Fragen zum Wiedergabeverstärker Uher RdL
#1
Hallo zusammen,

Die folgende Schaltung stellt die erste Stufe des Wiedergabeverstärkers dar.
Die Zeichnung ist mit LTSpice/SwitcherCAD gemacht, einem freeware Programm zu Schaltungssimulation. Ich habe die Simulation gemacht um damit die Schaltung verstehen zu lernen.

[Bild: RdL-pb.jpg]

Leider sind meine Kenntnisse in Transistorgrundschaltungen immer noch etwas bescheiden. Daher wäre es schön wenn ihr mir ein paar Tips zur grundsätzlichen Funktion der Schaltung geben könntet.

Auslöser für diese Aktion war, daß eine meiner RdL`s einen leichten Bassabfall ab 100 Hz von ca. 2dB bei 30-40 Hz zeigt (Frequenzgang hinter Band). Das ist, meine ich, eigentlich nicht viel und sollte noch in der Uher Spezifikation liegen. Trotzdem stört es mich und ich würde es gern besser machen.

Der Grund für den Bassabfall, da bin ich mir mittlerweile sicher, liegt in o.a. Verstärkerstufe. Der am Gerät gemessene Frequenzgang dieser Stufe schaut (bei 9,5 cm/s Einstellung) folgendermaßen aus:

[Bild: RdL-pb-Fgang.jpg]

Wie man sieht, liegt der rechte Kanal (rot) im Bassbereich unter dem linken. Die Messungen bei anderen Geschwindigkeitseinstellung ist im Bassbereich identisch.

Zur Schaltung oben muß ich noch sagen, daß bei anderen Geschwindigkeitseinstellungen andere Werte für C6 und R4 geschaltet werden. Die dargestellten Werte gelten für 9,5 cm/s.

Meine hauptsächliche Frage ist also: an welchen Komponenten muß ich drehen um unter 100 Hz eine Anhebung zu bekommen?

Durch Herumspielen mit dem Simulationsmodell habe ich diesen Frequenzbereich durch einen größeren R8 anheben können - was die Praxis aber leider nicht bestätigen konnte.

Grüße

Peter
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#2
Hallo
Ich habe im Moment leider nicht viel Zeit, daher nur mal eine kurze Zwischenfrage.
Wie hast du den Frequenzgang in deinem Bild gemessen?
Hast du die Elkos kontrolliert, hier im besonderen C5 (Originalschaltung C21/22)?

Gruß Ulrich
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#3
Hallo Ulrich,

weitere Infos:

- alle Lötstellen sind nachgelötet (schon schlechte Erfahrungen damit gemacht)
- Kontakte der Entzerr-Umschaltung sind einwandfrei
- alle Elkos sind neu (Werte habe ich selektiert -> Kanalgleichheit)
- DC-Spannungswerte an den Transistoren nachgemessen: scheint o.k.

Gemessen habe ich mit soundkarte + audiotester. Einganssignal (ca. < 10 mV) an Kopfträgerkontakte eingespeist - ohne Tonkopfträger. Ausgang habe ich gemessen an den Kontakten wo im TK-Träger die Potis zur Einstellung des Wiedergabepegels sitzen.
Anstelle dieser Potis habe ich je Kanal einen 22 k Widerstand eingesetzt.

Grüße

Peter
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#4
So schlecht sieht doch die Entzerrungskurve garnicht aus.
Wichtig wäre, ob sich mit einem Bezugsband (3180/90) ein linearer Wiedergabefrequenzgang innerhalb der Norm erreichen lässt.
Das grundlegende Handycap einer guten Basswiedergabe liegt darin das bei Heimgeräten und 9,5cm/s Bandgeschwindigkeit aus Störspannungsgründen bereits während der Aufnahme eine Bassanhebung erfolgt, welche bei Wiedergabe (R-C- Reihenresonanzkreis mit 3180µs) wieder rückgängig gemacht wird.
Dadurch geht natürlich ein Teil der möglichen Tiefendynamik verloren.
Laut Amplitudenstatistik ist das auch durchaus zulässig, aber für heutige basslastige Popmusik junger Hörergenerationen fatal.

Hier noch die genormten Entzerrungskurven für Aufnahme und Wiedergabe bei 9,5cm/s
[Bild: .1.tif]
https://tonbandforum.de/bildupload/.1.tif

Bernd
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#5
Schauen wir uns die Schaltung mal etwas näher an.
Ich nehme jetzt mal die oben gezeigten Positionsbezeichnungen und nicht die von Uher.

Die Kondensatoren C6 und C4 bilden mit der Tonkopfinduktivität einen Parallelschwingkreis der durch R7 bedämpft ist, das sorgt für einen Anhebung der Hohen Frequenzen und eine Anhebung der oberen Grenzfrequenz. In dem Beispiel von oben, bei niederohmiger Signalquelle ohne Induktiven Anteil allerdings vernachlässigbar.

Dann kommen die Transistoren T1 und T2, bei dieser Schaltung handelt es sich um einen Zweistufigen Gleichspannungsgekoppelten Verstärker (in Emitterschaltung).
Diese Art Verstärker lassen mit kleinem Bauteileaufwand einen Schaltung mit hoher Verstärkung und großer Arbeitspunktstabilität zu.
Die Widerstände R3 und R6 sorgen für eine Gleichstromgegenkopplung zur Stabilisierung des Arbeitspunktes. R6 ist Wechselspannungsmäßig durch C5 überbrückt damit das Signal nicht gegen gekoppelt wird und der Verstärkungsfaktor nicht sinkt.
Der Wert von C5 bestimmt neben anderen Faktoren die untere Grenzfrequenz.
R2 dient der Gleichstromgegenkopplung zur Arbeitspunktstabilisierung und sorgt Gleichzeitig für die Basisvorspannung von T1.
Dieser Schaltungsteil arbeitet soweit mit linearem Frequenzgang im Hörbereich


Hinter dem Koppelkondensator C7 befindet sich mit R4, R8 und C1 die Frequenzabhängigen Glieder. Durch eine Frequenzabhängige Gegenkopplung wird der gewünschte Frequenzgang der Schaltung erreicht. Gegenkopplung heißt gezielte Reduktion der Leerlaufverstärkung.
Die von Bernd erwähnten Zeitkonstanten sind hier
t1=C1*R8 (Tiefen)
t2=C1*R4 (Höhen)


Ein Testvorschlag falls du tatsächlich den verloren 2dB weiter nachgehen willst.
Entferne R4 (in der RDL natürlich abhängig von der Geschwindigkeit) und überprüfe noch mal nach deiner Methode den Frequenzgang.
Der sollte im Hörbereich jetzt einigermaßen linear sein, die Verstärkung sollte ohne den Spannungsteiler am Ausgang fast 60dB betragen.
Wenn du immer noch die Abweichungen im unteren Frequenzbereich hast brauchst du dich um die
Frequenzabhängigen Glieder am Ausgang nicht mehr kümmern.

Gruß Ulrich
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#6
Hallo Bernd, Ulrich

mit euren Erläuterung bin ich jetzt um einiges weitergekommen, danke. Auch eure Diskussion zu diesem Thema im parallelen Akai-Einmessen-Thread hat mir dabei sehr geholfen.

Die Höhenanhebung, die nur in Verbindung mit der Kopfinduktiviät funktioniert hab ich auch in der Simulation nachvollziehen können. Very tricky. Eins versteh ich dabei allerdings noch nicht:
Ulrich, du sagst
Zitat:Die Kondensatoren C6 und C4 bilden mit der Tonkopfinduktivität einen Parallelschwingkreis der durch R7 bedämpft ist
Hast du dich da aber vielleicht vertan mit R7 ? Irgendwie ist der -zumindest für mich als Maschinenbauer- zu weit weg, um bei diesem Schwingkreis mitwirken zu können. Ich könnte mir da eher vorstellen, daß der ohmsche Widerstand des Kopfes selbst zur Dämpfung des Schwingkreises beitragen könnte. Oder seh ich das falsch ?

Deinem Rat, Ulrich, folgend habe ich die frequenzabhängige Gegenkopplung deaktiviert (Leiterbahnen durchtrennt) und auch gedanklich den Teil der die Höhenanhebung bewirkt weggelassen. So sieht das schon viel übersichtlicher aus:

[Bild: RdL-pb-reduziert.jpg]

Diese gestrippte Version hab ich dann gemessen (die gestrichelten Kurven sind das):

[Bild: Fgang_ohne.jpg]

Wie man sieht, ist die Verstärkung des rechten Kanals deutlich geringer - das ist es also was du mir zeigen wolltest.

Jetzt geht aber meine Fragerei weiter. Welche Bauteile müßte ich ändern um die Verstärkungen besser anpassen zu können ?

Ich hab mir jetzt auch nochmal die gemessen DC-Werte nochmal angeschaut: so ganz gleich sind die nämlich gar nicht wie ich oben gesagt hatte. Die größten Abweichungen / Kanalunterschiede haben:

Kollektor von T2: 6,2 V (li) 5,6 V (re), soll: 5 V
links von R27: 9,5 V (li) 10,1 V (re), soll: 9,5 V

Wäre das ein Ansatz, diese Spannungen besser anzupassen. Und, wenn ja, wie ?

Grüße

Peter
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#7
Zitat:peter_l postete

Ulrich, du sagst
Zitat:Die Kondensatoren C6 und C4 bilden mit der Tonkopfinduktivität einen Parallelschwingkreis der durch R7 bedämpft ist
Hast du dich da aber vielleicht vertan mit R7 ?
Da hab ich mich in der tat vertan, als Vorlage diente mir zuerst die Uher Schaltung mit ihren Positionsnummern. Anschließend hab ich den Text auf deinen Positionsnummern hin angepasst.
Der R7 ist von der Originalschaltung übrig geblieben, bei dir ist er ja gar nicht vorhanden.
Es ist natürlich richtig das der ohmsche Anteil des Kopfes den Schwingkreis genauso bedämpft wie ein parallel liegender Widerstand (real oder als Belastung durch die folgende Schaltung).

