Fringing effect/Seiteneinstreuung bei Vollspur-Bezugsband
#1
Hallo miteinander,

bekanntlich kommt es bei der Wiedergabe eines Vollspur-Bezugsbandes schon auf einer Halbspurmaschine zu einer zu kräftigen Wiedergabe tiefer Frequenzen aufgrund der Seiteneinstreuung. Der Bezugsband-Hersteller MRL hat zur Korrektur dieses Effekts innerhalb des Artikels "Choosing and using MRL Tapes" auf Seite 9 eine Tabelle veröffentlicht (Link:http://home.flash.net/~mrltapes/choo&u.pdf)

Diese Tabelle gibt z.B. für 19 cm/sec bei 63 Hz einen Korrekturwert von 1,1 dB oder von 1,3 dB für 38 cm/sec an. Sind diese Werte auch für Bezugsbänder anderer Hersteller verallgemeinerungsfähig? Kann man, ausgehend von Euren Erfahrungen, diese Werte mehr oder weniger für jeden Gerätetyp übernehmen?

Gruß
Gerd
Zitieren
#2
Dies Problem, lieber Gerd, ist prinzipieller Natur (wie auch Schichtdicken und Abstandsdämpfung etc.) und gilt damit natürlich auch für alle anderen Bezugsbänder, ja die Magnetaufzeichnung überhaupt.

Mit der Wiedergabeentzerrung versucht man die Schichtdickendämpfung auszugleichen, mit der Aufnahmeentzerrung die Abstandsdämpfung. Und da wird das Problem natürlich für den Bezugsbandhersteller interessant, wie unter welchen Bedingungen für ihn welches WIedergabeproblem zu kompensieren ist. Denn ein dB addiert sich ja zum anderen, der Nutzer macht mit irgendeiner Maschnine zusätzlich irgendetwas daraus, was den einschlägigen Herstellern viele Male und ungerechtfertigt (gelegentlich auch gerechtfertigt) Ärger bereitete, den man nur zu gerne vermieden hätte.

Hinter der MRL-Fertigung steht keine anonyme Großinstitution wie hier und ehedem BASF oder AGFA, sondern ein Mann, eine Familie, die als Vater und Sohn mit diesen Problemen ein Menschenleben lang umgeht; es ist klar, dass man sich zum Sachverhalt persönlich äußert, gerade in den USA. McKnight machte dabei natürlich auch von seiner Rolle als zeitweiliger AES-Präsident Gebrauch.

Für uns ist in der Praxis mehr als fraglich, ob wir diese Sachverhalte berücksichtigen sollten, liegen sie doch allemal innerhalb der Fehlermarge der in Amateurgeräten praktisch nie und auch in Profigeräten keineswegs immer einstellbaren Tiefenentzerrung bzw. -verzerrung. A700 und B77 lassen sich wiedergabeseitig nur über Lötarbeiten feinjustieren. Richtete man denselben Anspruch an die Schichtdickendämpfung, müsste man dem Amateur die Vewendung von Doppelspielband regelrecht untersagen. Das macht natürlich niemand. Will man päpstlicher als der Papst sein, muss man digitl speichern; da sind solche messtechnischen Linearitäten 'relativ' leicht zu erreichen und auch erreicht. Doch solche Ansprüche stellte man ja lediglich bei der Messwertaufzeichnung, als diese allein analog (AM oder FM) erfolgte.

Kurz: Jene 1,1 dB interessieren den Bezugsbandfertiger, weil der eben sonst bereits die erste Runde im Kampf mit dem Messgerät Bezugsband verloren gibt, den Nutzer braucht das weniger zu plagen.

Hans-Joachim
Zitieren
#3
Hallo, Hans-Joachim und Gerd,

der Bezugsbandfertiger hat (ausserdem) noch zu berücksichtigen, dass bei Multitrack-Aufzeichnung auf die "Innenspuren" von beiden Seiten her "eingestreut" wird, während die Einstreuung bei den beiden Randspuren etwas niedriger ausfällt, weil eben nur von einer Spurkante her eingestreut wird. Solche Unterschiede fallen auf und müssen erklärt werden.

Übrigens entzieht sich die seitliche Einstreuung in der Praxis der Berechnung; in den Publikationen der AES gibt es mehrere Arbeiten, die sich mit riesigem messtechnischen und mathematischen Aufwand mit dem Problem befasst haben. Aber grundsätzlich stimme ich dir ohne Vorbehalt zu: für die Praxis ist das "fringing" ohne große Bedeutung.

