ReVox A77MKIII, die Wiederbelebung
#1
Nachdem in der Vergangenheit schon einiges an Beiträgen zur ReVox A77 verfasst wurde, möchte ich heute mit meinem Beitrag eine ausführliche Dokumentation über die Überholung einer mehr als 30jahre alten ReVox A77MkIII beisteuern. Hergestellt im Mai 1974!

Zur Geschichte dieser A77 MkIII ist nur bekannt, dass Sie schon mehrere Vorbesitzer hatte, wobei einer dieser Vorbesitzer wahrscheinlich gerne selbst Hand an die Technik legt, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der Tonbandtechnik zu verfügen.

Es war also unter den Vorbesitzern jemand, der ein großer Freund von Sprühmitteln ist und diese auch gerne anwendet um damit quasi alternatives Handauflegen die Wiederbelebung von defekter Technik mittels Sprühror zu provozieren.

Aus meiner Erfahrung in Sachen Tonbandtechnik kann ich hiervon nur abraten. Die Blüten dieses Handeln werden hier mit den folgenden Abbildungen hoffentlich anschaulich dargestellt.

Wenn solch eine Spitzenmaschine der Heimtonbandgeräte nach mehr als dreizig Jahren defekt ist, so ist dies nicht ungewöhnlich und nicht auf nachlässige Konstruktion zurückzuführen. Vielmehr ist sind hier einzelne Bauelemente der Elektrotechnik verantwortlich und nicht die Konstruktion der ReVox als solche, die hier durchaus ihres gleichen sucht. Insbesondere in Sachen Wartung und Einstellmöglichkeit fast Konkurrenzlos vorbildlich auf ihren Sektor.
Wunden ergeben sich nach dieser Zeit zumindest an folgenden Stellen:

- alle Trimmer
- fast alle Frako-Elektrolytkondensatoren
- Teilweise Tantal-Elektrolytkondensatoren
- Teilweise Rfia-Mini-Print 0,47µF Kondensatoren
- Teilweise Motor-Phasenschieberkondensatoren
- fast immer der offene Audio-Schalter des Inter-Connection-Boards

Diese Defekte rühren alle auf vorzeitige Alterung der betroffenen Bauteile, welche der Hersteller dieser Bauelemente verantwortet.

Folgende arbeiten habe ich an der ReVox A77MkIII ausgeführt:
- Alle Elektrolytkondensatoren (einschließlich der Tantals) erneuert.
Kommentar: Die Tantal-Kondensatoren wurden zum Teil gegen gleichwertige Folienkondensatoren ersetzt.

- Alle Rifa-Mini-Print Kondensatoren gegen entsprechende Folienkondensatoren ausgetauscht.

- Alle Trimmer gegen gekapselte Trimmer ausgetauscht.

- Gleichrichter gegen Leistungsstärkere Typen ersetzt, da die Pufferkapazitäten der Ersatzkondensatoren von mir größer ausgelegt wurden.

- Ausgangspegel-Stereo-Potentiometer ( war schlicht defekt gesprüht worden )

- Alle Audioschaltkontakte zerlegt, gereinigt und zusammengesetzt.

Das durch einem der Vorbesitzer verwendete Sprühmittel war im Inneren der A77 MkIII üppig versprüht worden und die Maschine damit völlig überflutet.
Daher war eine deutlich aufwendigere Zerlegung der Maschine erforderlich um die Suppe abzutragen, als dies sonst der Fall gewesen wäre. Gereinigt und trockengelegt wurde mittels geeigneten flüchtigen Reinigungsmittel (Kontakt 601 und WL), Küchentuch, Glasradierer und 600er Schleifpapier.


