Wie wurden MusiCassetten hergestellt?
#1
Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt...

Wie wurden früher eigentlich MusiCassetten, also vorbespielte Kaufkassetten hergestellt in solch großen Maßen? Platten und CD's werden ja gepresst, aber wie sieht das bei Kassetten aus? Weiß das jemand? Smile
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#2
Die wurden kopiert. In Hochgeschwindigkeit. Jedenfalls schneller als 10x. Es gab diese Geräte auch in verschiedenen Grössen. Kleine Anlagen waren so gross wie ein grösserer Koffer und standen dort wo man mittelmässig viele Kopien erzeugte. Die fundamentalistisch Christliche Szene war z.B. reger Nutzer solcher Kleinanlagen um ihr Gelumpe schnell verbreiten zu können.
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#3
Hier erst einmal eine Schnellantwort als Überblick:

Das Thema "Cassetten-Duplikation" (so nennt es sich) sehe ich als ebenso komplex an, wie die Frage zu beantworten, wie werden Autos hergestellt. Hier sind einige Links, die einen Einblick geben. Grundsätzlich waren es mit dem Beginn der Musicassetten-Herstellung (Duplizierung= Duplication=Vervielfältiguing) bei der Polygram (Philips Tochter in Hannover, Deutschland) in der zweiten Hälfte im Jahr 1965 immer Eins-Zu-Eins-Kopien vom Master auf eine Anzahl von Cassetten-Recordern meist auf der Basis von Vierer-Sets (Otari-Geräten, und anderen) bei denen später bis zu 15 Geräte gleichzeitig 60 Kopien in zwei Minuten (High Speed Dubbing = Hochgeschwindigkeitskopien) mit C60-Cassetten erzeugt werden konnten.

http://en.wikipedia.org/wiki/Compact_audio_cassette
http://www.alpha-duplication.com/cassette.htm
http://www.aandcaudio.co.uk/view_product...uctID=1687

Viele Grüße
H A N N S-D.
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#4
Wieso schreibt ihr eigentlich in der Vergangenheit? Zumindest Kinderhörspielkassetten gibt es immer noch wie Sand am Meer und werden demnach auch noch produziert.
Gruß,
Michael/SH

Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu (Ö v. Horvath)
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#5
Waren größere Auflagen erforderlich, war die Cassetten- der Schallplatten oder CD- Fertigung grundsätzlich unterlegen.
Die Produktionsrentabilität hing von der Kopier- plus Konfektionszeit ab, was auf jeden Fall länger dauerte als das Prägen einer Schallplatte.
Daher wurden Schnellkopieranlagen in verschiedenen Bauformen und Kapazitäten gebaut, die mit mehrfacher Originalgeschwindigkeit kopierten und somit erst die wirtschaftliche Massenfertigung bespielter Compact- Cassetten ermöglicht haben.

Eine Schnellkopieranlage besteht aus dem Masterläufer, auf dem der „Master“, eine bearbeitete Kopie der Originalaufnahme, wiedergegeben wird, und den „Töchtern“ oder „Sklaven“, auf denen das Cassettenband bespielt wird.
In kleineren Anlagen für 4...8fache Überspielgeschwindigkeit sind Masterläufer und Töchter (4...6Kopierstationen) häufig in einem Gehäuse zusammengebaut, während Master und Töchter in größeren Anlagen (16-, 32- und 64fache Kopiergeschwindigkeit und bis zu etwa 15 Töchtern pro Masterläufer) selbstständige Einheiten bildeten.
Bei 32facher Überspielgeschwindigkeit erreicht der gewöhnlich mit 19,05 cm/s bespielte Master eine Laufgeschwindigkeit von 6,096m/s, die Tochterbänder von 1,523m/s, der Frequenzbereich von 30Hz...16kHz wird auf 960Hz bis 512kHz transponiert, wobei jedoch der Wellenlängenbereich unverändert ist (!).
Die Hochfrequenz- Vormagnetisierung liegt bei etwa 1,5...10MHz.
Diesen Forderungen mußten besonders die Verstärker angepasst werden; für die Wiedergabeentzerrung des Masterverstärkers gilt als Zeitkonstante der n-te Teil der Zeitkonstanten bei Originalgeschwindigkeit (also bei T = 50 + 3180µs und n = 32 : t = 1,56 + 99,4 µs).
In dem einer größeren Zahl von Töchtern gemeinsamen Aufsprechverstärker ist dann auch die Differenz zur Cassetten- Entzerrung mit t = 120 + 3180 µs zu berücksichtigen.
Aus wirtschaftlichen Gründen wurde z.B. nahezu ausschließlich auf LH/LN- Eisenoxidbänder mit etwa 18µm Gesamtdicke kopiert.
Nur "hochwertiges" Tonmaterial wurde auf Cr- Band kopiert.
Wegen der Reibung zwischen Kopf und Band wurden hochverschleißfeste Magnetköpfe eingesetzt, von den Tochterbändern erwartete man einwandfreie Laufeigenschaften und Wickelverhalten.
Die am wenigsten aufwändige, vor allem für kleine Auflagen geeignete Bauart der Schnellkopieranlagen überspielt „in die Cassette (in-cassette-duplicating)“.
Hier erübrigte sich zwar eine spezielle Konfektionierstation, dafür sollte die Programmlänge der Cassettenspielzeit angepasst werden, da allgemein handelsübliche Ausführungen benutzt wurden.
Nach jedem Durchlauf mußten das meist ¼“ breite Masterband zurückgespult und die Cassetten getauscht werden.
Die Kopiergeschwindigkeit ist allgemein achtfach.
Für die Vervielfältigung von z.B. Sprachlehrkursen wurden Kopierautomaten angeboten, in denen als Master eine Cassette benutzt wurde.
Die Überspielgeschwindigkeit ist gewöhnlich vierfach.
Die meisten Kopieranlagen für die Massenfertigung arbeiteten mit Endlosbändern (Master loop),
die in senkrecht oder waagerechtgestellten Schleifenkästen (loop bin) liefen, so dass sich ein kontinuierlicher Betrieb ohne Totzeiten ergab.
Das Masterband ist zwischen ¼“ und 1“ breit.
Die Kopierbänder wurden in Längen von 1800...3000m auf Spule oder freitragend eingesetzt (open reel, Rohwickel), das Programm wurde fortlaufend überspielt, wobei die Spuren 3 und 4 rückwärts kopiert wurden.
Das Ende der einen bzw. der Anfang der folgenden Kopie war durch ein niederfrequentes Signal (cue signal, etwa 7Hz, als unhörbar bei normaler Bandgeschwindigkeit) gekennzeichnet, auf den die Auswerteelektronik des Spultisches, „loader“, beim schnellen Spulen ansprach und dafür sorgte, dass das Band an dieser Stelle im Wickelkern befestigt bzw. an das Vorspannband angeklebt wurde.
Je nach Konstruktion des Loaders wurden die einzelnen Kopien entweder zu kleinen Wickeln aufgespult und in Cassettenschalen eingesetzt oder in komplette Cassettengehäuse eingespult, an deren Wickelkernen zunächst nur ein aufzutrennendes Vorspannband befestigt war (C-Null-Cassetten)
An Stelle des Endlosmasters konnten auch zwei Maschinen im Tandem- Betrieb arbeiten, die alternierend auf Wiedergabe gingen oder umspulten, was wohl Totzeiten vermied, aber jeweils zwei vierspurig bespielte Masterbänder erforderte.
Alle open- reel- Schnellkopieranlagen zeichnten sich aus durch hohe Wirtschaftlichjkeit auf Grund der stark erhöhten Kopiergeschwindigkeit und durch kostengünstigen, flexiblen Betreib, da auf vorkonvektionierte Cassetten verzichtet wurde.
Technisch vorteilhaft war der Umstand, daß das Tochterband von justierbaren Bandführungen gelenkt wurde, so daß eine azimutgenaue Bespielung, unbeeinflusst von den Führungseigenschaften einer Cassette, möglich war.

Ich durfte mir Mitte der 80er Jahre eine Groß- Kopierstraße des VEB Deutsche Schallplatten in Berlin anschauen.

Bernd
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#6
Hallo!

So, wie Bernd es beschrieben hat, konnte man das auch mal im Fernsehen sehen. Wo? In der "Sendung mit der Maus" im ersten Programm (ARD). Wenn dieser Beitrag vielleicht mal wieder gezeigt werden sollte (schließlich werden vorbespielte CCs immer noch produziert), dann bloß nicht verpassen. ;-)

Viele Grüße,
Manuel
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#7
Moin.

Ich habe früher bei dem Marktführer für Hintergrundmusik (das Gequake in Kaufhäusern u. Supermärkten) gearbeitet. Für die Beschallung von Boutiken haben wir normale CC verwendet. Wir hatten eine Kopierstation mit einem Master-Band, lief als offene Schlaufe sichtbar hinter Plexiglas. Darunter waren 2 mal 8 "Tapedecks" für die Aufnahme. Kopiert wurde mit doppelter Geschwindigkeit - ich mußte alle 15 Min die C 60 wechseln - alle 4 Spuren gleichzeitig. Ich bin mir ziemlich sicher, daß die Anlage von TEAC war. Ich hätte gerne eins der 16 Decks gehabt. Die konnten auch normale Geschwindigkeit und sahen aus, wie Wohnzimmer Geräte. Alles war schwarz. Ich habe auch heute noch einige der Musikprogramme, die damit aufgenommen wurden. Zuerst haben wir TDK Typ I verwendet sind aber recht schnell auf That´s TX Typ I umgestiegen. Klingt auch heute noch richtig gut (war alles ohne Kompression, o.ä.).

Vielleicht ist´s ja interessant.
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#8
Hallo Bernd und Mitleser,

letzter Stand der Kopiertechnik war (ist?) die Überspielung im Verhältnis 128:1. Der Master-Bandläufer wurde seit etwa 1992 nach und nach von einem digitalen Signalgeber (Festplatte!) abgelöst, was nicht nur die ewigen Probleme mit dem Masterband beseitigte, sondern auch eine unerwünschte analoge Kopien-Generation vermeiden half. Die meist 1/2 Zoll, gelegentlich auch 1 Zoll breiten Master-Bänder waren üblicherweise mit 9,5 cm/s, seltener 19 cm/s bespielt, wobei letzteres in der "loop bin", also dem Schleifenkasten, ja auch doppelte Bandlänge bedeutete. Wie weit die Digital-Master sich noch durchgesetzt haben, kann ich allerdings nicht sagen.

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#9
Verstehe ich noch nicht so ganz. Gehen wir mal von einer sog. 'HiFi'-Kassette aus, die evtl. sogar dolbysiert wurde. Sie läuft bei uns mit 4,75 cm/s und dürfte vielleicht einen Frequenzgang haben, der rauf auf 15 kHz geht. Wenn man nun die X-fache Geschwindigkeit für die Duplikation wählt, dann geht es um Frequenzen, die kein Tonkopf mehr wiedergeben oder aufnehmen kann. Am Ende müsste also absoluter Murks rausgekommen sein. Weil es das aber nicht tat, stelle ich mir die Frage, wie man das Problem in den Griff bekam...
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#10
Zitat:Araso postete
Moin.

.... Klingt auch heute noch richtig gut (war alles ohne Kompression, o.ä.).

Vielleicht ist´s ja interessant.
Wieso keine Kompression?
zumindest während des Kopiervorgangs wurde hierbei (zeitlich) komprimiert und damit das NF-Signal deutlich verändert.

Thomas
Mein Motto "Zitat" »Opa Deldok«: »Früher war alles schlechter. !!!!

Noa and Mira Awad
NOA Keren Or  

reVox B251 Revision und Modifikationsliste!

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#11
Zitat:highlander postete
Verstehe ich noch nicht so ganz. Gehen wir mal von einer sog. 'HiFi'-Kassette aus, die evtl. sogar dolbysiert wurde. Sie läuft bei uns mit 4,75 cm/s und dürfte vielleicht einen Frequenzgang haben, der rauf auf 15 kHz geht. Wenn man nun die X-fache Geschwindigkeit für die Duplikation wählt, dann geht es um Frequenzen, die kein Tonkopf mehr wiedergeben oder aufnehmen kann.
15kHz x 128 = 1920kHz (1,92MHz)

Diese Frequenz stellt für die analoge Magnetbandaufzeichnung noch kein Problem dar. Es müssen nur entsprechende Hochfrequenz- Köpfe eingesetzt werden.

Schon beim alten analogen Videorecorder wurden Frequenzen von mehr als der doppelten dieser Frequenz ohne Probleme auf Band aufgenommen.

Probleme waren da eher mechanischer Natur.
Ein Band, welches mit 6m/s über einen Magnetkopf läuft erzeugt eine Menge Reibungswärme, welche abgeführt werden wollte.


