Etwas mehr Volumen gefällig? - Normales und Ausgefallenes.
#1
Moin, moin,

mit den bei mir angesammelten Boxen-Haufen habe ich bislang zwei Vergleiche versucht (-> Zwergentest, Seniorentest). Eine Entwicklung bei Lautsprecherboxen von den Sechziger zu den Siebziger Jahren ist dabei nicht zu verkennen. Selbst kleinvolumige Lautsprecher der Siebziger sind ihren größeren Verwandten hörbar überlegen. Andererseits waren Hersteller auch schon in den Sechziger Jahren in der Lage aus heutiger Sicht anspruchsvolle Lautsprecherboxen zu bauen; wenn sie denn wollten.
Zudem scheint mir eine deutliche Änderung der Charakteristik, hin zu höhenbetonten Systemen, verbreitet gewesen zu sein.
Unabhängig davon scheint es ebenfalls offensichtlich, daß zumindest in der beschriebenen Nicht-Highend-Klasse gern am falschen Ende gespart wurde, selbst einfachste Regeln für die Optimierung des Klangbildes, zum Beispiel durch eine hinreichende Dämmung, nicht beachtet wurden.

Am Montag nun wollte ich die etwas größeren Kaliber der Siebziger Jahre in Angriff nehmen.
Als erstes nahm ich mir unter den gewohnten Bedingungen drei durchschnittliche Volumina im direkten Vergleich zu den schon bekannten Canton GLE 50 und Kücke KS Prisma A30 vor. Zwei größere Probanden sollten unabhängig von der Beeinflussung durch ein Wohnzimmer ihre Eigenschaften beweisen. Also ab in den Schalltoten Raum!?
Nunja. Ich wäre zumindest mit dem aktuellen Haufen dort eingezogen, hätte ich einen gehabt. Ich bin sicher, der Maurermeister, der unser Haus vor neunzig Jahren gebaut hat, hatte einen geplant gehabt. Aber wahrscheinlich hat jemand seine Pläne entdeckt und geändert: Das Haus wurde kleiner, dafür der Kartoffelacker größer und der Schalltote Raum wurde durch ein Nähzimmer ersetzt.
Aber das Wetter ist gut und die Nachbarn freuen sich sicher, wenn sie zuhören dürfen: Also raus. Beziehungsweise gar nicht erst rein, mit den Boxen: Im zweiten Durchgang – die Zwerge blieben drinnen – alle anderen in direktem Vergleich, am Dienstag dann nochmal die beiden Großen etwas intensiver und mit mehr Material. Denn das ist eine Kategorie, bei der das Hören anfangen könnte Spaß zu machen.

Wenn auch etwas zu groß für einen Vergleich der Boxen bis 100l Brutto-Volumen, ist doch auch diesmal die Kirksaeter Professional 200 wieder dabei. Eine bekannte Box aus der Senioren-Gruppe, quasi als Referenz. Ich wollte sie einfach mal intensiver hören. Auch bekommt sie diesmal die Chance, sich an jüngeren Verwandten zu messen. Wird sie mithalten können?

Übrigens habe ich inzwischen eine bedeutende Erfindung gemacht. Das Problem mit der Öffnung der Rückwand der Kirksaeter (-> Seniorentest) ist gelöst.

[Bild: KirkProf200_01k.JPG]

Ein Problem, das nicht nur Große Düsseldorfer betrifft, sondern – so informierte mich ein Mitleser telefonisch – zum Beispiel gern auch ältere Braun-Boxen!
Man löse sämtliche Schrauben die die Rückwand fixieren, entferne alles, was sie sonst noch halten könnte, schließe die Box dann an und lasse sie laut und impulsreich Musik spielen. Man könnte dazu noch „Sesam öffne Dich“ sagen. Wirklich helfen täte das aber nicht. Irgendwann ist die Rückwand jedenfalls lose. Falls doch nicht, dann sollte man vielleicht die Bässe etwas aufdrehen. Und sollte es doch nicht klappen, dann hat man wenigstens Musik gehört. Bei der Kirksaeter hat es jedenfalls geklappt! Jetzt brauche ich nur noch einen griffigen Namen (Impulssprengung!) und jemanden, der sich dafür interessiert und werde dann ganz sicher ganz blödsinnig reich. Smile

Meine zweite Referenz ist eine deutlich kleinere Dual CL-281 (3/1979, Prospekt, Anleitung, Service-Anleitung). Diese Box kenne ich schon etwas länger, habe ich sie doch im Sommer 1980 neu gekauft. Vier Wochen in den Sommerferien Musterschalen, Cefic-Merkblätter und Imco-Label sortiert, gezählt, zusammengestellt und verschickt, zum Teil ausgetragen, um am Ende einen Grundig V5000 kaufen zu können. Aber der brauchte Boxen, für die passenden Grundig's war nicht mehr genug Geld da, und so durften die Dual CL-281 vom Laden an der Ecke für zwei Jahre bei mir einziehen. Sie wurden zwar über die Jahre auch mal verliehen (und kamen immer! kaputt zurück), haben aber substanziell überlebt, auch wenn sie heute nicht mehr im Original-Zustand sind. Zumindest weiß ich, wie sie tönen.
Die Dual waren jüngster Sproß und Topmodell der Serie 200 und nur kurz auf dem Markt, da die 300er bereits verfügbar war und die Serie 700 in den Startlöchern stand. Ihre Besonderheiten sind der Kalotten-Hochtöner mit angekoppeltem Luftvolumen und die Sensor-Schutzschaltung gegen thermische Überlast (die die Hochtöner zweimal nicht gerettet hat). Die auffälligste negative Eigenschaft ist das eher billige Folien-Holzdekor.

Die Canton LE 600 (1973, Fono Forum JB 1974/75 und 77/78, HiFi JB 7 S.510, HiFi Stereophonie JB '74 und 77/78) war das Topmodell aus der ersten Boxen-Serie der erst 1972 gegründeten Canton Elektroakustik und wurde vom Start weg zur Referenz ihrer Klasse gekürt. Nicht nur die Boxen sondern auch die Chassis stammten aus eigener Fertigung. Ingo Harden und Michael Wolff testen sie in der Fono Forum im Vergleich zu zeitgenössischen Aktiv-Boxen (Anm. Braun LV-720, Heco P-7302 SLV, Jamo 50E, KM-System) und kamen zu dem Ergebnis, daß sie diesen in keiner Weise nachstehe. „Die beiden verwendeten Exemplare zeigten ein sonores, fülliges und saftiges Klangbild, das zwar im unteren Baßbereich etwas früher abfiel als die anderen Boxen (...), im Hauptbereich der musikalischen Bässe jedoch voll da war. Die Höhenwiedergabe war bei den Testexemplaren eher leicht gedämpft, so daß der Klang im Ganzen wenig aggressiv wirkte und die Boxen im „Lautsprecherhimmel“ einen Platz in unmittelbarer Nähe der Braun-Box (Anm.: L-810) fand – beide wirkten in der Timbrierung etwas eingedunkelt.“ Die Testhörer bewerteten die Canton als die zusammen mit der aktiven Braun LV-720angenehmste Box“ im Testfeld, „die sich auszeichnete durch ein voluminöses aber weitgehend durchsichtiges und verfärbungsarmes Klangbild.
Bei der HiFi-Stereophonie machte sich im Angesicht der neuen Canton sogar Begeisterung breit. Sie würde in Bezug auf Klangneutralität und ihre Baß-Volumenrelation neue Maßstäbe setzen, sei im Bezug auf die musikalischen Mitten und Höhen gleichermaßen durchsichtig, frei und klangneutral. Die Schalldruckkurve der LE600 hätte den „berühmten idealen Verlauf“ gezeigt, mit einer „fast unglaublichen“ Ausgeglichenheit zwischen 900 Hz und 10kHz. Das Klirrgradverhalten sei sehr gut, die Richtcharakteristik ausgezeichnet, der Wirkungsgrad relativ gut (2W praktische Betriebsleistung) und das Impulsverhalten sowohl im Mitten- und Höhenbereich, aber gleichzeitig auch im Baßbereich gleichermaßen gut.
Zur Funkausstellung 1975 wurden überarbeitete Versionen der in allen wesentlichen Details unveränderten Boxen vorgestellt, äußerlich nur durch einen „dynamisierten“ Schriftzug erkennbar. Da meine Boxen die moderne Variante des Canton-Logos tragen gehe ich davon aus, es handelt sich um Abkömmlinge der zweiten Serie. Ansonsten ist die Leistung (70 statt 60 statt sinus) leicht angestiegen und veränderten sich die Dimensionen der Chassis: MT 30 anstatt 38, TT 230 anstatt 250mm Durchmesser. Übergangsfrequenz 750/2800 anstatt 900/4500 Hz. Auch sank der Preis von ursprünglich 600 Mark das Stück..
Die HiFi-Stereophonie kam zu dem Ergebnis, die „neue LE 600“ klänge „in den unteren Mitten ausgewogener, im Brillanzbereich eine Nuance weicher und im reinen Obertonbereich etwas strahlender. (...). Die größte Verbesserung wurde jedoch im Baß erreicht: Das Baßfundament konnte verstärkt werden, und die Bässe klingen konturierter.“ In axialer Richtung treten Interferenzen zwischen den Kalottenhoch- und -Mitteltöner in Form von Frequenzauslöschungen auf, die sich durch eine Delle im Präsenzbereich von 3000 Hz und einem Einbruch bei 9kHz zeigen, aber bei einem Hörwinkel von 20° schon nicht mehr wahrnehmbar seien. In ihrer Klasse zähle sie zur absoluten Spitze. Ähnlich testete auch die Fono Forum die überarbeitete Version, bei der ein „schmaler Einbruch im Frequenzgang bei 6,3kHz“ notiert wurde. Der Klangeindruck sei insgesamt ausgewogen, „bei Popmusik wirkt der Baßbereich aber etwas bumsig, die Räumlichkeit zu flach, Klassische Musik klingt dagegen sehr durchsichtig, Klangfarben werden natürlich gezeichnet.

Ebenfalls um 1975 debütierte die Pöhler Sound PS 4302 (HiFi Stereophonie JB 79/80, HiFi-Jahrbuch 7, 8 und 9). Sie blieb bis Ende der Siebziger Jahre im Programm und bekam 1980 mit der 4302X ein Facelift spendiert. Die PS „Senkrecht-Raumstrahler“ waren ursprünglich in Zusammanarbeit mit Alfred Löscher von der Firma Pöhler & Schilling konzipiert worden. Man trennte sich jedoch und es entstanden die Firmen Pöhler Sound und die Schilling GmbH, die jeweils schon 1975 (HiFi JB 7) eigenständig indirekt strahlende Standboxen anboten.
Die kompakte Box hat ihre drei Chassis an der oberen Seite, Tieftöner und Kalotten-Mitteltöner nach oben abstrahlend eingebaut, die Hochton-Kalotte in einem eigenen Gehäuse horizontal ausgerichtet. Bei der Pöhler ging mit diesem Konzept um die Möglichkeit der freien Aufstellung der Boxen im Raum, unabhängig vom Standort des Zuhörers. „Die innen mit schalldurchlässigem Gewebe verkleidete Haube aus gelochtem Stahlblech ist ohne Gewaltanwendung nicht abnehmbar“.
Die HiFi-Stereophonie bewertet die Pöhler als „durchaus brauchbare indirekt strahlende Standbox“. Sie besäße ein „im wesentlichen ausgewogenes, luftiges und breitbandiges Klangbild.“ Sie sei für wenig bedämpfte Räume geeignet und dabei wenig ortungsscharf. „Der Baßlautsprecher erzeugt nicht gerade wenig Klirren, was die Klangdefinition der unteren Mitten doch leicht beeinträchtigt.“ Zudem fiel den Testern auf, daß die Schalldruckkurve im Frequenzbereich zwischen 800 und 900 Herz - „vermutlich an der Übergangsstelle zwischen Tief- und Mitteltöner“ - einen Pegelsprung von 5dB aufwies. Ansonsten hätten die Boxen aber einen sehr ausgeglichenen Schalldruckverlauf aufgewiesen.

