Taumelnde Köpfe
#1
Ein Tonkopf wird normalerweise in Höhe und horizontalem wie vertikalem Winkel ausgerichtet*. Ich frage mich, ob dies überhaupt notwendig ist. Begründung:

Im Regelfall wird ein Tonkopf an 3 oder 4 Punkten auf dem Chasis mittels Schrauben fixiert. Hierbei setzt man voraus, das die Bohrungen für die Punkte hinreichend präzise ausgeführt sind. Wenn nun aber diese Bohrungen sehr genau gefertigt wurden, warum sollte man dann einen Tonkopf nicht einfach festschrauben können? Dies würde voraussetzen, dass auch die übrigen Bandführungselemente sowie die Tellerhöhen genau passen. Der einzig verbleibende Grund, warum Tonköpfe nicht einfach nur festgeschraubt werden können, müßte demnach eine ungenaue Fertigung desselben sein, was aber wohl eher auszuschließen ist.

Wie gesagt: könnte man Tonköpfe beim Einbau auch DREHEN, würde der Hersteller damit zugeben, dass ein hochpräzises Ausrichten von Fall zu Fall nötig ist.

*ich habe dazu einige kleine Geräte kontrolliert, bei denen es lediglich eine starre 3-Punkt-Befestigung gibt
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#2
Mit Deiner Vermutung, daß die Tonköpfe ungenau gefertigt werden, bist Du auf der richtigen Spur. Dabei hört sich das Wort "ungenau" despektierlicher an als es ist. Letztendlich gehört es zum Plan, die Genauigkeit durch eine Justage zu erzielen, und dieser Plan ist sehr plausibel.

Das große Thema des Tonkopfbaus ist der Spalt, der, nur wenige µ breit, genau stimmen muss, auch in Länge, Tiefe und Ausrichtung. Bedenke: Es gibt bei einer Stereo-Maschine 2 Spalte pro Kopf, die zueinander passen müssen. Idealerweise gleichen sich die Köpfe in der laufenden Serie wie ein Ei dem anderen, in der Praxis begnügt man sich mit einer möglichst engen aber vorhanden Serienstreuung. Berücksichtigt man, daß ein Kopf aus vielen einzelnen Blechen zusammengesetzt wird, so sind alleine diese Forderungen schon recht recht anspruchsvoll, erst recht bei kleinen Köpfen. Das hat dazu geführt, das Tonköpfe nicht an jeder Ecke gebaut wurden, sondern von Spezialisten.

Die Präzision, die Du forderst, erstreckt sich über den Spalt hinaus in die Peripherie, wo die Befestigungspunkte sitzen. Ein Kopf wird in der Regel geschraubt. Eine Schraube taugt nicht zum positionieren und zentrieren, sie hat immer etwas Luft. Einen Stift könntest Du genau als Passung fertigen - der sitzt dann "satt" und spielfrei in seiner Bohrung, aber ein Stift befestigt nicht. Also bräuchtest Du eine Kombination Stift-Schraube und bist bei einer der klassischen Befestigungsarten des Maschinenbaus und auch der Feinwerktechnik angelangt. Der Stift kann auch durch einen anderen Formschluss (... form-pass-genaue Einbettung eines Bauteils in einem Gegenstück ...) ersetzt werden. Das sind im allgemeinen die Bearbeitungen, die Geld kosten.

Wir sind jetzt immer noch beim Kopf, bitteschön, und der sitzt auf einem Kopfträger, der ja genauso präzise gefertigt werden müsste, denn was nutzt der genaueste Kopf, wenn die Plattform, auf der er sitzt, nicht präzise ist?

Wenn Du nun vorhast, die Präszision von Anfang an zu erzwingen (... ich hatte das auch immer vor, als ich Anfing zu konstruieren. Hatte zum Glück einen raubauzigen Werkstattmeister, der mich dann immer wieder an der Praxis geerdet hat. Dazu ignorierte er nicht einfach den Stuß, den ich auf die Zeichnung schrieb, sondern er ließ mich antanzen um in einem konstruktiven Kritigespräch das zu zerfleddern, was mir soviel Mühe und Kopfzerbrechen gemacht hatte) dann rechne mal nach:

Der Kopfspalt soll mit einer Genauigkeit von 0,01 sitzen. Wieviele Bauteile zählst Du, vom Kopfspalt ausgehend bis zum Kopfträger einschliesslich diesem? Nehmen wir an, es wären 5 Stück (Schraube, Mutter, Gehäuse des Kopfes, etc.), dann müsste jedes Bauteil innerhalb von 2µ genau stimmen, damit du am Ende im worst case auf ein Hundertstel Fehler kommst. Bei 10 Bauteilen wären es 1µ Toleranz

Und dann kommt noch jemand und meckert: Früher, als man die Köpfe noch einstellen konnte, saßen die genauer. Womit er recht hat.

Es ist in der Fertigung durchaus üblich, über 10 Schritte hinweg fünfe gerade sein zu lassen, um an einer speziellen Stelle die Genauigkeit durch justieren herzustellen. Das damit erreichte Ergebnis übertrifft, wenn es richtig gemacht wird, die präzise Einzelfertigung und deren justagelosen Zusammenbau bei weitem!

Die heute in der industriellen Produktion übliche präzise Einzelfertigung hat sich erst durchgesetzt, als Genauigkeit ab Maschine immer weniger kostete und es wirtschaftlicher war, 10 genau angefertigte Teile einfach zu einem Gebilde ausreichender Genauigkeit (was nicht heisst: hoher Genauigkeit) zusammmen zu bauen, anstatt durch Kunstgriffe und Zeitaufwand einen Spezialisten diese Genauigkeit bei der Montage herbeiführen zu lassen.

Überspitzt formuliert:
Wir fertigen heute z. B. im Stanzwerkzeugbau locker aus dem Handgelenk in einem Genauigkeitsbereich, der für unsere Väter völlig unerreichbar war. Trotzdem ist ein neuzeitliches Werkzeug nicht unbedingt präziser im Schnitt als ein handgefertigtes aus alten Zeiten. Man hat allerdings auch erkannt, daß die Präzision nicht überall auch notwendig war, und die Fertigung passgenauer Ersatzteile, die ohne Nacharbeit eingebaut werden können ist als Vorteil aus heutiger Zeit zu sehen.

Meines Wissens gab es nur bei TFK die Möglichkeit, auf die Einstellung der Bandhöhe (also eines Einstellungsmerkmales zu verzichten), weil die Köpfe entsprechend genau gefertigt waren.

Fehlende Einstellmöglichkeiten sind ein Zeichen dafür, daß man es mit der Tonqualität nicht so genau nimmt. Bei bestimmten Geräten (Diktiergeräten) kann das durchaus sinnvoll sein.
Michael(F)
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#3
Nachtrag wg. "Drehen" des Kopfes:

Meinst Du diese Einstellung, die z. B. in den TEAC-Manuals als "Zenith" beschrieben wird? Diese Einstellung ist sehr wichtig, sie sichert, daß der Spalt immer in der Mitte der Band-Kopf-Berührfläche liegt.

Insgesamt stellst Du ein:

Höhe
Schieflage quer zur Bandlaufrichtung ("Tilt" heisst das, glaube ich, bei TEAC)
Schieflage in Bandlaufrichtung, der bekannte Azimuth
und eben die beschriebene "Zenith" Einstellung, man könnte auch sagen "Umschlingung".
Michael(F)
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#4
Die Erfndung der Taumelplatte ist jünger als die Erfindung des Ringkerntonkopfes, die Justage der Köpfe im auf das Gerät aufgesetzten Kopfträger wurde erst nach RRG-Zeiten üblich. Man musste also erst erfahren, was man in der Praxis brauchte.

Dr. Walter Weber starb noch aus einer Umgebung der mikroskopisch justierten Kopfträger heraus.
Ich denke, dass erst die Schaffung der Bezugsbandidee den Fokus auf die eigentlich für Praktiker vom Schlage Webers und Braunmühls naheliegende Justage im Gerät lenkte. Dafür war die Zeit aber nicht vor 1944 reif, als erstmals so etwas wie ein Bezugsband angesprochen wird. Als Normalien jedoch kommen sie erst um 1950 auf den Markt, weil für einen solchen Schritt völlig andere Sachen zu klären waren als die Qualität von Spaltstellungen...

Hans-Joachim
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#5
"Tilt": Band/Kopf Parallelität.
Bei der X-2000R (und vermutlich bei den anderen 2000ern auch), läßt sich Tilt und Height nicht einstellen. Halbstarre Montage nennt Teac das (semi-fixed). Meines erachtens nicht der Weisheit letzter Schluss.

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#6
Zitat:Michael Franz postete
Nachtrag wg. "Drehen" des Kopfes:

Meinst Du diese Einstellung, die z. B. in den TEAC-Manuals als "Zenith" beschrieben wird?
Ich bin mir nicht sicher. Nehmen wir einmal an, alle 3 Schrauben hätten erhebliches Spiel, so könnte ich den Tonkopf weiter nach vorne schieben und damit enger an das Band heranführen, ich könnte ihn aber auch etwas zur Seite drehen, so dass gfs. ein Teil der Kopfspalten 'in der Luft hängt' und keinen Kontakt zum Band hat.
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#7
Um es ein wenig "dialektisch", d.h., aus einer anderen Ecke heraus, anzugehen: der "Teil zur Spalteinstellung" auf Bezugsbändern war mit einer Genauigkeit von (zuletzt) 1 Winkel-Minute genau eingehalten. 2-Zoll-Bezugsbänder wurden mit Vollspur-Köpfen gefertigt (u.a., damit sowohl 16- wie 24-Kanalköpfe damit eingestellt werden konnten). Nun darf sich jeder ausrechnen, was da an Fehlwinkel der Kopfstellung toleriert werden konnte bzw. mit welcher Genauigkeit ein richtig eingetaumelter Kopf eingestellt worden war. Am kritischsten waren naturgemäß die sog. HiFi-Bezugsbänder für 4,76 cm/s, deren höchste aufgezeichnete Frequenz immerhin 18 kHz war, also einer Wellenlänge im 2 µm-Bereich entsprach!

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#8
Zitat:Michael Franz postete
...Meines Wissens gab es nur bei TFK die Möglichkeit, auf die Einstellung der Bandhöhe (also eines Einstellungsmerkmales zu verzichten), weil die Köpfe entsprechend genau gefertigt waren.
Hier mal ein Bild, wie es bei Telefunken aussieht:

[Bild: m15azimut.jpg]

Der Kopf sitzt auf einer Platte, die lediglich mit zwei Schrauben befestigt ist. Platte und Träger sind sehr plan und genau gefertigt. Da wo der schwarze Pfeil hinzeigt, ist nicht die Sollbruchstelle, sondern die Stelle, wo die Platte federnd verbogen werden kann.
Im Bild kann man es nicht sehen, da wo der blaue Pfeil hinzeigt, ist zwischen Platte und Träger etwas Luft, ca 0,3 mm. Am rechten Ende der Platte sitzt die Azimutschraube, mit der man so den Kopf etwas im Azimut ändern kann.

Telefunken schreibt:
Zitat:...Die Senkrechtstellung des Spaltes zur Fußplatte wird mit einer Genauigkeit von +-15 Winkelminuten eingeschliffen. In Verbindung mit der Taumelplatte ergibt sich für den fertig montierten Kopfträger ein Verstellbereich von +- 30 Winkelminuten für den Aufnahme- und Wiedergabekopf. Damit ist eine Anpassung auch an extrem schiefwinklig aufgenommene Bänder möglich...
Das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, 30 Winkelminuten sind 0,5°. Ich bezweifele, ob alle Heimaudiogeräte viertelspur das Werk mit auf 30 Winkelminuten genau eingestellten Köpfen verlassen haben. Es sei dazugesagt, die Spurbreite bei viertelspur ist 1 mm, bei vollspur sind es 6,3 mm, da merkt man einen Azimutfehler ganz schnell.

Andreas, DL2JAS
Was bedeutet DL2JAS? Amateurfunk, www.dl2jas.com
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