Und weil ich so gerne meckere: die Wiedergabe-Entzerrung hat natürlich auch noch den Omega-Gang auszugleichen ....

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
Zitieren
#4
Nun, Hans-Joachim und Friedrich,

das sind gleich zwei kompetente Antworten, die -wenn ich es recht betrachte - die Empfehlung aussprechen, den Sachverhalt zu ignorieren. Das habe ich bisher bei meinen Einmessungen auch fast immer gemacht. Aktuell steht mir indes die Einmessung einer Studer bevor, und deren Tiefenentzerrung ist innerhalb gewisser Grenzen durchaus und leicht durch Tastendruck änderbar. Von dieser Möglichkeit möchte ich gegebenenfalls Gebrauch machen.

Daher hatte ich die Frage bewußt in Richtung einer "Allgemeingültigkeit" der McKnight'schen Tabelle formuliert. Kann man die Korrekturwerte dieser Tabelle tatsächlich als (einigermaßen) allgemeinverbindlich betrachten?

Gruß
Gerd
Zitieren
#5
Lieber Friedrich,

den Omegagang wollte ich eigentlich nicht außen vor gelassen haben, denn die Folgen wären ja unüberhörbar.... Er brannte mir in gegebenen zusammenhang nicht so auf den Nägeln, weshalb ich ich ihn trotz kritischer Erfahrungen mit der Geschwindigkeit in Hf-Leitern neulich (...) unerwähnt ließ. Meine Statements nehmen ja zu oft den Charakter von Predigten an; und in der Paulskirche von Kirchheim-Bolanden befinden sich doch jene Sanduhren an der Kanzel, oder habe ich das falsch in Erinnerung?
Na ja, die Retourkutschen sind meist schneller als die 'ordinaire Post'...

Und nun zu dir, lieber Gerd:
Die Werte Jay McKnights sollten Allgemeingültigkeit beanspruchen können, solange die Kopfkonstruktionen halbwegs ähnlich sind. Nebenbei: Meine A77ORF habe ich -liegt schon gut 25 Jahre, also etwas zurück- hinsichtlich der Tiefenüberhöhungen durch Umrechnen und Umlöten der Entzerrung abgeglichen .... Nachdem die 810 das über ein Digitaltableau zulässt (meine B67 erlaubten noch den Zugriff via Poti), solltest du meine obigen Aussagen nicht dahingehend verstehen, alles treiben lassen zu sollen.

Hans-Joachim
Zitieren
#6

Hallo Gerd,

bei Weitem nicht mit der Kompetenz meiner Vorschreiber ausgestattet, jedoch in praktischen Dingen schnell am Ball, wenn das Wörtchen STUDER auftaucht (zumal es sich um die 810 zu handeln scheint), empfehle ich Dir, auf möglichst gleichmäßigen Frequenzgang (Beulen vermeiden) im Bassbereich einzustellen. Die Kopfspiegelresonanzen fallen da m.M. nach eher ins Gewicht als das Seiteneinstreuungs-Dezibel. Halte Dich nicht zulange mit einem bestimmten Wert bei einer bestimmten Frequenz auf, das wackelt da sowieso herum. Der berühmte Kompromiss ist das Geheimnis der gelungenen Einstellarbeit, nicht die dritte Kommastelle auf irgendeinem DVM!

Gruß Pit

P.S.: Das "redbook" gibt in Sektion 4.2.2.4 übrigens den Hinweis, die Wiedergabe-Tiefenentzerrung via Tongenerator quasi "über Band" bei den Aufnahme-Einstellungen nochmals "nachzuziehen", siehe 4.2.3.7, da steht es  explizit! Praktiker eben...

©DK1TCP
Klasse CH-Parts, ultimative 810-MPU, nomen est omen und eine Klarstellung sowie meine Remanenzreferenz & was nWb/m sind... und zur Rezenz... 'günstige' B-67...
Zitieren
#7
Ein Hinweis in P. Nieratschkers Beitrag hat mich daran erinnert, dass in früheren "Bezugsband-Begleitblättern" der BASF offenbar dieses Verfahren empfohlen wurde. Ich habe leider keines der alten Begleitblätter für Geschwindigkeiten ab 38 cm/s zu Hand, also mehr oder weniger aus der Erinnerung:

Man zeichne auf einem leeren Band mit der Frequenz 1000 Hz (liegt mit Sicherheit ausserhalb des für seitliche Einstreuung kritischen Bereichs) ein Signal auf, das bei Wiedergabe den selben Pegel liefert wie die Wiedergabe des Pegelstonteils des Bezugsbandes. Hat man den entsprechenden Eingangspegel ermittelt, zeichnet man Signale mit den interessierenden "Norm"-Frequenzen (also 31.5 Hz bis ca. 250 Hz) mit eben diesem Pegel auf und vergleicht mit dem Wiedergabepegel ab (vollspurig bespieltem) Bezugsband. Die Differenz ist die Auswirkung der seitlichen Einstreuung.

Achtung: das funktioniert natürlich nur mit Entzerrungs-Normen ohne Tiefenanhebung (also nicht mit 50 + 3180 µs, weil hier der Bandfluß-Wellenlängen-Gang natürlich der zusätzlichen Tiefenentzerrung folgt).

Bitte um kritische Durchsicht, ich bin nicht vollkommen sicher, alle Nebenumstände richtig in Erinnerung zu haben.

Friedrich
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
Zitieren
#8
Hallo,

ich habe aus dem Begleitblatt des BB76-6 IEC1 geklaut:

Zitat:Das Bezugsband beginnt mit einem Vorlaufband von ca. 2 m Länge und einem unbespielten Bandstück mit einer Laufzeit von ca. 5 s (bei 76,2 cm/s entsprechend ca. 3,8 m). Danach folgt die erste Ansage. Nach der Frequenzgangaufzeichnung folgen ein unbespieltes Bandstück mit einer Länge von ca. 3,8 m sowie ein 2 m langes Nachlaufband.

*Beim Abspielen mit kleineren Spurbreiten kann ein ansteigender Frequenzgang zu tieferen Frequenzen (< 1 000 Hz) auftreten, der in der seitlichen Einstreuung und Kopfwelligkeit begründet ist.
Korrektur:
Ermitteln der Wiedergabespannung des Bezugsbandes im Frequenzgangteil bei 1 000 Hz. Aufzeichnung auf ein unbespieltes Band so, daß die Wiedergabespannung des Bezugsbandes im Frequenzgangteil bei 1 000 Hz erreicht wird. Der für diesen Wiedergabepegel notwendige niederfrequente Aufsprechstrom wird bei Frequenzen unter 1 000 Hz konstant gehalten.
Gruß
Michael
Zitieren
#9
Richtig, das ist der Text in der Fassung der Bezugsbandproduktion München (ex-Agfa, BASF Magnetics ab 1991). Ich habe "nur" nach den Texten der Ludwigshafener Bezugsbandproduktion gesucht (die 1991 eingestellt wurde).

Übrigens und nachträglich: natürlich kann man auch bei "+3180 µs"-Entzerrungen wie oben beschrieben vorgehen, man muss dann aber die Tiefenanhebung herausrechnen. Ob sich das Ganze, vor allem angesichts der Frequenzgangwelligkeiten beim Abspielen großer Wellenlängen, überhaupt noch lohnt, ist eine andere Frage.

Friedrich
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
Zitieren
#10

Zur Abrundung noch ein 1981-er Text aus Ludwigshafener Feder. Der Vollständigkeit halber vollständig:

[Bild: BASF_1_3.jpg]
[Bild: BASF_2_3.jpg]
[Bild: BASF_3_3.jpg]

Auf die Suche nach exotischeren (ggf. älteren) Beiblättern begebe ich mich frühestens an Weihnachten. Glaube zwar auch nicht mehr ans Christkind, aber zwischen Nikolaus und High-End liegt die Besserwisserei! Außerdem stöbert es sich immer so nett in der staden Zeit.

Pit

PS 2023: ein kleiner Sprung in die Zukunft der Vergangenheit: fringing 2022 by Kai...

©DK1TCP
Klasse CH-Parts, ultimative 810-MPU, nomen est omen und eine Klarstellung sowie meine Remanenzreferenz & was nWb/m sind... und zur Rezenz... 'günstige' B-67...
Zitieren
#11
Genau, das war der Text! Das Sonderzeichen "tau" zeigt tatsächlich meine Handschrift (äährlisch!).
F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste