Umschlingungsverfahren, warum hat es keine Verbreitung gefunden?
#1
Moin

Durch einen Artikel in den Digitalfreien Nachrichten wurde ich darauf Aufmerksam dasz das Umschlingungsverfahren bisher kaum diskutiert wurde.
Mir sind nur drei Baureihen bekannt die es nutzen:
1. Die berüchtigte Uher SG63x Serie, wo man es Omega Drive nannte.
2. Eine Profi Maschine von Ampex. Die Baureihe nannte sich ATR100 und es war wohl eine 1/2 Zoll Maschine.
3. Das Max Ihle FerrophonIII
Ausserdem findet sich in der Galerie ein Bild eines Selbstbaugerätes mit Umschlingungsverfahren.

Was war drann am Umschlingungsverfahren?

MfG Matthias
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#2
Es soll Anfang der 50er ein in der gehobenen Preisklasse übliches Verfahren gewesen sein, daß in einigen Tonbandbüchern beschrieben war. Uher hat das aufgegriffen, verfeinert, mit einem Motor und Steuerlogik versehen und es so für sich patentieren können. Leider kann ich das nur ohne Quellenangabe niederschreiben...ich habe schlicht vergessen, in welchen Büchern davon berichtet wurde...
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#3
.
Da sich das System trotz einiger Vorteile in der Praxis nicht so recht bewährt hat, ist es wohl wieder in der Versenkung verschwunden.

Was nützt ein geniales Prinzip, wenn es durch in der Praxis unvermeidbare Unregelmäßigkeiten wie Verschmutzung zu Funktionstörungen neigt? Zwar gibt es bei Video- und DAT- Recordern auch das Omegasystem, aber dort hat man auch ausgeklügelte Regelungen, die Fehler wieder ausbügeln. Ähnliches gilt auch für Geräte mit doppelten Tonwellen.

Wenn es was getaugt hätte, hätte Studer es gebaut.


Frank ( darklab )
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#4
Hallo Matthias,

das Umschlingungsverfahren ist relativ alt.Vielleicht hat es etwas mit der Patentlage zu tun:AEG-Telefunken hat sich den Antrieb mit Capstan und Gummiandruckrolle patentieren lassen.Die Auslandspatente waren zwar nach dem Krieg verloren,aber in Deutschland hätte es vielleicht noch Probleme geben können.
Jedenfalls beschreibt schon der Walter Junghans 1951(Tonbandgeräte-Praxis) den direkten Antrieb des Bandes durch Umschlingung einer Tonrolle.
Es gab damals auch Firmen(Duoton etc.)die Geräte mit einem solchen Antrieb gebaut haben.
Junghans hat diesen Antrieb in seinem 2.Buch(Magnetbandspielerselbstbau) explizit für den Selbstbau empfohlen.

Dieses Antriebsprinzip hatte damals Vorteile:es wurden weniger bewegliche Teile verwendet,war in der Herstellung einfacher.Zum Abspielen mußte nur der Tonmotor in Gang gesetzt werden.
Aber auch einen gravierenden Nachteil:anders als im Uher 30 Jahre später wurde die Tonrolle immer vom Band umschlungen.Einen schnellen Vorlauf hatten die Geräte meistens nicht.Und der schnelle Rücklauf war bereits ein Luxus.

Insbesondere der Profi braucht einen schnellen Zugriff auf eine bestimmte Bandstelle.Und das ist mit dieser Methode nicht zu machen.Auch beim Uher war das ein Problem:
Wir kennen das ja von VHS-Videorecordern:zum Umspulen muß das Band erst von der Kopfrolle wegenommen werden,und bei "Play" dann wieder erst die Kopfrolle umschlingen.Also:der schnelle Zugriff ist nicht möglich.Wenn man schnell eine Aufnahme starten will,hat man ein Problem.

Ein weiterer Nachteil ist,daß Drehmomentschankungen der Spulmotoren sich viel stärker auf den Gleichlauf auswirken als beim Prinzip Tonwelle/Andruckrolle.

