Restaurierung: pauschales Tauschen oder gezieltes Ersetzen?
#1
Moin, moin,

ein Tapedeck, das ich aus der Werkstatt geholt und das bei der ersten Aufnahme nach der Reparatur einen neuen Fehler zeigte, motiviert mich zur der Überlegung, wie man am besten mit unseren altersschwachen Schätzchen umgeht.

Bei alten Autos hatte ich in der Vergangenheit die Gewohnheit, sie so lange zu fahren, bis die erste größere Reparatur an stand und sie dann entweder weg zu geben, oder sie komplett zu zerlegen und neu auf zu bauen.

Aber auch beim neu-Aufbau eines Autos bleibt etwas von Alten zurück. Das nämlich, was noch verwertbar scheint.
Aber was ist von einem Tapedeck, von einem Bandgerät oder von einem Receiver noch „verwertbar“?

Beim Auto – zumindest beim alten Auto – ist seine Dimension bei der Einschätzung des Zustandes seiner Bauteile hilfreich. Sie haben eine Größe, mit der man auch im sonstigen Leben konfrontiert ist, mit der fast jeder gewisse Erfahrungen gesammelt hat. „Paßt, wackelt und hat Luft“ läßt sich nicht so ohne weiteres auf den Antrieb eines CD-Players, erst recht nicht auf die Einschätzung eines Elkos übertragen.

Der Elko ist vielleicht ein schlechtes Beispiel, denn seine Ehre braucht man nicht zu retten: Ihn tauscht man aus, wenn es ans Eingemachte geht. Sein Austausch ist häufig im Ergebnis billiger, als die Summe aus Prüf-Aufwand und dem Risiko auf Irrtum.
Und Transistoren? Andere Kondensatoren? Dioden? Widerstände? Relais? ICs?

Insbesondere bei teureren Teilen beginnt die Überlegung: Soll ich, oder soll ich nicht? Insbesondere bei Bauteilen, die bestenfalls noch durch Ersatztypen verfügbar sind, muß jeder Austausch sorgfältig abgewogen werden, denn nicht jeder Ersatztyp ist wirklich identisch.

Ein Standard in der Elektronik lautet, der Schaltungs-Entwickler habe sich etwas dabei gedacht, exakt die Bauteile zu verwenden, die verwandt worden sind. Manch Viel-Telefonierer des Forums wird jetzt anmerken: „Gedacht? Eher reproduziert“. Oder: „Rechne mal aus, was da an Ersparnis zusammen kommt, wenn bei einem Großserien-Hersteller anstatt des 40V-Kondensators die 16V-Variante verwendet werden kann“.
Ein weiterer Standard-Spruch der Elektronik lautet, dass passive Bauteile nicht klingen und der Öl-Papier-Kondensator eine schlechte Schaltung nicht verbessern kann (sehr frei zitiert).

Was mich als deutlich weniger erfahrenen Löter denn Schrauber also interessieren würde, sind Eure Erfahrungen und Gewohnheiten bei der Restaurierung, wenn es darum geht, ein „altes Teil“ für die nächste Dekade fit zu machen.

Wo tauscht Ihr pauschal durch. Wo baut Ihr aus und prüft dezidiert, wo auf der Platine im eingebauten Zustand, wo vertraut Ihr auf „wird schon klappen“?
Wo tauscht ihr auf Bauteile größerer oder geringerer Toleranz? Zum Beispiel höherer Temperatur-Resistenz? Zum Beispiel höherer Kapazität? Zum Beispiel höherer oder geringerer Spannung?
Macht es Sinn, bei bestimmten Bauteilen doch auf vermeintlich Höher-Wertiges umzusteigen? Beim „vielgerühmten“ Kondensator im Klangweg?
Und schließlich: Gibt es weitere Standards für Verbesserungen? Ich denke da zum Beispiel an die vielen Verbindungskabel zwischen Buchsen, Potis und Platine, die fast prinzipiell unmittelbar an Trafos vorbei geführt zu sein scheinen, dabei grundsätzlich dünn und ungeschrimt sind. Baut Ihr zusätzliche Abschirmungen zwischen Baugruppen ein?.Rüstet Ihr Platinen-verlötete Buchsen auf Gehäuse-verschraubte um?

Erzählt!

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#2
Hallo Matthias,

ich persönlich wechsele grundsätzlich erst einmal nur als eindeutig defekt präzis erkennbare Bauteile aus. Zu "Kondensatorkuren" neige ich nicht. Warum soll ich schrauben, wenn es nicht unbedingt notwendig ist? Aber: als ich im UHER Report sieben defekte Elkos fand, habe ich da grundsätzlich alle erneuert. Es hängt immer vom Einzelfall ab, m.E. nach.

