Agfa FS
#1
Hallo,

wie Ihr sicher schon wißt, probiere ich gern ältere Bänder aus und bin vom LGS begeistert (natürlich mit 35, 40++ Jahren alter Musik).

Heute war ein Agfa FS dran. Das Zelluloseacetetband wurde von 1951 bis 1954 hergestellt (meins ist höchstwahrscheinlich von 1952) und hat noch keine länglichen Oxidteilchen. Die magnetischen Daten fehlen der Tabelle leider.

Auf dem knallgrünen Vorlaufband steht neben dem FS eine große 10 und kleiner: 078.

Das Band wickelt gut, was wohl an seiner Stärke (SP, natürlich) und deutlichen Rauhigkeit auf beiden Seiten liegt.

Aber es ist zu breit: Das Magnetband selbst geht gerade noch mit leichtem Widerstand durch die Führungen, was allerdings ein lautes Schleifgeräusch erzeugt, die Vorspannbänder passen allerdings nicht mehr, und es kommt (beim Spielbetrieb) zum Autostopp der besonderen Art (Schaltband gespart!) Wink

Klanglich, naja, historisch, würde ich sagen. Unter 19cm/s habe ich es gar nicht probiert; vielleicht wären 38cm/s besser.
Ich habe es erst einmal mit einer monophonen Aufnahme bespielt (Miles Davis 1949), die für ihr Alter (und besonders Ursprungsland) recht gut klingt. Hier waren deutliche Aussetzter zu vernehmen, allerdings aufgrund der Spurbreite und Geschwindigkeit noch recht human, im Gegensatz zu manchen Kassetten. Aber doch recht häufig.

Die zweite Aufnahme war schon anspruchsvoller (auch MD, etwa 20 Jahre später): Klar im Klang, sehr viele Becken, laute, "stechende" Trompete (MD eben), geringes Rauschen.
Meine Aufnahme: Schön, daß man den Klanggewinn des Ursprungs deutlich hören konnte...

Da ich keine Spitzenanlage habe (was auch gar nicht meiner Gesinnung ist) und meine Erfahrungen gering sind, behaupte ich mal: Das FS ist wahrscheinlich vom LGS soweit entfernt, wie das LGS vom Spitzenband der Tonstudios.

Grüße,

Thommy
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#2
Lieber Thomas,

um von hinten anzufangen: Unterschiede gibt es zwischen FS und LGS52, dramatisch würde ich sie aber nicht nennen.

Wir sollten aber zwei, drei Dinge nicht aus dem Auge verlieren: Friedrich Krones kam erst im März 1953 von Wien nach Leverkusen, und: BASF hatte sich stark auf den Amateurmarkt kapriziert, weil es im Profibereich nicht so laufen wollte, wie man sich das alterfahrenes Institut vorgestellt hatte. Denn wer hatte länger Bänder hergestellt, als die Ludwigshafener?

Die Zeit des Tastens war überdies noch nicht zuende, Entzerungen noch nicht verbindlich genormt, auf dem Amateurmarkt der Schritt nach 9,5 jedoch unübersehbar, was erhebliche Anforderungen an das Magnetband stellte, was 1951 nicht abzusehen war (Walter Weber hätte wohl die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Vielleicht gut, dass ihm das erspart blieb.) Der praktische Umstieg auf Bänder von 1/4" Breite, der schleichend erfolgte, lief ja auch noch, was man nicht zuletzt an deinem Exemplar sieht, das vermutlich 6,5 mm breit ist, also das 'alte Pioniermaß' aufweist und damit vielelicht doch ins erste Jahr der FS-Fertigung gehört.

Insofern vergleichst du letztlich ein Fossil der Amateurbandgeschichte (kubisches Magnetit, AC-Träger) mit einem durchaus neuen Produkt (nadelförmiger Magnetit, basf-traditioneller PVC-Träger). Es darf deshalb nicht verwundern, dass LGS52 15 weitere Jahre lebte, wogegen FS von Krones schon 1954 zügig getilgt wurde. Es rührte sich dann ja auch einiges bei der AGFA, Leverkusen, wo 1956 mit dem FR22 ein Band auf den Markt kam, das nicht mehr weit vom 25 Jahre jüngeren 528 entfernt war.

Übrigens ist das FS wohl das dickste Band, von dem ich Daten habe, denn die Gesamtdicke beträgt nach Altrichter kaum glaubliche 61,5µ, was möglicherweise deine Bandgerät mehr forderte als ihm lieb war: Du hattest Aussetzer, die allerdings auch der Halb- (oder gar Viertelspur-?) Aufzeichnung auf einem Band anzulasten sein können, das noch beruhigt in Vollspurkategorien dachte.

Altrichters Buch ist übrigens der einzige Ort, an dem sich Daten zu den mechanischen und elektrischen Eigenschaften des FS finden. Bei Interesse kann ich sie dir schicken.

Nicht zuletzt muss man beim Material der 'fossilen FS-Klasse' aber eigentlich eine sehr genaue Einmessung der Bandmaschine versuchen, was angesichts des Fehlens einschlägiger Daten nicht ganz einfach ist. Besitzt man einen hinreichend pegelstabilen Tongenerator mit Frequenzvervielfacher, lässt sich der Arbeitspunkt aber relativ zügig praktisch ermitteln, ohne dass man auch noch mit Klirrfaktormessungen anfangen müsste:

Man arbeitet wie bekannt mit 10 kHz, justiert bei -20 dB das Maximum und erhöht dann den Vormagnetisierungsstrom langsam unter stetigem Hin- und Herschalten zwischen 10 und 1 kHz. Man stellt dabei fest, dass der 1-kHz-Wiedergabepegel ansteigt und der von 10 kHz -wie nicht anders erwartet- abfällt. An der Stelle, an der sich beide Pegel im selben Wert treffen, darf man einen sinnvollen Arbeitspunkt annehmen:

[Bild: Arbtspkt.jpg]

Voraussetzung hierbei ist natürlich, dass der Generator hinreichend pegelstabil arbeitet, oder man zuvor ermittelte Abweichungen bei 10 vs. 1 kHz berücksichtigt. Man wird auf diese Weise den Bändern ja etwas besser gerecht.

Remanenz und Koerzitivität beider Bandtypen sind gleich oder fast gleich, wenn man dem Kollegen Altrichter glauben kann. Manche seiner Tabellenangaben sind ja doch -na, drücken wir es vorsichtig aus- etwas eigenartig.

Hans-Joachim
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#3
Danke für die (immer mal wieder) schöne Antwort.

Ja, das Datenblatt würde mich interessieren.

Ich denke auch, daß man mit eingestellten profi-Geräten mehr aus diesem Band holen kann.
Spurbreite übrigens 2x 2,5mm.

Anmerkung: Ich hielt die Spule (Wickel) der Sonne entgegen und ihr Licht schien leicht durch.

Gruß

Thommy
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#4
Zitat:Thommy74 postete
...Auf dem knallgrünen Vorlaufband steht neben dem FS eine große 10 und kleiner: 078...
Was hat es wohl mit diesen Angaben auf sich?
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#5
Zitat:Thommy74 postete
Anmerkung: Ich hielt die Spule (Wickel) der Sonne entgegen und ihr Licht schien leicht durch.
Thommy
Ja, das ist hübsch, nicht wahr? Liegt am AC-Träger.

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#6
Es regnet, ---

aus der Forenmitte erreichte mich der Wunsch, die Daten des FS -von einem Datenblatt zu sprechen widerstrebt mir etwas, weil das (falsche) Erwartungen weckt, die in den 1950ern noch anders befriedigt wurden als in der letzten Generation der Bandfertigung- auch im Forum zugänglich zu machen.

Nun entstand der Altrichter als Gemeinschaftsproduktion Ost/West (Berlin-Stuttgart, "der Osten macht die Arbeit, der Westen das Geschäft") auf derart holzhaltigem Papier in keineswegs besonders hochwertigem Druck, dass Vergilbung schon ein Qualitätsmerkmal wäre. Der Scan sieht entsprechend aus, zumal er hier auch noch verkleinert werden muss. Man wird mir das nachsehen. Weiterhin fasste ich alle relevanten FS-Daten -so in Ernst Altrichter, Das Magnetband. Eigenschaften und Anwendeungen eines Nachrichtenspeichers. Berlin-Stuttgart 1958 präsent- zusammen und entfernte Angaben zu anderen Bändern, die ich ihrerseits bereits gescannt habe, weil da doch etwas kurioses Material dabei ist, wofür aber sicher Interesse besteht.
Mal schauen, ob meine Tifs diesmal laufen, weil ich damit im Zuge der letzten Versuche wenig Glück hatte. JPGs sind ja auch keine Lösung (Meine Tifs mag er aber seit Neuestem nicht, daher doch JPG):

[Bild: FSDatenk.jpg]

[Bild: FSak.jpg]

[Bild: FSbk.jpg]

Interessant ist der frühe Versuch, Bänder (Altrichters Tabellenteil umfasst bis zu 51 Bandtypen) in Diagrammen (Beziehung Bandfluss zu Koerzitivität und Remanenz, sowie Hörkopfspannung zum Hf-Strom) zu charakterisieren, was im Verlauf der nächsten zehn Jahre in den auch für die Öffentlichkeit bestimmten Publikationen der AGFA und BASF erheblich ausgebaut wurde.

Hans-Joachim
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#7
Lieber Hans-Joachim,

vielen Dank für die Daten (und den Aufsatz).

An alle:

Ich sehe in der Tabelle die Einheit "M". Kenne ich nicht. Der verbleibende Sättigungsfluß wird doch normalerweise in Weber pro Meter angegeben. Ist "M" veraltet?


"078" könnte die Chargennummer sein (und die 10 vielleicht eine Teilcharge), im "Datenblatt" steht auch eine dreistellige Zahl. Wahrscheinlich wurden 1951 noch nicht so viele Bänder für den sich erst entwickelnden Heimgerätemarkt hergestellt.

Gruß

Thommy
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#8
Ich hab's gefunden. Wiki sei Dank!

M (auch Mx) steht für Maxwell und ist durch das Weber abgelöst worden.

1M = 10 nWb

Grüße
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#9
Interessant, die Daten zur Banddicke des FS-AGFA.

Ich habe gerade mal in dem Büchlein Wolfgang Junghans - Tonbandgeräte-Praxis etwas geschmökert, dort ist von einem AGFA FR 22 mit AC-Träger die Rede. Banddicke 65 µ ! Das wäre ja noch etwas mehr.....das von euch angesprochene AGFA FS hat laut dieser Schrift jedoch nur eine Dicke von 55µ.

Wer hat da nun recht ?

Thomas
Manche Tonträger werden mit jedem Ton träger.
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#10
Hallo,

stimmt, ist mir noch garnicht aufgefallen.

Leider kann ich zur Lösung wenig beitragen:

Auf der Schachtel stehen keinerlei Angaben, somit auch keine Bandlänge,
der Kern hat schon die üblichen 60mm Durchmesser,
die Spule ist zwar recht voll, aber nicht übermäßig, sodaß kein Band von der Spule fällt.
Leider kann ich die Bandstärke nicht messen oder erfühlen (soweit bin ich noch nichtSmile)

Aber eine andere Überlegung:
BASF LGS 52 hat eine Stärke von 48µm (warum nicht LGS 48?) und auf der 18er Spule 360m Band. Wenn ich das jetzt auf 61,5µm hochrechne, müßte die Agfa-Spule 280m Band haben und bei 19cm/s 24 1/2 Minuten laufen (stimmt das so?)

Es lief aber länger!

Leider weiß ich nicht mehr wie lange (ich möchte das Band auch, wegen seiner Breite, vorerst nicht mehr laufen lassen, da das AC-Band ja besonders leicht reißt), aber ich glaube fest, die 30min erreicht zu haben.

Gruß

Thommy
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