Wie alles begann folgt nun hier:


[Bild: ReVox_A77MkII--0278.jpg]

Abbildung der A77MKIII (Front mit Gehäuse)

Die A77 ist mit einem äußerst robusten Drei-Motoren-Aludruckgusslaufwerk
ausgestattet, welches seines gleichen sucht. Die Motore sind durchweg als Asynchron-Außenläufer konstruiert. Die Tonköpfe sind getrennt für Aufnahme und Wiedergabe vorhanden und umgeben von einem Schirmgehäuse. Die Tonwelle ist vorgealtert und mattiert ausgeführt um einen möglichst geringen Schlupf des Antriebes zu gewährleisten.
Jede Funktionseinheit befindet sich auf einer eigenständigen Platine, so sind Netzteil, Tonmotorregelung und Laufwerksteuerung auf eigenständigen Leiterplatten untergebracht.
Die NF-Technik bzw. Audiotechnik liegt direkt hinter dem Bedienfeld, so dass die Verbindungen zu den Einstellorganen möglichst kurz und Störunabhängig ausgeführt sind. Hinter dem Bedienfeld befindet sich eine große Verbindungsleiterplatte, welche alle Verbindungen zu den einzelnen kanalgetrennt aufgebauten Verstärkersteckkarten herstellt, dazu zählt u.a. auch der Löschgenerator.


[Bild: ReVox_A77MkII--0277.jpg]

Abbildung hinteres Innern der A77MKIII


Wie zu erkennen befinden sich unter dem linken Wickelmotor zwei optional eingesetzte Leiterplatten an der Netzeilplatine. diese beiden Leiterplatten sind zwei NF-Leistungsverstärker die es ermöglichen, an der A77 von außen angeschlossene Lautsprecher mit DIN-Anschluss zu betreiben.
Die Leistungsverstärker werden direkt vom Netztrafo mit Wechselspannung versorgt und haben kanalgetrennte Gleichrichter mit Siebung direkt auf ihrer Leiterplatte integriert, so dass das interne A77 Netzteil möglichst wenig durch die Endstufen beeinträchtigt wird.

Damit solch eine Präzisionsmaschine wieder so aussieht wie oben abgebildet, ist einiges an Arbeit erforderlich, die mit den folgenden Abbildungen dokumentiert habe.

[Bild: ReVox-A77MKIII_Einstelllabel.jpg]


Auf der Unterseite der Maschine hat sich ein Teil der Sprüh-Suppe gesammelt und ist ins Etikett eingedrungen. Wie zu erkennen fand die letzte Wartung im Jahr 1979 statt.

An den Audioprints ließ sich gut erkennen wo sich all die Suppe gesammelt hatte, so auch an den Steckverbindungen hier:

[Bild: DSCF2864_ReVox_A77_MKIII.JPG]


Nicht nur an den Leiterplatten selbst stand die Suppe über, nein auch an jeglichen Stellorganen, wie z.B. hier an einem der Potentiometer:


[Bild: DSCF2866_ReVox_A77_MKIII.JPG]


Der grüne Glibber trat durch die eingeleiteten chemischen Reaktionen schon aus dem Gehäuse aus.

Auch auf der gesamten Oberfläche der Leiterplatten hat sich die Sprühflüssigkeit großzügig verteilt, seht selbst anhand der folgenden Abbildung:


[Bild: DSCF2894_ReVox_A77_MKIII.JPG]



Die im folgenden Bild dargestellten Trimmer und FRAKO-Kondensatoren (Goldgelb) neigen zu ausfällen. Die Trimmer verrotten durch Korrosion, der zum Verlust der Andruckspannung des Schleifers auf die Widerstandsbahn führt oder sogar zum Abbruch des Schleifers selbst.
Die Frako-Kondensatoren neigen zu Undichtigkeit und damit zum Verlust ihrer spezifizierten Parameter.

[Bild: ReVox_A77MkIII_Trimmer_Kondensatoren_n.jpg]

Auch die Funkenlöschkondensatoren der Laufwerksteuerung und auch die Type in der Tonmotorregelung neigen zu Rissen an der Vergussmasse des Kondensatorgehäuses. Ein Austausch sollte also im Rahmen der Wartung auch von diesen Bauteilen erfolgen.

[Bild: ReVox_A77MKIII_Rifa-Miniprint.jpg]


Diese Einstellung an der A77 sollte man unbedingt meiden!

[Bild: DSCF2877_ReVox_A77_MKIII.JPG]

Denn die richtige Einstellung ist weiterhin 220V auch wenn inzwischen 230V Nennspannung vom Energieversorger geliefert werden. Bei der Einstellung 240V erhalten gerade an der A77 die Wickelmotoren zu wenig Spannung um ausreichendes Moment zu entwickeln und dies führt dann unweigerlich zur Schlaufenbildung während des Anlaufs beim Start der Maschine.

Der Start der Instandsetzung beginnt also mit einer großzügigen Zerlegung der Maschine mit den unteren bereich der Audioelektronik.

[Bild: DSCF2896_ReVox_A77_MKIII.JPG]


[Bild: ReVox_A77MKIII_vier_Potis_n.jpg]

[Bild: ReVox_A77MkIII_Audioboard_gesamt.jpg]


Auch die Wahlschalter schwammen in der Suppe und bedurften der Reinigung, das Inneren der Schalter ist wie folgt:

[Bild: ReVox_A77MkIII_Kanalschalter.jpg]

Im weiteren Verlauf der Überholung schaut es dann doch etwas chaotisch aus, doch keine Sorge, es ist seitens ReVox alles gut dokumentiert, so dass auch dieser Zwischenzustand reversibel ist.


[Bild: ReVox_A77MkII--0262.jpg]



[Bild: ReVox_A77MkII--0261.jpg]


Wenn dann im Anschluss alles wieder zusammengebaut ist, hat man mindestens einen solchen Haufen an Altbauteilen herumliegen.

[Bild: ReVox_A77MkIII_defekte_Bauteile_n.jpg]



Gruß
Thomas
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#2
Ich möchte hier noch ein paar Abschlussmessungen darstellen, welche die herausragende Qualität dieser super Maschine unterstreichen. Bitte beachtet vor allem den genial kleinen Gesamtklirrfaktor!


[Bild: Frequenzgang_19-05cps.jpg]



[Bild: THD-Revox_A77.jpg]


Thomas

PS: Die Typbezeichnung muss natürlich A77MkIII lauten, war schlicht ein Tippfehler!
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#3
Hallo Thomas,

schöner Bericht, danke.
Nur der Vollständigkeit halber: bei welcher Aussteuerung hast du den Klirr gemessen ?

Peter
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#4
Nun, 320 nWb/m, lieber Thomas,

so schdehts im Bülde...

Die 0,16 % THD der Messung ließen sich vielleicht gar noch ein wenig verbessern, da vermutlich THD+Noise (also unter Einschluss des k2 und der a77-typischen Brummerscheinungen) gemessen wurde. Der k2 deutet möglicherweise auf gewisse Unsymmetrie der Hf oder eine leichte Gleichfeldremanenz hin, egal, wo die nun herrührt. Leider hat das Symmetrierpot bei Studer allgemein keine Tradition, man setzte auf die bauartbedingte Symmetrie des Gegentaktverfahrens, denn Eintaktoszillatoren gab es im Regensdorfer Hause nur in der Frühzeit der Amateurstereofonie (D36 und E36).

Nimmt man Brumm und k2 heraus, erhält ein Bonmot von mir wieder eigene Bestätigung, das ich einmal in einem meiner wenigen lichten Momente auf die Frage von dritter Seite kreierte, was denn besonderes an den Revox-Geräten sei: "Das besondere an Revox-Geräten ist, dass sie nichts besonderes sind." Man beschränkt sich mit fast aggressiver Geradlinigkeit auf das, was wirklich notwendig ist, was man für richtig (also auch geboten) hält, mendelt jeglichen Plunder aus, der kostet, aber in der Sache einer definabel kalkulierbaren Aufzeichnungsqualität nichts bringt.

Das Ergebnis spricht für sich und dies gerade dann, wenn man überlegt, aus welcher Zeit (1966!) das Konzept der A77 stammt, und wo die spezifischen Anforderungen des Amateurs liegen und erst recht lagen.

Die in den obigen Diagrammen angesprochenen Dimensionen werden von der A700 namentlich im Seitenbandspektrum zwar noch aufgeweitet, womit man aber bereits die Anspruchswelt eines Amateurs verließ; man hielt also zuviel für richtig. Das blieb nicht ohne Folgen: Die A700 lief aus, die A77 lebte als B77 kaum verändert munter weiter.

Daher auch mein Dank für dieses eindrucksvolle Exempel.

Hans-Joachim
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#5
verstehe, wer lesen kann ist klar im Vorteil - und wer rechnen kann noch viel mehr :-)

Ich bin da nicht so gut. Heißt das jetzt knapp über 0VU ?

Peter
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#6
Hi Peter,

ich habe die A77 MkIII abweichend vom Service-Manual abgeglichen, dass bedeutet bedingt durch das außerordentlich gute Standard-Band EMTEC SM468 habe ich 320nWb/m gleich 0dB=0Vu gesetzt. Als Bezugsausgangspegel wurden hier 1,55V entspricht 320nWb/m von mir gewählt.

Das EMTEC-Band hat ganz irre große Reserven, ist jedoch für kleiner Aufzeichnungsgeschwindigkeiten als 19,05cm/s eher ungeeignet und meines Wissens dafür auch nicht spezifiziert worden.

Thomas
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#7
Zitat:peter_l postete
Heißt das jetzt knapp über 0VU ?
Da, lieber Peter, legst du einmal wieder zielsicher die Lunte an die hierzuforen bereits mehrfach gezündete Kanone der Aussteuerungsmessung, denn das VU-Meter taugt zu vielem, nicht aber zur Messung sich dynamisch verändernder Signale, die man hochwertig zu speichern beabsichtigt. Das ist aufgrund der langen Integrationszeit des VU-Meters (300 ms) nur dann möglich, wenn sich 'vorher' schon einmal 'jemand' der Aussteuerungskontrolle erbarmt hat, der Liebhaber also nurmehr ab Konserve kopiert. Um diesen Mangel halbwegs zu kompensieren, unterscheiden sich ja bei diesem "VU"-Messverfahren auch die Anzeigen statischer Töne von solchen einer Musikmodulation.

Der Lead (Vorlauf) des A77-Messwerkes beträgt -von mir kontrolliert- tatsächlich 6 dB, weshalb Thomas oben für seine Messungen mit statischen Tönen (oder auch sonst) vermutlich den OVU-Punkt der Messwerke auf 160 nWb/m abgeglichen hat. Sonst steht der Messverstärker der A77 ja 'eher' auf 257 nWb/m, womit ein 320-nWb/m-Ton auf +1,9 VU zu liegen kommt.


468 hat allerdings durchaus eine Spezifikation bei 19 cm/s erhalten und kann deshalb als Initialzündung der letztlich finalen Epoche des Magnetbands bei 19 (3%) auch mit dem Segen der Urheber (urbi -Leverkusen und München- et orbi -sonstwo-) bis 759 nWb/m ausgesteuert werden.

Hans--Joachim
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#8
Ich muss mich in der obigen Erläuterung korrigieren, denn die 320nWb/m entsprechen, nach der vorgenommenen Einstellungen an der A77 nicht dem Anzeigewert 0Vu. Revox gibt hier vor, die VU-Meter wie folgt abzugleichen:
Eingangspegel bei 500Hz soweit erhöhen bis ein Klirr von 2% erreicht wird, hiernach muss der Eingangspegel um 6dB zurückgenommen werden um die VU-Meter-Anzeige auf 0dB abzugleichen.
Das führt hier zur einer gering höheren Aussteuerung als 320nWb/m wenn das VU-Meter 0dB darstellt.

Gruß

Thomas


PS: K3 bleibt hier jedoch auch dann unter 0,3% bzw. knapp 2% bei etwa +6dB

PPS: Die Messung bei 320nWb/m sind THD ohne Rauschen
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Noa and Mira Awad
NOA Keren Or  

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