Es graut so grau...Telefunken Magnetophon 98
#1
Hallo Ihr,

weiß der Geier, warum ich plötzlich meine Internetangel nach einem M98 ausgeworfen habe (ich glaube "Stompology" mit seiner Schlagzeugaufnehmerei hat mich getriggert)> Smiley

Ich bin nicht unbedingt ein Telefunken "Fanboy", aber die Geräte verfolgen mich quasi seit meiner Kindheit.
In den frühen 80ern habe ich sehr viel mit einem M85 vom Radio aufgenommen, sehr spannend und gemütlich war es, habe ich in guter Erinnerung. Später erst kam Stereo wieder auf den Speiseplan. Auf irgendeinem Flohmarkt habe ich dann mal nur interessenhalber ein M95 gekauft, fand es zwar potthässlich, aber technisch interessant, hatte es aber schnell wieder auf den Dachboden verbannt. Ein M96 gesellte sich später auch noch dazu, dann vor 10 Jahren noch von einem Forumsmitglied ein M97. So weit, so gut. Als Katalogleser (mein erster war damals der "Telefunken-Report 1975-1976" vom Radiohändler) stach mir natürlich das Topmodell der Serie M98 ins Auge, weil es getrennte A/W Köpfe hat.
Wohl selten, damals teuer und ambitionierte Amateure werden sich eher ein größeres Gerät zugelegt haben. Hatte auf Flohmärkten nie eines gesehen. Da ich Irrer mir dann letztes und dieses Jahr noch ein weiteres M85 und das fette M24 dazugeangelt hatte, "fehlte" halt noch das 95. Wenn es nicht so grau-nüchtern daherkommen würde, sein Äußeres ist wirklich trist. Entsprach aber dem Zeitgeschmack der frühen 60er. Buntes und Goldglitzerleisten waren out.

Nun aber im Internet geangelt....hopp, da ist was. 
Habe einige Zeit mit mir gerungen, aber der kleine Tonbandteufel im Ohr hat gewonnen: "Koomm, nur noch ein Tonband, das allerletzte, dann ist ja gut". Der Geist ist willig, nur das Fleisch ist schwach. Mein Finger auf der Maustaste ist ja aus Fleisch, das schwach wurde und auf "Sofortkauf" klickte.
Nun hab ich also eins, war als defekt deklariert und nur von außen geknipst. Sah eigentlich auch noch gut aus, moderater Preis, auch und ein bespieltes Tonband "von 8 bis 8 wird getanzt" war dabei. Kaufrisiko also gering.
Am Freitag kam es dann, unglaublich gut und sorgfältig verpackt. So etwas lässt hoffen!

   

Ein sehr nüchterner grauer Klotz (schwer!) findet sich im Paket.

   

   

Deckel ab!

   

Etwas ranzig alles, aber komplett (bis auf den Koffergriff) und ohne größere Macken, kein Gestank.
Sieht nach totalem Originalzustand, wenig gelaufen aus.
Sogar die Schaumgummis im Deckel sind noch gut, ein Wunder.

   

Mal eben die Köpfe besehen:

   

Heißa! Die sehen ja aus wie neu. Ha! Hoffentlich sind sie nicht "durch" wie viele der Miniflux-Köpfe aus der Zeit.

Stecker rein.......nix. Nun, ich habe da einen Verdacht, schauen wir mal von unten in das Gerät:

   

Schon mal sehr guter Zustand, unverbastelt. Mal kurz die Sicherungen prüfen und die Fassungen säubern...
läuft! Klappert und rappelt zunächst alles ein wenig, wer weiß, wie lange das Ding schon geruht hat.
EM 84 leuchtet auf, leichtes Britzeln und Rauschen aus dem Lautsprecher, sehr hoffnungsvoll.

Unter der Haube sieht alles wirklich sehr gut aus, keine Beschädigungen sichtbar, auch kein grober Schmutz:

   

später mehr
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#2
Müsste der Jahrgang des „Telefunken-Reports“ nicht eher 1964/65 gewesen sein? 1975 gab es doch keine Magnetophone der 90er Serie mehr!
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#3
(26.11.2023, 04:37)PSMS schrieb: Wenn es nicht so grau-nüchtern daherkommen würde, sein Äußeres ist wirklich trist.

Och, so schlimm finde ich es nicht. Telefunken waren mMn nie die Bildhauer unter den Bandmaschinen-Herstellern, aber sie hatten weitaus schlimmeres, z.B. das M200 und M201, die mich optisch noch nie angesprochen haben (technisch auch nicht). Das M98 geht dagegen noch als "nüchtern-sachlich" durch.

