Seniorentest – Zeitenwende im Boxenbau?
#1
Moin, moin,

wenn man schon von einem dreißig Jahre alten Zwerg nicht auf den anderen schließen sollte, welche Aussagekraft kommt dann einer Hörprobe von vierzig Jahre alten Teilchen zu?

Trotzdem reizt mich der Versuch, weil die späten Sechziger Jahre auch eine Zeitenwende zu bedeuten scheinen, in der die Hörgewohnheiten der Masse der Musikhörenden Bevölkerung von Röhrenradios und Musiktruhen mit integrierten Lautsprechern geprägt waren und die Vorstellung einer dem Original getreuen Wiedergabe sich gegen die Gewohnheit derer durchzusetzen hatte, die kaum einmal das Original – im Konzert – gehört hatten. Zudem die Jugend, die vielleicht weniger geprägt gewesen wäre, auf Mobilität gesetzt zu haben, zudem „moderne“ Musik die Verfremdung als Wert an sich anzusehen schien. Übersteuerung war modern.
Wie also sind Hersteller, die ihre Geräte verkaufen wollten, deren Produkte sich bei der Vorführung im Laden an den Gewohnheiten messen lassen mußten, mit dieser Situation umgegangen?

Also habe ich heraus gesucht, was bei mir an Sechziger-Jahre Boxen übrig geblieben ist.

[Bild: Rentner_01k.JPG]

Die Kombatanden:
Nordmende LB 62 (um 1968) die ich nach einem Blick in ihr Inneres für eine Isophon halte. Im Katalog von 1970 (bei Wegavision) steht zu lesen, die Boxen wären mit zwei dynamischen Tiefton-Strahlern mit pneumatischer Membranaufhängung und einem dynamischen Hochtonstrahler mit hemisphärischer Kalottenmembran ausgestattet. Beeindruckend finde ich den Grad der Dämmung: Die Nordmende ist im wahrsten Sinne des Wortes mit Mineralwatte vollgepropft. Zudem sind die „Atemlöcher“ der Tiefton-Strahler mit Gewebeband zugeklebt. Die Nordmende dürfte die aufwendigst-verarbeitetste Kleinbox sein, die ich bisher gesehen habe.
Kirksaeter Senior (Serie I ab 1967, HiFi JB 3 S.253, Serie III im Katalog von 1971) ist ein mittleres Modell der dritten Generation der Kirksaeter Boxen, die als Ergänzung zu den RTX Professional und Compact Professional Receiver verkauft worden sein dürften. Die Evolution der Senior scheint in einer Verkleinerung des Gehäuses und der Chassis bei gleichzeitig gewachsener Leistung gelegen zu haben. Dokumentiert finde ich die Modelle Mk.I und Mk.III. Meine scheint dazwischen zu liegen, hat das kleinere Gehäuse der Mk.III (475x245x215 mm, 25l), ist jedoch leichter (6,7 kg) und besitzt einen TMT von 17cm mit Düsseldorfer Magneten und einen Hochtöner von ca. 40mm Durchmesser. Oder ist sie gar eine noch jüngere Mk.IV? Oder sind Herren Kirksaeter einfach nur die passenden Chassis ausgegangen und es wurde verbaut, was gerade da war? Zumindest zeigt das Gehäuse von innen Bohrungen, die für die vorhandene Konfiguration unnötig sind.
Isophon HSB 30/8 (ab 1969) aus der „Dry-Sound“ Serie scheint konzeptionell eine größere Schwester der Nordmende zu sein, ist auf jeden Fall ähnlich aufgebaut, besitzt allerdings einen Tief-Mitteltöner mehr als die Bremerin. Diese „HiFi-Studio-Kompaktbox“ habe bei verschiedenen Testserien „neutraler Fachgremien“ mit Prädikaten wie „sauberer Klangwiedergabe“ und „präsente und kräftige Höhen“ unangefochten an der Spitze in der 30 Watt-Klasse gelegen. Leider hat ein Reparatur-Terrorist die originalen Hochtöner gegen etwas ausgetauscht, auf dem „Renkforce“ steht. Da dieses Etwas offensichtlich andere Einbaumaße besitzt, als das Original von Isophon, sitzt es auf einer Papp-Schallwand und ist mit Packband befestigt. Zur Dämmung ist das Gehäuse nun mit einfacher, weißer Watte gefüllt. Insofern spielen die weißen „HiFi-Stereo-Boxen“ (HSB) außer Konkurrenz. Die Technischen Daten in der Tabelle beziehen sich auf die originale Bestückung, die gemäß dem Prospekt garantiert über eine Wiedergabequalität gemäß der DIN 45500 Bl.7 verfüge. (http://www.lup-berlin.de/archiv/Katalog/index.html)
Blaupunkt 7626960 (ab 1965, HiFi JB 2 S.208 und 3 S.265) ergänzte das HiFi-Steuergerät Santiago. „Die günstigen Abmessungen ermöglichen eine Aufstellung auf Anbauwänden, Anbaumöbeln usw.“ Schließlich hatte die Deutsche Fernsehindustrie mit den Möbelherstellern entsprechende Rastermaße verabredet.
Kirksaeter Professional 200 (um 1967, HiFi JB 3 S.257) war das Topmodell der Audioson, die sie als „Studio-Monitor“ und „Studio-Abhör-Einheit“ bezeichnete und die über einen 5-stufigen „Raum-O-Matic-Soundwähler“ verfügt. Der Bespannungsrahmen ist übrigens mit mehreren Magneten befestigt. Auch hier wieder eine kleine Verwirrung zwischen dem Hersteller und dem HiFi-Jahrbuch: Während ein kleiner Aufkleber auf der Rückseite der Boxen „Prof.200“ verkündet, scheint die Anzahl der Chassis nach Jahrbuch (4x HT) eher auf eine Professional 100 (2x HT) hinzudeuten. Der Durchmesser des Tieftöners meiner Box mißt (Außenseite Sicke) dreißig Zentimeter. Nach Jahrbuch ist die 100 mit einem 31er, die 200 mit einem 30er Tieftöner ausgestattet. Das tatsächliche Gewicht meiner Box von 26,9kg (+1,2 kg Bespannung) paßt wiederum auf die Beschreibung der 200er aus dem Jahrbuch. Sind dem Peer die Hochtöner ausgegangen?

[Bild: Senioren.JPG]

Auch in diesem Fall war etwas Vorbereitung von Nöten. Eine alte Box schließt man nicht einfach so an einen Verstärker an, wenn der einem lieb ist. „Knall“ oder „Peng“ ist mir der Spaß dann doch nicht wert, auch wenn der Taufrisch eine Schutzschaltung zu besitzen scheint.
Also aufmachen. Nicht den Verstärker, sondern die Boxen. Zudem braucht die Nordmende sowieso eine Überholung. Die zeigte sich beim Öffnungsversuch zahm. Die großen Audioson hingegen weigern sich seit etwa zwei Jahren beharrlich ihr Inneres auszubreiten, weshalb sie auch noch keine neue Oberfläche bekommen haben. Anbohren und Griff anbauen, ist eine Idee, die mir zu dem Thema immer öfter durch den Kopf schießt. Sollten die Boxen mal unter den „Hammer“ kommen, werde ich das dann „professionelle Studio-Ausstattung“ nennen. Die restlichen Boxen haben sich dann nach mehr oder weniger intensivem Zögern geöffnet, was von nun an an Lackabplatzungen und Furnierschäden sichtbar sein wird. Also nicht so genau hinschauen!

[Bild: LB62_01k.JPG]

Der innere Aufbau folgt bei allen einem Grundkonzept: Viel Luft und keine Gehäuse-Unterteilung, kein Baßreflex, keinerlei konstruktive Besonderheiten der Gehäuse. In Sachen Dämmung ist die Nordmende vorbildlich. Ich unterstelle, die Isophon wäre das im Originalzustand ebenfalls. Erschreckend präsentiert sich die kleine Kirksaeter bei der das „bedämpftes Gehäuse“ in der Beschreibung ein wenig wie Hohn klingt. Gedämmt ist die Box von innen nämlich mit einer knapp 2cm starken Mineralwoll-Matte, die lose im Gehäuse herumliegt, die sich in Betriebslage der Box wahrscheinlich auf der unteren Gehäusewand knäult. Allerdings könnte sie in aufrechter Lage der Box vom durchgeführten Anschlußkabel in Position gehalten werden. Ein Wunder, daß Audioson das nicht als Innovation im Prospekt erwähnt hat: „Integrierte Dämmungs-Stabilisation“. Man hätte Herrn Kirksaeter vorschlagen sollen, einfach auf eine Innenwand „bedämpft“ zu schreiben und den Begriff im Prospekt in Anführungszeichen, als Zitat, zu drucken. So hätte sich nochmals Geld sparen lassen. Erinnert euch, Audioson war nicht irgendwer, sondern Mitbegründer des Deutschen HiFi Institutes und nobler Hersteller schamlos teurer Receiver. Immerhin besitzen die Kirksaeter nicht das sonst übliche fest installierte DIN-Anschlußkabel, sondern sowohl eine DIN-Buchse als auch eine Schraub-Klemmung.

[Bild: Senior_01k.JPG]

Mein „Versuchsaufbau“ besteht aus den genannten Boxen, dazu einer Kücke KS Prisma A 30 von 1976, die ich im „Zwergentest“-Thread beschrieben habe, an einem Telefunken U250 Umschaltpult an einem Taurus Taufrisch Vollverstärker.
Die Kücke haben sich als tonal sehr angenehme und ausgewogene Klein-Boxen erwiesen, die sich auf eine Andeutung von tiefen Tönen beschränken. Bei den meisten der hier vorgestellten Lautsprecher erwarte ich nicht wirklich ein Baß-Feuerwerk, so daß mir der Vergleich der Höhenlage interessanter vorkommt; da scheint mir die Kücke der fairste Vergleichs-Partner.
Als Futter spiele ich die gleichen CDs, die ich im „Zwergentest“-Thread beschrieben habe. Welche und warum, das lest am besten dort nach.

Das Vorurteil: Es schwabbelt heftig. Klingt das unfair? Vielleicht ein wenig zuviel Provokation, aber besonders viel HiFi erwarte ich nicht, obwohl schon der älteste Kandidat, die Blaupunkt, als HiFi-Box beworben wurde. Eine gute Chance, sich klar zu machen, wo HiFi beginnt.
Von der Isophon erwarte ich aufgrund des mangelhaften Zustandes garnichts, von der kleinen Nordmende ein begrenztes Frequenzspektrum, von der kleinen Kirksaeter und der Blaupunkt schon aufgrund der mangelnden Dämmung wenig Auflösung, einen hohlen Klang, sich aufschaukelnde, bohrende obere Mitten. Das Dickschiff – wer immer sie nun sein mag - läuft außer Konkurrenz; der erste Durchlauf muß ohne sie auskommen.

Der CD-11 spielt Roger Cicero und die älteste Box, die Blaupunkt, darf zuerst ran. Überraschung. Schwabbeln tut hier garnichts. Sie tönt laut, sehr präsent, tonal deutlich dunkler gefärbt, als von den Zwergen gewohnt. Tönt sie in Ohrhöhe klingt sie heller, nervt aber schnell. Es kommt einiges raus, was nicht rauskommen soll. Trotzdem bin ich angenehm überrascht. Immerhin ist das Stück älter als ich und „singt“ besser! Ein Druck auf die Taste „5“ - Kücke – und die Sonne geht auf. Auch wenn es nur eine kleine Sonne ist. Das halbe Volumen ist in diesem Vergleich kein Nachteil! Das Klangbild der Prisma ist um Welten sauberer. Was hätte schon der Umstieg auf eine Elac LK25 (-> Zwergentest) von 1972 – vielleicht eine zeitgenössisch realistische Abfolge – für den Eigentümer für eine Veränderung bedeutet, auch wenn der Kieler Winzling nun überhaupt keinen Baß produziert. Immerhin, die Blaupunkt kann man hören. Sie ist tonal noch stimmig. Täuscht mit leichtem Halleffekt Volumen vor. Besserer Radiosound.
Die Isophon ist dran und überrascht ebenfalls. Hier hatte ich garnichts erwartet! Wegen der eigenwilligen Bastelarbeiten. Auch wenn die weißen Boxen deutlich distanzierter tönen, als die Blaupunkt, so klingen sie doch deutlich differenzierender. Das Klangbild ist merklich heller, ohne dabei die Kücke zu erreichen. Aber auch der Mittelton-Bereich kommt deutlich sauberer, als bei der Blaupunkt. Trotzdem, ein unfairer Vergleich, weil hier nichts ist, wie es sein sollte. Der originale Isophon-Hochtöner klingt wahrscheinlich dunkler, als der Renkforce.
Die kleine Kirksaeter ist dran und mein Vorurteil bestätigt sich. Ein dunkler, fast dumpfer, hohler Radiosound mit weichem Pseudo-Baß kommt aus den Kisten. Man möchte abschalten. Die soll Anfang der Siebziger Jahre auf dem Markt gewesen sein? Habe ich eine 0-Serie erwischt? Oder ist da etwas kaputt? Die nächste bitte!
Nordmende. Wieder eine Überraschung! Sie tönen deutlich dunkler als die Kücke, als heute gewohnt, aber tonal noch stimmig. Das Klangbild ist laut, dicht, scheint voluminös, manchmal mit einem Hang zum Hohlen, die Höhen etwas verhangen. Hat da einer den Präsenz-Filter rein geknallt? Oder zwei, oder drei davon? Irgendwie weckt dieser Sound Erinnerungen an frühere Zeiten, klingt aber etwas idealisierter. Ein Druck auf die „5“ und das Idealbild bricht in sich zusammen. Die Wuppertaler Sonne geht wieder auf.

Rockmusik wird angesagt. Schon die ersten Takte von Korn verwirren die Blaupunkt und vor allem die kleine Kirksaeter vollständig. Viele Impulse schaukeln sich in schlecht bedämpften Boxen zu einem Klangsumpf auf, der einfach nur noch nervt. Die Senior nervt mehr als die Blaupunkt und steigt an dieser Stelle freiwillig aus. Mehr oder weniger. Die Isophon spielt deutlich sauberer. Die Nordmende läßt erste Schwierigkeiten erahnen. Es scheint, sie versuche den Frequenzbereich komprimiert abzuspielen, und man bräuchte nur etwas zu warten, bis sie ins Stolpern käme. Noch stolpert sie nicht. Die Kücke wirkt geradezu souverän.

Kante's unruhige Tiere brauchen etwas länger die kleine Kirksaeter ins Stolpern zu bringen. Dann fällt sie schnell. Blaupunkt hat beim ersten Titel weniger Probleme. Weniger impulse? Spaß macht sie nicht. Die Isophon ist von eigenartiger Souveränität. Die Mitten – Tiefen hat sie scheinbar nicht – machen keine Probleme. Die Abstimmung zwischen dem Hoch- und den Tief-Mitteltönern stimmt offensichtlich nicht: der Renkforce ist relativ zu laut, weshalb sie insgesamt zu leise gespielt wird, um die drei TMTs ausreichend zu bewegen. Keine wirklich tiefen Töne, aber auch keine Schwierigkeiten. Die Nordmende schlägt sich wacker. Sie klingt nicht frei, aber auch nicht gepreßt, etwas übertrieben in den Mitten. Aber das sollte wohl so sein. Ein Druck auf die „5“ und die Kücke stellt die Verhältnisse wieder klar.

„Mars, the bringer of war“ beginnt sehr leise, um aber kontinuierlich lauter zu werden. Die Kirksaeter fällt schnell: Unerträglich. Die Blaupunkt produziert ein lautes Mittelton-Gemuse, das Fluchtinstinkte weckt. Ein Hund würde zu jaulen beginnen, eine Katze fauchen und den Lautsprecher attackieren. Ich darf ihn abschalten. Die Isophon muust nicht, macht aber auch keinen Spaß. Die Nordmende preßt den Dynamikumfang der Symphoniker auf ein ihr verträgliches Maß zusammen und spielt wacker los. Sie stolpert nicht, aber Holst klingt plötzlich ein wenig nach Marsch- oder Wanderliedern. Eigenwillig.

Zwischenergebnis:
Kirksaeter: Zéro points, Kirksaeter: Null Punkte. Peer, gehen Sie ins Gefängnis, gehen Sie nicht über Los, ziehen Sie keine hundert Euro ein. Das war's, Ende, weg damit. Wer will eine Senior haben?
Die Blaupunkt klingt gefälliger. Vielleicht ist es die offensiver wirkende Lautstärke ihrer Interpretation, die einen zu Beginn ihre eingeschränkten Fähigkeiten vergessen läßt. Nach kurzer Einhörzeit wird aber klar, es fehlen Höhen, sie klingt hohl und schaukelt sich in den Mitten enorm schnell auf, die werden dann unangenehm bohrend. Nach heutigen Gesichtspunkten ist sie an moderner Elektronik für HiFi-Lautstärke ungeeignet. An einem warm klingenden Receiver hingegen, eher leise gespielt, mag sie durchaus Freude machen. Zu Lebzeiten ihrer Entwickler dürfte die Blaupunkt für ein Gros der Bevölkerung eine Verbesserung dargestellt haben, hätten die denn gewußt, das es sie gibt, hätten sie sich denn dafür interessiert, sich anstatt des neuen Fernseh-Gerätes ein Paar HiFi-Boxen anzuschaffen.
Die Isophon konnte nur andeuten, daß sie in der Lage hätte gewesen sein können mindestens zwei Klassen über der Blaupunkt zu spielen. Vielleicht stolpere ich ja mal über ein Paar passender Hochtöner.
Die Nordmende erweckt indifferente Gefühle in mir. Einerseits will ich ihr vorwerfen, sie klänge richtig falsch. Andererseits muß ich respektieren, daß sie aus ihren Fähigkeiten viel macht. Schließlich gehört sie eigentlich in die Zwergenklasse. Im Vergleich zur wirklich altertümlich klingenden Kirksaeter Senior ist sie eine gute Box. Im Vergleich zur Kücke hat sie kaum Höhen und viel zu übertriebene Mitten, dafür genauso wenig Tiefen. Das Gesamtbild wird etwas stimmiger, wenn man sich auch hier den Taufrisch weg-denkt und sie sich an einem Receiver der späten Sechziger oder frühen Siebziger Jahre vorstellt, an dem sie keine CDs, sondern UKW-Radio oder bestenfalls Schallplatten wiedergeben darf. Auch sie scheint mir nicht gebaut für das, was man HiFi-Lautstärke nennt.
Erschreckend finde ich, daß Nordmende beweist, daß es Erkenntnisse gegeben hatte, wie man etwas richtiger macht: Dämmung zum Beispiel. Denn die Konkurrenten belegen eindrücklich, daß ihnen hier etwas fehlt, was man ohne viel Aufwand hätte deutlich besser machen können! Wie die wohl klängen, wenn man...?

[Bild: Prof200_01k.JPG]

Die zweite Halbzeit naht und Kirksaeter wechselt aus. Die Box mit der Nummer „3“ geht vom Feld und macht dem Star des Düsseldorfer Teams Platz.
Die Professional unterscheidet sich nicht erst auf den zweiten Blick von ihren zeitgenössischen Mitbewerberinnen! Sollte es denn eine 200 sein und zumindest die Preisangabe im HiFi-Jahrbuch stimmen, dann stehen jetzt zwei Viertel-Käfer vor mir (Wikipedia: VW 1200 Standard DM 4.290, Export DM 4.740, VW 1300 Export DM 4.980). Welches Paar Boxen würde man heute für einen halben Golf kriegen?
Der Betreiber des Nordmende-Museums, das der „Stammtisch Nord“ jüngst besucht hatte, erzählte uns von seinen Kindertagen, als er infiziert wurde: Die Eltern hätten einen Volksempfänger gehabt, die Nachbarn sich dagegen ein echtes Nordmende Radio gekauft. Wie das klang! Der kleene Steppke hätte immer wieder rüber kommen und die Knöpfe bedienen dürfen. Gaaanz vorsichtig. Von nun an sei er Radio-Mann gewesen. Wer sich anno 1967 zwei Viertel Export-Käfer ins Wohnzimmer stellt, der lädt sich sicher nicht die Nachbarschaft dazu ein. Hätte er es getan, dann wären sie alle gekommen. Immer wieder. Und nicht nur die Kinder.

Trotz vorgerückter Stunde und den daher limitierten Lautstärken juckt es mir nicht nur in den Fingern. Das muß jetzt sein. Eigentlich habe ich sie schon mehr als zwei Jahre und bislang war sie eher das „Häßliche Entlein“. Jetzt, durch die zeitgenössische Konkurrenz ins Rechte Bild gerückt, komme ich mir fast vor, wie unterm Weihnachtsbaum. Es müsste ein großer Baum sein.
Doch die Reihenfolge wird eingehalten. Roger darf wieder ran, zunächst mit der Kücke, dann die Blaupunkt, die Isophon, dann die Mende und dann... kommt Musik. Mit Tiefen. Viel mehr Instrumente als vorher. Bässe sind auch dabei! Der Kontrabaß im Live-Konzert von Korn klingt plötzlich nicht mehr wie eine größere Violine (Kücke), sondern erklärt quasi selber die zweite Hälfte seines Namens. Seine gezupften Seiten klingen wie gezupfte Seiten und verkommen nicht zum oben beschriebenen sumpfigen Gequase. Selbst die Stimme von Amy Lee (Evanescence) bei „Freak on a leash“ klingt richtig. Kante bewältigt die Professional problemlos. Und orchestrale Klassik kann sie auch! Beeindruckend.

Hat man die Professional einmal gehört, dann möchte man ihre Zeitgenossen nicht wieder hören. Dementsprechend wenig habe ich die Tasten des Telefunken bedient. Nur die Kücke durfte hin und wieder mal ran. Ob sie in den Höhen und im Verhältnis zur Kirksaeter brillanter klingt, oder übertrieben, das kann ich heute nicht sagen, dazu müsste ich eine Referenz zuschalten. Aber das Wochenende ist ja noch lang. Natürlich ist die Professional 200 in den Tiefen weicher als moderne Boxen, weniger „schwarz“. Zumindest klingt sie bislang vollkommen unaufdringlich, dezent. Es hat nichts genervt.

Aus heutiger Sicht mag die Leistung der großen Kirksaeter nicht wirklich beeindrucken. Wer diese nicht eben eleganten Kistchen aber an einem Umschalter parallel zu den genannten Mitbewerbern betreibt und sich vergegenwärtigt, daß schon die kaum jemand kaufte, dem wird schnell klar, was diese Boxen tatsächlich leisten.
Übrigens darf ich anmerken, das ich kürzlich eine Celestion Ditton 25 recht schnell entsorgt hatte. Ich tat dies, nachdem ich sie gehört hatte. Die Kirksaeter werde ich nicht so schnell entsorgen.