Die Thorens HP 380 Soundwall (1978-79, Audio 10/78, HiFi Stereophonie 4/79 JB 80/81, Thorens Prospekt, HiFi JB 9 S.10-360) ist ein sogenannter Dipol. Das bedeutet, daß die Chassis nicht in einem geschlossenen Gehäuse sitzen, sondern in einer Platte, aus der sie frei nach vorn und hinten abstrahlen können. Die offene Bauweise verhindert die Reflexion der Wellen zurück durch die Membran genauso wie die Anregung von Luftmassen innerhalb des Gehäuses, was eine Beeinflussung der Membran-Bewegung zur Folge hätte. Natürlich ist eine solche Box besonders von ihrer Aufstellung in Relation zu Zimmerwänden abhängig. Ihr Entwickler Ludwig Klapproth empfahl daher, die Mindest-Entfernung zur rückwärtigen Wand dürfe 50cm nicht unterschreiten und zur Vermeidung stehender Wellen sollte sie zu dieser nicht parallel stehen; die Audio empfahl in ihrem Test einen Mindestabstand von 60cm: Nur so ließen sich Verfärbungen vermeiden.
Gerold O.Dick bescheinigte den Thorens in seinem Test für die Audio: „Die Schallwände klingen ungewöhnlich offen und frei“, die Staffelung der Instrumente sei hervorragend, die Tiefbässe kämen „überzeugend“, dabei ohne übertriebene Härte, eher leicht und „mit Atem“. Allerdings würden die Thorens „allergisch auf schlechtes Platten-Material reagieren“, jeden Fehler augenblicklich abbilden. Die Hörzone und der Wirkungsgrad seien sehr groß. Lediglich in den Mitten gäbe es leichte Verfärbungen.
Die HiFi-Stereophonie erkannte „ein leicht dunkel timbriertes Klangbild“ und fand die HP-380 „im Obertonbereich etwas unterbelichtet“, empfahl eine leichte „Anhebung des Obertonbereiches“ bei 8 kHz Eckfrequenz. Auch hier galt die Thorens als „auffallend ortungsscharf“, die Baßwiedergabe sei „hervorragend“, auffallend kräftig und dennoch trocken und sauber. Sie sei in der Lage einen 70Hz Sinus-Ton bei einem Pegel von 105 dB sauber abzustrahlen. Die Tester kamen zu dem Ergebnis: “Das Klangbild überzeugt durch die Qualität der Baßwiedergabe und der Ortungsschärfe in Verbindung mit Natürlichkeit. Ideale spektrale Ausgewogenheit im Detail und Anpassung an die Akustik des Hörraums läßt sich durch Verwendung eines geeigneten Entzerrers erreichen. (...) Der Wirkungsgrad dieser Lautsprechereinheiten ist überdurchschnittlich...“
Neben der HP-380 hatte Thorens die weitgehend identisch bestückte HP-360 im Angebot gehabt, die sich, so die Audio, nur durch die Anzahl der Tiefton-Chassis unterschieden habe. Meine HP360 war mit HT Peerless Qc 931216 Cat.Nr. 811528 Z8Ohm, Made in Denmark, MT ScanSpeak Type 13M3804 P2B SD, Made in Denmark, und TT Westra SW 160-502 4Ohm, Made in Germany, ausgestattet. Die Bezeichnungen der Chassis der hier vorgestellten HP380 sind unkenntlich gemacht. Der Schaltplan zur 380 weist im Bereich des Mitteltöners zwei alternative Bestückungen auf: Einerseits den oben genannten ScanSpeak, andererseits einen „KU 45 MRF 4Ohm“. Auch nennt der Schaltplan als Hochton-Chassis ein „SKO 10DT 4Ohm“ an Stelle des in der 360 verwendeten Systems.
Leider ist meine Thorens nicht mehr original bestückt. Als Mitteltöner ist ein Konus von Braun eingebaut, der zudem älter als die Konstruktion der Box ist. Insofern dürfen meine Beschreibungen nur für diese Boxen-Individuen, nicht aber für die Thorens Soundwall im Allgemeinen angenommen werden.

Zu der Kirksaeter Professional 200 habe ich im „Seniorentest“ ja schon einiges geschrieben. Wen es interessiert, der möge kurz dort hinein schauen.

[Bild: Tabelle_50.jpg]

Angeschlossen habe ich die Probanden wieder einmal an das Telefunken U250 Umschaltpult und an den Taurus Taufrisch Vollverstärker.
An Musik kamen zunächst die gleichen vier CDs zum Einsatz, die ich schon vorher (-> Zwergentest, Seniorentest) verwendet hatte.

Vorturteil? Keines! Naja, fast keines. Schließlich hatte ich diese Boxen vorsätzlich gekauft. Infolgedessen hatte ich sie auch bereits gehört. Da bleibt nicht viel Raum für ein Vorurteil

Also die Vorfreude in die Warteschleife zurück geschickt und Roger Cicero mit der Kücke gestartet, weiter auf die kleine Canton und dann schnell zur LE600 geschaltet.

[Bild: Trio2_01k.JPG]

Auf den ersten Hör, quasi im direkten Vergleich zur Ihrer Nachkommin, verwundert die mehrmals größere Canton etwas, scheint sie doch weit weniger Volumen zu besitzen. Zur Einführung der GLE-Serie hatte Canton so etwas propagiert, es ginge darum, die gleiche Leistung in kleinere Gehäuse zu packen. War das gelungen? Einmal zurück geschaltet, dann wieder zur 600. Tatsächlich tönte die kleine voller, aber keinesfalls besser! Vielmehr machte die LE600 als Vergleichsmaßstab deutlich, was das „sounden“ einer Box anrichten kann. Auch wenn die LE600 im direkten Vergleich zunächst etwas spitz zu klingen schien, ein deutlich helleres Klangbild und weniger tiefe Töne vorweisen konnte, wurde doch schnell deutlich, daß sie weit natürlicher, sauberer, linearer und ausgeglichener klingt, als ihr jüngeres Geschwister. Sie wirft die Frage auf, in wie weit wir heute von der Musikindustrie um ein natürliches Klangbild betrogen werden: Wer weiß eigentlich noch, wie Instrumente tatsächlich klingen? „Bumm Bumm Bumm“ ganz sicher nicht.
Wo die GLE50 ein sehr breites Klangbild anlegt, das schon im Vergleich mit der Kücke übertrieben geklungen hatte, ist die LE600 dezenter, schlanker, aber gleichsam tonal voluminöser. Es wird weniger vorgetäuscht, es ist einfach mehr da! Trotzdem ist die LE600 aus „moderner“ Sicht gewöhnungsbedürftig. Insbesondere bei Rock-Musik (Korn) klingt sie mit ihren klaren Höhen und leicht überhöhten Mitten zu „saftig“, im Mittenbereich leicht hohl und unscharf, was ihr bei dichten Arrangements Probleme verursacht, und im Bass-Bereich etwas dünn.

Die um einige Jahre jüngere Dual klingt da schon moderner. Der Bass reicht tiefer und ist präsenter, wenn auch recht weich. Bei Jazz ähnelt das Klangbild zunächst der GLE50, wenn es auch souveräner, weniger gekünzelt scheint. Das Klangbild wirkt schlanker, dabei weniger hohl in den oberen Mitten, natürlicher. Auch bei Popmusik wirkt die Dual straffer, trockener als die beiden Canton, ist aber bei dichten Arrangements auch nicht frei von kumulierenden, etwas dröhnenden Mitten. Allerdings wirkt der Bereich der oberen Mitten etwas flach. Das mag aber auch an der vorgenommenen Modifikation – alternative Hochtöner – liegen.
Bei orchestraler Klassik wirkt die Dual indifferent. Tonal zeigt sie insbesondere im Tieftonbereich mehr Präsenz, ein breiteres Spektrum, löst aber weniger gut auf als die Canton. In den Mitten und Höhen kann sie mit der LE600 nicht mithalten.

Die Pöhler – bisher hatte ich sie nur solo gehört – überraschte mich dann doch. Die Boxen, die ich als auf einem Flohmarkt zunächst als Schränkchen mißverstanden hatte und auf die ich nur aufmerksam geworden war, weil obenauf ein Paar kleiner Transonic Life 200 thronten, scheint die besseren Eigenschaften der bisher gehörten Boxen zu vereinen, ohne ihre Schwächen zu übernehmen. Dabei spielt sie insbesondere dynamische Stücke mitreißend, fast als würde sie mit schunkeln. Es gibt eine Interpretation, die den Zuhörer veranlaßt, mitzumachen (tanzen, schunkeln, singen, was auch immer). Die Pöhler ist die erste, die diese Interpretation verstand!
Ihr Klangbild ähnelt sehr der LE600, der Baß reicht jedoch tiefer hinab, bleibt dabei aber neutral, keinesfalls übertrieben, und ist deutlich straffer als der der Dual. Die straffen Höhen sind zur LE600 vergleichbar fein und gut aufgelöst. Die Boxen sind tonal sehr stimmig, dabei differenziert, dynamisch und präsent. Die Mitten scheinen leider etwas weniger akzentuiert, wirken etwas verhangen, verwaschen. Da sie aber leicht zurückgenommen sind, wirkt das im normalen Betrieb wenig störend. Lediglich bei dichten Arrangements zeigt sie die üblichen Probleme, einen Hang zu dröhnenden, bohrenden Mitten. Die 4302 präsentiert deutlich mehr Volumen als ihre Mitbewerberinnen, bleibt dabei aber natürlich. Lediglich in der Ortbarkeit steht sie deutlich hinter der Canton zurück.

