Dreherchen
#1
Moin, moin,

um Verdächtigungen, ich staple nur Spulis, entgegen zu wirken, stelle ich Euch hier auch mal etwas anderes vor, bei dem sich etwas bewegt.
Mit der klaren Hoffnung, IHR könnt mir etwas zu diesem russischen Korvem-Plattenspieler sagen.

[Bild: Korvem_02k.JPG]

Es handelt sich um einen schweren Direkt-Triebler für 33 und 45Umin (mit Pitch / Stroboskop) und einem recht eigenwilligen Tonarm mit Korvet-System.

[Bild: Korvem_03k.JPG]

Mich interessieren natürlich auch Daten, Testberichte, Erfahrungsberichte etc.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#2
Das große Feedback zeigt deutlich: da hast du einen sensationellen Sputnik ergattert! Wenn du noch mehr Bilder machen könntest, z.B. von der hinteren 'Weltkugel'... Smile
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#3
Moin, moin,

hier noch etwas mehr vom "Sputnik"

[Bild: Korvem_08k.JPG]

und noch was

[Bild: Korvum_19k.JPG]

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#4
Hallo Matthias!

Ich möchte unbedingt so einen haben! Ich hab´ ja erst über 30 Plattenspieler.
Wie klingt er, wie spielt er???

Irgendwo habe ich früher schon ein Bild von solch einem Dreher gesehen...
Kann es sein, dass im Sputnik eine Wirbelstrombremse eingebaut ist?
Habe irgendsowas in Erinnerung...

Mit begeisterten Grüßen
Raphael

Du brauchst wahrscheinlich kein Tonbandgerät mehr, oder?!
Wenn der Russe in Ordnung ist, wäre mir das vielleicht eine A 700 wert...
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#5
Hallo Raphael,

das "unbedingt so einen haben" hatte ich auch gewollt Smile

Leider schleift etwas. Da muß ich also erst mal gucken, was es ist.

Ansonsten ist Dein Angebot fast schon gemein, weil verführerisch. Aber vielleicht sind da, wo der eine war, ja noch weitere...

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#6
Hallo Matthias!

Ich bin halt nur sehr begeisterungsfähig ... unmoralische Angebote sind jedoch nicht meine Art..
Schau, aus mir wird kein richtiger Tonbandfreak, jeder Anlauf bislang ist daran gescheitert, dass ich die Originale lieber habe als die Aufnahmen, ich fange deshalb mit der A 700 nichts an und sie verstaubt. Das ist doch schade.
Mir würde schon meine TG 1000 vollauf reichen.
Aber alle meine Plattenspieler werden liebevoll in Abständen, je nach Lust und Laune, eingesetzt. Ich bin und bleib´ eben ein Plattenheini, obwohl ich Hochachtung habe vor Tonbandmaschinen und deren Technik und mir auch bewusst ist, dass Magnetaufnahmen theoretisch besser sind als Platten (natürlich nicht Aufnahmen von Platten).
Das Cover einer LP kann mir jedoch nichts und niemand ersetzen, das war schon zur Kassettenzeit so. Ich mag deshalb ja nicht mal CDs besonders...

Lass´dir mein Angebot durch den Kopf gehen.
Übrigens, meine A 700 ist sehr schön...

Mit freundlichen Grüßen
Raphael
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#7
Hier noch zwei Stellen, wo zumindest der kuriose Tonarm wieder auftaucht.

http://goodsoundclub.com/Forums/PrintPos...PostID=377

http://db.audioasylum.com/cgi/t.mpl?f=vinyl&m=613233
Mein Motto "Zitat" »Opa Deldok«: »Früher war alles schlechter. !!!!

Noa and Mira Awad
NOA Keren Or  

reVox B251 Revision und Modifikationsliste!

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#8
Moin, moin,

auf der Suche nach einem zweiten Korvet / KopBem habe ich erfahren, daß es wohl mehrere Versionen dieses Gerätes gibt.
Zunächst einmal zwei Evolutionsstufen des Laufwerks und zumindest drei originale Tonarm-Ausstattungen. Darunter eine mit einem russischen Ortofon Tonarm-Nachbau. Die dritte Verison ist ein "konventioneller" russischer Arm.

Wer also so einen Dreher kaufen will, sollte genau nachfragen, bevor er sich nachher wundert.
Die Preise sind übrigens ziemlich abgehoben. Die paar Euro, die der Amerikaner (s. Linkliste) für seinen Arm bezahlt haben will, dürften sich inzwischen erledigt haben. Die Korvet werden mit mehreren Hundert Euro gehandelt.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#9
Moin, moin,

da ich kürzlich wieder etwas gespielt habe, hier ein paar Ergänzungs-Zeilen zum Uralt-Thread.

Wenn man ihn das erste mal sieht, dann schaut er aus wie ein gelandetes UFO oder ein kauerndes Monster von der Art, wie sie in japanischen Techno-Comics auftauchen.

[Bild: KopBem_01.jpg]

Geht man ein Stückchen zurück, dann ist es doch nur ein Teil eines Plattenspielers aus dem Jahre 1979. Zumindest von so etwas Ähnlichem. Um genau zu sein, es ist ein Teil des STEREOELEKTROPROIGRYVATEL „Korvet“ der russischen Edelmarke Korvem.

[Bild: KopBem_07.jpg]

Gemäß der Bedienungsanleitung wurden der elektrische Kreiseldreher EP-003 ( Корвет ЭП-003) und sein Nachfolger EP-038 Stereo ( Корвет ЭП-038С) unter der Maßgabe entwickelt, eine stabile Arbeitsgeschwindigkeit einzuhalten und ein breites Frequenzspektrum abzutasten, ohne dabei für Rumpel- oder Störgeräusche anfällig zu sein.
Erreicht worden sei dies durch den Einsatz eines bürstenlosen, elektronisch stabilisierten DC-Motors (elektronisch kummutiert) für den Direkt-Antrieb und durch eine besondere Dämpfung des Tonarmes für den perfekten Kontakt zwischen Nadelspitze und Schallplatte.

Die Bezeichnung der Korvet leitet sich übrigens aus dem russischen Wort für Plattenspieler, ElektroProigryvatel ("EP")(Эпектропроигрыватель) ab. Der Buchstabe „S“ ("C") des EP-038S steht für „Stereo“ (Стерео).

Am auffälligsten an den Korvet ist zweifellos ihr Design, das aus einem eher spartanisch ausgestatteten Direkt-Triebler einen ausgefallenen Hingucker macht.
Die, wie überschwenglich im HiFi Forum behauptet wird, Zarge aus Titan und Aluminium, ist eher konservativ geformt. Ebenso ihr Unterbau: Eine Kunststoffhaube verbirgt die Mechanik und, im extra Gehäuse, Elektronik der Korvet.

[Bild: KopBem_15.jpg]

Schon die Füße sind jedoch eigenwillig: In der als Kegelstumpf geformten Hülle der vier Beinchen verbirgt sich jeweils ein Feder-gelagerter Kolben, auf denen das Gerät steht. Nicht nur, daß die Federung sämtliche Vibrationen und Stöße vom Plattenteller fern halten soll, indem sie den gesamten Plattenspieler bei Bedarf ein- und ausschwingen läßt, auch ist sie Höhen-verstellbar, so daß ein Korvet immer waagerecht steht, wenn Frauchen oder Herrchen denn will.
Sofort auffallen tut der Plattenteller, der beim Modell EP-003 wie eine Werbemaßnahme eines Schweizer Schokoladenfabrikanten aussieht.

In den Schatten gestellt werden diese Elemente aber natürlich durch den eingangs gezeigten Tonarm, der aus einer vergleichsweise riesigen Kugel wächst, für deren Unterbringung die Staubschutzhaube sogar eine halbkugelförmige Ausbuchtung erhalten hat, ähnlich einer Hutze in der Motorhaube manches Sportwagens.

Dieser Tonarm geht auf einen Entwurf der Konstrukteure Anatoly M. Likhnitsky (dem Konstrukteur des AML+ Röhren-Verstärker und des RX Correctors, sowie Autor von “Sound Quality: New approach to testing of the home audio equipment”) und A. Grebioskny zurück.

Grundlegende Untersuchungen des aus der Tonarm-Masse, dem Eigengewicht und der Compliance des Tonabnehmersystem sich ergebende Schwingungssystem zeigten, das durch spezielle Ausbildung des Tonarm-Balancegewichts erhebliche Vergrößerungen der Abtastfähigkeit (Tracking Ability) zu erzielen sind, wenn das Tonarm-Balancegewicht als Anti-Resonator ausgebildet ist und im Bereich der Tonarm- und Platinenresonanz Schwingungsenergie absorbiert.
Hierfür ist das innere Teilgewicht beim Balancegewicht auf die Tonarmresonanz abgestimmt und wirkt durch gegenphasiges Schwingen als Anti-Resonator. Bei Anregung des Tonarmes im Resonanzbereich, z.B. durch Schallplattenhöhenschlag oder dergleichen, werden durch diese Anordnung Energiependelungen zwischen Tonarm und Anti-Resonator eleminiert. Der als höher abgestimmter Anti-Resonator äußere Teil des Balancegewichtes verhindert die Übertragung von partiell auftretenden Platinen-Resonanzen auf den Tonarm. Die Auslegung des Tonarm-Balancegewichtes als zweifach Anti-Resonator bewirkt auch eine Vergrößerung des Störverhältnisses und damit des Rumpel-Abstandes.
“ (Bedienungsanleitung Dual 721, Seite 34)

Anatoly Likhnitsky greift in seinem Aufsatz „Dynamische Viskose-Dämpfung für Tonarme“ das Beispiel des Dual 721 für das Prinzip der „dynamischen Resonanzdämpfung“ auf, das er jedoch für zu unflexibel hält, da es nach seiner Meinung kaum praxisgerecht gehandhabt werden könne: Seiner Ansicht nach müsse ein solcherart gedämpfter Tonarm mit aufwendiger Messtechnik, individuell eingerichtet werden, solle das Dämpfungssystem nicht kontraproduktiv wirken, produziere ansonsten üblicherweise störende Resonanzen, somit Verzerrungen.
Dieses Problem sei mit dem Tonarm mit „Dynamischer Viskose-Dämpfung“ behoben. Sie wirke der Vibration des Tonarmes in jeder Richtung und ohne individuelle Einrichtung, quasi selbst-kalibrierend, entgegen.

[Bild: KopBem_05.jpg]

Schon in dem ursprünglichen Entwurf seines Tonarmes, dessen Kugelbasis noch starr, neben dem Tonarmrohr, auch noch mit einem außen gelegenem Gegengewicht verbunden war, schwämme in einer viskosen Flüssigkeit (Glycerin) eine Kugel aus Material hoher Dichte (zum Beispiel aus Kupfer oder Messing) die von einem Überzug mit niedrigem Reibungskoeffizient (zum Beispiel Polyethylen) mit einer Oberflächenstruktur mit flexiblen Stacheln umgeben sei. Es ist diese Kugel, die die Resonanzenergie aufnimmt und in ihrem viskosen Bad quasi abarbeitet. Die „Stacheln“ dienen dabei als Abstandshalter, die vermeiden sollen, das innere und äußere Kugel sich direkt berühren, die gleichzeitig die Übertragung der Vibration der Inneren Kugel auf ihr Gehäuse und das damit starr verbundene Tonarmrohr verhindern sollen.
Im Bereich von 9Hz soll dieses System im Vergleich zu konventionellen Methoden eine um 10dB verbesserte Dämpfung ermöglichen (Quelle: Goodsoundclub). Die Bedienungsanleitung des EP-038 nennt Werte von 8-10 dB ohne Angabe einer Referenz-Frequenz.

Ob diese Idee in der Realität umgesetzt wurde, bleibt einem Korvet-Besitzer mit Metallsäge zur Überprüfung vorbehalten.

In amerikanischen Foren wird kolportiert, es habe solche Tonarme gegeben, ebenso aber, aufgrund von Materialknappheit und dem Produktionsaufwand, auch Modelle ohne die innere Sphäre. Ein dort abgebildetes Röntgenbild belegt zumindest nicht das Vorhandensein einer soliden Kugel im Innern des Armes. Allerdings schreibt Likhnitsky in seinem Aufsatz auch, daß im Sinne der Schonung von Nadel und Platte zu überlegen sei, eine erleichterte Version der inneren Sphäre zu realisieren. Vielleicht aus einem nicht per Röntgenuntersuchung erkennbaren Material? Wie dem auch sei behauptet die Anleitung des Korvet das System der viskosen Dämpfung in einem Glycerin-Bad für dieses Gerät als realisiert.

