Bypass Cap am Schirmgitter ?
#1
Hallo,

mir ist beim Vergleich der Endstufen-Schaltungen von alten Röhren Tonband-Geräten der Firma Uher mit ähnlichen Schaltungen in Grundig Geräten aufgefallen, daß einige Uher Typen (zB: 500-502 (S), UniversalS, Stereo Record xxx, 732) keinen Bypass-Kondensator am Schirmgitter der Endstufen-Röhre (meist EL95) verwenden.
    Endstufe im Uher 502S

Im allgemeinen ist es üblich, das Schirmgitter einer Pentode im Audio-Verstärker für das Audio-Spektrum mit einem Kondensator gegen Masse "kurz zu schließen".

Daher eine Frage an die Röhren-Versteher:
Gibt es einen nachvollziehbaren "guten Grund", das nicht zu tun ?

MfG Kai
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#2
Hallo Kai,

mit Eintakt-Endstufen kenne ich mich nicht so gut aus. Bei Gegentakt-Endstufen in Gitarrenverstärkern habe ich noch nie einen Kondensator vom Schirmgitter nach Masse gesehen. Ich könnte mir vorstellen, daß der Kurzschluss der NF nach Masse vom Siebelko für die Schirmgitterspannung im Netzteil übernommen wird.

MfG, Tobias
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
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#3
Hallo Tobias,

es geht schon wesentlich um die Eintakt-Schaltung mit einem Widerstand vor dem Schirmgitter, hier R32, der infolge seiner Größe (hier 10 kOhm) zu einer wesentlichen Spannungs-Verstärkung daran führt.
In Gegentakt-Verstärker-Schaltungen sieht man da oft Werte um 100 Ohm, an denen keine nennenswerte Verstärkung zustande kommt.
Wenn dieser Widerstand zudem noch an die Anode angeschlossen  ist, handelt es sich effektiv um einen Beschaltung, die die Pentode als Triode wirken läßt.
Wenn dieser Widerstand an einen kleinen Abgriff (in Richtung Mittel-Anzapf) des Ausgangs-Trafos angeschlossen ist, kann es sich um eine "Ultra-Linear"-Beschaltung handeln. Ist alles "was anderes".
In ersterem Fall wird durch den nicht vernachlässigbaren "Durchgriff" vom Schirmgitter auf Gitter 1 eine Verringerung der Röhren-Steilheit bewirkt mit der Folge, daß einige dB möglicher Leerlauf-Verstärkung "verschenkt" werden.
Man kann diesen Effekt auch als eine Röhren-interne Gegenkopplung vom Schirmgitter auf das Steuergitter interpretieren. Insofern wäre es denkbar, daß dadurch eine Lineariserung der Kennlinie bewirkt wird. Meist war den Verstärker-Designer anscheinend maximale Leerlauf-Verstärkung wichtiger. Der Sieb-Elko kann die erforderliche Bypass-Funktion nicht übernehmen, wenn an dem Gitter-Vorwiderstand die ungewünschte Spannungs-Verstärkung zustande kommt.
Hier ist die Frage, ob das Weglassen des Kondensators  eine "Schlamperei" der Entwickler oder Folge einer wirtschaftlichen Sparvorgabe zur Profit-Erhöhung oder eines undokumentierten Linearisierungs-Ziels ist.
Man sieht in der Schaltung "im Prinzip" eine Gegenkopplung vom Ausgang (Lautsprecher) auf die Kathode der Röhre.
Die ist jedoch wegen Schleifen-Verstärkung deutlich <1 nahezu unwirksam. Mit Bypass-Kondensator wäre die Schleifenverstärkung ein bischen höher.

MfG Kai
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#4
Hai Kai,

deine Beobachtung ist richtig. Ich vermute, dass der fehlende g2-Elko tatsächlich eine Linearisierungsmaßnahme ist. Von der Verstärkungs- bzw. Leistungseinbuße konnte man sich das durchaus leisten, denn in den Geräten, in denen der Elko fehlt, das sind die 700er, die 500er sowie Stereo-Record I bis III, ist die Railspannung, aus der die Anode der EL gespeist wird, ungewöhnlich hoch: Bei den meisten Modellen liegt sie bei knapp 300 Volt, beim 734 sogar 320 Volt. Da kann man durchaus ein wenig Schirmgitter-Gegenkopplung betreiben, zumal die in solchen Geräten verwendeten kleinen Lautsprecherchen sowieso nicht viel Leistung ohne Verzerrung verarbeiten können. Die Typen SR I bis III verzichten sogar zusätzlich als weitere Gegenkopplungsmaßnahme auf einen Katodenelko.

"Undokumentiert" waren solche Details übrigens so gut wie immer. Die wenigsten Hersteller haben ihre Schaltungstricks explizit erklärt.


VG Stefan
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#5
Hallo Stefan,

inzwischen habe ich einige Messungen an dem Schaltungsteil durchgeführt und kann deshalb deine Anmerkungen weitgehend bestätigen.
Der Verstärkungs-"Verlust" beschränkt sich bei 4,7 Ohm Last auf verschmerzliche ~ 2,2 dB.
Der eingebaute Lautsprecher hat 4 Ohm Impedanz.
Die Spannungs-"Verstärkung" der Endstufe beträgt bei 4,7 Ohm ca. -9,5 dB ohne, -7,5 dB mit 22 µF am Schirmgitter. bei 1 kHz.
Der Lautsprecher (fres~145 Hz) hat eine mechanische Güte von Qm~13,4 und eine elektrische von Qe~2,31, allerdings kommt letztere so gut wie gar nicht zum Tragen, da der Lautsprecher durch die Endstufe ziemlich hoch-ohmig gespeist wird (Ri~5,4 Ohm ohne, 3,9 Ohm mit C an G2).
Seine Bass-Resonanz wird dadurch völlig ungenügend bedämpft, allerdings hätte die selbst bei Spannungs-Speisung (Ri~0 Ohm) noch ein Qt ~2.
Linearität mit und ohne habe ich nicht gemessen.
Falls eine Lineariserungs-Absicht dahinter stand, würde ich die eher für die HF-Erzeugng vermuten, wenn die Röhre als Lösch/Bias-Oszillator beschaltet ist und am Löschkopf Spannungen um 134 Vrms bzw 380Vpp erzeugt.
Man macht sich in der vorliegenden Schaltung nicht die Mühe, den Lautsprecher beim Oszillator-Betrieb abzuschalten. Nur der "träge"Trafo und der 1nF Kondensator parallel zur Primär-Wicklung verhindern, daß es allzusehr aus dem Lautsprecher ultraschallt (sofern er da noch mitwirkungsbereit wäre).

MfG Kai
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#6
Hallo Kai,
interessant, deine umfangreichen Messungen! Auf welches Modell beziehen sich diese?
Zu deinem Post noch ein Teelöffel von meinem Senf:
- Bedenke, Röhrenendstufen, besonders so kleine, haben immer einen hohen Innenwiderstand im Ausgang und damit einen geringen Dämpfungsfaktor. Das ist ja ein wichtiger Faktor, warum sie "anders" klingen als Halbleiterendstufen.
- Linearisierung hinsichtlich der Funktion als Hf-Oszillator: mag sein, allerdings fehlt auch bei den Modellen mit separatem Oszillator (mit EC 92, z.B. Typ 514, 524) der Gitter2-Elko.
- Dass der Ausgangsübertrager mit Lautsprecher im Oszillatormodus in Betrieb bleibt war mir bewusst, ich habe mir aber ulkigerweise nie Gedanken darüber gemacht. Man hat sich wohl darauf verlassen, dass AÜ sowie Lautsprecher die Hf nicht mehr übertragen. Leider ist die Höhe der Hf nirgendwo angegeben. Sie dürfte in der Preislage 50 bis 60 kHz liegen, das war damals üblich. Telefunken hat es übrigens beim Magnetophon 75 und 76 (gleiche Zeit, fBias = 63 kHz) genauso gemacht. Grundig hat dagegen bei den Modellen TK 14/17/19/23/27 die Primärwicklung bei Aufnahme kurzgeschlossen.
Immerhin wird z.B. beim Uher 720 immerhin der unbenutzte Lautsprecherausgang in Stellung Aufnahme auf Masse kurzgeschlossen.
Übrigens, der 1nF parallel zum Primärwickel ist nicht bei allen Typen der Uher 500er Serie vorhanden.

Aber vergiss über all die Messungen nicht, mal ein schönes Band mit dem 500er zu hören!
VG Stefan
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#7
Hallo Stefan,

die Messungen habe ich an einem Uher 502S durchgeführt.
Die Oszillatorfrequenz liegt zwischen 57 ... 58 kHz.
Der 1 nF Kondensator könnte dafür gedacht sein, die HF etwas vom Lautsprecher fern zu halten.
Allerdings sieht man den zB auch in der Endstufen-Schaltung eines Grundig TK16, in dem es einen separaten Oszillator gibt.
Da (und nicht nur dort) bewirkt der Kondensator eine Präsenz-Anhebung und mag für den un-sonorigen Klang verantwortlich sein, den vor einiger Zeit hier ein TK16-Nutzer beklagte.
Der geringe Dämpfungsfaktor dieser Endstufen wurde indirekt vor kurzem in einem anderen Thread bei einem TK19 recht positiv bewertet mit dem Hinweis, daß eine daran extern angeschlossene größere Lautsprecherbox einen "ordentlichen Bums" hat. Der und und unter HiFi-Gesichtspunkten unerfreulich längere Ausklingzeiten sind die Folge ungenügender Dämpfung der Bass-Resonanz.
Schöne Bandaufnahmen vom 502S gibt es nicht mehr. Es wurde ca. 1963 wieder außer Dienst gestellt und von einem Uher Royal 784S abgelöst, vorhandene Bänder darauf "wieder verwertet". Es dient seit dem nur noch sporadischen "Forschungs"zwecken.

MfG Kai
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#8
Hai Kai,
eine Kapazität parallel zur Primärwicklung des AÜs ist bei Röhrenverstärkern einigermaßen üblich. Eigentlich sollte es eine RC-Reihenschaltung als Boucherot- (oder Zobel-)-Glied sein, oft ersparte man sich den Widerstand und beließ es beim Kondensator, der einen allzuweit nach oben reichenden F-Gang der Endstufe vermeidet und damit zu ihrer Stabilität beiträgt. Stichwort Schwingen. Oft schaltete man den Kondensator nicht von Anode Endröhre gegen Plus, also parallel zur Primärwicklung, sondern von Anode nach Masse. Ist noch effektiver, führt aber dazu, dass bei Schluss dieses Kondensators der Primärwickel verbrennt und die Endröhre Schaden nimmt. Kein seltener Fehler bei Röhrenradios.
Mit der Dämpfung der Bassresonanz des Lautsprechers sah es bei den damaligen Konstruktionen sowieso ganz finster aus, denn konstruktiver Normalfall war ja damals der Lautpsprecher im offenen Gehäuse - nichts anderes ist ja ein Röhrenradio. Da wird der Lautsprecher ja garnicht nennenswert gedämpft. Zwangsläufig waren die Lautsprechermembranen hart aufgehängt (keine Gummisicke oder ähnliches). Darum klingt jedes Röhrenradio im Bassbereich mehr oder weniger topfig. Auf den Trichter mit der schalltoten, ganz geschlossenen und mit Dämmstoff gefüllten Lautsprecherbox, erst diese lieferte ja erstmals trockene Bässe, kam man erst in den sechziger Jahren. Vorher betrachtete man den "ordentlichen Bumms" (ich muss da immer an Loriots Opa Hoppenstedt denken) als Merkmal für eine gute Wiedergabeanlage.

Ach ja, und ein schönes Band zum Dudeln auf dem 502S kannst du dir jederzeit selbst zusammenstellen... ;-). Hast du das Gerät damals selber neu gekauft?

VG Stefan
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#9
Hallo Stefan,

das Gerät wurde am 24.11.1961 von meiner Mutter käuflich erworben.
Der Kassenzettel nennt
Uher 502 S  265.-
Tonband 13  12,75
Diodenkabel  4,20
Mikrophon    29,50
Gesamt      311,45 (DM)
Ich selbst war zu der Zeit noch Kapital-los und hatte zuvor nur meine Sehnsüchte kommuniziert..

Die EL95 hat, wie in dem Schaltungsauszug im ersten Beitrag zu sehen, hier sowohl einen Parallel-Kondensator C27 an der Primärwicklung (die beiden von Wicklung und C abgehenden Leitungen führen zum Lade-Elko und Sieb-Elko im Netzteil) als auch Cs nach Masse (C23 & C24) als Teil der Oszillatorschaltung.
Mit dem 1 nF Kondensator bildet sich da eine Resonanz um ~8 kHz aus (->Präsenzananhebung). Läßt man ihn weg, rutscht die Resonanz nach ca. 20 kHz.
Der Lautsprecher im Gerät "sieht" im wesentlichen ein offenes Gehäuse mit ein bischen Luft-Strömungswiderstand. Seine Eigenresonanz wird nur geringfügig durch die hohe Ausgangs-Impedanz bedämpft (Dämpfungsfaktor in der Größenordnung 1).
Im 502S ist aus Platzgründen eine Spezial-Konstruktion untergebracht, bei der sich das kleine Magnetsystem samt Antrieb !vor! der Membran statt dahinter befindet.
Nachteilig bei den Tonband-internen Lautsprechern ist überdies, daß bei mittleren bis größeren Lautstärken alles mechanisch bewegliche im Gehäuse mit in teils klapprige Schwingungen versetzt wird. Davon gibt es aber in einer Uher RdL mehr als in dem kleinen 502S.

MfG Kai
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#10
Hai Kai nochmal,

da hat deine Mutter sagenhaft gut eingekauft. Der Festpreis für das 502S war 423 DM. Allerdings fiel im Herbst 61 die Preisbindung, was aber eine solche Preisbindung nicht erklärt. 265 Mark dürfte unter dem Händlereinkaufspreis gelegen haben.
Dagegen waren die 12,75 der reguläre Preis für ein BASF LGS 35 (Langspiel) auf 13er Spule.

Lautsprecher mit Innenmagnet waren in den sechziger Jahren nicht selten. Man fand sie zum Beispiel in den Dual-Plattenspielerkoffern von 1962 bis ca 1969, ich meine von Wigo.
Philips verwendete sie, natürlich aus eigener Produktion, eine zeitlang sogar in Fernsehgeräten (seitlich angebracht), um Platz zu sparen. Die Philips-Typen sahen recht skurril aus. Die in meinen Bildern gezeitgt kommt aus einem Philips-Phonokoffer, 1963, Durchmesser etwa 15 cm.

VG Stefan
           
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#11
Hallo Stefan,

das waren die nicht weiter verhandelten Verkaufspreise im damaligen Merkur-Kaufhaus am Dreiecksplatz in Kiel.
[Das Gebäude steht noch, das Kaufhaus ist schon lange Vergangenheit.]
Ich kann aber nicht mehr sagen, ob es sich bei dem Angebot um eine Sonderaktion handelte.

Da du dir die Mühe mit den Fotos gemacht hast, habe ich eben mal schnell den Lautsprecher im Uher 502S abgelichtet:
       

Die beige Kunststoffschürze sollte verhindern, daß der von der Membran vorn erzeugte Schall seitlich ins Geräte-Innere abhaut statt durch das Grill im unteren Teil des Gehäuses die Außenwelt zu erfreuen.
Wie das Kunststoffe so anhaben, ist er im Lauf der Zeit verhärtet und verzogen und erfüllt seine Aufgabe deshalb nur noch unvollkommen.

MfG Kai
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