ARD-Entzerrung 1-Zoll

[ThorstenW]

Versehentlich schon in "Tipps und Erkenntnisse" eingestellt, Entschuldigung für die Doppelung. Ist natürlich eher eine Frage, nun also hier...

Guten Tag ins Forum,

an der UdK Berlin möchte ich im Studiengang Tonmeister das analoge Tonband in Produktion und Remastering wiederbeleben. Dafür haben wir unsere Studer-Maschinen A820-2 (mit Kopfträger für 0,75mm Trennspur und Wiedergabe-Kopfträger kombiniert 2mm-Trennspur/Mono) und A820-24 mit zusätzlichem Umrüstsatz für 1-Zoll und 4-Kanal-Wiedergabe generalüberholen und aufrüsten lassen.
Kann mir jemand im Forum genauere Informationen zur Verwendung der ARD-Entzerrung "1''-Bezugsband 38 nach ARD" geben?
Ich habe Informationen dazu bisher nur in van Bommels Publikation "Die Entzerrung in der magnetischen Schallaufzeichnung" auf S. 34 gefunden.
Wann wurde diese verwendet? Nur bei 1-Zoll? Mit wievielen Spuren? Gibt es eine genaue technische Beschreibung? Sie ähnelt im Grunde der A.M.E., nur mit einer anderen Mittenfrequenz und nicht auf NAB-Entzerrung aufsetzend, und hat wohl ähnliche Gründe gehabt. Gab es dafür mal Bezugsbänder?

Herzliche Grüße und vielen Dank im Voraus!
Thorsten Weigelt

[Peter Ruhrberg]

Hallo Thorsten,

Wann wurde diese verwendet? Nur bei 1-Zoll? Mit wievielen Spuren? Gibt es eine genaue technische Beschreibung? .... Gab es dafür mal Bezugsbänder?

Ein wenig hatten wir darüber gesprochen und gemailt. Hier meine Quellen, mehr habe ich leider nicht (van Bommel setze ich als allgemein bekannt voraus):

Dickreiter: Tonstudiotechnik (1973)
   
   

Dickreiter: Tonstudiotechnik (1978)
   

Beilage zum Stereo-Bezugsband 38 (undatiert)
   

Aus der Einstellanweisung zur Telefunken M10:
   

BASF Studio-Preisliste (Bildmitte) vom 1.1.1968 (Archiv Friedrich Engel):
   

[kesselsweier]

Hallo Thorsten,

spannend...über die "nichtlineare" ARD-Entzerrung bei 38,1 cm/s bin ich im gleichen van Bommel ebenso gestolpert und fand nichts näheres dazu.
Ich würde jene ausschließlich in die 1970er Jahre verorten. Und ohne entspr. Bezugsbänder wäre eine Einmessung ja schwierig.
Merkwürdig auch, dass Dickreiter (1978) von einer 5 dB-Anhebung bei 5 kHz spricht, die Kurve im van Bommel jedoch eher auf 2 dB bei ~4 kHz schließen lässt.

AME ist Ampex Master EQ, der "Vorgänger" von MRL Studio Master?

Ist die 1"-A820 denn mit jener heutzutage ungewöhnlichen, "proprietären" ARD-Entzerrung ausgestattet und soll es so bleiben?

Schöne Grüße
Frank

[Peter Ruhrberg]

Merkwürdig auch, dass Dickreiter (1978) von einer 5 dB-Anhebung bei 5 kHz spricht, die Kurve im van Bommel jedoch eher auf 2 dB bei ~4 kHz schließen lässt.

Das hat mich schon vor 45 Jahren stutzig gemcht.

Inzwischen bin ich geneigt, van Bommel zu folgen, aus drei Gründen:

1) er war Leiter der Bezugsbandabteilung der Agfa-Gevaert bis 1981,

2) in Dickreiters Werk finden sich zahlreiche Unstimmigkeiten, wie Eberhard Sengpiel und ich mehrfach angemahnt haben und die in Folgeausgaben berichtigt wurden (leider nicht alle),

3)
   
(aus "Zeitschichten" IV, 2020, S. 649, https://www.gfgf.org/files/digenio-theme..._08-21.pdf )

M. Dickreiter dürfte für eine Auskunft nicht mehr zur Verfügung stehen; meine letzte Information von vor mehreren Jahren durch Jörg Wuttke (früher Schoeps) war, dass er sich in Südfrankreich zur Ruhe gesetzt hat und für niemanden zu erreichen sei.

Dickreiter verweist übrigens auf die "Grundsätzliche(n) Anforderungen an Magnettonanlagen und Richtlinien zu deren Einstellung" (wunderbares IRT-Deutsch), wo vermutlich die Entzerrungskurven abgebildet sind. Dummerweise fehlt mir ausgerechnet die 3. Ausgabe von 1969, vielleicht können hier die Emil Berliner Studios aushelfen?

[ThorstenW]

Danke für die weiteren Quellenverweise! Leider gehen sie noch nicht zuverlässig ins Detail.
Laut van Bommel, den ich hier ebenfalls als relevante und verlässliche Quelle zuerst heranziehen würde, entspricht die Anhebung ca. 4,3dB bei 4kHz aufgesetzt auf eine DIN-Entzerrung mit 35µs.
Die A.M.E.-Enzerrung ist eine zusätzliche Entzerrung zur NAB-Entzerrung. Nähere Infos dazu finden sich auf den Webseiten von Richard Hess und MRL.

[Peter Ruhrberg]

Unvermutet doch noch was gefunden:

   

(Aus F. Winckel, Technik der Magnetspeicher 1978, S. 181, der Beitrag stammt von den hochverdienten Experten Belger  & Schiesser).

Mehr gibt meine Festplatte wirklich nicht her. Verwunderlich nur, dass hier von 19 cm/s gesprochen wird, es gab m.W. keine Bezugsbänder für diese Geschwindigkeit.

Anmerkung: Mich erinnert das an meine frühen Versuche, die Höhenvoranhebung bei der Aufzeichnung drastisch anzuheben und bei Wiedergabe spiegelbildlich abzusenken, besonders bei Klavier, dessen Obertongehalt sich in vergleichsweise engen Grenzen hält. So konnte ich bei 38 cm/s einen Rauschabstand erzielen, der deutlich jenseits dem von Dolby A lag.