Wenn Geräte unterschiedlich "klingen"
#1
Hier zeichnet sich bereits wieder eine Diskussion über Geräteklang ab.

http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...eadid=6687?

Diese Frage ist einerseits eine kleine Stichelei, andererseits lassen sich bestimmte Charakteristika von Geräten oder Medien nicht leugnen.

Aus aktuellem Anlass möchte ich das deutliche Beispiel anführen, das mir an den Kopf geht: Da mein Beyerdynamik DT 990 auf einem System beharrlich klirrt und zudem an einem Kabelbruch leidet, habe ich mir jetzt einen neuen Kopfhörer zugelegt, Sennheiser HD 555. Von der Präzision der Wiedergabe mag ich behaupten, dass beide auf einer Ebene liegen. Dennoch klingen sie deutlich unterschiedlich. Ich möchte meinen: Der Sennheiser klingt um einiges lebhafter.

Dennoch klingt keiner der beiden Kopfhörer "falsch". Ich gehe auch nicht soweit zu behaupten, dieser sei für diese und jener für jene Musik geeignet. Sie richten vielmehr ihren Fokus auf bestimmte Aspekte des Schallereignisses. Ob ich das dynamische Element von einer Orchestersuite oder von einer Heavy Metal Aufnahme fokussiere ist erstmal gleich.

Anlagen lassen sich ja durchaus in Richtung "analytisch" ode "dynamisch" oder sonstwie trimmen. Ich würde dies davon abhängig machen, was ich damit vorhabe, nicht welche Musik ich damit hören will.

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#2
Ich habe ebenfalls einen DT990 (Pro). Und ich kann dir sagen, daß der "falsch" klingt, da der Beyer klar eine stärkere Betonung im Baßbereich aufweist. "Falsch" interpretiere ich aber in diesem Fall als nicht linear.

Mich stört diese "Falschheit" jedoch nicht, mir gefällt sie sogar ganz gut, da mir bei Geräten ohne Klangregelung auf den Kopfhörerausgang (was bei den Meisten Geräten, mit Ausnahme von Verstärkern, so ist) immer die Tiefen fehlen.

Auf welchen Musikstil der Kopfhörer aber "abgestimmt" ist, kann ich dir nicht sagen.
Grüße,
Wayne

Weil immer wieder nachgefragt wird: Link zur Bändertauglichkeitsliste (Erfassung von Haltbarkeit und Altersstabilität von Tonbändern). Einträge dazu bitte im zugehörigen Thread posten.
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#3
Dann unterscheiden sich der 990 ohne Zusatz und der Pro bezüglich ihrer Klangabstimmung, denn der 880 (den meine Ma besitzt) und auch der Sennheiser haben mehr Schub im Bass als der 990.

niels
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#4
Hmm, komisch. Ich hab' mal gehört, daß der DT880 eigentlich linearer sein soll als der DT990. Diese Aussage könnte dann vielleicht auf den DT880 Pro zutreffen.
Grüße,
Wayne

Weil immer wieder nachgefragt wird: Link zur Bändertauglichkeitsliste (Erfassung von Haltbarkeit und Altersstabilität von Tonbändern). Einträge dazu bitte im zugehörigen Thread posten.
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#5
Die spannende Frage lautet nun: Mit welcher Absicht wurden die Kopfhörer unterschiedlich abgestimmt?
Die erste Möglichkeit (die ich verwerfen würde) wäre, verschiedenen Musikstilen angemessene Wandler zur Verfügung zu stellen.
Die zweite Möglichkeit: Sie sollen verschiedene Geschmäcker befriedigen.
Die dritte Möglichkeit: Sie sollen in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden. Z.B. besonders laut, besonders ausgewogen bei geringer Lautstärke, gute Verständlichkeit bei hohem Umgebungsgeräusch ....

niels
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#6
@Niels

...ich tippe klar auf Deine Vermutung Nr 2. weil:
wenn man unterschiedl. Geschmäcker bedient, sucht der Kunde
den Hörer seiner Wahl automatisch auch nach dem von Ihm favorisierten
Musikstil aus (d.h. 2) bedingt 1) irgendwie).
Deine Vermutung 3) trifft zum Teil zu: wenn Du mit "unterschiedlichem
Bereich" das traute Heim oder die Disse meinst - JA.
Wer z.B. den Tragekomfort schätzt, wählt offene Hörer - die taugen für die
Disse gar nicht! Hier sind also eher mechanische denn elektrische Merkmale
ausschlaggebend. Ob die Hörer-Lautsprecher besonders "laut" sind, kann
man ja extern beeinflussen - dazu muss es nicht ein besonderer Kopfhörer-
Typ sein.

Gruss
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#7
Zitat:PeZett postete
Ob die Hörer-Lautsprecher besonders "laut" sind, kann
man ja extern beeinflussen - dazu muss es nicht ein besonderer Kopfhörer-
Typ sein.
Das kommt doch drauf an woher die Kraft stammt, wenn wir "laut" sagen und "hohen Wirkungsgrad" meinen. Ich habe keine Ahnung, wieviel Schub ein mp3-Playerchen zu liefern in der Lage ist. Es scheint mir vorstellbar, dass hier ein hoher Wirkungsgrad hilft, wenn man sich die Ohren ruinieren will.

Oben meinte ich "laut" zuerst im Sinne von: Bleibt bei hoher Lautstärke transparent in der Darstellung, verzerrt erst sehr spät über Gebühr.

niels
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#8
Letzten Endes kannst du die gesamte Hifidelerei hinterfragen.
Mensch wird immer die Gerätschaft bevorzugen die für seinen Geschmack am besten klingt. Man muss hier bedenken, das viele Leute garnicht den Vergleich zum originalen Schallereignis haben. Und selbst wenn, du könntest das komplette Live Erlebnis eh nicht einfangen. Es würde immer der Input der restlichen Sinne fehlen.
Deshalb sehe ich die Sache mittlerweile sehr locker. Wenn ich kräftige Bässe und Höhen haben will, dann steht es mir frei auf dem Flohmarkt für ein paar Kröten ein altes Paar Deutscher Hausmannskost Boxen zu kaufen was mir diesen Klang bringt.
Wenn ich eine CDRW abspielen will kann ich den normalen CD Player für 200 EUR nehmen und darauf achten das er CDRW lesen kann. Ich muss nicht unsummen für ein Highend Gerät ausgeben was dann nicht mal CDR richtig liest, weil der Erbauer nicht an sowas gedacht hat. Entscheident ist garnicht so sehr wie perfekt ein Gerät klingt, sondern wie zufrieden man damit ist. Ich kann über eine Highend Messe gehen und mir irsinnig teure Apparaturen ankucken und ggfs. auch anhören, nur brauchen tue ich diese Dinge in keinster weise…
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#9
Zum Thema denke ich das oft garnicht "bester" Klang das Ziel ist, sondern lediglich der Geschmack der Konstrukteurs. Bei LS ist das sehr extrem. Ich war neulich mit einem Kumpel LS probe hören und da kann man ganz deutlich den "Hausklang" erkennen. Das teure Model von Hersteller A klang genau so dumpf wie das deutlich billigere. Das teure Modell von Hersteller B hatte genau so wenig Bass wie das deutlich billigere. Zuletzt waren wir beim Klipsch Superstore. Da hatten sie wirklich LS bei die gut klangen. (Leider konnte ich das Klipschhorn nicht probehören.) Sad
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#10
Hallo

Vielleicht kann ich ein bißchen zur Aufklärung beitragen. Der 990 pro war im Gegensatz zum 990 nach IRT Rundfunkvorgaben entzerrt und klingt etwas zurückhaltender. Diese IRT Entzerrung konnte man übrigens als seperates Entzerrungsfilter passend zum DT 880pro dazukaufen. Es wurde einfach in die Kopfhörerzuleitung eingeschleift. Ich hab diesen IRT Filter damals gekauft, aber dann nie benutzt, weil der 880 pro letztlich ohne den Filter einfach lebendiger klang.

MfG

Wolfgang
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#11
Lieber Wolfgang, jetzt müssen wir beide noch das Kunststück vollbringen und klären was wir unter "zurückhaltend" bzw. "lebendig" verstehen. Vielleicht hilft es uns weiter, wenn du beschreibt was die IRT Rundfunkvorgaben bedeuten.
Leider habe ich kenne ich nur wenig Kopfhörer (eben 990, 880 beide ohne pro und den HD 555).

Der HD 555 bringt mich eher zum Mitwippen zur Musik als der DT 990, daher bezeichne ich ihn als den "lebendigeren".
Der DT 990 ist sehr brilliant und meines Erachtens etwas "scharf", weshalb ich ihn nicht als "zurückhaltend" beschreiben möchte.

niels
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#12
Hallo Niels

Ich weiß auch nur noch aus meiner Erinnerung, was damals in einer Fachzeitschrift zu lesen war.

Grundsätzlich wurden beim Rundfunk wohl eher geschlossene Kopfhörer im Außeneinsatz eingesetzt. Es kam aber der Wunsch auf, auch einen halboffenen Kopfhörer im Studio einsetzen zu können, um die berüchtigten "heißen Ohren" zu vermeiden. Der DT 990 und DT 880 pro wurden wohl als grundsätzlich würdig für die Rundfunkweihen angesehen. Der Rundfunk störte sich aber an der "hifimäßigen" Klangabstimmung der beiden. (Wobei, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, zumindest der DT880 pro in den Höhen schon stark übertrieben hat).

Deshalb baute BeyerDynamic den 990pro der schon nach IRT entzerrt war, sowie (für die Hifi Freaks zum tunen), den externen IRT Filter für den DT880 pro. Sobald man den IRT Filter in den Signalweg des 880pro einschleifte, war die Höhenbetonung weg. Allerdings auch der Wirkungsgrad. Man mußte viel weiter "aufdrehen". Und nach meinem Empfinden klang der Kopfhörer dann zwar sehr neutral, aber leider auch sehr langweilig. Als Kontrollkopfhörer toll, für die Hifianlage nicht mehr so gut brauchbar. Da mir der 880 pro mit Filter zu lasch, ohne aber zu spitz und zu baßarm klang, habe ich das Problem einige Zeit später mit dem Kauf eines Sennheiser HD 560 eliminiert. Der 880pro ist Geschichte, der Filter geistert aber noch irgendwo bei mir rum.

Damit ist zwar immer noch keine vergleichbare Bezeichnung des Begriffes "Lebendigkeit" gegeben, aber Du weißt vielleicht, in welche Richtung meine Klangbeschreibung geht.

Wenn Du schreibst, daß Dir der normale 990 zu spitz klang, ist es wohl das gleiche Problem, daß ich eben mit dem 880 pro hatte. Der 990 pro dürfte demgegenüber dann wohl ebenfalls etwas dumpfer, aber eben auch langeriliger geklungen haben. Letztlich habe ich persönlich den Eindruck, daß BD hier einen eigentlich als Arbeitsgerät konzipierten Kopfhörer, bzw Filter zur "Zweitauswertung" dem zahlungswilligen Hifi Fan als ultimativen "Studio" Kopfhörer angedient hat. Er also in einer Szene verkauft wurde, für die er nie gedacht war.

MFG

Wolfgang
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#13
Liebe Mitforanten,

zwei Tage nach Walter Webers 63. Todestag -die Kunde vom Tod dieses menschlich hoch geachteten jungen Mannes drang im Poelzig-Bau an Berlins Masurenalle im nicht minder traurigen Tohuwabohu des 20. Juli 1944 durch- gerade wieder am Schreibtisch zurück, lese ich diese Diskussion zur 'klanglichen Unterschiedlichkeit' zweier Kopfhörer, an die ich hinter dem laufenden Titel eigentlich am wenigsten gedacht hätte.

Ist es ein schlichtes Wunder, dass ein menschliches Ohr das bestimmten Prinzipien folgende stereofone Angebot eines Lautprecherpaares als ein Abbild einer -wie auch immer gearteten- 'Wirklichkeit' akzeptiert, so steht dem die bei genauem Zusehen nicht minder abenteuerliche 'Offerte' des Kopfhörers in nichts nach.

Kopfhörer entziehen sich nämlich aus technischen wie psycho- und individualakustischen Gründen einer objektivierenden Untersuchung und Messung! Man kann daher als Hersteller mit mehr oder minder großem Aufwand eigentlich nur über ein möglichst großes Probandenfeld aus-probieren, ob und inwieweit ein Kopfhörermodell klanglich (über die im wesentlichen auf der Frequenzebene laufende Schallfeldkorrektur; ein Kopfhörer ist aus den vorgenannten Gründen alles andere als ein linearer Wandler) für die vorgesehehen Zwecke taugt.
Der Kopfhörer bildet damit ein Analogon zum Problemfeld Mikrofon, bei dem man unter normalen Umständen auch gut daran tut, die Folgen seines 'Inverkehrbringens' in ein diffuses Schallfeld (= geschlossene Räume) zu kompensieren, obgleich dies nur für einen Raum (und eine individuelle Mikrofonierung) halbwegs korrekt realisiert werden kann. Bis zu m heutigen Tag ist es daher üblich, Mikrofonfrequenzgänge ausschließlich für das (reflexfreie) Freifeld anzugeben, obgleich Mikros praktisch nie im Freifeld (also draußen oder im reflexarmen Raum) verwendet werden sollen.
So gibt es letztlich nur einen (stereofonen) Mikrofontyp (Günther Theiles ud Stefan Geyersbergers Kugelflächenmikrofon), bei dem Diffusfeld- und Freifeldfrequenzgang einander sehr weitgegehend entsprechen und gleichermaßen akzeptabel sind, weil das Mikrofon Informationen bewusst nützt, die von anderen stereofonen Wandlerkombinationen gemieden werden, weil sich die Nutzerriege über den Sinn jener Informationen nicht einig wird.

Beim Kopfhörer nun werden Teile der Außenohrübertragungsfunktion, die bei unserem individuell gelernten, nicht geschaffenen Hören eine enorme Bedeutung als 'Detektor' bestimmter Informationen zum Schallfeld hat, systematisch überbetont (z. B. beim 'Einpumpen' der Klanginformationen ins Außenohr) oder konsequent ausgeblendet (vgl. den individuell erwarteten Einfluss von individueller Schädelform und individuellem Oberkörper), was letztlich dazu führt, dass man das klangliche Erleben oftmals gar nicht als "eigenes Klangerlebenen" erfahren können dürfte. Dennoch funktioniert auch dies einigermaßen.
Konsequent betrachtet müsste daher der Kopfhörer, den ein Nutzer einsetzt, für seine individuellen Verhältnisse auf der Frequenzachse 'pegelentzerrt' werden, was sich aber schon nicht mehr befriedigend messen lässt, weil das "künstliche Ohr" (Brüël&Kjær hatten sowas schon Jahrzehnte im Programm, bis die betriebswirtschaftlich gebildeten Söhne den Laden hochgehen ließen) bereits wieder Festlegungen trifft, was für die dem individuellen Hörer nur zu bekannten (weil eigenen) Physiognomien halbwegs, also diesseits einer Tolenranzschwelle zutreffen mag, keinesfalls aber für alle.

Von rein 'klanglichen' Standpunkt würde es sich insofern fast empfehlen, für bestimmte Klang-Genres bestimmte Kopfhörertypen bzw. Fabrikate bevorzugt einzusetzen, was natürlich neue (und nicht nur wirtschaftliche) Probleme aufwirft.


Kopfhörer dienen eigentlich keineswegs von Anfang an für die objektivierende 'Abhöre' gegebener Signale, sondern in erster Linie für die Bereitstellung eines hochohmigen Abhörmediums, dessen Aktivitäten idealerweise von der Umgebung nicht akustisch wahrgenommen werden (müssen). Dies erklärt eine tatsächlich vorhanden gewesene Präferenz des Rundfunks für Kopfhörertypen, die wir heute als "geschlossen" bezeichnen. Dies hatte (bei Rundfunks) keine klanglichen, sondern rein funktionale Gründe und unterlag erst dann einer Änderung, als der Kopfhörer in den Kreis 'stereofoner Abhörmaßnahmen' aufgenommen wurde. Durch die oben skizzierten Ansatzverknüpfungen von Mikrofon und Kopfhörer, lag es fast auf der Hand, dass sich Sennheiser in den 1960ern systematisch mit dem Kopfhörerproblem aus dem Blickwinkel eines erfahrenen Fertigers sehr hochwertiger dynamischer Wandler zu befassen begann, womit die beim magnetischen Kopfhörer prinzipbedingt gängige 'Quasigeschlossenheit' einer heilsamen Neubetrachtung unterworfen wurde (Funkschauaufsätze!). Die klangliche Revolution, die Sennheisers -ja denkbar billige und kaum vorstellbar hochwertig klingende- 414/424 auslösten, hängt auch mit den Vorzügen des offenen Verfahrens zusammen, die klanglicherseits tatsächlich vorliegt. Dies gilt aber nicht, wenn der Hörende nichts von der Umgebung oder die Umgebung nichts von der Modulation hören will, mit der sich der Hörende versorgen lässt.

Der professionell Hörenwollende weiß, dass die Kompatibilität eines lautsprecher-stereofonen mit einem kopfhörer-stereofonen Signales nie gegeben sein kann, er also seine Aufnahme für Lautsprecher- oder Kopfhörerstereofonie optimal einzurichten und mit geeignetem Werkzeug zu überprüfen hat. Man kann keine Lautsprecherübertragung mit dem Kopfhörer optimieren und umgekehrt; ein Graufeld existiert aber (nicht zuletzt über eine vom Hörer entwickelte Abstraktionsbefähigung).

Damit ist die Problematik letztlich benannt, die ich -aus gutem Grunde- oben nur umschrieb, weil hierin das Graufeld praktisch jeder Gestaltung im (Klang-)Medienmarkt begründet ist:

Stereofonie und Binauralität.

Dese Begriffe stelle ich daher bewusst ans Ende und nicht an den Beginn meines 'Referates', weil beim Liebhaber die Kenntnisse zu den jeweiligen Beschreibungsprinzipien und Branchendiskussionen (z. B. auch zwischen Physikern Elektroinenieuren, Physiologen und Psychoakustikern) schwerlich vorausgesetzt werden können. Nachlesen kann man aber jetzt anhand der Begrifflichkeiten. Und das hat vieles mehr für sich, als die meist so end- wie sinn- und erfolglosen Klangdiskussionen.

Die Psychoakustik ist die Schlüsselwissenschaft für das Verständnis aller Diskussionen im Bereich auditiver Übertragungen. Bei der Kopfhörer- und Mikrofonkonzipierung schafft das eine Fülle von Problemen, die damit direkt in die Sphäre engagierter Nutzer jener Übertragungen schwappen. Man sollte sich daher veranlasst sehen, zumindest in den grundlegendsten Grundlagen Klarheit darüber zu erwerben, was zwischen Schallfeld und mobilisiertem Gehörssinn abgeht. Objektivität ist nämlich etwas anderes. Wäre dem aber nicht so, gäbe es nur richtige und falsche Aufnahmen; jeder subjektive Zugang zur Musik wäre verstellt, Interpretation, Komposition, Klang und die Übertragung dessen blieben undenkbar. Dass 'es' angesichts eines solchen Szenariums schwerlich für 2000 Jahre abendländischer Musik gereicht hätte, kann man sich vorstellen. Und damit begann es ja nicht erst...

So aber gibt es Bach und die Beatles, Dufay und Deep Purple, wobei das "Covern" von Werken (notfalls über die Eigenschaften von Wiedergabegeräten!!) nicht erst eine Erfindung unserer Tage ist.

Hans-Joachim
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#14
Tja, Hans-Joachim, da bin ich wohl auf ein unglückliches Beispiel mit den Kopfhörern gekommen.
Da möchte ich mich, mit einer kleinen Abwandlung, selbst zitieren:

Die spannenden Fragen: Sehen sich die Hifi-Entwickler der größtmöglichen Neutralität ihrer Erzeugnisse verpflichtet, oder werden Geräte auf bestimmte Klangcharkteristiken hin gezogen?
Wenn tatsächlich ein bestimmter "Klang" gewünscht ist, aus welchem Grund werde die Bemühungen in diese Richtung getrieben?

Die erste Möglichkeit (die ich verwerfen würde) wäre, verschiedenen Musikstilen angemessene Aufzeichner/Speicher/Wandler/Geräteketten zur Verfügung zu stellen.
Die zweite Möglichkeit: Sie sollen verschiedene Geschmäcker befriedigen.
Die dritte Möglichkeit: Sie sollen in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden. Z.B. besonders laut, besonders ausgewogen bei geringer Lautstärke, gute Verständlichkeit bei hohem Umgebungsgeräusch ....


niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#15
Lieber Niels,

beides ist natürlich möglich; uneingeschränkte Objektivität lässt sich dagegen aus verflixt prinzipiellen Gründen nicht erreichen, was ich darlegen wollte.

Insofern finde ich dein Beispiel eben genau nicht unglücklich, sondern sogar besonders glücklich. Es führt einen in dies Dilemma der für unser Hören so wichtigen, aber fast von genetischer Individualität ausgestalteten und dennoch über großflächige Bevölkerungdurchschnitte irrsinnig konstant empfundenen Binauralität ein, an der entlang auch verdienstvolle Forscher (Günther Theile) und Tonmeister (Eberhard Sengpiel) einander beharkten. Sengpiel vertritt die Auffassung, dass -fast unzulässig verkürzt- Ohrsignale für den Umgang mit der Medienstereofonie nicht erforderlich seien. Nun, ich frage: Was denn sonst? Das Problem liegt eher darin, dass das menschliche Ohr bestimmte Angebote aus Lautsprecher und Kopfhörer als Ohrsignale deutet und damit so zufrieden ist, dass sich der Kenner des Sachverhaltes fragt, wie denn so etwas möglich sein kann. Diesbezüglich herrscht dann auch Einigkeit zwischen Eberhard und Günther.
Das Beispiel der Erschließung räumlicher Tiefe (in Räumen) durch die Auswertung nicht-korrelierter seitlicher Reflexe (sie sind per definitionem nicht korreliert) durch das Ohr erwähnte ich bereits mehrfach. Wenn jetzt diese nicht korrelierten Signale in medialer Vermittlung von vorne kommen (Regelfall bei zweikanalstereofoner Darstellung; von seitl. Reflexen kann also kaum mehr die Rede sein), ist's das Ohr genauso zufrieden und stellt fest: "Uiuiuiui, Aufnahme mit großer räumlicher Tiefe......", die es in der Zweikanalstereofonie physikalisch gar nicht gibt, da sich 'alles' in der mittleren Ebene der Lautsprecherwand abspielt. Die Tiefe wird also vom Ohr/Gehirn suggeriert, wozu allein (!) der Korrelationsgrad ausreicht. Es muss nicht einmal ein für Reflexe typischer Frequenzgang simuliert werden. Es genügt die AUFNAHME des Signals nach Laufzeitverfahren mit einem hohen Anteil nicht korrelierter Information. um dem Ohr die Tiefensuggestion aufzuzwingen!

Wenn dich solche Fragestellungen interessieren, kannst du einmal versuchen, dich durch Günther Theiles Dissertation zu fressen, die unter www.hauptmikrofon.de kostenfrei zur Verfügung steht. Die ganze Sache ist leicht so wichtig wie Gerätediskussionen und 19-Zoll-Gespräche zusammen; insofern wirst du mir auch den eben abgeradelten Beispielexkurs verzeihen. Wäre das Ohr hier kritischer, anspruchsvoller, es wäre nie zu einem Medienzeitalter gekommen.

Das menschliche Ohr ist ein Wandler gesunder Abenteuerlichkeit, die aber Voraussetzung für unser musikalisches Tun (egal nun wo: vom Musikinstrumentenbau über die Komposition bis zum Anhören in natura oder 'transmedial'): Genau darauf hast du mit deiner Frage gezielt und entsprechend zielsicher den Finger aufs Problem gelegt. Würden wir über Kabel, Röhren, Transistoren oder ICs faseln, wäre das eigentliche Problem nicht zu benennen gewesen!

Zum Kopfhörer
Sennheiser tendierte in den späteren Generationen z.B. mit der Familie des HD 530 (also nach den Dauerbrennern 414/424) immer ein wenig zur Schärfe (also zu einer etwas deutlicheren Höhenanhebung wie z. B. die M1-Mikrofon-Kapsel Georg Neumanns von 1928 z. B. auch; vielleicht kennst du die unterschiedlichen Mikrofonausführungsformen der Kugelkapselserien 1928 und 1932), was manch einer mag, manch einer aber "auf'n Dod" nicht ausstehen kann. Es gab dann aus Sennheisers Labor Wennebostel einen 'linearen' Kopfhörer, der weitgehend auf Schallfeldkorrekturen (vulgo: Verbiegungen des Höhenfrequenzganges) verzichtete und deshalb manchem andersherum zu stumpf war. Das war -wenn ich das noch richtig im Kopf habe- irgendein HD in den 250ern.

Ich habe aufgrund bestimmter Aufgaben seinerzeit zwei 530 erworben, dann aber, als die Schaumstoffeinlagen in den Muscheln erstmals dahergebröselt kamen, und mir die Schärfe doch zuviel wurde, keine originalen Schaumstoffeinlagen mehr verwendet, sondern mit dem Material experimentiert, so dass die Höhen nun etwas gedeckter erscheinen. Belegen kann ich das nicht; außerdem mache ich um den Kopfhörer doch einen ziemlichen Bogen, auch wenn das 'stereofone Klangbild' gerade bei 530 oft sehr eindrucksvoll ist, was nicht notwendigerweise mit einer heftigen Tieftonamplitude einhergeht, die ohnehin in offenen Kopfhörern als Effekt(!) schlechter darstellbar ist.

Leite aber bitte aus diesem Beispiel auch ab, dass Objektivität nur an recht bestimmten Stellen medialer Übertragungen möglich ist. Es sind dies unseligerweise überaus häufig genau die Stellen, wo bestimmte Kreise am leidenschaftlichsten Klangunterschiede diskutieren. Dort, wo man sie am schnellsten und in der Regel unbeobachtet hat, verliert kaum einer ein Wort darüber.
Du hast dorthin gezeigt, weshalb ich die Gelegenheit nützte, das Pferd etwas anders aufzuzäumen, als du erwartet hattest.

Abseits von psychoakustischen Problemen, sind Klangveränderungen an sich sonst einwandfreier Komponenten zumeist von mehr oder minder intensiven Anpassungsmängeln verursacht, die bei grundlegendem Wissen von elektroakustischen Notwendigkeiten kaum vorkommen dürften, aber vorkommen, weil Kenntnislosigkeit und Experimentierfreude, Gehimniskrämerei und Hilflosigkeit eine so unerfreuliche Mischung eingehen, dass Ärger fast aufkommen muss, der dann oftmals als Freude ge- bzw. missdeutet wird.

Unser teilweise miserables, teilweise bewundernswert leistungsfähiges Ohr liefert dafür die allerbesten Voraussetzungen. Mit den Folgen dieser Abenteuerlichkeit muss man immer rechnen. Objektivität und Ohr: Das geht nicht zusammen. Dein Ohr fährt mit dir Schlitten, dass es fast obszön ist.

Allein diese Feststellung war doch deinen auslösenden Hinweis wert. Oder meinst du nicht?

Hans-Joachim
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