Das UR-HER
#1
Hallo,

aus gegebenem Anlass (Uher-Buch, was ich aber schon hatte), kam mir der Appetit nach ganz Altem.
Abgebildet war das allererste Modell, das UHER 95. Vom 95 und seinen Abkömmlingen habe ich zwar schon, aber noch nicht das ganz erste Modell, senffarbener Koffer, braune Abdeckplatte, kleine Knöpfe und ein süßes "95" unter dem Schriftzug.
Längere Zeit hatte ich schon den Ausguck besetzt deswegen...Da! Da ist es! Gelauert, geboten, gekricht.

Kuckuck!

   

   

   

   

Der ganze Kram ist noch dabei, Mikrofon und
Stecker für Uraltplattenspielereingänge.

   

Was sind das für komische Einloch-Dinbuchsen?

   

Für die Seriennummeriker:

   

   

Von innen sieht es echt noch klasse aus. Beide Sicherungen waren korrodiert, ersetzt. Schnurr! Es läuft an, Röhren glimmen auf,
auch die EM 71 ist noch gut. Auf dem Elko seht 11.55, ich deute das als November 1955.
Der Antrieb setzt sich geschmeidig in Bewegung, leiser Motor, schau an, hätte ich nicht gedacht.
Spielt es?
Leider nein. Mit Mikro kommt aus dem Verstärker was raus, EM 71 zappelt auch.
Über Band nein, kommt man mit dem Finger in die Nähe der Tonkopfleitungen, fängt es laut an zu knurren.
Ich habe den bösen Verdacht, dass der Wiedergabekopf durch ist, wie bei Tonköpfen dieses Fabrikates und diesen Alters leider nicht unhäufig. Mist!

   

Auf dem mitgelieferten Band ist leichte Muse und Schweinemucke aus den frühen 60ern. Tanzmusik aus dem Radio, Band mitlaufen gelassen. Nette Zeitreise. Leider kann das 95 das nicht abspielen. Mal sehen wie ich es hinbekomme, wird nicht leicht sein. Umspulen will noch nicht, beim 95 sind einige Schmierstellen verharzt.

Auf jeden Fall ist es ziemlich eines der ältesten Uhers, fast 70 Jahre alt!
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#2
Guten Morgen Peter,

wieder eine spannende Reportage, und diesmal eine noch spannendere, weil es um ein Fossil geht. Toll. Hinsichtlich jeglicher Fehler kann ich meine Hände in Unschuld waschen, weil ich noch nicht dabei war. Das UHER-Gebäude an der Boschetsrieder Straße war für mich damals noch so eine Art Märchenschloss. Viel Spaß mit dem "95".

Dank und Gruß, Anselm
Früher war mehr UHER. Cool Meine UHER-Erinnerungen
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#3
Besten Dank,
dann werde ich mal mein Froschkönig-Kostüm hervorkramen und versuchen, das Dornröschen95 wachzuküssen. Notfalls muss mir eines meiner weniger schönen Exemplare einen Kopf leihen (vor ca. 10 Jahren zuletzt laufengelassen, möglich, dass die damals heilen Köpfe mittlerweile auch tot sind).
Wenn man den unscheinbaren kleinen Kasten so betrachtet...damals absolute High-Tech und superteuer.
Laut UHER-Buch waren die Konstrukteure noch recht junge Leute zu der Zeit, klasse Leistung, die die damals abgeliefert haben.
Ich werde mal auf YouTube den Tonband Onkel fragen, ob er es laufenlässt, vorerst leider nur zum Mithören bei Aufnahme.
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#4
Warum ist so ein TK irgendwann "durch"?
Wer oder was nagt daran. Vor langer Zeit hatte ich einen Kapselausfall am Sennheise HD 424- Kopfhörer.
Auf meine Frage wie und warum das passieren kann, steckte mir ein Sennheiser-Insider, das die Eisenkerne mit Schwefelsäure behandelt wurde um anschliesend mit Wasser gespült und getrocknet zu werden.
Wenn nun Säurereste nicht quantitativ entfernt waren, ätzten die H2SO4-Spuren irgend wann die Cu-Wicklung an und über einen u.U. viele Jahre verlaufenden Zeiraum durch.
Ich könnte mir so etwas auch für das späte Versagen bei Tonköpfen vorstellen. H2SO4 ist überhaupt nicht flüchtig und bleibt sozusagen bis zum Ende aller Tage im nicht vollständig ausgespülten Eisenblech-Lammelen-Packet, um unter bestimmzen Umständen sein Zerstörungswerk zu starten.
V.G.
Jo
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#5
Abschließend nochmal Bilder, die obigen waren missglückt:

   

   

   

   

   

   
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#6
Das ist ja ein 3-Kopf-Gerät.
Wenn der AK noch intakt ist, könnte man als Notlösung vielleicht den als WK verwenden. Wenn der AK einen breiteren Spalt hat als der WK (erkennbar am Farbcode auf dem vorderen Messingteil), dann könnte man das Messingteil mit dem Spalt tauschen. Ist ja nur aufgesteckt. So wäre wenigstens die Wiedergabefunktion gerettet.

Gruß
TSF
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#7
Sowas in der Art schwebt mir vor, aber ich befürchte, dass auch der AK hinüber ist.
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#8
@ Tonschreiber: sehr interessanter Aspekt, Jo.
Von einem Tonkopfsterben durch Schwefelsäure habe ich noch nie gehört, aber irgendeinen Grund muss es ja haben, wenn mehr als 50 oder 60 Jahre alte Köpfe "einfach so" den Dienst quittieren. Ein "plötzlicher Kopftod", hervorgerufen durch eine jahrzehntelang andauernde, schleichende chemische Reaktion, das klingt plausibel.

Gruß, Frankie
Hau wech, den Schiet - aber sech mir, wohin


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#9
@Tonschreiber, @moxx
"... Tonkopfsterben durch Schwefelsäure …"
ich würde auch an Flussmittelreste vom Löten denken. Einfach, weil es näher dran ist. Es gibt da, soviel ich weiß, ein Optimierungspoblem: Je aggressiver, desto leichter das Löten, je neutraler, desto unempfindlicher die fertige Lötstelle gegen Umwelteinflüsse. Wechselnde Luftfeuchtigkeit und Temperaturen über viele, viele Jahre sind da schon ein Härtetest ... Natürlich mögen auch Ausdünstungen anderer Bauteile eine Rolle spielen.
Bei Lötzinn-Angeboten ist mir mal aufgefallen, dass es chlorfreies Flussmittel und chlorhaltige Flussmittel gibt. Ich vermute mal, dass hier der Hase im Pfeffer bzw. der CuL-Draht in ätzender Umgebung liegen kann.
Ich hatte mal eine defekte Wicklung in einem Motor eines alten Thorens-Plattenspielers. Es war leider die Innenseite der Wicklung. Ohne jede mechanische Beanspruchung an dieser Stelle. Nix zu machen außer Neuwickeln ...

Zitat: (https://de.wikipedia.org/wiki/Flussmitte...3%B6ten%29)
Das bei der Anwendung schmelzende Flussmittel hinterlässt auf der Lötstelle und auf benachbarten Isolierstoffen teilweise chemisch umgewandelte Rückstände. Je nach Typ sind diese Rückstände korrodierend, leitfähig oder hygroskopisch. Das kann in der Elektronik zu Fehlfunktionen durch unzureichende Isolation oder durch mit der Zeit wegkorrodierte elektrische Verbindungen führen. Die mit diesen Flussmitteln erstellten Lötstellen müssen daher nach dem Löten mit einem geeigneten Lösungsmittel wie Isopropanol gesäubert werden. Manche Flussmittel lassen sich nur mit Fluorchlorkohlenwasserstoffen säubern und einige sind in Wasser löslich. Es gibt speziell für das Weichlöten in der Elektronik auch Flussmittel, die sich bei Raumtemperatur chemisch so passiv verhalten, dass auf eine Säuberung verzichtet werden kann."

Wichtiger: Danke für den Bericht über dieses Ur-Uher!! (Und schon mal Dank für eventuelle Fortsetzungen)
MfG
Binse
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#10
Sehr schöner Bericht, Herr PSMS!

Zu den defekten Köpfen: Ich weiß garnicht ob die frühen Woelkes vergossene Wicklungen haben.
Wenn ja, wird es sein wie bei bestimmten Bogen-Köpfen: Die Vergussmasse "arbeitet" und zerreißt Teile der mit ihr fest verbundenen Wicklung.
Wenn die Wicklung freiliegt, kann man sich bei derart hauchdünnen Drähten aussuchen, ob Korrosion über Luftfeuchte oder chemische Rückstände stattfindet. Das Ergebnis ist dasselbe.

Zum Foto des Innenlebens: Sehr bemerkenswert ist der Schnittbandkern-Trafo. Der war damals teuer und exotisch - und mMn ein Alleinstellungsmerkmal, soweit ich weiß gab es das bei keinem anderen (deutschen) Tonbandgerät.

VG Stefan
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