Gruß Jens
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#3
Zitat:Matthias M postete

Macht es Sinn, bei bestimmten Bauteilen doch auf vermeintlich Höher-Wertiges umzusteigen?
Ich versuche möglichst den Original Zustand wieder herzustellen, aber wie oben geschrieben kommt es sehr auf den Einzelfall an. Manchmal gibt es die Teile nicht mehr dann muss man sich was zurechtbasteln. Bei alten Kleinkondensatoren neige ich zum komplett Tausch wenn es den Preisrahmen nicht sprengt. Transistoren - Ersatztyp suchen, das nervt etwas aber geht halt nicht anders. Höherwertige Bauteile nur wenn das verbaute so nicht mehr verfügbar ist.
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#4
Ich schliesse mich hier ganz Jens an. Wenn das Geraet so laeuft wie es soll, dann wird bei mir nichts getauscht. Muss es aber repariert werden, dann sieht die Sache anders aus. Auch wenn Elkos oft kaputt gehen, sie sind Teile wie andere. Ich mag diese Elko-Feindschaft nicht so sehr.
Aber wenn ein Elko in einem Kanal gewechselt wird, dann kommt in den anderen Kanal auch ein neuer rein....wenn natürlich ein anderer Kanal da ist.
Ausnahme: Enstufen. Wenn da ein Transistor kaput ist, gehören alle zusammen gewechselt und dann auch schon die Elkos gleich mit.
Zu den Kabelfragen lautet meine Antwort: nein
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#5
Es ist wohl wie bei den Auto- Oldtimern, man benutzt sie bis sie einen Fehler zeigen, dann repariert man den Fehler und man benutzt sie weiter.
Häufen sich Fehler in unzumatbar kurzer Zeit, dann sollte man restaurieren, aber im vernünftigen Rahmen und mit passenden Mitteln.
Es sollte dabei immer der Originalzustand angestrebt werden.
Bei einem Oldtimer, nach seinem bereits gelebten Leben, einschneidende Verbesserungen und Neuerungen einzubringen halte ich für Unsinn.
Es gibt z.B.keinen Harley Davidson Besitzer der versucht die bekannten Schwächen dieser Konstruktion abzustellen.
Dann sollte man besser gleich ein neues Gerät entwickeln, denn nur das könnte die Ansprüche und Wünsche der heutigen Zeit erfüllen.
Wer baut schon in ein altes Auto ein Automatikgetriebe ein?
Nehmt Euch ein Beispiel an den Radiosammlern (Restauratoren), die legen höchsten Wert auf Originalität.
Da werden alte Kondensatoren oder Röhren liebevoll geöffnet und mit einem neuen Innenleben versehen, nur um der Originalität wenig zu schaden.
Die Beschäftigung mit der Erhaltung von Technik vergangener Jahrzehnte sollte immer auch ihrem eigentlichen Anspruch genügen.
Ein umgebautes verbasteltes Gerät wird unter Kennern immer als wertlos eingestuft werden.

Bernd
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#6
Philosophie.

Ich habe kein Problem damit, in eine Maschine, die ich auch tatsächlich nutzen möchte, im Schadensfall auch höherwertige Ersatzteile einzubauen oder das ganze sogar technisch zu updaten.
Meine schöne gußeiserne Schwanenhalsbandsäge z.B. aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg versieht ihren Dienst mittels einem Frequenzrichter mit Bremsvorrichtung, an meiner (im Sommer täglich genutzten) Velosolex habe ich die serienmäßigen Gammelschrauben durch VA-Ausführungen und die qualitativ grottige französische Zündspule durch eine von Bosch ersetzt.

Ich kenne aber auch Leute, die jahrelang suchen, bis sie originalen Nitrolack für ihren ollen Opel Kadett aufgetrieben haben, weil nur der da original war.

Beim Tonbandgerät würde ich das aber ähnlich locker handhaben, wenn ich genügend Ahnung davon hätte.
Gottseidank stammt deren Technik noch aus Zeiten der diskreten Bauweise.
Spätere Audiotechnik mit integrierten Schaltkreisen dürfte dem Instandsetzer dann erheblich mehr Schwierigkeiten machen.
Vor allem, wenn sie von Firmen stammen, die eine hohe Fertigungstiefe hatten, aber nicht mehr existieren.

So wie das bei einem Erstligaspieler unter den Motorradherstellern, DKW, war.
Da sind selbst einfache Teile wie Radlager oder Lima Eigenfertigung nach interner Werksnorm und machen nun große Probleme, weil sie nicht durch Standardteile ersetzt werden können.

Ich sehe das also alles eher pragmatisch.


Bert
Bert
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#7
Hallo zusammen!

Ich bitte vorab für diesen OT-Beitrag um Entschuldigung.
Aber ich möchte doch einige Sätze loswerden...

Hallo Bert!

Kadett und Nitrolack?

Ich bezweifle, daß es diese Kombination ab Werk gegeben hat.
Weder für den neuen Kadett (aus Bochum), noch den alten
Kadett (vor dem 2. Weltkrieg). Diese Lackierung war sehr auf-
wändig, also dementsprechend teuer.
Nach 1930 sind m. W. nur noch PKW der Luxusklasse mit Nitro-
lackierung versehen worden. Die "Butter-und-Brot-Autos" nicht
mehr.
In Deutschland war es zuletzt noch m. W. in den ersten Produk-
tionsjahren der Mercedes 600. Aber selbst der 600er wurde zu-
letzt mit Kunstharzlack versehen.

Wenn heutzutage ein Liebhaber seinen Kadett mit Nitrolack heraus-
geputzt haben will, übersteigt diese Lackierung m. E. die gesamten
anderen Restaurationskosten! Aber des Menschen Wille ist sein
Himmelreich...

Grüße
Wolfgang

PS.: Bei einer Nitrolackerung werden zwischen 8 - 14 Lackschichten
aufgetragen. Dazwischen wir immer wieder mit feinstem Schmirgel-
leinen naß-in-naß die kleinste Unregelmäßigkeit abgeschliffen. Zum
Schluß wird durch stundenlanges Polieren diese unnachahmliche Glanz-
tiefe des Nitrolackes hervorgezaubert (na ja - eher durch Knochen-
arbeit!), daß es wie Email aussieht.
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