Bernd
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#12
Die Sache ist doch (immer wieder) die, dass man bei der Magnetbandaufzeichnung weniger in Frequenzen als vielmehr in Wellenlängen denken muss. Wenn das Masterband mit, sagen wir, 32-facher Originalgeschwindigkeit läuft, das Kopierband mit 4,76 x 32 cm/s (richtig bemessene Verstärker und HF-VM natürlich vorausgesetzt), dann "sieht" das Cassetten-Band genau denselben Wellenlängenbereich wie beim 1:1-Bespielen (also mit 4,76 cm/s von einem mit Originalgeschwindigkeit laufenden Masterband). Ansonsten steht man natürlich vor der Frage, wieso etwas funktioniert, was gar nicht hätte funktionieren können dürfen.

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#13
@ Gyrator

Mit ohne Kompression meinte ich, daß die Kassetten, sozusagen, wie zu hause aufgenommen wurden.
Dem gegenüber haben wir z.B. Kaufhäuser mit Endloskassetten beschallt, die in Mono und mit komprimierten Frequenzgang aufgenommen waren. Stereo hätte keinen Sinn gemacht, wegen der großen Flächen. Außerdem sollte die Musik eingängig und unaufdringlich sein.
Das diente ja weniger zum Musikhören, sondern war eine Verkaufshilfe, die verdammt gut funktioniert und unsere Kunden entsprechend Geld kostete.
In den Boutiken war Bass und aktuelle Mucke wichtig. Auch machte Stereo in den kleinen länglichen Geschäften eher Sinn.

Schoin Gruß.
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#14
Zitat:Araso postete
Das diente ja weniger zum Musikhören, sondern war eine Verkaufshilfe, die verdammt gut funktioniert und unsere Kunden entsprechend Geld kostete.
Also mir geht das Gedudel nur auf die Nerven. Meinste da kauft man mehr wenn man sich das anhören muss? Gibts da Zahlen?
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#15
Also Zahlen wurden dauernd ermittelt. Unsererseits als Verkaufsargument. Und von den Ladenketten, um ihre Profite zu steigern.
Ich weiß noch daß (Anfang 80er) ein durchschnittlicher Spar-Markt ca. 1600,- DM zu berappen hatte. Dadrin war die Miete für die Hardware und die Musik. Ich glaube ein Satz mit 4 Kassetten mit dauerndem Tauschrecht. Außerdem die GEMA Gebühr (wird da nach qm berechnet). Letzteres war nicht grad wenig.
Mir geht das Gedudel auch eher auf die Nerven, aber man bleibt tatsächlich länger, hör mal auf die Geräsche im Aldi, da willst du nur noch weg. Allerdings kaufe ich deswegen nicht gleich mehr ein.-oder vielleicht doch? nächstesmal?
Die Umsatzsteigerung lag im Durchschnitt so um 20%.
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#16
So viel ?! Ui... 20%...
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#17
...wie viel schöner war das mit der Kaufhausbeschallung früher, als dafür noch Spulentonbänder eingesetzt wurden:
http://mb.abovenet.de/rundfunkarchiv/ind...129.0.html
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#18
Nochmal was zur Kaufhausbeschallung. Ich als jüngerer dieses Forums (30) erinnere mich gerne an die Samstage Ende der 90 er JAhre, wo in der stylischen Bekleidungskette Coast immer richtige Live-DJ´s mit zwei Technics Plattenspielern und Röhrenendstufe den Kunden richtig einheizten. Meiner Meinung hat es dem Umsatz echt gut getan. Solche DJ´s sind heut aber selten geworden.

Liebe Grüße
MArtin
Leute, bleibt schön glatt gewickelt!
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#19
Ich habe irgendwann begonnen, den Sparmarkt bei uns an der Uni nur noch mit Walkman zu besuchen, um das hauseigene Gedudel und Generve auszublenden. Ja, mit Grateful Dead in den Ohren vor den Joghurts stehen, das macht Spaß!

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#20
Wer interesse und knap 17.000,- zum vertrantscheln hat kann so eine high speed Kopiermaschine gerade erstehen:

http://cgi.ebay.de/Prof-Equipment-High-S...dZViewItem

viele Grüße
Lukas
Viele Grüße
Lukas
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