Die ersten Uher mit diesem Omega-Antrieb(wie hieß die eigentlich??SG 660 oder so??)hatten in einem Test in der HiFi-Stereofonie einen viel schlechteren Gleichlauf als Konkurenzgeräte.
(verglichen wurde die Uher damals mit der Grundig TS 1000:die TS 1000 hat den Vergleich haushoch gewonnen.Nicht nur wegen des Antriebs)

Die größere Schonung des Bandes spielt,denke ich,keine Rolle.Hat jemand erlebt,daß ihm das System Capstan/Andruckrolle das Band ruiniert hat???

Meine persönliche Meinung ist,daß der Antrieb mit Capstan/Andruckrolle so ausgereift war,daß dieser Omega-Drive der Uher eher ein Werbegag war.

Viele Grüße
Frank
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#5
Zitat:Frank postete

Wenn es was getaugt hätte, hätte Studer es gebaut.

Frank ( darklab )
Das ist natürlich DAS Argument.
Es wurde von Ernstzunehmenden Firmen nicht gebaut.
Wobei... wie ernst sollte man Ampex nehmen?
Es soll ja vereinzelt Leute gegeben haben die Ampex und nicht TFK oder Studer gekauft haben. Smile
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#6
Zitat:firstthird postete

Aber auch einen gravierenden Nachteil:anders als im Uher 30 Jahre später wurde die Tonrolle immer vom Band umschlungen.Einen schnellen Vorlauf hatten die Geräte meistens nicht.Und der schnelle Rücklauf war bereits ein Luxus.

Viele Grüße
Frank
Da drängt sich folgende Frage auf:
Was wäre wenn man diese Rolle nicht direkt antreibt, sondern sie über eine Kupplung auskuppeln und frei laufen lassen kann?
Das könnte Elektromagnetisch geschehen, von der Steurung aus. Dann müsste das Band nicht ausgefädelt werden. Auf der anderen Seite der Kupplung kann man auch eine schwere Schwungmasse anbringen und der Gleichlauf wäre dann besser.
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#7
Keine Frage,
da bin ich natürlich wieder mittenmang dabei...

Zunächst: Die Omegaumschlingung taugt auf jeden Fall etwas, sie ist allemal besser als das Andruckrollenverfahren, das Eduard Schüller (wieder er...) 1936 einreichte und für das ihm 1941 unter DE702998 Patentschutz zugesprochen wurde. Dieser Patentschutz bestand nach dem zweiten Weltkrieg in Deutschland fort, das heißt, beim Einsatz dieses Verfahrens musste man an ihn bzw. die AEG Lizenzen abführen (deutsche Patente waren allein für die alliierten Staaten frei). Bruno Woelke kam dann bereits im Laufe des Krieges mit der Omegaumschlingung (DE 864930) sicher auch deshalb über, weil man einer Abhängigkeit von der AEG (via Schüller) entgehen wollte.

Der Nachteil des Andruckrollenverfahrens liegt -abgesehen von der physischen Beanspruchung des Bandes infolge des hohen Anpressdruckes der Tonrolle an die Tonwelle- in dieser Einspannung, die das Band -wie eine Nagelfeile an der Tischkante- zu wellenförmigen Längsschwingungen veranlasst, die die Kopfträgereigenschaften negativ beeinflussen. Dabei wird durch den Abstandseffekt zwischen Band und Tonköpfen die Nutzmoduliation von einer Störmodulation überlagert, die man -namentlich bei niedrigen Bandgeschwindigkeiten- sehr gut hören kann (alle mir bekannten WMD6C von Sony hatten das...). Dies gibt es bei der Omegaumschlingung nicht, die also nicht nur schonsamer mit dem Band (auch beim Start) umgeht, sondern eben auch Vorteile bei der Wiedergabe hat. Genau diese aber tauchen in Woelkes Patentschrift gar nicht auf, man hat sie also vermutlich auch nicht 'exemplarisch' wahrgenommen. Er spricht allein von der Gleichmäßigkeit des Bandlaufes und vom vereinfachten Einlegen des Bandes.

Der kapitale Nachteil des Verfahrens liegt -wie von Frank schon beschrieben- in der überaus kritischen Einstellung des Bandzuges, damit die Omegaumschlingung tatsächlich immer dann zur Beförderung des Bandes führt, wenn der Nutzer dies will. Und da war Woelke seiner Zeit wieder einmal einige Jahrzehnte voraus, denn dies war mit den Mitteln der späten 1940er Jahre schlicht nicht zu beherrschen.

Max Ihle musste sich als Freund Woelkes und Geschäftsmann (Patent-Problematik) da natürlich dennoch einklinken (übrigens schon mit den frühen Ferrophonen vor 1950: Münchberg I, Ferrophon Junior, Ferrophon IIc). Möglicherweise ist die Omegaumschlingung mit ihren Ansprüchen an einen möglichst konstanten Auf- und Abwickelzug Ursache für die ziemlich interessante Rutschkupplung (geschliffene Sinter-Stahl-Kupplung) der zweimotorigen Ferrophon-Familie, die gemäß einer Aussage in der Funktechnik, Heft 10, 1949 den Bandzug innerhalb eines 30-cm-Wickels im Bereich von +/- 0,1 % konstant hielt. Sicherheithalber garantierte man +/- 0,5 %. Übrigens glaubte man, für diese ersten Ferrophone auf Bremsen (und etätigungsmagente etc.) verzichten zu können. Erst ab dem Ferrophon IIc wird dann eine be-'klemmend' einfache Bremse eingebaut.
Jener Aufsatz erwähnt, dass das Band durch den Antrieb sehr schonend befördert werde und ein Reißen des Bandes so überaus unwahrscheinlich sei. Außerdem werden die Ferrophone wie die gleichzeitig beschriebenen Spitzkeilköpfe als Opta-Produkte (Opta-Spezial GmbH) bezeichnet, der Name Ihles und Woelkes fällt nicht.
(Zwischen 1949 und Frühjahr 1950 muss Ihle also an seiner Vertriebsstrategie Veränderungen vorgenommen haben, denn mein Ferrophon IIc vom Frühjahr 1950 trägt sowohl auf den Köpfen als auch auf dem Gerät selbst bereits sein Firmensignet nebst Namen und Adresse.) Übrigens ist hier von einem "neu geschaffenen und objektiv anzeigenden [Tonhöhen-]Schwankungsmessgerät" die Rede, das wohl nicht zufällig in dieser Woelke-Umgebung auftaucht.

Wer übrigens glaubt, die gleichzeitige AEG-T8 wäre hinsichtlich des Bandtransportes ohne Gebrechen gewesen, der irrt: Sobald das Band auf der Abwickelspule zur Neige zugehen drohte, bestand immer Gefahr, dass das Band an der Tonwelle zum rutschen neigte; die Gleichlaufschwankungen nahmen hörbar zu.

Soweit ich mich erinnere, besaß eines der mehrkanaligen FM-Mess-Magnetofone während meines Tonmeisterpraktikums bei den Akustikern der weiland Deutschen Bundesbahn (1972) Omegaumschlingung; das zweite vefügte über einen Doppelcapstan (, den ich bei hochwertiger Cassettenwiedergabe, sollte diese überhaupt einen Sinn haben, für unabdingbar halte...).

Hans-Joachim
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#8
Zitat:Matze postete
Zitat:Frank postete

Wenn es was getaugt hätte, hätte Studer es gebaut.

Frank ( darklab )
Das ist natürlich DAS Argument.
Es wurde von Ernstzunehmenden Firmen nicht gebaut.
Wobei... wie ernst sollte man Ampex nehmen?
Es soll ja vereinzelt Leute gegeben haben die Ampex und nicht TFK oder Studer gekauft haben. Smile
War auch mehr ein Gag. Ampex war und ist sicher eine ernstzunehmende Firma, und die haben bei den meisten Geräten die Lösung mit Tonwelle und Andruckrolle gebaut.

Frank ( darklab )
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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