DDR
#1
Wie gestaltete sich eigentlich das Tonbandeln in der DDR? Wer hatte überhaupt ein Bandgerät? Gab es Stereo-Geräte? Konnten sich Schüler Bänder leisten und wenn ja wieviele pro Jahr? War das Aufnehmen von Musik für die DDR-Jugend wichtig? Da es mit der Ersatzteilversorgung mau aussah, was gab es denn so für Bastlereien in den Bandgeräten?
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#2
Ein Bandgerät hatte bei uns wohl den gleichen Stellenwert, wie zuvor der gute Plattenspieler oder später der Farbfernseher. Es gab diese Geräte nicht gerade in jedem Haushalt. So ein Ding kostete ja auch meistens mehr als das Monatseinkommen. Es mußte lange darauf gespart werden. Nun gab es die Geräte auch nicht gerade in großer Auswahl und Stückzahl, es war meist die sogenannte "Bückware". Anfangs wurden die Geräte noch in der DDR produziert, (BG19, Topas, Tonmeister, KB100) später wurden Importe aus den sozialistischen Bruderländern Polen (ZK... - Grundig Lizenz), CSSR (Tesla B...), Sowjetunion (Jupiter, Majak) und Ungarn (Qualiton) importiert. Wenn denn ein Gerät im Handel erhältlich war, war es eben zur Zeit nur das polnische ZK120T. Man mußte dann überlegen, ob es unbeding dieses Gerät soll oder ob man lieber die nächste Lieferung abwartet und auf ein besseres Tesla-Gerät hofft. Allerdings waren die polnischen Geräte die billigsten und daher bei uns weit verbreitet. War man dann endlich stolzer Besitzer einen Bandgerätes, kamen die "Betriebskosten". Ein Band, je nach Länge und Sorte (z.B. Langspiel oder Doppelspiel,) kostete so zwischen 15 und 40 Ostmark. Kosten für Gerätepflege und anfallende Reparaturen mußten auch sein, denn nichts hält ewig und nicht jeder war in der Lage, sein Bandgerät selbst wieder in Gang zu bringen. Ersatzteile gab es ja nicht gerade beim Milchmann an der Ecke, ein gerissener Riemen konnte einem schon mal zur Verzweiflung bringen, wenn es ihn nicht gab. In der Fachpresse gab es viele Umbauanleitungen, ging es darum den Gebrauchswert der Geräte zu erhöhen, zum Beispiel durch Tausch der Tonköpfe oder nur um die Ersatzteile auch für andere Geräte zu benutzen.
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#3
Nun ja, das ging auch noch weiter, denn doof war man ja vor Ort nicht. Im Profibereich war die DDR nicht zuletzt über das Rundfunktechnische Zentralamt eine internationale Ideenschmiede ersten Ranges, die sich -einmal mehr- den im Staate Germanien gewachsenen Traditionen sehr viel intensiver stellte, als das im Westen der Fall war. Zum Beispiel wurde das Koax-Lautsprecher-Prinzip H. Eckmillers (015) im Staate der Dichter und Bauern systematisch fortentwickelt, wogegen Eckmiller hier im Westen, wo er lebte, mit dem verbesserten Nachfolger 015a dyn auf keinen grünen Zweig kam. Weiterhin beruht das Beschallungsprinzip der Delta-Stereofonie (verzögerte Stütz-Lautsprecher) auf einem DDR-Patent etc. pp.
Bandgeräte aus DDR-Fertigung zeigten lange auch optisch, dass sie der AEG-Tradition entstammten. Außerdem wollen die Gerüchte in der Tonbranche nicht verstummen, dass nicht nur Ikea, sondern auch der Altvater G. Neumann Gebrauch von den mikrofonhandwerklichen Kenntnissen jenseits des eisernen Vorhanges (im Vogtlande, alles klar???) machte, denn die Bunzrepublik betrachtete die DDR ja nicht als Ausland. Diese war demnach mehr oder weniger assoziiertes Mitglied der EWG, was zollfreien Import bedeutete. Ist es Zufall, dass Neumann, Berlin 1992 in wirtschaftliche Bedrängnis geriet? Na ja, vielleicht schon.---

Auch die Amateure wussten, was im ach so gelobten Westen elektronisch abging, und bauten -nur ein Beispiel- nach teilweise unter der Hand kursierenden Bauanleitungen diskrete Dolby-B-Prozessoren nach, wovon ich durch einen in ein solches Projekt unmittelbar involvierten Freund Fotos, Schaltung und Detailinfos erhielt. Die zum Teil überaus kompetenten Elektronik-Baubücher lieferten wirklich reizvolle und hilfreiche Anleitungen, um Mischpulte, Spitzenspannungsmesser, Filter etc. beachtlichen Anspruches selbst bauen zu können.

Da war also durchaus etwas los, wobei ich über teilweise beispielhafte Musikproduktionen und kulturelle Entwicklungen innerhalb der Medienlandschaft jetzt einmal gar nichts verlauten lasse...

Hans-Joachim
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#4
@Gerald
Als Wessi(e) habe ich mit der monitären Umrechnung meine Probleme. Wenn du schreibst, ein Band kommt 15 bis 40 Ostmark, so habe ich keinerlei Vorstellung darüber, wieviel das sein könnte. Mal anders gefragt: wie oft konnte sich ein Schüler oder Student bzw. Lehrling so ein Band pro Jahr leisten?
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#5
Wie man nun genau Ostmark in Euro umrechnet, kann ich auch nicht sagen. Ich habe gerade mal ein Band herausgesucht, welches ich mir damals als Lehrling gekauft habe. Es ist ein Doppelspielband Typ 120 (360 m auf einer 13er Spule) Es kostete 21,10 Ostmark. Bei einem Lehrlingsentgelt von monatlich ca. 110,- Mark war es schon eine "größere Anschaffung" Es war aber am Ende auf jeden Fall billiger als eine Kassette für 60 Minuten Spieldauer, die immerhin 20,- kostete (CrO2 sogar 30,-). Konnte man mit diesem Band bei "9" in Mono doch vier Stunden aufnehmen. Später, als ich dann ausgelernt hatte, wurden die Bänder dann größer. 540 m der gleichen Sorte kosteten 29,50, da kam dann schon Stereo mit "19" ist Spiel, zumal das Ersparte für eine Tesla B115 reichte (sie schlug mit 2300,- zu Buche) Mit ca. 650,- Monatsgehalt dauerte es etwas bis es dafür reichte. Vielleicht eine nicht ganz ernst gemeinte Umrechnung. Bei uns kostete ein Brötchen 5 Pfennige, wieviele davon für ein Band?
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#6
Hier noch ein paar andere Vergleiche. Eine Tesla B115 kostete etwa soviel, wie ein damals in der DDR üblicher Schwarz-Weiß-Fernseher mit 61er Bildröhre. Eine Langspielplatte war für 16,10 und eine Single für 4,60 Ostmark zu haben. Die Musikanlage "SC 1700" bestehend aus Plattenspieler, Radiotuner, Verstärker und Kassettendeck, eingebaut in einem Holzrack mit Glastür und -deckel für den Plattenspieler kostete etwa 7500,- zuzüglich der erforderlichen Boxen. Dafür bekam man ja schon fast einen Trabbi. Ein Farbfernseher mit 67er Bild für 6250,- und die ersten importierten Videorecorder, ich glaube es waren Sanyo, für etwa 7000 Ostmark. Die 240er VHS-Kassette dazu mußte mit 95,- bezahlt werden. Für ein Kofferradio vom Typ "Stern-Dynamic", vergleichbar in Größe und Form mit dem Saba-Sandy, mußte man ca. 450,- berappen. Eines der ersten Importgeräte aus Japan, es war das Kassettengerät "Atacasette HM-100" kostete 525,- Ostmark. War es auch nur ein Diktiergerät aus heutiger Sicht, mit einem Frequenzgang von 100 bie 7000 Hz und Gleichfeldlöschung und Gleichstromvormagnetisierung. Vielleicht ist auch noch ein direkter Vergleich möglich: der polnische Grundig-Lizenzbau von Unitra "ZK120T" (TK120) kostete bei uns 650,- und das ZK(TK)140 850,- .
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