Wer im Gedenken an russische Schachtelpuppen dieses Konstruktionsprinzip für einen Scherz oder einen Mythos hält, der muß sich fragen lassen, ob russische Hersteller so einen Marketing Gag, Ende der Siebziger Jahre, nötig gehabt hatten. Sicher hat man damals noch nicht an Sammler und westliche Aufkäufer späterer Zeiten gedacht.
Der Neupreis entspräche damals etwa einem Viertel PKW, so ist im „Goodsoundclub“ zu lesen. Die Anleitung des EP-003 nennt 1979 einen Kaufpreis von 680 Rubel, die Anleitung des EP-038S im Jahre 1988 630 Rubel. Beide Preise sind übrigens auch im Typenschild am Heck der Plattenspieler eingedruckt. Für soviel Geld überzieht man auch schon mal eine Metallkugel mit einem Noppen-Pariser und badet das ganze in Glycerin.
Was ich allerdings in Frage stelle, ist die dauerhafte Dichtigkeit der Kugel: Wie viele Jahre schwimmt die innere Sphäre wirklich in ihrem Bad?

[Bild: KopBem_06.jpg]

Neben aller Theorie sieht die Realität folgendermaßen aus:
Der Tonarm besteht aus einem Hochglanz-polierten Kugel-Korpus, an dem ein gerades, leichtes Tonarm-Rohr befestigt ist, das in einer speziellen Headshell endet. Beim EP-003 ist diese Shell auf einer Höhenebene mit dem Tonarmrohr ausgeführt, beim EP-038S nach oben gekröpft, so daß entsprechend des vergleichsweise erhöht drehenden Plattentellers das Tonabnehmersystem auch etwas höher befestigt ist, als beim Vorgänger.

Der Tonarm ist vom Chassis mit Hilfe zweier gleichpolig gegeneinander gewandter Permanent-Magnete (einstellbar) magnetisch entkoppelt. Für seine Drehbewegung ist er Kugel-gelagert, in der vertikalen Richtung bewegt er sich in einem Schneidenlager. Das Antiskating erfolgt mit Hilfe eines Feder-Mechanismus. Der Tonarmlift greift über einen Kunststoffring am Äquator der Kugel in die Höhenlage des Armes ein. Müßig zu sagen, daß der nicht automatisch angefahren wird.
Der Korvet ist stattdessen ein Halbautomat, der automatisch den Antrieb stromlos stellt und den Tonarm anhebt, sobald das Tonabnehmersystem die Auslaufrille erreicht hat. Laut Anleitung geschieht dies ohne weitere mechanische Verbindung zwischen Plattenteller, Zarge und Tonarm, die Positionsabtastung photoelektrisch, das Anheben des Armes rein elektromagnetisch gesteuert.

Die Auslegung des Tonarmes ist für den Einsatz von Tonabnehmern mit einem Gewicht zwischen 4g und 8g optimiert. Die Einstellung von Auflagekraft und Antiskating ist in einem Spektrum von 0-25 mN möglich.
Die mobile Masse des in der Erstausstattung des EP-003 eingebauten Magnet-Tonabnehmersystems GZM-008 "Korvet" mit Beryllium Nadelträger soll unter 0,001g liegen. Seine sphärisch geschliffene Diamant-Nadel des deutschen Herstellers Weinz-Weka wird in der Anleitung mit einer Lebensdauer von über 1000 Stunden angegeben. Für das Magnet-System GZM-028 des EP-038S gibt dessen Anleitung eine mobile Masse der Diamant-Nadel auf Beryllium-Träger von unter 0,8mg an. Die Form des Schliffs wird in der Anleitung nicht genannt, jedoch im Gegensatz zu einem elliptischen Schliff als leichter und mit geringerem Signal-Rausch-Verhältnis ausgestattet beschrieben.
Natürlich lassen sich an den Korvet auch andere Magnet-System installieren. Russen mögen das anders sehen, doch ist für hiesige Gewohnheiten ein Tonabnehmersystem mit fünf Polen und zehn Litzen eher gewöhnungsbedürftig. Zugegebenermaßen war der Korvet kaum für den Export in die 4-Pol-Kultur gedacht. Bin ich also selber Schuld und muß meine vorhandenen Korvet-Systeme pflegen! Hardcore-Bastler mögen sich hingegen entwarnt fühlen: Mit etwas Aufwand kann ein 1/2“-System an den Korvet adaptiert werden. Der Lochabstand der Headshell wird in der Anleitung mit 12,7 +/- 0,1mm angegeben. Genau: Ein Zoll hat 2,54cm.

Für nicht ganz so extrovertierte Charaktere ist der Korvet übrigens auch mit konventionellem Tonarm erhältlich. Es soll ihn sogar mit einer verbesserte Interpretation eines SME-Armes gegeben haben.