Zu deinem Problem, die abweichenden Spannungen können ein Hinweis sein.
Ich würde als einfachen Weg erst mal die vier Transistoren erneuern und evtl. die 100kOhm
Widerstände überprüfen.

Spätes Edit: Der Emitterwiderstand von T1 hat in beiden Kanälen den gleichen Wert?

Gruß Ulrich
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#8
Hallo Ulrich,

ich hab mich auch mit meinen eigenen Nummern verhauen:
mit "links von R27" habe ich gemeint "links von R5" (der 27K hat), also die Spannung vor den beiden Kollektor-Vorwiderständen.

Noch zwei dumme Fragen:

1. Was meint man mit Emitterwiderstand ?

2. Können Transitoren eigentlich altern ?

Ich glaub ich hol' mir nächste Woche einen kompletten Satz Metallschichtwiderstände und neue Transistoren.
Weißt du zufällig einen Ersatztypen für BC154, den gibt's bei Conrad anscheinend nicht.

Grüße

Peter
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#9
Hallo Peter
Zur frage 1:
Der Emitterwiderstand ist der Widerstand vom Emitteranschluss des Transistors nach Masse (oder auch nach Betriebsspannung, je nach Potenzial).
Eine Standart Transistorschaltung sieht so aus,

[Bild: Stantransch.png]

normalerweise werden die Widerstände wie folgt Bezeichnet.
R1 und R2 bilden den Basisspannungsteiler, R1 ist dann der Basisvorwiderstand,
R2 wird auch als Querwiderstand bezeichnet (der Strom durch R2 ist der Querstrom).
R3 ist der Kollektorwiderstand, je nach Grundschaltung manchmal auch als Lastwiderstand bezeichnet.
R4 ist dann der Emitterwiderstand.

Zu 2:
Im eigentlichen Sinn altern Transistoren praktisch nicht. Bei den ersten Typen mit Kunststoffgehäuse
konnte es allerdings zu Problemen kommen, die Anschlüsse zu dem eigentlichen Halbleiter können durch Alterungsprozesse des Kunststoffes reißen.

Ein Ersatz für den BC154 ist der BC560 (Rauscharm) oder notfalls auch ein BC556.

Gruß Ulrich
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#10
Hallo Ulrich,

alles klar. Ich dachte erst, der Emitterwiderstand sei eine Eigenschaft des Transistors selbst.

BC560 ist schön, den gibt's beim Conrad in München Tal. Den hab ich dort schon mal geholt als Ersatz für BC153 im Aufnahmeverstärker.

Danke

Peter
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#11
Zitat:peter_l postete
Ich dachte erst, der Emitterwiderstand sei eine Eigenschaft des Transistors selbst.
Transistor interne Widerstände werden immer nach dem Muster “von/bis” bezeichnet,
z.B. Basis-Emitterwiderstand (Formal r mit Tiefgestelltem BE).


Gruß Ulrich
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#12
Hallo zusammen,

heut paßt so ziemlich alles: Sonnenschein bei frühlingshaften Temperaturen hier in München, kaum noch Zahnschmerzen u n d der Wiedergabeverstärker läuft wie er es wahrscheinlich noch nie getan hat:

[Bild: nach_rep_W-Vorverst.jpg]

Die gestrichelten Kurven sind gemessen ohne den Gegenkoppelzweig. Die Verstärkung hat jetzt im Tieftonbereich insgesamt zugelegt und die beiden Kanäle liegen schön aufeinander. Gewisse Unterschiede gibt es jetzt im Hochtonbereich, diese verschwinden dann aber im über-alles-Frequenzgang, siehe unten.

Die durchgezogenen Kurven sind mit Gegenkopplung gemessen. Wenn man das mit der usprünglichen Kurve oben vergleicht: perfekt jetzt!

Zusammengefasst nochmal was alles passiert ist:

1. Elkos ausgetauscht: keine Veränderung.
2. Widerstände durch neue 1% Metallschichtwiderstände ersetzt
3. Transistoren erneuert, jetzt BC560: Ergebnis siehe oben.
4. Eine Menge dazugelernt - danke Ulrich

An den Widerständen lag's vermutlich nicht, die lagen alle sehr dicht an den geforderten Werten. Also hat wahrscheinlich der Austausch der Transitoren den Durchbruch gebracht.

Danach habe ich noch die Pegel des Wiedergabeverstärkers eingestellt und der Vollständigkeit halber noch den Frequenzgang über Band gemessen:

[Bild: nach_rep_F-Gang_hinterBand.jpg]

Viele Grüße, und bis zum nächsten Problem

Peter
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