Neben der oben leider nicht vollständig zitierten Patenschrift gibt es noch einige weitere Erwähnungen des Verfahrens, übrigens in den Tagungsberichten der Tonmeistertagungen. Dazu ist anzumerken, dass schon in den mittleren 1980er Jahren der Einfluss des IRT auf die gerätebeschaffungen massiv auf dem Rückzug war, und Günther Theile 1984 sein Kugelflächenmikrofon vorstellte, das mit Woywods Kugel nun immerhin die Form teilt, aber als nur zweikanaliges Verfahren bei deutlich besserer Übersprechdämpfung zwischen den Systemen auch eine günstigere Entzerrung wählen kann. Und wenn jemand dem IRT in vielerlei Hinsicht Farbe nach außen verliehen hat, dann war das Günther. Vergessen wollten wir auch nicht, dass Mitte der 1980er Jahre bereits vielkanalige, digitale Offenspulengeräte auf dem Markt waren, da ohne sie Tobias Pragers Untersuchung der (Stereo)Hauptmikrofonarten nicht recht möglich gewesen wäre, die ja durch Martin Wöhr und Bernhard Nellessen nicht unerheblich erweitert wurde. (Vgl. TMT-Tagungsbericht 1986.)
Daran lag es also nicht. Es sind die -unter den Aspekten der Lautsprechersterofonie- immer kritischen festen Mikrofonabstände, die die Versatilität eines in einem 'Array' bestehenden Systems einschränken, da der Aufnahmewinkel, unter dem das Mikrofon die (gegebenenfalls) recht ausgedehnte Schallquelle 'sieht', nicht durch Variation der Winkel der Mikrofone zueinander (Versatzwinkel) und/oder die Veränderung der Abstände 'eingestellt' werden kann.
Ein weiteres Problem liegt in den durch den 'Kopf' vorgegebenen (also festliegenden) Spektraldifferenzen (links und rechts), deren Sinn viele Tonmeister (namentlich der Sengpieltradition) heute nicht nur bestreiten, sondern engagiert als Qualitätsmangel bekämpfen (Verfärbung). Nicht ohne Ursache. Aus den oben genannten Gründen konnte sich auch das in meinen Augen interessante Kugelflächenmikrofon Theiles nach der branchenüblichen Anfangseuphorie nicht durchsetzen. Ich benütze es heute für geeignete Aufnahmegegenstände nicht ungerne, jedoch sind die, namentlich in Anbetracht des saftigen Preises (es ist weiltweit meines Wissens nurmehr das KFM6 von Schoeps verfügbar), nur in sehr begrenzter Anzahl vorhanden. Siehe oben.
In seiner Vorstellung des Kugelflächenmikrofones kommt Günther Teile 1986 (Vortrag auf der TMT in München) auf die Woywod-Kugel zu sprechen:
"“Woywod-Kugel”
Der Trennkörper (eine Kugel, Durchmesser 20-25 cm) wirkt hier gleichzeitig
auf die Richtcharakteristik von vier Druckempfängern, deren Schalleinsprachen
mit der Kugeloberfläche bündig abschließen und deren Verbindungslinien ein
Tetraeder bilden ("Tetraphonie”). Werden für Stereofonie nur das linke und
rechte vordere Mikrofon benutzt, so ist in diesem Fall die Wirkung des
Trennkörpers nicht ausreichend: beide Einsprachen befinden sich im vorderen
Kugelbereich (Öffnungswinkel der Mikrofonachsen 110°): Infolgedessen
entstehen zu den Laufzeitunterschieden kaum die geforderten äquivalenten
Intensitätsunterschiede*, was vermutlich zu einer verhältnismäßig engen und
flachen räumlichen Abbildung führt. - Die Positionierung der Einsprachen im
vorderen Kugelbereich wirkt sich auch in Bezug auf Klangfarbe ungünstig
aus, weil für frontale Schalleinfallsrichtungen beide Druckempfänger in der
Zone einer Schalldruckanhebung liegen, die oberhalb etwa 2 kHz 4-6 dB
beträgt."
*)Theile benützt hier den damaligen Jargon. Es geht nicht um Unterschiede der
Intensität (Intensitäten sind Amplitudenquarate), sondern des Pegels (eine einfachen Amplitude).(HJR)
Dieser Text sagt also, dass die Signale der Woywodkugel nicht abwärtskompatibel sind. Nachdem man damals in der Tat gegenüber mehrkanaliger Wiedergabe Distanz demonstrierte (die vierkanalige CD-Option wurde meines Wissens nie von einem kommerziellen Produkt abgedeckt, das Quadrodebakel saß noch in den Rippen), war die Kugel zur falschen Zeit am falschen Ort, einmal abgesehen von den prinzipiellen Mängeln eines solchen in sich fixen Systems, das uns im Übrigen auch im Soundfield-Mikrofon gegenübertritt, das aber noch ganz im Koinzidenzgedanken wurzelt (Monokompatibilität).
Hier gibt es einen Aufsatz zur Woywod-Kugel:
Schüller, P.: Tetraphonie. Stereoplay 12, 1986, S. 68-69.
Bei Eberhard Sengpiel (übrigens ein prominenter Gegenspieler Theiles) kann man zu den Reserviertheiten gegenüber den Ohrsignalen bei Lautsprecherwiedergabe -sie ist heute mehr denn je der Regelfall- nachlesen. Dabei sollte einem generell klar sein, dass die prinzipbedingt miserable (also flaue) Ankopplung des Lautsprechers an die Impedanz der 'Transportluft' (zwischen LS und Ohr) Maßnahmen seitens des Tonverantwortlichen erfordert, die die Vorgaben der Binauralität (Stereofonie mit Ohrsignalen) bei weitem sprengen. Insofern sind die meisten Trennköpferstereofonien wenig 'versatile' Werkzeuge, was ihre Beliebtheit unter Tonmeistern nicht eben steigert, wo man zur Außenaufnahme Handwerkszeug 'rein zur Prophylaxe' denkbar ungern mitschleppt. Es muss ohnehin schon genug 'Salat' mit.
http://www.sengpielaudio.com/BrauchenUns...ignale.pdf
http://www.sengpielaudio.com/GehoerenOhr...recher.pdf
Hans-Joachim