[Bild: KopBem_02.jpg]

Neben der Tonarmkugel ist der Plattenteller das vielleicht exquisiteste Detail an diesem außergewöhnlichen Gerät. Wo Besitzer von Thorens und Technics über Dicke, Dämpfungsverhalten, Schlupf und antistatische Eigenschaften ihrer Matte diskutieren, haben die Entwickler in St. Petersburg diese stillschweigend für gänzlich überflüssig erklärt.
Stillschweigend? Ob darüber diskutiert wurde, ob ein russischer Plattenspieler eine Matte brauche, werden wir kaum noch ergründen können. Schon eher, ob es dazu Pressemitteilungen oder Reden vor dem Zentralkomitee gegeben hat. Tatsache ist, das keiner meiner beiden Korvet eine Matte besitzt, das keiner der drei Korvet, derer ich bislang live ansichtig geworden bin, auch nur über einen planen Plattenteller verfügt.

Vielmehr dreht sich beim EP-038 Stereo etwas im Kreise, das wie ein Teil eines überspannten alpinen Dioramas aussieht, dreht sich beim EP-003 etwas, das wie das Modell einer Schöner-Wohnen-Utopie eines Sechziger-Jahre Architekten anzuschauen ist. Der Transcriptor lässt grüßen.

[Bild: KopBem_04.jpg]

Jedenfalls sieht der beplattete Plattenteller beider Geräte in Aktion schon recht eigenwillig aus, scheint die Platte aus manchem Blickwinkel geradezu über dem Gerät zu schweben!
Ob dem Design eine Philosophie der maximalen Entkoppelung der Platte vom rumpelgefährdeten Teller innewohnt, ist nicht zu mir überliefert. Man könnte der These anhängen, daß eine kleinere Auflagefläche weniger Schwingungen überträgt.

[Bild: KopBem_08.jpg]

Doch vollkommen mattenlos ist auch der Korvet nicht: Den First jedes einzelnen Hügels ziert jeweils eine Gummiauflage, die – je nach Sichtweise – die Platte vor dem Plattenteller oder den Plattenteller vor der Platte schützt.
Zumindest mit Gummipuffer reagiert der Korvet auch auf übelste Pressungen imaginärer Klassenfeinde ganz souverän. Fast geräuschlos ziehen die nicht eben leichten Metallteller (ca. 2,8 kg) ihre Kreise und nehmen mit, was man ihnen aufbürdet.
Dazu kann auch ein serienmäßiger Mitlaufbesen gehören. Denn zum originalen Zubehör des Korvet gehört ein metallener Arm mit Staubpinsel und Filzrolle. Gut gelöst ist dessen Befestigung: die Zarge verfügt über ein kleines Loch in das sich ein dünner, verchromter Stift einschrauben läßt, auf dessen Spitze der Mitlaufbesen gesteckt wird. Die Anleitung behauptet, der Mitlaufbesen habe keine Auswirkungen auf die Drehzahl des Plattentellers. Ich befürchte, die Auflagekraft dieser Konstruktion spottet jeder Beschreibung, zumal sie über keine Möglichkeit der Austarierung verfügt. Westliche Werbe-Kreative hätten so etwas sicherlich als Maßnahme der „Plattenberuhigung“ veredelt.

Dagegen gänzlich normal ist die Haube des Russen. Abgesehen von der halbrunden Ausbuchtung, unter der die Kugel des Tonarmes Platz finden soll. Sie ist einfach in die beiden fest mit dem Gehäuse verbundenen Haubenscharniere gesteckt und läßt sich von Überzeugungs-Audiophilen problemlos abnehmen.

[Bild: KopBem_03.jpg]

Die leicht bläulich getönte Haube scheint aus etwas weicherem, als dem Material kontinental-europäischer oder japanischer Staubschutzhauben gefertigt, ist jedoch formstabil genug, annähernd dreißig Jahre überlebt zu haben. Ohne extra Dämpfung oder Stütze kann die Haube in einem etwas größeren als einem 90°-Winkel geöffnet werden und hält dann dank der Gravitation selbstständig. Aus jedem kleineren Öffnungswinkel schließt sie, dank eben jener Erdanziehung, vollkommen selbständig, ungedämpft und nicht eben rücksichtsvoll.

Technische Daten: EP-003 (gemäß Bedienungsanleitung von 1979).
-Tonabnehmer GZM-008:
Übertragungsbereich: 20-20.000 Hz
Kanalabweichungen in einem Frequenzbereich zwischen 315 und 5000 Hz: <= 2 dB
Empfindlichkeit: 0,7 hoch +1 mV/cm/s (Übertragungsfaktor ?)
Abweichung der Empfindlichkeit zwischen den Kanälen: <= 2 dB
Trennung zwischen den Stereo-Kanälen <= -20 dB (bei 315, 1000 und 5000 Hz), <= -15 dB (bei 10000 Hz)
Nadelnachgiebigkeit: 20 hoch -5 * 10 hoch -3 mN
Klirrfaktor: <= 2% (bei 1000 Hz)
Menge des elektrischen Hintergrundes *: >= - 63 dB
Abschlußwiderstand: 47 kOhm
Einstellbereich von Auflagekraft und Antiskating: 0-25 mN
Empfohlene Auflagekraft: 10-15 mN
vertikaler Wiedergabewinkel *: 15 hoch -5 Grad
Basis des installierten Tonabnehmers: 215 +/- 2 mm
Lochabstand der Headshell: 12,7 +/- 1 mm
Gewicht des Tonabnehmers: <= 5,3g
-Laufwerk:
Drehzahl: 33,3 und 45,11 U/pm
Abweichung von der Drehzahl bei Stromschwankungen von +/-10%: <= +/- 0,35%
Regelbereich der Drehzahl: +2 bis -2 % (+/-0,5%)
Geräuschspannungsabstand (mit einer Gewichtung der Filter auf die Aufzeichnungen) >= -60 dB
Gleichlaufschwankungen: 0,1 hoch +0,05 %
Rumpel (gewichtet nach Kurve A) <= 20dB
Gewicht des Plattentellers: 2,8 kg
Betriebsspannung: AC 50 Hz: 220 +/- 22 V, oder 127 +/-13 V
Leistungsaufnahme: <= 8 Watt
Maße: 481 x 207 x 368 mm
Gewicht (ohne Verpackung): 13 kg
Kaufpreis: 680 Rubel

Technische Daten: EP-038S (gemäß Bedienungsanleitung von 1988).
-Tonabnehmer GZM-028:
Abschlußwiderstand: 47 kOhm
empfohlene Aufklagekraft: 10 mN
Kanaltrennung bei einer Frequenz von 1000 Hz - mindestens 28 dB
Empfindlichkeit: 1,2 +/- 0,3 mV * cm hoch -1 * s (pro Kanal bei 1000 Hz)
Abweichung der Empfindlichkeit zwischen den Kanälen: <= 1 dB (bei 1000 Hz)
Fremdspannungsabstand: >= 69 dB
Nadelnachgiebigkeit: >= 20 mm * H hoch -1
Lochabstand der Headshell: 12,7 +/- 0,1 mm
Gewicht des Tonabnehmers: 4,7 +/-0,3 g
-Laufwerk:
Drehzahl: 33,33 und 45,11 U/min
Regelbereich der Feineinstellung: +/- 3%
durchschnittliche Abweichung von der nominellen Geschwindigkeit – maximal +/- 0,3%
Gleichlaufschwankungen: <= 0,05%
Geräuschspannungsabstand: >= 76 dB
Leistungsaufnahme: maximal 8 Watt
Maße - 485 x 225 x 370 mm
Gewicht ohne Verpackung - 12kg +/- 0,5
Masse kostbarer Materialien - Gold 0,102g / Silber 0,360g
Kaufpreis 630 Rubel

(* Die Bezeichnung der angegebenen Werte in der russischen, kyrillisch geschriebenen Anleitung erschließt sich mir nicht immer eindeutig, zumal ich nicht gewährleisten kann, daß dortige Standards den hiesigen entsprechen. Daher habe ich teils die Bezeichnung angegeben, die ich übersetzt zu haben glaube.
Insbesondere bei der Anleitung des EP-003 ist mir nicht immer klar, ob die teils hoch-, teils tief-gestellten Werte Potenzen oder erlaubte Abweichungen vom Sollwert definieren. Klärt mich auf!)

Der Korvet wird manuell bedient. Unter der Headshell des ruhenden Tonarms befindet sich das wichtigste Bedienungsinstrument des Gerätes: Eine runde Scheibe mit aufgesetztem Rändelknopf als Zeiger und drei Hebeln in Position Drei, Sechs und Neun Uhr.

[Bild: KopBem_10.jpg]

Mit Hilfe der Scheibe läßt sich die Drehzahl des massiven Plattentellers einstellen: 33,33 oder 45,11 U/pm. Der linke Hebel „Сеть“ (9 Uhr) übernimmt die Funktion des Hauptschalters. Wird er betätigt, leuchtet an der vorderen linken Seite des Korvet die Beleuchtung des Stroboskop auf. Der untere Hebel „двигатель“ (6 Uhr) setzt den Plattenteller in Bewegung beziehungsweise unterbindet dessen weiteren Antrieb. Eine Bremse gibt es nicht. Der rechte Hebel „Микролифт“ (3 Uhr) schließlich bedient den Tonarmlift.

[Bild: KopBem_11.jpg]

Das Modell EP-038S verfügt im Gegensatz zum EP-003 über zwei LEDs, die Auskunft darüber geben, ob der Plattenspieler eingeschaltet ist und ob der Antrieb aktiviert wurde.

An der linken Seite des Plattenspielers liegt die Vorrichtung zur Beleuchtung des Stroboskop und zur Feinregulierung der Antriebsgeschwindigkeit beziehungsweise Tonhöhe. Das Modell EP-003 besitzt ein vollständig im Gehäuse versenktes Stroboskop, während der jüngere EP-038 stereo über einen Plattenteller mit am Rande sichtbaren Unterteilungen für die Geschwindigkeitskontrolle verfügt.

[Bild: KopBem_12.jpg]

Die Praxis? Man stelle sich vor, man besitze einen funktionsfähigen Korvet mit System und guter Nadel. Jener wäre ein ausgesprochen solider Plattenspieler. Wo insbesondere 80er Jahre Dreher westlicher oder fernöstlicher Herkunft manchmal den Eindruck erwecken, man müsse sich in Ihrer Nähe besonders vorsichtig bewegen, zieht der Korvet unerschütterlich seine Runden. Die gefederten Füße scheinen mir jedweden Trittschall ausreichend zu dämpfen. Ein Sub- oder Schwingchassis gibt es nicht.
Die Bedienung ist einfach: Einschalten. Motor starten. Den Tonarmlift liften. Den Tonarm auf die gewünschte Postion über der Platte bringen und absenken. Der Korvet spielt. Und das tut er, bis die Nadel in die Auslaufrille rutscht oder bis sie mit Hilfe des Liftes manuell angehoben wird..
Die Tonhöheneinstellung ist am EP-003 etwas fummelig, weil der Korvet von seinem Herrchen den Einblick auf sein Stroboskop nur von senkrecht über dem Guckloch erlaubt. Hier scheint der 038 Stereo etwas bequemer, was die Aufstellung des Gerätes erleichtert. Etwas wenig griffig ist lediglich das abgeschrägte Rändelrad der Feinregulierung. Doch wie oft dreht man das?

[Bild: KopBem_13b.jpg]

Die Justage des Tonarmes erfolgt mit Hilfe von vier Rändelschrauben an der Tonarm-Kugel. Über die an der Rückseite der Kugel – haben Kugeln eine Rückseite? -, gegenüber dem Tonarm befindliche Schraube, läßt sich das der Tonarm ausbalancieren. Reicht deren Regelbereich nicht aus, gab es im Zubehör zum Korvet eine spezielle Schraube anderen Eigengewichts, mit deren Hilfe sich zum Beispiel besonders schwere System austarieren lassen.
Die Auflagekraft wird rechts an der Kugel eingestellt. Die Einstellung für das Antiskating befindet sich rechts am Tonarmsockel.

[Bild: KopBem_14.jpg]

Anschlußseitig erwartet mein EP-003 DIN-, der EP-038 Stereo RCA-Buchsen am Verstärker.

Während sich die Hersteller von Plattenspielern im fernen Osten darum bemüht zeigten, Ihre Geräte mit allen nur denkbaren Raffinessen auszustatten, bietet der Korvet weniger Spielereien, als selbst der durchschnittliche RFT, Tesla oder Unitra: Auch nach hiesiger Philosophie das Vorrecht des Highend-Spielers. Ob es sich bei den Korvet um solche handelt, muss der geneigte Leser selber entscheiden.
Um das Gerät zu verstehen, sollte man vorher einen genaueren Blick in die Auflistung der Technischen Daten werfen: Diese geben darüber Auskunft, daß ein Korvet bei Schwankungen im Stromnetz selbst von +/-10% nur um +/-0,35% von seiner nominellen Drehzahl abweichen darf. Ein westlicher Hersteller würde kaum auf die Idee kommen, solch eine Angabe in seine Werbung aufzunehmen. Warum auch? In einem Land jedoch, in dem im Winter schon einmal das Fernwärmenetz einfror, wurden an einen Plattenspieler nicht unbedingt die gleichen Anforderungen gestellt, wie hier. Insofern habe ich auch kein Problem mit kleineren Eigenarten des Finish, wie die eher Leichtbau-Ausführung von Tonarmstütze und -Verriegelung. Funktioniert doch! Und wem hochglanzpolierte, gülden bedampfte Armaturen fehlen, dem sei noch ein Blick in die Technischen Daten des EP-038S angeraten: An Edelmetallen sind hier immerhin 0,360g Silber und 0,102g Gold verarbeitet. Nicht genug, daß sich das Auskochen lohnen würde, aber immerhin.

[Bild: KopBem_09.jpg]

„Klappe zu, Affe tot.“ Keine Ahnung, woher das Zitat stammt. Es bedeutet jedenfalls: „Ende“

P.S.: Die Erfinder des Tonarmes der Korvet werden übrigens in unterschiedlichen Quellen unterschiedlich genannt: Ob Grebinskim oder Grebioskny, ob Lihnitsky oder Likhnitsky stimmt, kann ich nicht verifizieren. Vielleicht auch ein Problem alternativer, doch zulässiger Transliterationen.

http://aml.nm.ru/tonearm.htm
http://goodsoundclub.com/Forums/PrintPos...PostID=377
http://www.hifi-archiv.info/KopBem

Tschüß, Matthias


P.S.: Dieser Text samt Bilder ist ausschließlich für die interne Verwendung durch Besucher des "Bandmaschinenforum" gedacht. Die durch Klammern heraugehobenen oder kursiv gesetzten Zitate unterliegen gegebenenfalls Urheberrechten Dritter. Eine, auch auszugsweise, private oder gewerbliche Nachverwertung ohne schriftliche Genehmigung ist ausdrücklich untersagt.
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#10
Moin, Matthias.

Ist ja unglaublich. Du hast dieses "klingonischste" Werk aller, bei dir stehen.

Ist ja völlig abgefahren. Ich habe schon einiges darüber gelesen. Es war aber mit wohl übertriebenem Pathos überhäuft.

So tolle Bilder aber, hab ich noch nicht vorher gesehen.

Wenn meine Grippe endlich vorbei ist, muß ich den mal "live" sehen.

Arnulf.
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#11
Hallo und guten Abend!
Ist glaube mein erster Beitrag.
Wollte nur kurz sagen das ich mir aus St.Petersburg so ein Geiles teil mitgebracht habe!
Gruss Steffen
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#12
Ein sehr interessantes Teil.
Danke für die Offenlegung.

Gruß Dietmar
Fostex R8; REVOX B77; Uher 4200 Report IC, Uher 4000 L, Tesla B115; Tesla B90; Technics RS AZ7; Mirano Echo Chamber T-4;
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#13
(26.02.2024, 09:01)luedre schrieb: Ein sehr interessantes Teil.
Danke für die Offenlegung.

Gruß Dietmar

Ist ja auch erst 15 Jahre her... Rolleyes
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#14
Hallo Matthias, 

hast du möglicherweise den "Sputnik" heute - 17 Jahre nach deinem ersten Beitrag - noch im Einsatz?

Gruss 

Willy
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#15
Da war ich jahrelang hinterher, nachdem das mal ein Fan von russischer Technik im Hifi-Forum gezeigt hatte. Leider haben die wenigen Kontakte nach Rußland nie was ergeben und irgendwann hab ich aufgegeben, genauso wie die Suche nach der großen Olimp 005 (zu günstigem Preis). Heute eh alles keine Geheimtipps mehr.
Gruß, Kuni
..............................

http://kuni.bplaced.net/
..............................
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#16
Moin,

Einsatz? Nein. Aber beide sind noch da und bleiben auch noch etwas.

Wie das momentan mit dem Import von russischem HighTech in den Westen aussieht, mag ich nicht bewerten. "Damals" hatte ich mal einen für ein Foren-Mitglied über einen Deutsch-Russen aus Niedersachsen besorgt. Da kommt auch die eine oder andere von meinen Olimp und Elektronika her, die ich mal gezeigt hatte https://tonbandforum.de/showthread.php?tid=3587

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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