Bandmaterial für cremigen, fotorealistischen 70ies Klang
#41
Finn,

Du versuchst, das Tonband als Effekt einzusetzen. Das will Dir im Prinzip auch niemand ausreden! (Was schonmal erstaunlich ist, wie ich unser Forum so kenne Wink - aber die praktischen Hinweise, dass Du den gesuchten Effekt auch digital einfacher haben kannst, solltest Du nicht ganz in den Wind schlagen). Trotzdem ist es wichtig zu verstehen und zu verinnerlichen, dass genau der Effekt, den Du suchst, aus Sicht der Weiterentwicklung von Geräten und Bandmaterial immer ein Mangel war, den man zu vermeiden versucht hat. Niedrige Verzerrungen, glatter Frequenzgang.

Deswegen wurden auch verschiedene Bandtypen nie nach ihrem "Klang", "Wärme", "Färbung", und was man ihnen sonst für Attribute zuschreiben möchte bewertet und beschrieben. Wenn man sie "richtig" (also mit der passenden Einmessung) betrieben hat, dann waren sie immer klanglich neutral (glatter Frequenzgang) und hatten möglichst kleine Verzerrungen. Typ II-IV kannst Du bei Spulenbändern getrost ignorieren - die haben bei der Cassetten-Technik dabei geholfen, die erschwerten Ausgangsbedingungen (niedrige Bandgeschwindigkeit, schmale Spuren) etwas zu kompensieren - also wieder zu neutralem Frequenzgang und niedrigen Verzerrungen zu kommen. Verschiedenen "Klang" haben sie auch nicht produziert, wenn korrekt eingemessen.

Umgekehrt kann man aber mit eigentlich jedem Band Deine gesuchten "Mängel" (also Verzerrungen) provozieren, wenn man es eben entsprechend außerhalb seiner idealen Parameter betreibt. Und genau hier ist der Punkt, den ich Dir heute mitgeben will: Auch dazu muss Dein Bandgerät in einwandfreiem Zustand sein. Seltsame einseitige Verzerrungen, die aus dem Bandgerät und nicht vom Band kommen, stören hier nur. Kai hat Recht (bei solchen Sachen immer!): Die Kennlinie des Magnetbands kann hier nicht die Ursache sein.

Wenn Du die Einmessung Deines Gerätes so beherrschst, dass Du jedes Band technisch optimal betreiben kannst - genau dann hast Du auch die Mittel an der Hand, systematisch die geliebten Verzerrungen und Färbungen aufzusuchen. Reproduzierbar! Das ist kein Hexenwerk - braucht aber sauberes Werkzeug (Tonbandgerät und Verständnis des Aufzeichnungsvorgangs).

Wenn Du darauf verzichten willst, bekommst Du keine reproduzierbaren Ergebnisse. Es geht nicht um die Archivierung, und Lesbarkeit in 20 Jahren - sondern einfach nur darum, genau dann, wenn Du den Effekt benutzen willst, ihn auch hinzubekommen. Mit dem Band, was Du gerade hast. Jeder Geiger muss sein Instrument stimmen können. Das ist mit dem Bandgerät und der Einmessung nicht anders.

Die Alternative ist, wahllos Bänder auszuprobieren, ihnen (mystische) Eigenschaften zuzuschreiben, die vielleicht sogar Temperatur- und Mondabhängig sind - in Wahrheit aber einfach nur Zufallskombinationen aus fraglichem Zustand Deines Bandgerätes und dem Bandmaterial des Tages sind. So geht das nicht - zumindest bei mir nicht, ich bin nämlich Physiker Wink

Also: Zuerst das Gerät in Ordnung bringen, währenddessen das Prinzip der Einmessung verstehen, ausprobieren, lernen, Erfolg haben. Und nicht wahllos mit verschiedenen Bändern Zufallsergebnisse produzieren, und denen dann Bedeutung zuschreiben...

Bitte mit einem Augenzwinkern lesen - im Kern meine ich es aber Ernst.

Viele Grüße
Andreas


Nachtrag: Kannst Du eventuell ein Beispiel für so eine (Schlagzeug-)Spur mal hier teilen, die Du gerne Tonband-Komprimieren willst? Also im digitalen, unverzerrten Original? Dann könnte ich versuchen, mal ein verzerrtes Beispiel über Band daraus zu machen...


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RE: Bandmaterial für cremigen, fotorealistischen 70ies Klang - von andreas42 - 12.10.2022, 22:03
RE: Abstreiter - von user-332 - 13.10.2022, 14:34
Zeitstehler unterwegs - von user-332 - 03.11.2022, 13:21
Schimmerlos - von user-332 - 03.11.2022, 13:38

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