DDR Eigenbau HiFi
#1
Hallo

Ich wollte euch hier einmal zeigen was man in der DDR so auf die Beine der Transistoren stellen konnte.
Die Motivation zu solchen Eigenbauten wird wohl ähnlich zu der im anderen Teil Deutschlands gewesen sein.
Sei es aus Geldmangel, eigene Ideen umzusetzen oder einfach nur als Hobby…
Gutes HiFi war im „Osten“ schon recht teuer… aber was red ich, das ist alles bekannter Kaugummi.
Wesentlich schwieriger war für uns die Beschaffung von Bauteilen, viel wurde aus Schlachtungen gewonnen
aber als „Ostberliner“ saß man schon nah an den einschlägigen Quellen, es gab mehrere Läden, teils legendär
die man mit Einkaufslisten belagern konnte… wer kennt noch die „Bastlerquelle“ in der ehem. Dimitroffstr. ?

Nun gut, auch ich zählte mich zur den Jüngern der Elektronikamateure und meine Bibel war der „Funkamateur“ 

Damals wars… 1987


Für meinen frisch erworbenen Tuner HMK100 brauchte ich einen schicken Vorverstärker mit dem man auch
mischen konnte…

[Bild: img_0824.jpg]

So entstand dieser Misch-Vorverstärker

Die Bedienelemente folgen dem Signalweg von links nach rechts (ein bekanntes Design aus der Bühnentechnik)
Ich habe komplett auf Tastensätze oder Wahlschalter verzichtet, alle Signalwege werden über Tip(p)Tasten
geschaltet. Das habe ich mittels U700 (Programmwahl IC) und C-Mos 4066 (Analogschalter) realisiert
Der Verstärker besteht aus einem Mischer und einem Kopfhöhrerverstärker, alles mit separater Klangregelung
Es gibt 4 gleichberechtigte Eingänge und einen Mikro-Eingang, auch mit separater Klangregelung

[Bild: img_0826.jpg]

Ursprünglich war der Aufbau (DDR-Typisch) mit Din-Buchsen realisiert, da ich den Verstärker aber nach
der politischen Umbildung weiterhin als Party-Anlage genutzt habe, sind nachträglich Kabel mit Cinch-Steckern
eingebaut… nich glücklich, aber praktisch.


[Bild: img_0825.jpg]

Die hervorstehenden Potiachsen sind die Gain-Regler mit denen die Quellen, bevor sie an den Mischer kommen
angepasst werden können. Die separate Klangregelung für den Mikro-Kanal ist auch hinten angeordnet.


 [Bild: img_0836.jpg]


Gemischt werden 3 Kanäle, wobei MI (Mikrofon) und TB (Tonband) eine feste Zuordnung haben und TV, PH und TU
wahlweise mit den darüber liegenden Tasten auf den 3. Mischer (MIX) gelegt werden können, was mit den LED
angezeigt wird. Das erlaubt einen einfachen Misch-Betrieb, Mikrofoneinblendungen usw
Die schwarzen Tasten schalten den Kopfhörer-Verstärker auf die gewünschten Quellen, was auch wieder mit
LED angezeigt wird. Die hellen Tasten darunter schalten die Quellen auf den Ausgang der TB-Buchse
(Rec-Select) Gleichzeitig werden die LED-Ketten auf diese Quellen geschaltet um hier mit den Gain-Reglern
an der Rückseite die Quellen im Pegel auf gleiches Niveau zu bringen.

[Bild: img_0835.jpg]

Im weiteren Signalverlauf kommt das Signal über eine „Basisbreiten-Regelung“ und wird in die Wege
„Headline“ (Kopfhörer) und „Groundline“ aufgeteilt, beide Kanäle besitzen eine eigene Klangregelung
wobei die „Groundline“ über eine Widerstandskette geschaltete Regelung verfügt die nur von 0 bis +20dB arbeitet
Über Balance verlässt dann das Signal das Gerät wobei es hier mit der Taste Bypass über ein externes Gerät
geschleift werden kann.
Das Signal von Verstärker, ebenso Kopfhörer, werden verzögert über Relais an den Ausgang gegeben
das verhindert bekanntermaßen Einschaltgeräusche, LED „Quiet“ zeigt an wann das Gerät Online ist.
Der Netzschalter ist auch als Tiptaste ausgeführt (Microtaster) ! Das Gerät ist durch einen „Netztrigger“
im ausgeschalteten Zustand komplett stromlos ! (nach einigen Sekunden fungiert dann der Taster „Power“
wieder als Ausschalter…


Ich weiß, die Beschriftung… ursprünglich war die nur ein Provisorium, sollte dann in Reibebuchstaben
(was hatten wir schon in der DDR) ausgeführt werden, Siebdruck oder ähnliches war für mich unerreichbar
irgendwann habe ich das dann verbockt und die „Wende“ hatte alle Ambitionen auf Eis gelegt
also bitte seht darüber hinweg…

Die Innereien:

[Bild: img_0829.jpg]

[Bild: fullsi10.jpg]


Das Konzept des gesamten Aufbaus war derzeit konkurrenzlos was das Angebot in den Läden anging !
Das Schalten der Quellen in dieser Art wurde dann erst mit der HMK200 eingeführt.


[Bild: img_0831.jpg]

Die Eingänge: Kanäle getrennt und geschirmt aufgebaut

[Bild: img_0832.jpg]

Mikrofon-Eingang mit Gain und Klangregelung… rechts der „Netztrigger“


[Bild: img_0830.jpg]
 

„Sektion Headline“ rechts geregeltes Netzteil

[Bild: img_0834.jpg]

Links und unten der „Tastensatz“ des Kopfhörer-Verstärkers (U700 und V4066) Endstufe A2000 für den Kopfhörer
extrem gegengekoppelt, somit nicht overdozed sondern schick rauscharm…


Die Sektion für die Signalumschaltung:

[Bild: img_0833.jpg]


Unterboden:

[Bild: fullsi12.jpg]



[Bild: fullsi11.jpg]


[Bild: fullsi13.jpg]


Die verwendeten Schaltungen stammen aus einschlägiger Fachliteratur oder wurden von bekannten
Geräten übernommen (außer die „elektronischen Tastensätze“)
für alle Platinen hatte ich das Layout selbst entworfen, und dann auch geätzt
(Eisen3Chlorid)
Für die Tasten musste ein toter Taschenrechner noch einmal sterben und den Tastenblock
hatte ich aus Kunstharz selbst gegossen…
Somit konnte ich die Tasten-Einheit sehr klein ausführen

Konzept, Aufbau und das Design hatte ich selbst entwickelt, Analogschalter (V4066) wurden
meines Wissens, bis dahin noch nie in der Konsumelektronik der DDR verbaut
das war auch Neuland für mich und ich musste mir den Aufbau der Schaltung selbst erarbeiten…
Und die V4066 schalten geräuschlos !

Was da wie Stabilbaukasten aussieht wurde als Bausatz für solche Zwecke angeboten
(selbst renommierte Hersteller haben so konstruiert (Heli-Radio, die RK-Serie zum Beispiel) 

Der Gehäusedeckel stammt von der „SK“ Serie und somit entsprach der Verstärker 
dem damals üblichem Raster der RFT HiFi Bausteine.

Lang, lang istˋs her…

Fast gleichzeitig entstand das hier:

[Bild: fullsi14.jpg]

Interesse ?
Immer so gut wie möglich, nie so gut wie nötig !

Beste Grüße

Avi
Zitieren
#2
In den Mischverstärker hast du eine Menge handwerkliches Können eingebracht.
Respekt dafür!
Die Frontplatten zu jener Zeit habe ich mit Abreibebuchstaben (Typofix) gestaltet und mit schnelltrocknenden Klarlack fixiert.

Gruß Jan
Zitieren
#3
Jan, steht doch alles geschrieben…
Immer so gut wie möglich, nie so gut wie nötig !

Beste Grüße

Avi
Zitieren
#4
Ein heftiges Stück Arbeit, Kompliment!
Bis auf die Beschriftung eine tolle Frontplatte. So was habe ich nie fertig gebracht.
LG Frank
In Rust We Trust!
T e s l a  B 1 1 6 (A.D.),  R E V O X  B 7 7
Zitieren
#5
Meine Hochachtung!

In den späten 70ern habe ich als Junge mit meinem Vater zusammen dessen Eigenentwürfe (Platinen für Selbstbau-Heimorgeln), geätzt, gebohrt, bestückt und gelötet, daher beeindruckt mich solch eine Eigenentwicklung besonders. Habe noch den Geruch von dem Lötzinn ein der Nase (gesund war das bestimmt nicht, aber damals wurscht).

Gruß
Peter S.
Zitieren
#6
Sehr schön!

Ich habe um 1986/87 den RFT SV-3000 (so hieß er glaube ich) nachgebaut. Der Schaltplan und das Platinenlayout war auch aus dem Funkamateur, wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe.

In meiner Ausbildung als Elektroniker hatte ich entsprechend Zugang zum Material, Lackstiften für das zeichnen der Leiterbahnen / Lötaugen und Ätzbädern. Später haben wir Platinenlayouts mit Belichtungsmaschinen erstellt.

Wir sind damals auch jedem Bauteil hinterher gerannt und hatten unsere Einkaufslisten. Schwer zu bekommen waren Mikroprozessoren und EProms (Stichwort "Musik Türgong" mit 50 Melodien und Basicprogrammierung).

Mein selbstgebauter Verstärker hat aber nicht lange überlebt, auch hatte ich nicht so eine schicke Front und die Beschriftung war auch per Hand gemacht. Nach 1990 konnte man sich ja auch richtige Geräte kaufen.
Gruß André
Zitieren
#7
Hallo Avi,

da sage ich erstmal Respekt. Sehr professioneller Aufbau der Platinen. Wie sieht es denn bei den V4066 Analogschaltern mit der Langzeitstabilität aus ? Die westlichen Äquivalente CD4066 machen inzwischen gerne Probleme, wenn sie viele Jahre im Einsatz waren.

MfG, Tobias
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
Zitieren
#8
Ich hab bei meinen Eigenbauten immer auf "rund" gesetzt, weil ich ums Verrecken keine rechteckigen Löcher gefeilt bekam  Sad
Gruß, Kuni
..............................

http://kuni.bplaced.net/
..............................
Zitieren
#9
Wahnsinn! Klasse! Ganz großes Kino, danke fürs Zeigen.
Gerhard
Zitieren
#10
Hallo Tobias

Das Gerät ist heute noch einsatzfähig, allerdings kommt es kaum über 500 Betriebsstunden da jahrelang
nicht in Benutzung… Nach dem Ende der DDR gab es andere Optionen und der „Bastlerszene“ wurde der
Nährboden von heute auf morgen entzogen.
Die V4066 waren ja sehr empfindlich was die zu schaltende Spannung anging.

Meine Geräte hatte ich sorgfältig geplant um dem „Bastelcharakter“ entgegen zu wirken
Mischpulte, Lichtorgeln und Endstufen (100Watt) waren so meine Domäne…

@Kuni
Die Front ist aus CU kaschiertem Cevausit (übliche Platinenrohlinge, Epoxidharz) gefertigt, das lässt sich gut bearbeiten
und ist trotzdem sehr stabil

freut mich daß die Arbeit heute noch gefällt… ist aber nun schon gute 35 Jahre her
Elektronik und Handwerk passten jedenfalls gut zusammen denke ich
Immer so gut wie möglich, nie so gut wie nötig !

Beste Grüße

Avi
Zitieren
#11
Hallo

… und hier der Mixer den ich schon gezeigt hatte

[Bild: fullsi15.jpg]

Der Mixer ist unfertig geblieben, zumindest was das Gehäuse betrifft
Das war eine Auftragsarbeit für eine kleine Countryband (Zwei Mann und eine Drummashine)
Das Projekt wurde durch die „Wende“ obsolet (Bauzeit 88-89)

Konzipiert mit 8 identischen Kanälen (Mono) für eine Aufmischung in Stereo
10 Regler pro Kanal: Gain, Höhen, Mitten hell, Mitten dunkel, Tiefen, Effekt, Hall, Monitor, Panorama, Pegel

Die Materialbeschaffung ging schon heftig ins Geld, allein die Potis…
Die Knöpfe musste ich wegen der gewollten farblichen Zuordnung selbst gestalten
Das Netzteil mit 38Volt war ausgelagert 

[Bild: fullsi17.jpg]

Als Besonderheit wurde ein Federhall verbaut welcher von einem Vermona 600H stammte
Dieser Federhall wurde importiert, stammt nicht aus DDR-Produktion

[Bild: fullsi16.jpg]

Der Aufbau des Chassis erfolgte komplett mit CU kaschiertem Material (Cevausit) was eine hervorragende 
Masse-Situation und Abschirmung ergab…
50Hz „Netzbrummen“ war für dieses Gerät ein Fremdwort !
 
Unter den Vorstufen verbirgt sich die „Poti-Batterie“

[Bild: fullsi18.jpg]

Auf kurze Leitungswege hatte ich besonderen Wert gelegt
Die Vorstufen sind universell und Pegelfest aufgebaut
Alle Baugruppen befinden sich wegen der geforderten Servicefreundlichkeit auf separaten Platinen
und sind gekammert !
Und die Platinen wurden komplett selbst gefertigt, vom Layout bis zur Bestückung

Vom Schaltungsaufwand, den Einstellmöglichkeiten und dem Design, vergleiche man das mal mit den
Vermona-Mischpulten jener Zeit…

(Vermona war die bekannteste Unterhaltungstechnik aus DDR-Produktion)


[Bild: fullsi19.jpg]

Im Soundcheck hatte der Mixer tadellos funktioniert

Auch wieder so ein Beispiel wie der politische Umbruch und somit der Zugang zu westlicher und bezahlbarer
Technik solchen Projekten ein jähes Ende bereitete, nein das ist nicht negativ zu sehen, es stellte aber eine
herbe Rezession für eine ganze Generation von Amateurelektronikern dar… und diese Kröte musste man 
erst einmal schlucken, immerhin konnte man damit ganz gutes Geld verdienen, weil es einen ordentlichen
Bedarf für solche Geräte gab und man eben nicht nur für den Eigenbedarf produzierte…

Aber gut, es war (und ist) ein schönes Hobby
Immer so gut wie möglich, nie so gut wie nötig !

Beste Grüße

Avi
Zitieren
#12
Eine tolle Leistung



Beste Grüße

Arno
Zitieren
#13
Ich wünschte, ich hätte so viel Ahnung von Elektronik und handwerkliches Talent. Bin völlig sprachlos! thumbup

Ein ehemaliger Chef von mir, in den 1970ern/1980ern in Rostock aufgewachsen und totaler HiFi- und Elektronik-Fan, hat zu DDR-Zeiten auch mal einen eigenen Verstärker gebaut. Er hat sogar den Trafo im Garten selber gewickelt.

Leider hat er das Gerät irgendwann nach der Wende bei einem Umzug entsorgt. Bilder existierten leider auch nicht. Sad
Zitieren
#14
@ Timo

Trafos, wem sagst du das  Cool die habe ich grundsätzlich selbst gewickelt (bis auf die Primärwicklung)
heftig waren die M102b, das waren die größten einphasigen Trafos jener Zeit…
2x40Volt für 100Watt Endstufen… da haben dir die Finger weh getan…

Die beiden gezeigten Geräte sind das einzige was mir über die Jahre geblieben ist
wehmütig denke ich an meine Hoch-Zeit zurück… was hätte werden können…
Elektronik hatte ich nie beruflich gelernt…
Alles Autodidaktie
Immer so gut wie möglich, nie so gut wie nötig !

Beste Grüße

Avi
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste