
ich habe hier in meinem "Archiv" gekramt und folgendes dazu gefunden:Aufzeichnung eines Sinussignals z.B.1kHz mit Bezugspegel.Bei der Wiedergabe werden die 1kHz mit einem Sperrfilter unterdrückt und das bleibende Geräusch gemessen.
Diese Messung erfaßt die vorwiegend statistisch verteilten Amplitudenschwankungen des Signals die von Unregelmäßigkeiten der magnetischen Schicht und des Band-Kopfkontaktes herrühren.Au8erdem modulieren Gleichlaufschwankungen des Antriebs und Längsschwingungen im Tonband die Frequenz des Signals.Die Messung erstreckt sich über den gesamten Wiedergabebereich.Der Nachteil dieser Methode ist ,daß auch die Klirrprodukte des Signals mit erfasst werden.
Es gibt noch eine weitere Meßmethode die mit der Aufzeichnung eines Gleichfeldes arbeitet.Dabei sind die Klirrprodukte außen vor.Sicher nur was fürs Labor dafür aber genauer.

Gruß
Reinhard
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#3
Hallo Lukas,

vielleicht hilft Dir dies weiter....
http://new-hifi-classic.de/wiki/index.ph...nsrauschen
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#4
Wenngleich es zum Messen nicht weiterhilft, dennoch eine weitere Erläuterung.
Es gibt zwei Formen des Modulationsrauschens: AM-(Amplitudenmodulation)- und FM-(Frequenzmodulation)-Rauschen.
AM-Rauschen tritt vor allem bei höheren Bandgeschwindigkeiten auf. Es besteht aus Schwankungen des Pegels die durch Inhomogenitäten der Magnetschicht oder durch Welligkeiten im Band verursacht sein können. Je niedriger die Geschwindigkeit, desto eher wird aus dem Rauschen ein Drop-out.

FM-Rauschen entsteht durch Längsschwingungen des Bandes. Dabei wird die Grundfrequenz um die Modulationsprodukte erweitert. Die ausgeprägteste Form ist das Hängenblieben eines Bandes wegen einer unsauberen Klebestelle, wobei dies freilich nur sehr entfernt nach Rauschen klingt. Um Längsschwingungen zu minimieren werden in den Bandpfad Beruhigungsrollen integriert. Auch die kleine Beruhigungsrolle ("Kratzfilter") der Sony TC-3xx hilft bereits. Zum Testen: Auf 19 cm/s ein Sinussignal (1 kHz oder höher) aufzeichnen und während des Hinterbandabhörens die kleine Rolle festhalten.

Um tieffrequente Modulationen zu filtern kann ein Doppeltonwellenantrieb verwendet werden. Da das Band hart angekoppelt werden muss, reicht für diesen Einsatz eine einfache Rolle nicht mehr aus.

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#5
Mahlzeit,

Die Kreise ums Thema nehmen etwas größere Radien an, als ich das für sinnvoll halte, weshalb ich doch etwas dazu sagen möchte.

Das Modulationsrauschen ist in spektraler Zusammensetzung und Pegel stark von der Zusammensetzung des Nutzsignales, also desjenigen Signales abhängig, mit dem das Band unter Einfluss von Hilfseinrichtungen (Hf-Vormagnetisierung) 'moduliert' wird. Daher Modulationsrauschen. Ich schließe zwar nicht aus, dass darin auch im Zusammenhang mit der Vormagnetisierung auch FM-Bestabdteile enthalten sind, diese jedoch spielen für die Erfassbarkeit der Störgröße durch unser Gehör keine nennenswerte Rolle. Mir hat von den FM-Bestandteilen in meiner klassischen Zeit nie jemand etwas erzählt.

Zurück zum Modulationsrauschen, das als aussteuerungsabhängigs Störsignal auf der in jeder Hinsicht statistisch schwankenden Nutzmoulation aufsitzt und im Spektrum des Signales in zwei symmetrisch zum Nutzsignal angeordneten Seitenbändern erkennbar wird, die in der heute billig zu habenden Fast-Fourier-Transformation sehr schön anzusehen sind.
Man kann diese Signalveränderung aber zumindest mit traditionellen Mitteln schlecht, sehr schlecht -weil teuer- messen und behilft sich deshalb -seit 1955 in D auch genormt (DIN 45519, das dann nach IEC94-5 hinüberwanderte)- mit einem Ersatz: Man ermittelt das Rauschen nicht bei irgendeiner oder keiner Frequenz (was keiner Modulation entspräche), sondern bei einer solchen von 0 Hz, also bei Gleichspannung. Dies ist zulässig, weil das Spektrum des Störsignales bei anliegender Gleichspannung demjenigen der Modulationsrauschseitenbänder entspricht.

Man überlagert dafür der gemäß Bandarbeitspunkt normierten Hf-Vormagnetisierung einen Gleichstrom bestimmten Pegels (gleich dem Effektivwert für VA bei 1 kHz bzw. 320 Hz) und setzt den dann am Bandgeräteausgang über ein genau definiertes Filter ermittelten Pegel in Bezug zu dem der VA bei 1 kHz: Man nennt das dann zwar Gleichspannungsrauschen oder DC-Noise, will damit aber das Modulationsrauschverhalten der jeweiligen Band-Kopfträgerkombination beschreiben. Auch zu dieser Wertangabe gehört also konsequenterweise auch die genaue Angabe des für die Messung herangezogenen Kopfträgertyps nebst Bandmaschine.
Gemeinsam mit dem Vormagnetisierungsrauschen (Bias-Noise) liefert der erhaltene Messwert eine sehr zutreffende Charakterisierung der primär vom Gehör 'empfundenen' Lästigkeit der Modulationsrauschverhältnisse.

Die digitale Technik erlaubt natürlich über die vielfältigen Auswertungsmöglichkeiten der FFT noch weitergehende Aussagen, die aber gehörsmäßig weniger relevant sind, dafür allerhand über die erreichten bzw. erreichbaren Qualitätsdimensionen der Speicherung aussagen. Sieht man sich die oben behandelten Phänomene nun bei der digitalen Tonaufzeichnung an, erfährt man von einem weiteren Merkmal deren hoher Qualität, die offensichtlich von vielen Menschen 'so' nicht gewollt wird: Es gibt bei der digitalen Aufzeichnung de facto kein störenedes Seitenbandspektrum mehr, da nurmehr nur das Originalsignal erscheint, mit dem es sich aber für die nächsten 80 bis 100 dB hat. Der Profi sagt: "Toll, endlich kommt das, was mein Mischpult verließ, auch vom Speicher." Der Liebhaber aber vermisst sein Zwischeln, Zwitschern, Rascheln und Poltern über/hinter der Modulation.


Zurück zu Analogtechnik:
Auf diesem Wege lassen sich auch die Qualitätsunterschiede bespielsweise der A77 zur A700 sehr schön erkennen, denn das Seitenbandspektrum der A700 entspricht letztlich vollprofessionellen Erwartungen, während die A77 'lediglich' für das Jahr 1966 höchsten Ansprüchen gerecht wird.

Thomas hat seine A77/III diesbezüglich real erfasst:

https://tonbandforum.de/bildupload/THD-Revox_A77.jpg

, während man sich die (natürlich auch werbend geglätteten...) Seitenbandwerte der A700 aus den netgängigen Beschreibungen der A700 holen möge. Hier sieht/sähe man aber auch, dass der Schritt zwischen A77 und A80 tonqualitativ durchaus klein ist, sofern man über das Seitenbandverhalten der A80 informiert ist.

Wohl gemerkt hebe ich hier nicht auf den bemerkenswert niedrigen Klirrfaktor von Thomas' A77 ab, sondern auf den spektralen Verlauf der Kurve links und rechts des Nutzsignales 1 kHz.

Hans-Joachim
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#6
"Störende Frequenzmodulation (FM) des Nutzsignals ist die Folge von Abweichungen von der ideal gleichmäßigen Sollgeschwindigkeit, etwa infolge von Längsschwingungen des Magnetbandes während des Laufs durch den Recorder. [...] Ihre Frequenz und Amplitude hängen im wesentlichen ab von der Länge der freien Bandabschnitte, den mechanisch-dynamischen Eigenschaften des Bandes selbst sowie der Antriebsart" (Engel, Kuper, Bell 2008: 260).

Hans-Joachim, vielleicht hattest du bei FM eine nicht von mir gemeinte Assoziation bezüglich UKW-Rundfunks?

niels
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#7
Lieber Niels,

ehe man diese Längsschwingungen als Frequenzmodulationen hört, sind sie aufgrund des Abstandseffektes auftretende Drop outs. Infolgedessen werden sie auch auf der Basis dieser Sonderform einer -frequenzabhängigen-Amplitudenmodulation durch Beruhigungsrollen, Andruckmechanismen under dergleichen bekämpft. Dass Quietscherscheinungen des Bandes beispelsweise in Cassetten hierher gehören, ist mir selbstveständlich vertraut, denn dazu gab es sowohl bei der BASF als auch der AGFA Untersuchungen, die mir teilweise sogar vorliegen. Sie allerdings bezieht man bei der Untersuchung des Modulationsrauschens nicht mit ein, um die es hier ja ging.

Den Unterschied zwischen FM und AM weiß ich sehr wohl abzuabzuschätzen, wobei für mich als Angehörigen einer alten Generation "FM" "Frequenzmodulation" meint und nicht UKW. Dementsprechend bedeutet für mich auch "AM" "Amplitudenmodulation", die selbst der Musiker in mir zu genau unterscheiden weiß, auch wenn der 'standeseigen szenenkompatible' Jargon da bezeichnenderweise keinen dezidierten Unterschied macht.

Die Stelle in Engel-Kuper-Bell kenne ich noch nicht, weil die konsequente Durcharbeitung des Buches aufgrund unliebsamer Vorgänge beim Erwerb bis heute aussteht.

Hans-Joachim
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#8
Ich bekomme jetzt nicht den Bogen, wie aus Längsschwingungen des Bandes Drop-outs werden können.

niels
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#9
Nachtisch..., ....

stellt man sich die Längsschwingungen des Bandes als Staus, also Wellen vor, die zwangsläufig zu Laufunregelmäßigkeiten vor dem Tonkopf führen, lässt sich einsehen, dass jene Wellen das Band von Spiegel mehr oder weniger 'abheben' wollen. Und da genügen ja geringste 'parasitäre' Abstände, um zunächst den Höhenfreuenzgang und dann, wenn's schlimmer wird, auch den Pegel bei tieferen Frequenzen einbrechen zu lassen. Endpunkt ist dann das Drop out, das damit -ohne Bandverschmutzung- den Abschluss der Thematik bildet ("Korrektur durch Nullsetzung").

So war das oben gedacht.

Hans-Joachim
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#10
Ah, kapiert! Danke.

niels
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#11
Vielen Dank für eure erhellenden Ausführungen.
Bezugnehmend auf Messungen wie jene von Thomas (https://tonbandforum.de/bildupload/THD-Revox_A77.jpg) scheint die Meßmöglichkeit klar zu sein: Man bildet einfach die Differenz aus Nutzsignal und den Nebenmaxima, hier wären das ungefähr 50dB, was ja nicht schlecht ist. Wie sieht es aber mit jenen Anteilen aus, die mit dem Nutzsignal quasi verschmolzen sind, also das niederfrequente Modulationsrauschen bilden.
Man könnte das Nutzsignal ausfiltern, wie Reinhard schreibt, da stellt sich aber natürlich sofort die Frage nach der Charakteristik des Filters, je steilflankiger der ist, desto schlechter werden die Werte, da dann neben dem Signal immer mehr Rauschkomponenten überbleiben. Gibt es hier Richtlinien dafür, wie so ein Filter aussehen muß?

Viele Grüße
Lukas
Viele Grüße
Lukas
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