Draußen ist es inzwischen kühler geworden. Also ist Boxen-Tragen angesagt. Wieder wollte keiner helfen!
Die Canton und Dual bleiben bei Ihrem Vortrag. Lediglich bei der Canton scheinen weniger tiefe Töne hörbar, als zuvor. Aber wer hört eine LE600 schon draußen?

[Bild: CantonDual_02k.JPG]

Die Pöhler leidet deutlicher, wirkt etwas zurückhaltender, bemühter. Dabei in den mittleren Lagen etwas freier, insgesamt impulsfreudiger. Trotzdem: Für draußen ist die Pöhler nicht gebaut!

[Bild: Gruppe_01k.JPG]

Umgeschaltet auf die HP380 muß ich den Taufrisch zunächst einmal um zwei Rastungen des Lautstärkereglers zurück nehmen. Sie spielt sehr laut, unglaublich präsent und dynamisch. Nicht vergessen! Eine Thorens HP 380 kostete mehr als das Doppelte der Pöhler, das dreifache der Canton und fast das Siebenfache der Dual!

Wie schon angedeutet, beschränkt sich ein Lautsprechertest in gewissen Phasen auf das eher akademische Interesse – bei mir war das bei der Beschäftigung mit manch alter Box zweifellos der Fall -, um in anderer Situation anzufangen Spaß zu machen.
Die Pöhler hatte mit dem Spaß begonnen, die Thorens setzte ihn fort: Gustav Holst tönt dramatisch aus der Soundwall. Die Tiefton-Auflösung scheint phänomenal. Die Lautsprecher sind unglaublich impulsfreudig. Leider tut meiner Thorens der Braun-Mitteltöner nicht wirklich gut. Zum Beispiel Blechbläser erzeugen den schon erwähnten unangenehm bohenden Klang (schon mal beim Zahnarzt gewesen und mit der Hirnschale gefühlt wie ein Bohrer klingt?). Die Mitten wirken etwas topfig, weniger gut aufgelöst. Da will also unbedingt eine Alternative gesucht werden!

Im Vergleich zu den Thorens wirken die zehn Jahre älteren Kirksaeter zunächst einmal fast dumpf und deutlich weicher. Die Tiefen scheinen hohler und die Box insgesamt zurückhaltender, das Klangbild schlanker.
DAS will überprüft werden.

[Bild: Trio_03k.JPG]

Der Dienstag bringt mir etwas mehr Zeit und ich kann früher raus und die Nachbarn unterhalten Diesmal stehen nur Kirksaeter und Thorens zur Wahl, dafür etwas mehr alternative Konserven. Zu den Bekannten gesellen sich noch das Michel Petrucciani Trio (Pianism), Keith Jarrett (The Köln concert), The String Thing (Alles wird gut), Annett Louisan (Das optimale Leben) und Ich+Ich (Vom selben Stern).
Übrigens kommt bei 32°C im Schatten hin und wieder eine kalte Brombeere echt gut! Auch wenn das auf die Leistungen der Boxen wenig Auswirkungen haben dürfte.
Meine Nachbarn haben mich nun endgültig für bekloppt erklärt. Aber das ist nichts Neues. Da ich alle paar Tage mit einem Bollerwagen voll alter Geräte herumlaufe, haben sie sich sowieso schon mehrheitlich ein Urteil gebildet. Immerhin scheine ich als „ungefährlich“ eingestuft. Die Kinder dürfen draußen bleiben, wenn ich nahe.

Vor mir stehen nun also 0,58 1200er Standard-Käfer (DM 4.290 lt. Wiki) beziehungsweise 0,53 1200er Export-Käfer von 1967 und 0,38 1200er Käfer (DM 7.865 lt. Wiki) von 1978. Das zur Einordnung (Pöhler: 0,14, Canton: 0,13, Dual: 0,06 Käfer zum '78er Preis).
Am Vortag hatte die Kirksaeter etwas dumpf geklungen. Da sie das bei den ersten Takten nun auch tat, nahm ich zunächst einmal die Bespannung ab. Besser! 1,2kg Holzrahmen mit Schilfgeflecht schützen gut aber klingen eher mäßig. Da die Thorens frei aufspielen durfte, erlaubte ich es der Kirksaeter nun auch. Zunächst blieb die „Raum-O-Matic“ dabei in Stellung „Linear“

Als erstes kamen die Piano-Künster Keith Jarrett (Solo) und Michel Petrucciani (mit Kontrabaß und Percussion) an die Reihe. Die Kirksaeter klang homogen, dabei etwas dunkel timbriert und recht weich, Die oberen Mitten klangen etwas schmal, manchmal auch kühl, räumlich distanziert.
Die Thorens war dagegen deutlich präsenter, dynamischer, dabei luftig, straff und hoch auflösend.
Nach etwas Einhör-Zeit, insbesondere nachdem ich die Stimmen von Roger Cicero und Annett Louisan angespielt hatte, hörte ich genauer hin: Der Thorens fehlt die Räumlichkeit! Sie klingt flacher. Zwischen den Boxen passiert nichts. Die Kirksaeter hingegen platziert die Stimmen und Instrumente auf einer durch die Boxen eingefaßten Bühne exakt ortbar! Umso lauter man sie hört, desto besser wird sie: Die Mitten gewinnen Volumen, und die Höhen Höhen. Bald wird auch klar, daß der Baß der Kirksaeter weniger detailliert, weniger straff ist, aber dabei tiefer hinunter reicht, als der der Thorens.
Das Braun Chassis wertet die Thorens deutlich ab. Ich kann nicht sagen, das es schlecht wäre, nur paßt es nicht wirklich, wirkt zu laut, überhöht die Mitten, klingt etwas unsauber und neigt etwas zum Aufschaukeln: Die Mitten werden bei gehaltenen Tönen bohrend, etwas dröhnend.
Daneben – ich hoffe eigentlich nicht „daneben“, sondern „dadurch“ – präsentierte die Thorens noch eine weitere Eigenart: Es scheint, die diversen Tieftöner produzieren Laufzeitfehler! Das wird insbesondere bei Mehrfrequenz-Impulsen deutlich: Der gezupfte Kontrabaß vom String Thing oder beim Petrucciani-Trio bekommt eine Über-Brillanz mit gleich mehreren Glanzlichtern. Der typische „Abba-Sound“ als kostenlose Zugabe? Die eigentlich klar akzentuierten Impulse scheinen beim Abgang zu zerfasern. Es fehlt zudem an räumlicher Tiefe. Ganz anders die Kirksaeter, die zwar im Tieftonbereich weniger auflöst, dafür aber wesentlich kompakter klingt. Ein Kontrabaß ist wirklich nur EIN Kontrabaß.
Als ich dann bei der Professional 200 die Raum-O-Matic auf „Präsenz“ stelle, gleicht sich ihre tonale Verteilung plötzlich noch weiter der Thorens an: Die Höhen werden fruchtiger, sie reicht weiter hinauf. In Stellung „Jazz“ perlen die Höhen-Impulse fast so dynamisch, wie bei der HP380. Der Rest der Sitzung bewältigt die Kirksaeter in Stellung „Präsenz“.
Bei Popmusik wird der Kirksaeter ihre „weiche“ Grundausrichtung zum Verhängnis. Kante und Ich+Ich verwirren sie. Die schnellere Thorens kommt besser zurecht.
Der Live Auftritt von Korn liegt der Kirksaeter eindeutig mehr. An ihre souveräne Ausgeglichenheit über das angebotene Frequenz-Spektrum reicht die Thorens nicht heran. Sie übertreibt dagegen, wirkt fast etwas hektisch.
Die Berliner Symphoniker schließlich klingen auf beiden Boxen wiederum extrem unterschiedlich. Die Thorens versucht aus jedem Ton ein Highlight zu machen – die schon genannten Laufzeitfehler setzten Glanzlichter, wo keine sind – wobei sie in fast jeder Situation dramatisch klingt. Die Kirksaeter hingegen faßt das Orchester zu einem Instrument zusammen. Insbesondere unten rum fehlt ihr der eine oder andere Oberton, den die Thorens zeigen kann. Doch wirkt der Gesamt-Auftritt stimmiger, weniger gekünzelt. Nicht jeder Akteur wird als Solist vorgestellt.

Am Ende hat die Kirksaeter gewonnen. Die Thorens hat ihr zwar die Schwächen aufgedeckt, hat es aber nicht besser machen können.
Das Ergebnis könnte allerdings anders aussehen, würde ich die Thorens in besser abgestimmter Konfiguration hören können! Vielleicht wäre sie auch in dieser Zusammenstellung vor zwanzig Jahren noch besser gewesen, als die vielen Tiefton-Chassis noch neuer waren und einheitlicher klangen!? Doch sollte man nicht vergessen, daß die Kirksaeter mehr als zehn Jahre älter ist und alle Argumente zur Alterung für sie also noch mehr gelten.
In Anbetracht der gezeigten Leistungen an relativ modernen Geräten mag ich mich eigentlich kaum fragen, mit was man die Professional 200 anno 1967 hatte unterfordern sollen. Da lohnt es fast, den RTX Professional 6000 wieder flott zu machen um das nachzuvollziehen Smile

Am Ende des Abends habe ich dann noch kurz die Holst-CD in einen anderen CD-Player eingeworfen. Der hängt an einem Fidelity Student-Vollverstärker, der ein Paar Blaupunkt L107 artech (1986, Quadral Phonologue Tribun) antreibt. Nicht besser! Überhaupt nicht besser!!

Was ist also das Ergebnis dieser kleinen Session? Bei der Canton LE600 (und Vergleichbaren) fing in den Siebziger Jahren für meine Begriffe so etwas wie HiFi an. Die Dual klingt voller, manchmal etwas angenehmer, aber nicht wirklich besser. Das war auch schon so, als ich sie anno 1982 in Original-Besetzung gegen eine Grundig Box 1500a ausgetauscht hatte.
Die Pöhler ist überraschend gut. Wer auf exakte räumliche Staffelung verzichten mag und dafür eine lebendige Standbox-Box sucht, die man auch in wenig idealer Hörposition verwenden kann, der sollte sich dieses Gerät genauer anschauen. Übrigens gibt es sie auch in anderen, als der „Gelsenkirchener Barock“-Ausführung.

All diese Lautsprecher sind Kinder ihrer Zeit und aus heutiger Sicht nur bedingt konkurrenzfähig. Soll heißen: eine aktuelle, sauber gemachte Kleinbox mag die LE 600 an die Wand spielen können. Wer hingegen einen stilgerechten Spielparnter für einen alten Receiver sucht, der sollte sich ihr nicht verschließen.

Die beiden Großen sind andere Kaliber. Der Sidestep zur Artech sollte dafür ein Indiz sein. In der Version, mit der ich spielen konnte, waren beide Welten von den anderen vorgestellten Boxen entfernt. Aber natürlich geht es auch noch „besser“. Trotzdem werde ich bei Gelegenheit schauen, ob sich die Kirksaeter noch optimieren läßt und ob ich die passenden Mitteltöner für die Thorens finde. Hat vielleicht jemand von Euch...? Ist ja nicht eilig.

Wer jetzt auf einen nächsten Teil warten sollte, dem sei gesagt, daß dessen Vorbereitung in einem Maße in Schlepperei ausarten würde, die ich gerne mit dem Wartenden geteilt hätte. Er dürfte sie allerdings auch alleine leisten. Übrigens suche ich noch einen „Fernbediener“ für den Telefunken-Umschalter. Es hört sich dann angenehmer, wenn man nicht immer aufstehen muß.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#2
Hallo Matthias,

(ich schon wieder...Big Grin)


Ich muss Dich leider enttäuschen: für Deine "Impulssprengungs-Methode"
würde ich keinen Cent locker machen... ...so trenne ich eigentlich schon seit
Jahrzehnten die Rückwand vom Rest der "Dose"... ...egal, ist aber trotzdem
wirkungsvoll.
Origineller hingegen die von Dir kreierte Währungseinheit "Centi-Käfer".
Da muss man erst mal drauf kommen. Den Gegenwert eines Käfers in
Boxen umzurechnen... ...herrlich!

Etwas ungewöhnlich indes Dein "Hörraum"... ...bei allem Respekt - ich käme
nicht auf die Idee, Boxen, die eigentl. für geschlossene Räume konzipiert
sind, im Freiluftgehege spielen zu lassen. Aber so macht man sich natürlich
noch im letzten Winkel der Nachbarschaft bekannt.
Insgesamt aber ein der schönen Witterung angepasster (...aber vielleicht
nicht allzu ernst zu nehmender Wink) Test, der mal wieder zum Schmunzeln
einlädt. Wenn ich in der Nähe gewesen wäre, hätte ich mich garantiert
als "Fernbediener" für den tollen Telefunken-Umschalter angeboten.
(Dann hätten eben zwei harmlose Irre in den hanseatischen Sommerhimmel
geblinzelt und Keith Jarret beim virtuosen Pianolauf zugehört... ...was
soll`s... ...wir leben immer noch in einem fast freien Land.)

Ich freue mich jedenfalls auf weitere "Midsummer-HiFi-Specials" aus
Deiner Feder - pardon - Tastatur und verbleibe

mit vielen Grüssen

Peter
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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