Beherrscht es mit seinen getrennten A/W-Köpfen auch Hinterbandkontrolle in Stereo?
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#4
Mein persönlich erster Telefunken-Katalog war der 74-75er, die älteren Sachen kamen erst später.
Als Junge hätte ich natürlich gerne aus diesem Katalog das M 3000 oder so gehabt, aber das war preislich nicht drin.

Das M98 müsste so von 64/65 sein, ich schaue nochmal genau nach.

Ob es HK-Stereo hat? Weiss ich noch nicht genau, aber ich glaube kaum, finde ich noch raus
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#5
Hallo,
zufällig habe ich gerade die original Serviceunterlagen da zum M98. Mein Schnellscan zu den Kontrollmöglichkeiten:


[Bild: 46687826cy.jpg]
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#6
Klasse dass die Maschine soweit spielt!

Wie bei jedem Röhrengerät gibt es aber noch einen ganz wichtigen Punkt, damit sie das auch dauerhaft betriebssicher tut, ohne dass man Endröhren, Ausgangsübertrager und co gefährdet: Papierkondensatoren müssen durch moderne Folienkondensatoren ersetzt werden, ohne Ausnahme!!

Ich habe in dem Foto von dir mal beispielhaft die dort zu sehenden ERO100-Papierkondensatoren markiert. Die müssen definitiv neu, haben alle eine komplett danebenliegende Kapazität inzwischen und Leckstrom ohne Ende.

Danke fürs Verständnis dass ich das so deutlich sage, es wäre wirklich schade um das schöne Gerät, wenn die Probleme auftreten.


Schöne Grüße
Alexander


   
Schnürsenkelband: Teac A3300SX-2T, Revox A77 MK3, Sony TC-366, Grundig TK 3200, Grundig TK 8, Simonetta TB 491
Kassette: Onkyo TA-2870, RFT SK 3000 Hifi
--
Lieblings-Bandsorten / Empfehlungen in zufälliger Reihenfolge:
Standardband: Orwo 104, Orwo 106, Orwo 103, Orwo 100, BASF/Agfa PER-528
Langspielband: Orwo 113, BASF/Agfa PER-368, LPR-35, BASF PES-40, BASF LGS-35, Agfa PE-31/PE-36/PE-39
Doppelspielband: Orwo 120, BASF LGS-26, Agfa PE-41/PE-46/PE-49, Grundig GD15
Dreifachspielband: Orwo 130
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#7
Jedoch: Es ist gar nicht einfach, an die Bedienungsanleitung zu kommen. Geduld ist gefragt.

Was das M98 wirklich hat, ist Stereo-Wiedergabe:

 https://youtu.be/BiMboXdofWc

Diese Köstlichkeit stammt von dem mitgelieferten Band.
Sogar in "Universalspur":

   

   

Sogar mit Gruß vom Tonmeister!

   

Preis steht auch drauf, DM 29,50. Ganz schön happig damals. Genau so happig wie die Happen der kalten Platte, die man laut Anleitung auf der Schachtel vorher extra machen musste. 

Wie man hört und sieht, das M98 spielt noch ganz passabel, die Köpfe sind ok.

>EQ 80. Danke, das dachte ich mir, HK also nur mono. Nicht schlimm.

Und die Sache mit den Kondensatoren muss warten bis ich mehr Zeit habe. Papier-EROs sind wirklich allermeistens am Ende. Erst mal aber spielt das Ding und nimmt auf, gar nicht mal schlecht. Verzerrungen höre ich auf den ersten Ohr keine.
Die Lager haben einen Pieps Sinterlageröl bekommen, nun läuft die Mechanik sehr geschmeidig für so ein altes Teil, die Gummibauteile sind alle noch gut. Ein Schaf im Wolfspelz, das M98.
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#8
Moin,

schönes Gerät, quasi der Gegenentwurf zum Grundig TK 47: Statt eines riesigen Koffers ein kleines Gehäuse, welches man damals z. B. auch noch im Fach eines Musikschranks unterbringen konnte.

Grüße,

Bernd
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#9
Ein M97 (mit vermutlich etwas weniger Funktionen als das M98: So hat das M97 nicht die zwei Knöpfe rot-weiß in der Tonkopfabdeckung) war mein zweites Gerät, nach einem Grundig TK19, welches ich als Kind mehrfach Schwerkraftversuchen ausgesetzt hatte und immer wieder mühsam zusammengeklebt werden musste ... Es hat mich treu durch meine frühen 10er Jahre begleitet und unzählige Betriebsstunden klaglos ertragen. Dabei konnte es alles fressen, Shamrock bis Scotch, meistens ohne Zicken. Und die Ausstattung ist nicht so schlecht: Stereo-Verstärker, immerhin ein nicht ganz schlechter eingebauter Lautsprecher (der auch wirklich lauter sprechen kann ohne zu sehr zu scheppern), und das Ding hat keinen Andruckfilz, sondern eine echte Bandzugregelung mit Bandzugfühlern beidseits.

Irgendwann hatte es dann (vermeindlichen) Motorschaden, den die Werkstatt nicht zu reparieren empfahl, und musste den Weg der Totalzerlegung gehen ... ich konnte ja viele der Teile anderswo gut brauchen. Dass der Motor nur festsaß habe ich dann viel später zu meinem großen Grimm herausgefunden.

Ich bin gespannt auf Deine weitere Analyse des M98!

Konrad
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#10
Herzlichen Glückwunsch!

Ich habe zwar "nur" ein 85KL Telefunken. Es ist jedoch das beste Röhren-Gerät, dass ich jetzt nach drei Jahren der Zeit der intensiven und kostspieligen Suche für meine Zwecke gefunden habe. Es waren schon einige sehr hochwertige Kisten in der Auswahl dabei. Dieses Gerät überzeugt mich einfach von der Leistung her. Beim Digitalisieren kann man schnell Störgeräusche wie starkes Rauschen oder, auch bei sehr guten und heilen Geräten, sogar ein leichtes Brummen erkennen. Mit dieser Kiste sind diese Geräusche bei normaler Aussteuerung des Eingangssignals über das Interface nicht mehr wahrnehmbar. So dass ich beim ersten Ausprobieren dachte, mein Interface sei nicht richtig an den Computer angeschlossen. Ab jetzt nehme ich dieses Gerät für alle Endbearbeitungen meiner Aufnahmen und freue mich über die Klangeigenschaften von Röhren-Kisten. Ein wenig davon bleibt beim Digitalisieren in der Datei hängen. Und das ist es, was ich will. 

Nach dem das Gerät von einem Profi repariert wurde, ist es elektronisch perfekt. Klar, das sind Plastik-Bomber. Aber der "Rest" ist robust und er kann auch wieder ansehnlich werden. So wie meine Kiste, deren Plastik mit edler Patina nichts mehr zu tun hatte. Die Teile waren nur noch hässlich beschädigt. Das KL85 hat noch einen Holzkoffer als Gehäuse und so schlecht im Design finde ich es auch nicht. Ich mag diese Oldtimer im 50er Jahre Erscheinungsbild. Aber das ist natürlich mal wieder Geschmackssache.

   

Bin gespannt, wie es mit Deinem Gerät weiter geht! Verlockend auch, dass man leicht Hall/Echo über einen Mixer einschleifen kann. Bin gespannt.

Liebe Grüße

Christian
Drummer machen Fehler, die meistens laut sind. www.stompology.org
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#11
Ein tolles Gerät. Ich hatte in den 70igern ein Magnetophon 95 von einem Schulfreund für 20 DM abgekauft. Das war nur Mono, Halbspur. Mechanisch, bis auf die Köpfe aber gleich aufgebaut. Damals war der Rutschkupplungsriemen nicht mehr ok, das Reibrad war auch schon nicht mehr rund und der Motor brummte wie ein alter Ventilator. Letzeres habe ich durch Öl in großen Mengen etwas reduzieren können. Irgenwann tropfte es dann unten heraus. Danach hatte ich tatsächlich ein Magnetophon 85 aber mit der EM84 für 15 DM auf dem Flohmarkt gekauft. Nach dem Ersatz der Antriebsriemen war es lange Zeit mein Aufnahmegerät. Allerdings war der Tastenmechanismus defekt und ich musste die Wiedergabetaste immer mit einem Keil festsetzen. Das ging, weil das Gerät einen Hubmagneten für die Andruckrolle hatte. Irgendwann hatte ich dann Ersatzteile gefunden und den Tastensatz repariert. Und wie es all diesen Schätzchen erging landete es in den 90ern auf dem Müll.
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#12
Ja, der Zeitgeist befahl quasi, solche Geräte wegzuschmeißen ("entsorgen" kam erst später, als aus der Müllkippe der Entsorgungspark wurde). Ein paar Oppas haben wohl welche aufgehoben, an denen wir uns heute erfreuen können.

Mein erstes M85 konnte ich aus dem Fundus unserer Schule herauskungeln, so um 1982 herum.

Vom M98 gibt es im Netz ein gar sonderbares Exemplar zu sehen, das könnte ein Prototyp sein.

Eigentlich ist das 98 ja ein Gurken-Stereo-Gerät, nur ein Summenregler nebst einer EM 84 als Anzeige, auch nur
Mono-Hinterbandkontrolle, nur 1 Lautsprecher an Bord. Der Prototyp (?) hatte immerhin schon 2 Zwerginstrumente, die man beim Aufnehmen sherlockholmesmäßig mit einer Lupe ablesen konnte.

https://berlin.museum-digital.de/object/46269

Seitlich hat das Teil allerdings englisch beschriftete Klinkenbuchsen, ob es das vielleicht doch gab, oder es wurde irgendwo in der Fremde hergestellt? Dagegen spricht wieder, dass auf dem Bodendeckel "Made in W. Germany" draufsteht. Außerdem ein Klebi mit der Aufschrift "AEG-Telefunken Firmenarchiv".

Mittlerweile läuft der Antrieb überraschend leise und die ersten Tonexperimente können beginnen:

https://youtu.be/RdHl8ggp6Qs?si=sZWZ9D_Db4wDfCL2
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#13
(26.11.2023, 18:29)eudatux23 schrieb: Klasse dass die Maschine soweit spielt!

Wie bei jedem Röhrengerät gibt es aber noch einen ganz wichtigen Punkt, damit sie das auch dauerhaft betriebssicher tut, ohne dass man Endröhren, Ausgangsübertrager und co gefährdet: Papierkondensatoren müssen durch moderne Folienkondensatoren ersetzt werden, ohne Ausnahme!!

Ich habe in dem Foto von dir mal beispielhaft die dort zu sehenden ERO100-Papierkondensatoren markiert. Die müssen definitiv neu, haben alle eine komplett danebenliegende Kapazität inzwischen und Leckstrom ohne Ende.

Danke fürs Verständnis dass ich das so deutlich sage, es wäre wirklich schade um das schöne Gerät, wenn die Probleme auftreten.


Schöne Grüße
Alexander

es hat mal eine Zeit in den 1990igerngegeben, wo ich viele Röhrenradios zuhause hatte. Schon damals gab es die "Alles muss raus, ohne Gnade" Fraktion, und ich habe mich schon damals gefragt, wieso ich eigentlich so viele Geräte habe, die trotz alter Originalteile spielen wie sie sollen, und wieso mir eigentlich nicht ständig Radios abbrennen, obwohl ich die "bösen" Papierkondensatoren nur ausgewechselt habe, wenn sie auch wirklich kaputt waren.

Irgendwann habe ich mir dann mal ein richtiges Kapazitätsmessgerät angeschafft, nicht für die alten Radios, sondern eher für junge Schaltnetzteile, und ein Regel-Trenntrafo war auch mittlerweile da, und mit dem kann man mit einer in Reihe geschalteten Diode hervorragend das Leckstromverhalten prüfen. Mit diesen Geräten habe ich dann mal einige von den bösen Papierkondensatoren untersucht, und dabei etwas festgestellt, was eigentlich auch logisch und nachvollziehbar ist - bei Wohnzimmergeräten waren die Teile so gut wie nie kaputt, bei "Kellerleichen" war die Ausfallquote höher, aber auch nicht so hoch, dass es einen Radikaltausch rechtfertigen würde. Und böse Folgedefekte durch sterbende Papierkondensatoren gab es vielleicht in Fernsehern, aber nicht in kleinen Heim-Audio-Geräten. Ausnahmen gibt es, z.B. diese Philips Radios mit eisenlosen Endstufen, da würde ich sogar zwei in Reihe geschaltete Elkos als Ausgangskondensatoren einbauen für die doppelte Sicherheit, aber insgesamt kann man schon der Philosophie folgen "was kaputt ist, fliegt raus, was nicht kaputt ist, darf bleiben".

Richtig übel wird es, wenn der Tauschwahn dazu benutzt wird, fehlendes Wissen zu ersetzen, frei nach dem Motto " wenn ich alles tausche, müssen die Defekte automatisch mit verschwinden ". Mit dieser "Reparaturmethode" sind wahrscheinlich nur ganz wenige Geräte wirklich repariert worden, die meisten Geräte sind nach einer solchen Aktion erst richtig kaputt.

Ich folge der Philosophie, lieber die Fehler zu suchen, und nur das rauszuwerfen, was wirklich kaputt ist, seit ich in den frühen 1990igern angefangen habe, ernsthaft zu sammeln und zu restaurieren, bisher habe ich noch kein Gerät gehabt, was mir wegen plötzlich sterbender Altteile irreparabel geworden wäre. Ausnahmen sind für mich nur die o.g. eisenlosen Endstufen und bestimmte Schaltungsteile in alten Fernsehern wie z.B. der berühmte Booster Kondensator, der im Defektfall den Zeilentrafo mit ins Grab nehmen kann.

Gruß Frank
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