Endstand. Die Spätstarter aus Düsseldorf haben am Ende mit großem Abstand gewonnen und bewiesen, daß Technologie von 1967 auch heute noch zeitgemäß verwendet werden könnte. Den zweiten Platz belegt souverän die Kücke. Mit deutlichem Abstand folgt die Nordmende und dann die Blaupunkt. Es wäre interessant zu erfahren, was die Isophon vermocht hätte, hätte sie eine Chance bekommen.
Einzig ein Problem bleibt am Ende dieser Abrechnung. Was hilfts, wenn ich fasele: Eine Professional werdet ihr nicht so schnell finden (erst recht nicht für 35 Euro). Denn so viele Leute haben sich damals wahrscheinlich keine zwei Viertel Käfer ins Wohnzimmer gestellt. Und das wird ebenso für vergleichbare Boxen gelten.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#2
Zitat:Matthias M postete
und besitzt einen TMT von 17cm mit Düsseldorfer Magneten
Düsseldorfer, nicht Dortmunder? :oah:

Renkforce war übrigens eine Handelsmarke von Völkner und später von Conrad Elektronic. Die Lautsprecher sind häufig von Tonsil.
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#3
Zitat:Matthias M postete
Einzig ein Problem bleibt am Ende dieser Abrechnung. Was hilfts, wenn ich fasele: Eine Professional werdet ihr nicht so schnell finden (erst recht nicht für 35 Euro). Denn so viele Leute haben sich damals wahrscheinlich keine zwei Viertel Käfer ins Wohnzimmer gestellt. Und das wird ebenso für vergleichbare Boxen gelten.
Tschüß, Matthias
Also, ich hatte schon an der Beschreibung erkannt das dieses Teil das Beste Pferd im Stall ist. Ich habe ja Telefunken TL90 und auch für 35EUR gekauft. Ein 30er Bass ist eben durch nix zu ersetzen. Die TL90 soll ja auch um 1200DM /Paar 1970 gelegen haben. Ich habe letztendlich noch viel Geld in die Aufarbeitung gesteckt, aber solche Dinger sind unvergleichlich. Wenn du mal eine Kirkstätter wegschmeisst...
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#4
Hallo Matthias und alle Mitleser,

dass im Laufe der 60er Jahre so eine Art Wende markiert wurde, verwundert
mich persönlich nicht, Deine "Testergebnisse" sind deshalb durchaus
nachvollziehbar.
Warum Wende: nun - in Deutschland wurde die "45500" festgelegt, was
durchaus Einfluss auf die einheimische Geräteindustrie und deren Produkte
gehabt haben dürfte. "Stereo" dürfte überhaupt erst ein Kind dieser Aera
gewesen sein (zumindest in Europa). Verstärkerleistungen wuchsen (nicht
zuletzt wg. verbreitetem Transistor-Einsatz) und die Aufnahmetechniken
in den Studios ändertern sich auch zunehmends... ...man begann "zu
tricksen".
Boxen, die also eher aus der ersten Hälfte der 60er stammen, dürften sich
mit heutiger, zeitgenössisch aufgenommener und bearbeiteter Musik
deshalb noch ungleich schwerer tun, als dies vielleicht schon Boxen
vermögen, die 10 Jahre jünger sind. Und eine Kirksaeter als technologischer
Meilenstein der späten 60er... ...immerhin beachtlich für ein kleines
Unternehmen, dass ja auch mit seinen Receivern einige "Duftmarken"
gesetzt hat.
Das hätte ich wiederum nicht gedacht. Ja, man lernt nie aus...

Gruss

Peter
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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