Beiträge: 6789
Themen: 415
Registriert seit: Mar 2004
In den sechzigern hatte ich , '59 geboren, noch keinen ausgeprägten Musikgeschmack. Heiligtum in der Wohnung war Vaters Grundig-Dampfradio mit Wunschklang-Register, welches allsonntäglich mit Wenol-Paste eine Politur der Messingleisten erhielt. Dazu gehörte ein Unterschrank mit 10-Platten-Wechsler von Telefunken. Über diesen Altar hatte Vater die Lufthohheit, ein Eindringen in dieses Revier wurde misstrauisch beäugt. War schliesslich teuer die Kiste und Mutter wurde nicht müde, auch nach Jahren noch, zu lamentieren wie man so ein teures Radio kaufen könne wo man doch dringend andere Sache benötige. Für das richtige Setzen der Prioritäten bin ich meinem Vater immer noch dankbar, der Sinn von Tapeten, Gardinen, Teppichen und Lampenschirmen erschliesst sich mir bis heute nicht.
Gespielt wurde Blasmusik. Nicht Ernst Mosch, der Abkupferer, sondern die Originale aus der damaligen Tschechoslowakei. Dazu Opern und klassische Konzertmusik. Meine Mutter mochte eher Schlager, die gab's dann auch im Plattenschrank, der viele der orangenen Polydor-Singles enthielt. Mein erstes eigenes musikalisches Interesse richtete sich auf Heintje, Freddy, Peter Alexander ... usw. Die Melodien hatten es mir angetan, und im Grunde ist das bis heute so geblieben, wo Peter Alexander längst durch Bob Dylan ersetzt ist.
Das erste eigene Audiogerät war ein Taschenradio, welches ich von meinem Onkel bekam. An den Hersteller kann ich mich nicht erinnern, es war kein Markengerät, vermutlich japanischer Herkunft. Er hatte es während seiner Bundeswehrzeit benutzt, um sich damit die Zeit während des Wachdienstes zu verkürzen und schenkte es mir, als sein Maßband nach damals 18 Monaten endgültig abgeschnippelt war. Es ging bald kaputt und wurde durch ein weiteres Taschenradio "Graetz Flirt" ersetzt. Meine Tante, nur 7 Jahre alter als ich, hatte so eines und so eines brauchte ich auch. Das Flirt konnte nur Mittewelle, das reichte für's Schlagerderby. Ausserdem konnte man es unter der Bettdecke betreiben und es klang fantastisch.
Im Schlagerderby wurden nicht nur Schlager gespielt (Heintje und Chris Roberts) sondern auch englischsprachige Popsongs. Ich erinnere mich noch deutlich wie mich Janis Joplin (Me and Bobby McGhee) sowie Jimi Hendrix (Voodoo Child) einerseits faszinierten, andereseits auch verstörten, weil sie mit dem melodieseligen Schlager-Schönklang aufräumten. Mit CCR kam ich auf Anhieb zurecht. Das war melodisch man brauchte sich nicht mit peinlichen Texten herumzuschlagen, weil man sie nicht verstand. Das war der Abflug vom Schlager.
Mein weiterer musikalischer Geschmack wurde stark von meiner Tante beeinflusst, die mehr wie eine große Schwester für mich war. Ich lernte Johnny Cash kennen, Kris Kristoffeson, die Country-Musik und die Bee Gees in ihrer Softrock-Phase. Auch Elvis und CCR.
Meine Tante hatte nicht nur Platten, sondern auch einen eigenen Plattenspieler, einen Telefunken Musikus mit Deckel-Lautsprecher, und ich muss die gute wohl sehr genervt haben mit meinen häufigen Besuchen ;-) bei meiner Oma, wo sie wohnte. Dafür durfte es dort auch etwas lauter sein als daheim, meine Oma war tolerant und immehin in der Lage, Paul McCartney von Keith Moon zu unterscheiden.
Bei mir ging's weiter mit einem Cassettenrecorder von SABA, der natürlich ein Zuspielgerät brauchte. Das war ein SABA-Kofferradio (Transeuropa de Luxe), eigentlich für Mutters Küche gekauft, in stillem Einvernehmen aber in meinem Zimmer "geparkt" und bald unlösbar dort verkabelt, so lange, bis ein ausrangiertes Dampfradio meiner Oma, ein Grundig, es ablöste.
Walter Fuchs moderierte zu dieser Zeit jeden Dienstag seinen "Country-Express", und wenn ich durch den Stundenplan verhindert war, musste meine Mutter den roten Knopf drücken. Und wehe sie vergaß es .... manchmal vergaß sie es wohl absichtlich oder liess durchblicken, daß sie vergessen könnte wenn ...
Der Pop-Shop brachte frischen Wind und in der Schule schaffte der Musiklehrer für den Musikunterricht eine Revox-Anlage an, deren Kernstück, die A77, dafür sorgte, daß ich zum Tonbandjunkie wurde. Der Musiklehrer ist zwischenzeitlich ertrunken, die Sucht blieb. Gekauft wurde die Maschine, um Platten aufnehmen können, in 4-Spur und mit 9,5 cm/sec rechnete sich das. Zuvor wurde der Vater zu einer Stereo-Anlage überredet, so daß auch für einen standesgemäßen Plattenspieler gesorgt war. Den Dual 1229 und den dazugehörigen SABA-Receiver HiFi Studio 8120 besitze ich noch heute, die dazugehörigen Flachboxen FL70 tun an der Revox B7xx-Anlage meines Vaters ihren Dienst.
Ich denke, ich habe den Beobachtungszeitraum längst verlassen, bin Mitten in den 70ern oder drüber hinaus und stoppe daher hier.
Michael(F)