Andere Welten
#1
Andere Welten.

Als ich am Montag wieder einmal durch einen Hinterband-Pegelabfall feststellen durfte, das altes BASF-Band gerne Revox-Tonköpfe verdreckt, und mich fragte, was man dagegen tun solle, da fand ich diesen Artikel aus der Funkschau vom März 1967 doch etwas wie aus einer anderen Welt:

"In den ersten Nachkriegsjahren mußten die Rundfunkanstalten neue Tonbänder über ihre gesamte Länge prüfen, messen und abhören.
Inzwischen hat sich die Güte der Bänder so verbessert, daß bei Neubändern nur noch Stichproben erforderlich sind. Die Prüfungen erstrecken sich daher heute vorwiegend auf bereits bespielte Bänder, nämlich auf sogenannte Löschbänder. Sie stammen aus freigewordenen Archivbeständen und werden zunächst sortiert, zusammengeklebt und dann gelöscht. Für die sehr sorgfältige Qualitätskontrolle entwickelte der Südwestfunk eine Bandprüfanlage, die gegenüber früher teilweise veränderten Gesichtspunkten gerecht wird. (Anm.: Steht da wirklich so) Die Einrichtung genügt den „Grundsätzlichen Anforderungen an Magnettonanlagen und Richtlinien zu deren Einstellung“ (herausgegeben vom IRT, Hamburg, Juni 1965), und sie eignet sich zum Untersuchen der Qualitätsmerkmale, die im Pflichtenheft Nr. 3/4 der ARD gefordert werden.
Die Anlage prüft die mechanischen und elektrischen Eigenschaften der Bänder, u.a. auf Beschaffenheit der Schicht, Verschmutzung und Reißfestigkeit einerseits sowie auf Empfindlichkeit, Klirrgrad, Frequenzgang, Kopier- und Löschdämpfung und Rauschen andererseits. Für jede Prüfung erhalten die Bänder eines der Prädikate gut, mäßig und unbrauchbar.
Die Meßeinrichtung besteht aus einer Löschmaschine, einem Meßgestell, mit mehreren Einschüben, die NF-Generatoren für die Frequenzen 1kHz, 10kHz und 14kHz, mehrere Spannungsteiler, verschiedene Anzeigen und elektronische Drucktastensteuerungen enthalten, so daß der Bedienende nur noch die Meßwerte abzulesen hat und sie mit den Daten des Pflichtenheftes vergleichen muß. Die automatische Registrierung der Meßwerte mit Hilfe eines Schreibers ist möglich.
Die Untersuchung eines Bandes erfolgt in zwei Arbeitsgängen. Zunächst werden während eines automatischen Ablaufs die vorgeschriebenen Meßsignale aufgenommen. Das Band bleibt sodann 24 Stunden unberührt liegen, damit magnetische Strukturänderungen die Meßdaten beim Abspielen nicht verfälschen. Diese sind erfahrungsgemäß nach einem solchen Zeitraum abgeklungen. Die Meßdaten werden dann abgelesen und in eine sogenannte Meßkarte eingetragen."

Erkenntnis I: Ja, man sollte Bänder prüfen, bevor man Zeit mit einer schlechten Aufnahme verschwendet
Erkenntnis II. Man kann es auch übertreiben.

Da frage ich mich doch:
Wie lange hat es gedauert, bevor die ARD auf Sendung gehen konnte. Schließlich mußten erst die Pflichtenhefte verfaßt werden.
Was kostet am Ende so ein Löschband?
Und wo gibt es heute diese Prüfanlage (mit Personal) für meinen Heimgebrauch?

Zum Thema „Andere Welten“ habe ich ein paar Zeilen weiter noch einen anderen Artikel gefunden:
„Weniger Rauschen bei Schallplattenaufnahmen“ befaßt sich mit einer neuen Technik, die eine Firma namens „Dolby Laboratories“ unter Verwendung des sogenannten „Überdeckungseffekts“ entwickelt hat, um das wahrgenommene Modulationsrauschen zu reduzieren: Der „S/N-Stretcher“, wie das Gerät genannt wird, verwendet eine Dynamikkompression bei der Aufnahme und -dekompression bei der Wiedergabe, um das Rauschen unter die Hörschwelle zu drücken. Eine mit diesem Verfahren gemasterte Platte gäbe es auch schon: Die Zweite Symphonie in c-Moll von Gustav Mahler (Dirigent Georg Solti) der englischen Decca.
Der Autor scheint den Nutzen dieses neuen Systems in Frage zu stellen, kritisiert er doch, daß der S/N-Stretcher nicht in der Lage wäre, die beim Abspielen der Platte entstehenden Störspannungen zu verhindern; dafür würde man die Dekompression in den Plattenspieler einbauen müssen und das lohne sich hinsichtlich des notwendigen Aufwandes: 99 Siliziumtransistoren und 163 Halbleiterdioden, nicht!

Trotzdem: Das Verfahren klingt doch irgendwie interessant, oder?

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
Zitieren
#2
Ich hab meine Dolby Cat 22, also die Dolby A Karten aus meinem CP200 bisher nicht aufgeschraubt, glaube aber kaum, daß da soviel Bauteile drinne sind.....

Erst die Cat 280 aus dem SRA-5 Adapter ist dann mal so richtig vollgestopft, hier sind auch zwei beidseitige Platinen aufeinandergesteckt!

Zur Erklärung: Der Dolby CP200 ist der größte und beste Kinoprozessor und der SRA-5 ist in den 80ern erschienen, als die SR-Rauschunterdrükung im Kinobereich aufkam. Er wurde einfach in den CP200 eingeschleift.

Ich kann ja mal, auch wenn ich schon wieder OT bin, mal ein paar Fotos machen!

Gruß
MArtin
Leute, bleibt schön glatt gewickelt!
Zitieren
#3
Zitat:Matthias M postete
Da frage ich mich doch:... Was kostet am Ende so ein Löschband?
Vermutlich weniger, als die Ruinierte Aufnahme mit einem großen Orchester wiederholen zu müssen.

Zitat:Matthias M posteteUnd wo gibt es heute diese Prüfanlage (mit Personal) für meinen Heimgebrauch?
Selbst bauen. Für Heimanwendungen natürlich etwas einfacher: Bandmaschine mit Pegeltongenerator versehen, Ausgangspegel auf Präzisionsgleichrichter geben, mittels Fensterdiskriminator auswerten, wenn der Pegel unzulässig schwankt (evtl. auch zwischen den Kanälen) und das entweder zählen und anzeigen oder sofortigen Stop erzwingen.

MfG

DB
Zitieren
#4
Diesigen Samstag,

übertreiben kann man es leider nicht, weil ein beachtlicher Teil der Rundfunkarbeit Produktionsarbeit ist (sein sollte), an der ein Apparat beachtlicher Dimension hängt, den man lieber nicht leer laufen lässt. Ein Symphonieorchester mit 80 bis 120 Mann/Frau kostet geradezu maßlos Geld, ein aus Tokio eingeflogener Solistensatz nochmals. Und ins Hotel nicht gerade des Jugendherbergsniveaus wollen die ja auch. Wenn das alles hochgeht, nur weil ein Band nicht tat/tun wollte, geht das klassisch sinnlos ans Vermögen, das man heute zwar lieber in die Kapitalmarktspekulation steckt, nicht ins eigene Unternehmen, klar, aber billiger wird eine Aufnahme deshalb auch nicht. Man macht sie heute deshalb lieber gar nicht erst und schickt das eigene Orchester um die Welt (dann zahlen nämlich andere das Hotel und die Reise), was auch eine Lösung darstellt.

In der Tat wurden -meines Wissens bei der Rundfunkbetriebstechnik RBT in Nürnberg- zeitweise sämtliche Bänder, die die Industrie lieferte, einzeln geprüft, weil man einigen Grund dafür hatte.

Allgemeine Pflichtenhefte entwickelten sich seit der RRG-Zeit Schritt für Schritt. Im Grund genommen sind bereits die bis in die 1980er Jahre fortlebende Tradition der Braunbuchbeschreibungen (nebst Vorgaben) des Ende der 1920er-Jahre geründeten Reichsrundfunks als diese Schritte anzusehen. Amsonsten dauerte es erkleckliche Zeit, bis sich die Hörfunkbetriebsleiterkonferenzen in Deutschland über so manches geeinigt hatten. Bei den über die 1950er hin immer wieder erfolgenden Ringmessungen ergaben sich auch beachtliche Abweichungen von eigentlich bereits bestehenden Vereinbarungen, was nicht zuletzt mit der noch immer unüblichen Delta-10-kHz-Messmethode in Zusammenhang stehen dürfte, die wohl Friedrich Krones mit der Einführung der Stereofonie endgültig durchdrückte.

Schon die Reichsrundfunkgesellschaft untersuchte das bei ihr angelieferte Bandmaterial individuell, weil man Grund dazu hatte. Friedrich berichtete einmal davon, dass nach im Werksarchiv der BASF erhaltennen Informationen dabei von 2000 gelieferten Bandwickeln ganze 10 Prozent Gnade fanden. Der Rest wanderte zurück an den Hersteller IG Farben. Die werden damit einige Freude gehabt haben.

Auch in meinen Tagen gab es Bänder zweiter Klasse, die von den bekannten Herstellern in Originalverpackung und günstigen Preisen in "weniger kritische" Abnehmerbereiche, also das ferne Ausland, dem man nur geringere Ansprüche zubilligte, verschoben, von wo sie aber durch das schon immer lebendige und eigenen Gesetzen folgende Marktgeschehen schnell den Weg ins Ursprungsland und seine Märkte zurückfanden, wo dann Mängelrügen aufkamen. Deren Ursache fand der Hersteller dann natürlich anhand der Chargennummer schnell heraus:

"Dieses Band dürften Sie aber gar nicht in Händen halten...!"
"Es liegt bei mir aber auf dem Tisch!"
"Aha."

Schließlich:
Ein Cat22-Einschub enthält 87 Transistoren und etwa halb soviel Dioden, schaffte es aber in den Sendebetrieb bei Rundfunks hierzulande aus oben genannten Gründen nie. Die allgemeine, marktseitige Vorstellung von Dolby A erfolgte auf der 32. AES-Convention Los Angeles im April 1967 durch Ray M. Dolby selbst, weshalb sich in dieser Zeit die Aufsätze zum Thema häuften. Auch ich besitze einen solchen aus der Feder des Entwicklungsleiters von AEG-Telefunken, Klaus Bertram. Die Telefunken AG hatte die "Dolby-Stretcher' nach Typ A in ihrem Vertriebsprogramm, weshalb es nicht wenige 360er gab, die die Telefunkenraute trugen.

Hans-Joachim
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste