Ob die Studer A807 mastern kann... oder nicht?
#1
... da ist die Frage!
Ich möchte mit einer A807 auf 1/4" 15ips mastern. Aber habe auch gelesen, sie sei dafür nicht gut, mit Bassproblemen und was weiss ich noch, dass die A810 besser sei usw...

So, was denken Sie? Ist die A807 gut für mastering oder nicht? Was gibt's für grosse Unterschieden in den A810- gegen A807-Klang/Funktionierung/Einstellung?

Grüsse aus Südfrankreich-unter-der-Sonne! Smile
Christophe
Zitieren
#2
Hier

http://forum2.magnetofon.de/f2/showtopic...eadid=3580

versuchen wir diesen Fragen auf den Grund zu gehen Wink
Michael(F)
Zitieren
#3
Lieber Chistophe,

die von dir 'namhaft' gemachten Probleme wären nachweisbar und als solche problemlos zu bekämpfen, existierten sie denn. Einfachere Bandgeräte im professionellen Bereich -und da siedle ich die 807 an- erfordern vom Nutzer etwas mehr Umsicht und Sorgfalt im Betrieb. Solcher Zusatzaufand aber führt bei einem großen Tonaufnahmebetrieb wie dem einer Rundfunkanstalt sofort zu Staus im Produktionsablauf, an dem viele zu bezahlende Personen beteiligt sind. Man versuchte daher schon zu RRG-Zeiten (deren Verstärker kamen ja über die Besatzungszeit hin lange von Ducretet in Paris) durch rigorose Ansprüche an die Gerätetechnik solchen gerätebedingten Blockaden entgegenzuwirken, also 'schussfeste' Technik zu ordern. Der Preis spielte dabei eine sekundäre Rolle, was für alle professionellen Bandgerätegenerationen galt.

Für dich ist es aber gleichgültig, ob du die Andruckrolle vor jeder Wiedergabe reinigst, um den Schlupf am Tonmotor gering zu halten, weil der rechte Wickelmotor deiner 807 so ohne Regelung läuft wie die Wickelmotoren der AEG-K4 oder K-8 (bzw. T8), der G36, A77 oder der 'Alma mater' aller Studer-Profimaschinen, der A27 (ungeregelter Aufwickelmotor, so wie bei der 807). Beim Rundfunk sieht das anders aus. Man kann vom Tontechniker neben der normalen Tätigkeit auf Signal hin nicht erwarten, vor jeder Wiedergabe den Schlupf an der Tonwelle zu kontrollieren. Das übrigens führte zur anderweitig in diesem Forum diskutierten (Nachkriegs-) Normung des 10-cm-Kernes führte. Noch bis 1950/51 war als 'Bobby' der "kleine Untermann" üblich, der nur 7 cm Durchmnesser hatte und an Bandbeginn und Bandende zu einem überhöhten Schlupf (Durchrutschen) an Tonwelle bzw. Andruckrolle führte.

Die monierten Bassprobleme der 807 sind ausgekochter Unsinn und fallen auf die Urheber solchen Kokses zurück. Die 807 hält die Sezifikationen ein, solange sie sich in einem anständigen Zustand befindet. Da unterscheidet sie sich auch nicht von der A77. Man sieht einfach im Studer-Datenblatt nach und kontrolliert das messtchnisch. Wenn die Maschine das nicht mehr kann, arbeitet sie nicht mehr studergemäß und bedarf der Reparatur/Duchsicht. Meist aber ist das Gerät noch nach Jahren erheblich besser, als die Daten verlangen.

Was dir mehr bringen kann, ist die dezidierte Beschäftigung mit der Betriebseinmessung der 807, der Umgang mit den Parametern Magnetbandtyp und Vormagnetisierung, also den Kompromissen aus Frequenzgang, Bandsättigung und Klirrfaktor. Dafür ist neben gewissen Kenntnissen ein kleiner, keineswegs übermäßig aufwändiger Messgerätepark hilfreich (klirrarmer Tongenerator, Millivoltmeter, X/Y-Oszilloskop und gegebenenfalls eine Klirrfaktormessbrücke), um die Datenblätter der Magnetbandhersteller deinen Wünschen gemäß in die in die Praxis umsetzen und kontrollieren zu können.

Hier im Forum haben wir das vielfältig und unter verschiedenen Aspekten diskutiert, gerade weil es so wichtig ist. Dort wird dann auch Literatur genannt, die weiterhilft, selbst wenn wir dabei auf die französische Sprache keine Rücksicht genommen haben. Dafür aber beherbergt deine Heimat Südfrankreich heute einen prominenten Lehrbuchmann der Tonstudiotechnik, dessen zweibändiges "Handbuch der Tonstudiotechnik" ungeachtet mancher Fehler noch immer die Lektüre wert ist: Michael Dickreiter lebt auch in Südfrankreich.
Suche einfach unter "Einmessung" und notfalls meinem Namen. Ich habe jede Menge zum Thema abgesondert...

Mache dir um deine 807 bitte erst dann Sorgen, wenn Gleichlauf und Frequenzgang/Klirrfaktor jene Felder verlassen, die Willi Studers Leute definiert haben.

Transformatoren (du fragtest woanders nach und erhieltest auch schon zutreffende Auskunft) wurden in professioneller Technik nie aus klanglichen Gründen installiert, sondern um Geräteeinheiten voneinander galvanisch und erdfrei-symmetrisch zu trennen, also eine einwandfreie FUnktionstrennung von Masse und Signalrückleitung, eine gute Erdsymmetrie über das gesamte Audioband und völlige Gleichspannungsfreiheit an den Signalschnittstellen zu erhalten. Gute Trafos sind groß, teuer und nicht unbedingt 'per se' problemlos. Es war deshalb vor 30 Jahren eine Frage der Zeit, dass Anbieter mit elektronisch symmetrierten Ein- und Ausgängen auf den Markt drängten, da diese Technik damals bereits deutlich billiger war, also für den Anbieter mehr Gewinn versprach. Argumentatorisch wurde das damals natürlich als "klanglich besser" verkauft; die bei tiefen Frequenzen schlechte Erdsymmetrie, die nicht vorhandene galvanische Trennung verschwieg man zugunsten eines um den Faktor 10 niedrigeren Klirrfaktors. Der Doofie kaufte, die Fachkundigen entschieden eigengesetzlich, was sie brauchten. Bei einem Magnetbandgerät rührt der Klirrfaktor aus der Technik, der Trafo spielt dabei keine Rolle, darf keine Rolle spielen. Wenn aber doch, dann ist er schlecht. Ich aber kenne in der professionellen Technik keine solchen Übertrager, wohl aber solche, die schlecht angepasst sind. Das ist ein Problem, das der Konstrukteur sorgfältig bekämpfen muss..
Für ein Magnetbandgerät in kleinen Anlagen -so wie der deinen- kannst du sowohl die eine oder die andere Technik nehmen. Doch schon beim Einsatz eines Tuners, der in derselben Anlage wie das Bandgeräte über eine 75-Ohm-Leitung am Breitbandkabel betrieben wird, entfaltet die galvanisch getrennte, erdfreie Symmetrie reizvolles Potential, das einen der Brummprobleme entheben kann.

Hans-Joachim
Zitieren
#4
Hans-Joachim,

Vielen Dank für diese deutlische Erklärung!

Zitat:Mache dir um deine 807 bitte erst dann Sorgen, wenn Gleichlauf und Frequenzgang/Klirrfaktor jene Felder verlassen
Klirrfaktor: was meinst Du? Ist das "Wow and Flutter" in Englisch? Wie kann ich wissen, ob es außerhalb der Spezifizierung steht? Aus meinen Ohren, oder mit welchem Messgerät? Ich stelle mir vor, eine 1kHz-Referenzfrequenz zu benutzen, die ich beobachten würde, ob sie geändert wird... oder?

Christophe
Zitieren
#5
Klirrfaktor == harmonic distortion

Gleichlaufschwankungen == wow and flutter
Mein Motto "Zitat" »Opa Deldok«: »Früher war alles schlechter. !!!!

Noa and Mira Awad
NOA Keren Or  

reVox B251 Revision und Modifikationsliste!

Zitieren
#6
Zitat:Christophe postete
Wie kann ich wissen, ob es außerhalb der Spezifizierung steht? Aus meinen Ohren, oder mit welchem Messgerät? Ich stelle mir vor, eine 1kHz-Referenzfrequenz zu benutzen, die ich beobachten würde, ob sie geändert wird... oder?
Das mit deinen Ohren quantitativ zu erfassen, lieber Christophe, wird dir nicht leicht fallen. Man kann einen unzulässigen Klirrfaktor k3 (also den dritten Partialton) zwar ganz gut hören, gezielte Verbesserungen aber durch Änderung der Vormagnetisierung einfach so ins Blaue hinein nicht erreichen.
Dafür benötigst du neben den Datenblättern der Bänder (die sind in der Regel das Problem, nicht die Maschinen!) die oben genannten Messgeräte. Frequenzgangprüfung über Millivoltmeter und Tongenerator, Klirrfaktor über die Klirrfaktormessbrücke. Ersatzweise kann dr Klirrfaktor auch nach Datenblatt über die Vormagnetisierung festgelegt werden, was dann eben abhängig von der Bandchargenstreuung (und der Abschlussredaktion der Datenblätter..., da geschieht ja auch etwas...) mehr oder minder genau stimmt. Zunächst einmal ist der Blick darauf für den konsequenten Nutzer hilfreich.
Grundsätzlich kann auch über einen Rechner mit entsprechender Software gemessen werden, sofern eine ordentliche Soundkarte (mit entsprehcned geeigenten Anschlussmöglichkeiten) vorhanden ist. Die Anschaulichkeit jedoch geht bei diesem Verfahren verloren.

Und dann müssen natürlich die notwendigen Kenntnisse kommen, es sei denn, du kennst jemanden, der dich 'einweist' oder bei dir 'Messdienst' spielt. Dazu muss der aber wirklich wissen, was Sache ist. Das ist zwar nicht besonders schwierig, man kann derlei lernen, Beschäftigung aber ist dazu allemal nötig. Die Technik eines analogen Tonbandgerätes steckt voll von Kompromissen, die bis zum Nutzer durchschlagen, also von ihm entschieden werden müssen. Eine 807 oder A80, eine B67 oder A810, eine A700 oder A77 sind keine Computer, bei denen ein Softwareingenieur dem Nutzer soweit den Rücken freihält, als er denken kann (bzw. seitens seines Arbeitgebers darf), sondern eben analoge Instrumente, die ohne 'Eingehen des Nutzers' auf ihre Bedingungen nicht das tun, was sie sollen, sofern man professionelle Ansprüche stellt. Und das kann man bei der 807. "Professionell" heißt in diesem Falle: "Es muss immer etwas Vertretbares herauskommen."

Hast du schon auf den oben genannten Pfaden gesucht? Bist du schon zum Download der Seiten der Deutschen Welle gekommen? Verfügst du über Datenblätter derjenigen Bänder, die du verwenden möchtest? Welches Bandaterial schwebt dir vor, welche Pläne hast du en detail mit der 807?

Man sieht in jenen Datenblättern, was beim Analogbandgerät auf welche Weise womit zusammenhängt.
Erklärende, handfste Literatur zur Technik aber ist oftmals nurmehr antiquarisch zu bekommen, weshalb ich dir empfehle, auch das der 807 ja beiliegende Handbuch durchzuarbeiten. Oder fehlt dir das?

Friedrich Engel, einer unserer Forenkollegen, ist nicht nur 'der' deutsche Magnetbandhistoriker schlechthin, sondern hat zu seiner Zeit als technical writer bei AGFA, Leverkusen ein sehr schönes Buch verfasst, das ich deiner Aufmerksamkeit anempfehle. Auch wenn es aus den 1970er Jahren stammt, ist es bis heute prinzipiell nicht überholt:

Friedrich Engel, Schallspeicherung auf Magnetband. Leverkusen 1975

Auf knapp 160 Seiten führt er dich technisch solide und dennoch lesbar durch die gesamte Bandbreite der Technik und darüber hinaus, denn Friedrich hat den dafür nötigen Horizont.

Wenn dir etwas 'spanisch' vorkommt, bitte frage. Hier im Forum tummeln sich kundige 810-Nutzer und eben auch Prinzipialisten meines Schlages. Solltest du die Öffentlichkeit im ein oder anderen Falle scheuen, kannst du mir auch gerne ein Mail schicken. Meine Mailadresse sollte im 'Profil' notiert sein.

Hans-Joachim
Zitieren
#7
Hans-Joachim,

Zur Zeit ja fehlt mir das Handbuch, aber das würde ich bald bekommen (hoffe ich)... Die Seiten der Deutsche Welle habe ich schon gelesen, die ich sehr nützlich gefunden habe.

Mit dem A807, MRL Bänder und Messgeräte werde ich experimentieren. Und Bücher lesen. Danach werde ich vielleicht anderen Fragen stellen wollen!

Vielen Dank für das Hilfe!

Christophe
Zitieren
#8
@ Phonomax

Respekt...welch ein geballtes Fachwissen!
Zitieren
#9
Bitte, lieber Eboy, sieh' es nicht dramatischer als es ist; vor manchem Jahre, lange vor der CD und noch dick in der Analogzeit wählte ich den Tonmeister als Beruf. Irgendwann muss man es dann gelernt haben, wenn überhaupt. Das gilt sogar für mich, selbst wenn ich heute nicht mehr recht weiß, ob mir jene Berufung (!) nicht doch zum Halse heraushängt.

Hans-Joachim
Zitieren
#10
Hallo PhonoMax,

haben wir hier zufälligerweise unseren hoch geschätzten Tonmeister Herrn V######g? Falls nicht, auch nicht schlimm und Entschuldigung!

Gruß

################################
edit 19.11.05 / mf
Name unkenntlich gemacht
################################
Zitieren
#11
Zitat:eBoy postete
(...)haben wir hier zufälligerweise unseren hoch geschätzten Tonmeister Herrn V######g?
Wer seinen Namen im Klartext im Internet lesen will, wird hier auch unter seinem Namen auftreten. Wer sich ein Pseudonym zulegt, der will vielleicht nicht mit richtigem Namen im Internet genannt werden. Und wer gar nicht im Forum vertreten ist, der will es vielleicht erst recht nicht.

Das wäre, wenn diese Frage nicht einfach nur einer indiskreten Neugier entspricht sondern einen hieb- und stichfesten Grund hat, ein Fall für die PN.
Michael(F)
Zitieren
#12
Danke, ist OK.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste