Querstrommikrophone
#1
Sorry für die historische Schreibweise mit "ph"; halte es im Hinblick auf das Alter des Teils freilich für angemessener...


Ich habe ebenfalls ein Kohle-Querstrom-Mikrophon des Herstellers Apparatebau K.G., Edgar Fuhrhop, Berlin-Lichtenrade in meinem Fundus.

Leider fehlten geschätzt 50% der Füllung als ich es bekam, da sich die Membrane gelöst hatte. Hier also eine Frage an die hiesigen Mikrophonspezialisten bezüglich Restauration:

Im RPB-Band Mikrofone von Kühne soll Mikrophonkohle "zur Befüllung von Reisz-Mikrophonen" wohl noch bis in die frühen 50er-Jahre hinein erhältlich gewesen sein.

Diesbezüglich hatte u.a. Siemens entsprechende Patente zur Herstellung. Es mußten wohl besondere Ausgangs-Kohlesorten unter betimmten Bedingungen geglüht und nachbehandelt werden - soweit ich dies meinen diversen www-Recherchen entnehmen konnte. Prozesstechnisch ist das damals offenbar nicht trivial gewesen.

Welche heute handelsüblichen Kohlesorten könnte man aktuell zur Neufüllung verwenden, ohne die Eigenschaften des Mikrophons zu verlieren?

Ich wollte im Vorgarten eigentlich keine Kokerei improvisieren! (Zum Glühen unter Schutzgas hätte ich zumindest CO2 am Schweissgerät zur Verfügung...).

Lohnt sich evtl. ein Versuch mit Aktivkohle und wenn ja, wie sollte man diese vor der Befüllung konditionieren?

Welche Korngröße kann bei Kohle-Querstrom-Mikrophonen als optimal gelten?

Hat von Euch jemand hierzu vielleicht hilfreiche Erfahrungswerte aus der eigenen Reparaturpraxis?


Martin
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#2
Hallo Martin,

die Mikrofonkapseln alter Telefone enthielten auch Kohle, vielleicht lässt sich sowas als Spender auftreiben. Gerade gefunden, der Verkäufer bietet noch eine ähnliche Kapsel an.
https://www.ebay.de/itm/155943742266

MfG, Tobias
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
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#3
Hallo Tobias,

Problematisch dabei ist, dass die Kohle aufgrund des Alters schon verbraucht sein dürfte und man sicher so an die 20 bis 30 Kapseln bräuchte. Die Kammern im Lichtenrade sind recht groß!

Martin
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#4
Moin Martin,
ohne spezielle Kenntnisse über Kohlemikros zu haben, meine ich mal gelesen zu haben, dass es sich bei der C Modifikation um Graphit handelt. Da Deutschland noch hinter A eine bedeutende Graphitförderung besitzt, findet man bestimmt auch einen entsprechenden Handel für div. Aufbereitungen (Pulver, Flocken, Granulate).
Zur genauen Materialdefinition wird aber ein entsprechendes Literaturstudium in Sachen K.-Mikrophonentwicklung/Herstellung unerlässlich sein. Viel Erfolg und vor allem Freude bei der Problösung!
V.G.
Jo
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#5
Als Tipp: bis weit in die 70er hatten die einfachen analogen Telefone in der DDR noch solche Kapseln.
Vielleicht da mal ansetzen, Trödelmärkte ect.

Gruß Dietmar
Fostex R8; REVOX B77; Uher 4200 Report IC, Uher 4000 L, Tesla B115; Tesla B90; Technics RS AZ7; Mirano Echo Chamber T-4;
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#6
Hier gibt es einen Artikel   über die Fa. Gefell, die 2018 ein Kohlemikrofon neu gebaut hat und dazu Braunkohlenhochtemperaturkoks nutzte (nach unten scollen).
Viele Grüße,

Matthias
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#7
(13.01.2024, 02:13)MatthiasB. schrieb: Hier gibt es einen Artikel   über die Fa. Gefell, die 2018 ein Kohlemikrofon neu gebaut hat und dazu Braunkohlenhochtemperaturkoks nutzte (nach unten scollen).

Danke Matthias für diesen konkreten Hinweis!
In der wiki war ferner der Hinweis, dass der Kohlegrieß aus Anthrazit hergestellt wurde... .

Stand der Reparatur an meinem KM1 (gemäß der Angaben in: https://mikrosammler.de/Edgar_FUHRHOP) ist folgender:

Gummimembrane ist defekt / gerissen. Das Material ist 0,3mm stark. Ich versuche hier einen Ersatz aus einer Gummi-Hygieneeinlage (Betteinlage) gleicher Stärke zu gewinnen.

Ferner in Vorbereitung ist ein Versuch mit Gesilberter Aktivkohle (Kokosschalenkohle) aus dem Bereich der Wasseraufbereitung. Das Zeug ist knallhart und läßt sich nur mühsam auf die gewünschte Korngröße mörsern. Aussieben auf eine praktikable Korngröße geschieht über ein altes Teesieb. Der entstehende Feinstaub wird nicht verwendet und pneumatisch abgeblasen.

Desweiteren habe ich eine Firma angemailt, die sog. Trockenkoks in verschiedenen Körnungen anbietet. Werbe-Aussage auf der website dieser Firma: "Trockenkoks basiert auf Steinkohlenkoks und findet Anwendung im Bereich der Graphitierung, wie z.B. der Herstellung von Graphitelektroden." Mir scheint, damit ist ein Versuch durchaus lohnenswert. Ob die mich als Privatmann aber mit einer Labormenge bemustern, ist fraglich - bislang noch keine Antwort von denen. Wir werden sehen!

Am KM1 ist außerdem die Stoffbespannung an der "Einsprache" zu ersetzen. Mal sehen, welchen Stoff ich dafür verwenden kann.

Das Mikrofon hat insgesamt vier voneinander unabhängige Kammern, die individuell über je zwei Kohleelektroden elektrisch einzeln abgegriffen werden können. In der Originalverdrahtung sind die vier Kammern parallelgeschaltet. Es ist meine Überlegung, versuchsweise die Kammern mit vier unterschiedlichen Kohlesorten zu befüllen und provisorisch umschaltbar zu machen. Die vorhandene Menge an Originalkohle reicht noch für 1-2 Kammern. Somit wäre ein A-B-Vergleich der "gefälschten" Füllungen zur Originalkohle vorteilhaft möglich.

Genaueres hier demnächst mal mit Fotos...

Interessant am Fuhrhop KM1 ist übrigens, daß der eigentliche Mikrofonkörper nicht aus Marmor oder Pertinax besteht. Es ist stattdessen ein recht dünnwandiges und leichtes Plastik-Spritzgussteil aus einem styrolartigen Werkstoff (vermutlich Trolitul). Das steht im Widerspruch zur Konstruktionsphilosophie der üblichen Reisz-Mikrofone jener Zeit.

Martin
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#8
Bei den Recherchen habe ich einen Artikel in Funktechnik Nr. 4/1948 gefunden. Hier die Quelle:

https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=...i=89978449

Die Seiten 90/91 geben einen Einblick in die Werkstätte Fuhrhops. Gezeigt wird die Produktion des Kondensatormikrophons KM2.

Ob Fuhrkop damit dem Georg Neumann in´s Gehege gekommen ist??

Gemäß Handelsregister soll die Apparatebau Fuhrhop bis 1958 existiert haben. Mal sehen, ob die Recherche der HR-Auszüge im Landesarchiv Berlin einen Aufschluss geben.

Fuhrhop soll davor wohl auch bei Telefunken als Aufnahmeleiter bzw. Schallplatten-Schneidetechniker tätig gewesen sein. Darauf scheinen einige Technikerzeichen auf manchen Telefunken-Preßmatrizen hinzudeuten:

https://grammophon-platten.de/e107_plugi...hp?3068.38

Im Amtlichen Fernsprechbuch für den Bereich der Reichspostdirektion Berlin, Ausgabe 1938 ist ein Fuhrhop Edgar, techn. Aufnahme-Leit., Augustastr. 13 verzeichnet.

Ferner war eine "Gefa" - Gesellschaft für elektroakustische Aufnahmen - Dr. Horstmann & Fuhrhop im Branchenteil zu finden: "Kurz- u. Langspielaufnahmen für Werbung, Schulung, Technik, W50 Spichernstr. 7 ". Ob hier ein Zusammenhang existiert ist unklar.


Martin
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#9
Hallo,

interessant ist auch der Artikel "Tonstellen-Suchgerät für Magnetophonbänder" auf Seite 87 in der Funktechnik Nr. 4/1948. Weiß hier jemand mehr über dieses Gerät ?

MfG, Tobias
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
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#10
Hallo Martin!
Vielen Dank für die alten Funktechnikausgaben. Diese Puplikationen auf vergilbten Blättern sind doch immer wieder erstaunenswert und wunderbar zu lesen.
Besonders die Offerten, Stellenangebote und das seinerzeit händeringende Suchen nach Röhren u. eben allen elektron Bauteilen u.v.m. lässt einen doch sehr nachdenklich gestimmt zurück.
V.G.
Jo
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#11
(15.01.2024, 18:05)bitbrain2101 schrieb: interessant ist auch der Artikel "Tonstellen-Suchgerät für Magnetophonbänder" auf Seite 87 in der Funktechnik Nr. 4/1948. Weiß hier jemand mehr über dieses Gerät ?

Nach der Beschreibung ähnelt die Konstruktion dem bekannten Dehnerkopf, der auch bei stillstehendem Band ein Signal liefern kann, ähnlich dem Standbild bei Videoaufzeichnung mit rotierender Kopftrommel.
Grüße
Peter


_____________________

Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
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#12
Im Anhang eine Beschreibung des Reisz'schen Kohlemikrofons aus dem Jahr 1925. Zwar ist die Dicke der Kohlepulverschicht erwähnt, allerdings nicht die Korngröße bzw. die Durchmesser der einzelnen Komponenten.

Ob das bereits der Enstand der Reizs'schen Kohlemikro-Entwicklung war, ist mir nicht bekannt.

Ich habe den Aufsatz aus einem Jahrgangsbuch des FUNK abfotografiert, anbei die Abschrift als PDF.

F.E.


Angehängte Dateien
.pdf   FUNK_Radioamateur_Nesper_Reisz.pdf (Größe: 75.98 KB / Downloads: 24)
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#13
@ F.E.

An Dich einen ganz herzlichen Dank für den Artikel, hast Du das alles wirklich abgetippt??? 

Das sind genau die richtigen Informationen für meine Reparatur! Hier steht nämlich ein wichtiges Detail zur Körnung der Kohlefüllung! Die Originalfüllung des Furhop-Mikros (sofern sie denn original ist, was ich freilich aus verschiedenen Gründen bezweifle) zeigt hier unter dem Mikroskop eine sehr gleichmäßige Körnung und industriemäßiges Aussehen.

Laut dem Artikel aus 1925 wäre allerdings das Gegenteil richtig und ein Mix unterschiedlicher Korngrößen optimaler! Meine selbstgemörserte gesilberte Aktivkohle hat diese Eigenschaften notgedrungen ebenfalls, ganz einfach weil ich die beim Zerkleinern entstehende Kohlefraktion derzeit noch nicht besser nach Korngrößen sortieren kann. Im Anschluss an die Aussage im o.g. Aufsatz scheint sich also definitiv ein Vergleich unterschiedlicher Kohlegrieß-Fraktionen im Hinblick auf die elektroakustischen Eigenschaften zu lohnen.

Meine e-mail Anfrage bei Kehrbaum Carbon Prozess GmbH & Co. KG aus Januar bezüglich Trockenkoks-Labormenge blieb übrigens bis jetzt unbeantwortet. Man hält es dort also noch nicht einmal für nötig, mir eine kurze Rückantwort zu senden! Soviel zur Kommunikationskultur heutiger Firmen in unserem Land... .

Martin
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#14
Martin, schönen Dank für die Antwort. Aber nein, ich habe das nicht abgetippt, sondern einem OCR-Programm übergeben und "bereinigt", und dass die Streuung der Korngröße "das Gelbe vom Ei" ist, war der Grund, das Ganze zu sichern. (Der Verfasser-Name Nesper bürgt bekanntlich für Qualität.)

Apropos abtippen: das unten angepriesene Werk habe ich tatsächlich zu etwa 2/3 getippt, die Beiträge meiner Ko-Autoren zumindest lektoriert.

Frage an Peter Ruhrberg: würde Carbonyleisen einen Versuch lohnen (nicht wegen des "carbo" im Namen, das bezeichnet das Herstellverfahren), aber wg. elektrischer Leitfähigkeit und ggfs. statistischer Streuung der Korngröße - empfehle Recherche auf einer BASF-website.

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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