Pitch-Control
#1
Heute habe ich in die Tischkante gebissen. Da liegen 30 Bänder, alle zu schnell aufgenommen. D.h. beim Abspielen ergrauen die Sänger und Sängerinnen und lassen es langsamer angehen. Dabei fiel mir auf, daß es nur sehr wenige 18er Geräte mit Pitch-Control (Feinregelung der Start-Geschwindigkeit) gab und vermutlich überhaupt keine mit eingebauten Lautsprechern nebst Verstärker.

Selbst die Philips 4422, bei der Ausstattung wirklich keine Mangelware ist, hat keine Regler für Pitch-Control.

Als Nicht-Techniker frage ich mich unweigerlich: ist das etwas technisch bei diesen Maschinen nicht oder nur sehr umständlich lösbar?
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#2
Lieber Andreas,

so ganz simpel war das zumindest über eine lange Zeit des Bandgerätebaues nicht, weil man mit polumschaltbaren Asynchron- oder Synchronmotoren bzw. einer Kombination aus beidem (z.B. G36) arbeitete. Es gingen dann durch die schlichte Polumschaltbarkeit im Wesentlichen zwei Geschwindigkeiten in festem, ganzzahligem bezug zur Netzfrequenz her, wenn der Motor durch bauliche Kompliziertheit nicht noch teurer werden sollte. Die M5 hatte ja dies nicht immer unproblematische Reibradgetriebe, um mit 3 Geschwindigkeiten aufwarten zu können.

Der Synchronmotor (seit K7 Standard) war dabei als Tonmotor am schönsten, weil er die konstante Drehzahl von der Netzfrequenz abhängig macht, die uns die EVUs schon lange mit einer Genauigkeit von +/- 1% ins Haus liefern.
Leider hat der Synchronmotor einen Nachteil: Er läuft nicht selbsttätig an, weshalb Studer den Motor der G36 nicht auf den Vorteil der Drehzahlkonstanz verzichten wollend als Asynchronmaschine anlaufen lässt, bis diese in den Synchronlauf mit der Ntzfrequenz erreicht hat und in den Synchronbetrieb übergeht. Da kann man dann ohne Verzicht auf eine hohe Gleichlaufqualität (Wow & Flutter) mit einfachen Mitteln nicht mehr an der Drehzahl herummanipulieren.

Erst in der Generation der A77 kamen Kurzschlussläufer-Motoren mit eigenem eine konstante Arbeitsfrequenz bereitstellendem Ton-Generator nebst elektronischer Drehzahlkontrolle auf, in die man (bei der A77 auch erst ab der zweiten Generation) relativ problemlos und in recht weiten Bereichen eingreifen konnte.

Gleichstrommotoren gleich welcher Bauart eignen sich aufgrund ihrer Eigenheiten namentlich für Bandgeräte mit einem Motor nicht, weshalb sie erst nach der A77-Zeit -von Ausnahmen abgesehen (Ihle R85; o je, schon wieder was von dem..., aber auch Nagra ab der 2. Generation, die erste arbeite mit ... Federwerk wie die Maihaks)- Teil der Bautraditionen wurden.

Beim Cassettenrecorder erwies sich das als einfacher, denn da mussten ja nicht die Bandmassen eines großen Gerätes beschleunigt und umgeschaufelt werden. Außerdem gab es in der Regel nur eine Bandgeschwindigkeit, und der Gleichlauf war allzuoft ein eigenes, nicht lösbares Kapitel. Hier halten die Gleichstrommotoren von Anfang an Einzug, weshalb sich auch folgerichtig schon bald Pitchsteller finden.

Hans-Joachim
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#3
Kassettenrecorder mit regelbarer Geschwindigkeit gab es auch schon in der DDR (BDG2000) Die Regelung wirkte allerding nur bei Wiedergabe, bei Aufnahme war der Pitchregler außer Funktion. Ich habe in meiner Sammlung auch ein Kassettengerät, das mit einem Wechselstrommotor angetrieben wird. Es ist ein Kassettenwechsler für Aufnahme und Wiedergabe "Denon-Cassematic"
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#4
Die DDR-Lösung finde ich mal wieder (bitter ernsthaft) legendär. Da wurde offensichtlich nicht einfach was 'reingepfriemelt, sondern da hat sich jemand etwas gedacht und mit minimalem Aufwand praxistauglich auf den Markt geworfen. (Übrigens: Auch des Revox 710 ff Motoren sind Wechselstromläufer. Das gibt es natürlich, ist aber nicht die Regel).

Etwas zur -ach so geschmähten- DDR-Industrie:
Man findet jene, mich als geburtsnotorischen Wessie immer wieder faszinierenden, interessante Konstrukteurspersönlichkeiten andeutenden Details in

DDR-Bedienungsanleitungen,
in der professionellen Aufnahme- und
Messtechnik des Dichter- und Bauern-Staates recht häufig.

Man wollte dort wohl ungleich länger als hier den Kunden zum mündigen, also zu selbstständigen Entscheidungen fähigen(!!!) Nutzer der Geräte 'erziehen', was westzulande ja schon recht lange auf eine eine eher miese Presse zurückblickt.
Ich hatte dagegen nie etwas einzuwenden, gehörte aber auch schon immer zu den etwas 'abgedrehten' Zeitgenossen, wie mir als Kind einmal ein Hausmeister -sehr bayerischen Geblüts und entsprechender Sprache- an den Kopf warf.

Aha.

Hans-Joachim
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