Töne, die es eigentlich nicht geben kann?
#1
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Unlängst habe ich wieder einmal Tonaufnahmen gemacht. Diesmal aber etwas für mich Neues: Ein Opernabend, Symphonieorchester mit großem, gemischten Chor. Allein dieser umfaßte schon 120 Personen. Zum Auftakt gleich Wagner, "Freudig grüßen wir die edle Halle".

Zusätzlich waren noch fünf Solisten, je zwei Sopranistinnen und Tenöre sowie ein Baß mit von der Partie. Also ganz großer Bahnhof. Allein der Aufbau der 8 Mikros (immer schön die 160m Kabel mit Gaffatape fixieren oder durch Kanäle legen) hat über vier Stunden gedauert.

Auf Wunsch des Veranstalters habe ich auch digital aufgenommen, noch eine Premiere für mich.

Trotz der vielen Vorarbeiten und etlichen Stunden Proben hat sich der Aufwand gelohnt, die Aufnahmen sind für meinen Geschmack gelungen. Und was mir wichtig ist: Wieder etwas dazugelernt und trotz des Stresses Spaß gehabt. Falls jemand glaubt, dass ich hier der DGG oder EMI Konkurrenz mache - das war eine Spaßveranstaltung. Für einen Tonmeister war kein Geld da, darum durfte ich für lau ran.

Nachdem ich angefangen habe, die Rohaufnahmen für die CD zu schneiden, habe ich mir zum Spaß auch mal die FFT- Analyse angesehen. Im Großen und Ganzen reicht das Spektrum bis 10 -12 kHz, wenn die Geigen Fortissimo spielen, auch mal 16 kHz. Das ist nicht weiter verwunderlich.

Was mich erstaunt hat, war die Tatsache, dass die Sopranistinnen bei laut gesungenen Stellen mit den hohen Tönen in der FFT- Anzeige noch Ausschläge weit über 20 kHz "geschafft" haben. Deren Stimmen waren nicht gleich, die mit der etwas dunkleren Färbung kam bei den extrem hohen Frequenzen nicht so stark an. Das Signal war zwar schwach, so etwa bei -70db, aber trotzdem zu sehen. Auch heftig geschlagene Becken kommen in diesen Bereich, sogar noch stärker als die Frauenstimmen.

Nun frage ich mich, ob eine menschliche Stimme in diesem Bereich noch Töne bzw. Obertöne erzeugt -Bei den Becken kann ich es noch glauben- oder ob hier die Technik verrückt spielt und irgendwelche Verzerrungen oder andere unerwünschte Modulationen hinzuerfindet.

Dazu hätte ich jetzt gerne die Meinung von Experten.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#2
Hallo Frank,

normalerweise deckt die menschliche Stimme ein Frequenzsprektrum von 80 Hz bis 12 kHz ab. Bei besonders "trainierten" Stimmen, wie es bei Sängern der Fall ist, können noch höhere Frequenzen erzeugt werden.

Aber "weit über" 20 kHz erscheint auch mir etwas zu viel. Ich würde diese Tonsignale gerne herausfiltern und in für unser menschliches Gehör tiefere Frequenzen transponieren, um mal hören zu können, was das eigentlich ist. Wenn es irgendwelche von der verwendeten Aufnahmetechnik erzeugte Töne sind, könnte man es auf diese Weise vielleicht feststellen.

Viele Grüße,
Manuel
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#3
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Hi Manuel,

das ist eine Idee, man kann ja ohne Probleme das Tempo ändern.

Beim Band hätte ich gesagt, ok, da mischt sich was mit der HF, aber digital? Höchstens, dass die parallel mitlaufende Maschine eingestreut haben könnte, die hing am gleichen Pult.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#4
Lieber Frank,

wie Manuel schon absolut zutreffend ausgeführt hat, dürfte da oben eigentlich nicht viel und vor allem nichts von sachlicher Relevanz sein: Wir machen Musik und keine Technik. Dafür gibt es einige Gründe. Ein technisch besonders vornehmer Grund ist der der Antialiasingfilter im digitalen Aufnahmegerät und der der Mikrofone im Nf-Sektor.

Je nieriger die Mikros sind, umso kritischer wird die Höhenwiedergabe bzw. -wandlung, weil dann für den Mikrofonkonstrukteeur so unvermeidliche wie unnötige Probleme zugreifen, wovon Jörg Wuttke (Prof. Jürgen Meyer: "Wo ist Herr Schoeps, der vorgibt, Herr Wuttke zu sein?") immer wieder geradezu leidenschenaftlich und missionarisch Erwähnung getan hat: Der Membrandurchmesser selbst von Kleinmembranen ist bei fast allen heutigen Kleinmembrankonstruktionen schon für 20 kHz (Lambda = 1,7 cm) eigentlich zu groß und nur des Empfindlichkeitserhaltes wegen an diese Grenze gelegt worden. Da kommt also (in der Regel) nichts ordentliches mehr. Wuttke kämpfte daher immer für seinen mikrointernen Tiefpass, bis auch ihn der Markt klein hatte, der musikalisch Relavantes offenbar bevorzugt im Bereich oberhalb von 25 kHz wittert (aber der Qualität wegen analog aufzeichnen muss).
Den Musikologen in mir veranlasst derlei nur zum Kopfschütteln, denn ich weiß, was Musikinstrumente namentlich in Zeiten machten, als die Elektroakustik noch auf der Suche nach den Großeltern war, deren Enkel einmal ihre Kinderschuhe kaufen sollten. Wuttke nahm nur jenen Tiefpass raus, weil seine Mikrofone das, was verlangt wurde, ohnehin konnten, was er fachlich aber nicht goutieren konnte. Nur solche Mikros bringen oberhalb von 20 kHz ---- das gewünscht Abenteuerliche rüber. Von Großmembranen ist hier gar nicht erst zu reden.

Solltest du mit Samplingraten von 48 oder 44,1 kHz aufgenommen haben, darf oberhalb von 22 kHz sowieso nichts mehr sein, weil hier gemäß Nyquist & Shannon mit mehr als 60 dB/Oktave abgefiltert werden muss, um sicherzustellen, dass da nichts aliasierendes in den Audiobereich hineinfunkt, was da nicht hingehört. Solltest du zu 96 kHz gegriffen haben (man will ja qualitativ sichergehen, sampelt dann aber doch wieder herunter, hüstel), müsste man -eigentlich- klären, wie die FFT-Weichware vorgeht, woher sie auf der digitalen Ebene ihre Informationen wie bezieht.

Daneben ist es natürlich auch möglich, dass das Antialiasing nicht so arbeitet, wie es soll(te). Nachdem die Nf-Seite sicherst über solche Filter agiert, die gewiss ihre Funktion erfüllen (man würde das sonst hören), hast du es höchstwahrscheinlich mit internen "Artefakten" zu tun. So nennen wir das ja mittlerweile im Anschluss an die traditionell und beispielhaft kunstinteressierten Amerikaner: "Ars Gratia Artis" steht um den MGM-Löwen herum, und Porky Pig schaute da auch immer 'raus: "That's all, folks!", hierzulande kongenial übersetzt als: "Und immer schön fröhlich bleiben."
Der Programmierer deiner Weichware hätte dann die interne Bandbreitenbegrenzung für die Fast-Fourier-Analyse nicht glücklich oder aber gar nicht ausgelegt.

Ob du mit der von Manuel angeregten Transposition Glück haben wirst, steht in Frage, weil sie auch beim Resampling auf eine effektive Reduktion der Samplingrate hinausläuft, die die Bandbreite des Signals begrenzt, so dass die 'Störspitzen' im Transformationsprozess vielleicht schon 'weg' sind, ehe sie dargestellt werden können; oder aber neue Sülze schafft, die vorher noch gar nicht da war.

Es hat schon mancherlei für sich, wenn die schöpfungsimmanente Zensur irgendwo zulangt. Man käme sonst noch mehr durcheinander, als man es ohnehin schon ist.

Hans-Joachim
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#5
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Lieber Hans- Joachim,

zuerst einmal Dank für Deinen wie immer erhellenden Beitrag.

Wie ich schon oben schrieb, erschien es mir seltsam, dass die menschliche Stimme, auch wenn sie geschult ist und zu einer noch jungen Frau gehört, solche Frequenzen beinhalten kann. Das um so mehr, weil ich für die Stimme eine Großkapsel eingesetzt habe, die zwar bei 10 kHz ein leichte Erhöhung im Diagramm zeigt, die Kurve dann aber wieder zu den höchsten Frequenzen hin abfällt.

Was mich aber nicht sonderlich interessiert, denn in dem Bereich ist m. W. eh nicht mehr viel, was gespeichert werden soll oder kann. Selbst wenn, wer hört es noch? Vermutlich hören heute schon Mikrophone der Mittelkasse mehr als die meisten menschlichen Ohren. Da die "gesehenen" Töne sehr leise (-70 db) waren, dürften sie bei der Wiedergabe von Raumgeräuschen überdeckt werden, wenn es nicht doch irgendwelcher Schmutz ist. Es war mehr ein theoretisches Interesse, ob da noch natürliche Klänge sein können oder nicht- ich habe mich da etwas gewundert, als ich die Ausschläge sah. Meßwerte sind eine Sache für sich, entscheidend ist, ob das Ergebnis befriedigt.

Die Weichware ist übrigens Marke Wellenlabor, also schon ein recht renommiertes Produkt.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#6
Hallo Frank,
die von Dir beobachteten hohen Frequenzanteile sind auch allgemein unter dem Begriff "Verzerrungen" zu sehen,soll meinen daß die Sängerin nicht Grundtöne mit 20kHz oder so erzeugt , sondern einen nicht sinusförmigen sondern Oberwellen behafteten Ton singt.Dessen "Harmonischen Verzerrungen" reichen dann weiter nach oben.Ein Abstand von 70dB heißt ja daß der Klirrfaktor nur ca. 0.03% beträgt.
Dies nur als Hinweis auf Ursachen, die nicht mit dem technischen Equipment zusammenhängen.
Gruß
Reinhard
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#7
Mir hat man in der Ausbildung beigebracht: Die Charakteristik eines Instruments oder einer Gesangsstimme wird durch die Oberwellen bestimmt.
Es ist also gar nicht so seltsam dass da bei 20KHz noch kleine Oberwellen zu sehen sind.
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