Qualität von vorbespielten Kassetten
#1
Eigentlich ist die "vorbespielte" Kassette als "Billigmedium" verschrien und meine eigenen Erfahrungen mit Kassetten aus dem Pop-Rock Bereich bestätigen dieses (Vor-)Urteil größtenteils.
Jedoch bin ich auf einige Klassikaufnahmen (u.a. von Philips und CBS) gestoßen, deren Qualität mich sehr positiv überrascht hat. Diese Kassetten stammen überwiegend aus der Zeit, als CDs noch nicht sehr verbreitet waren und Kassetten DIE Alternative zu Vinyl waren (Vorbespielte Tonbänder lass ich mal aussen vor, der Markt dafür ist sicher kleiner gewesen).

Alle diese Kassetten haben eines gemeinsam: "Play on NORMAL not CHROME" Hinweis, obwohl Chromdioxid Band verwendet wird, aber EQ 120 µSec. Wurde 120 µSec Chromdioxid Band nur in vorbespielten Kassetten verwendet? Was steckt dahinter?

Die meisten der Kassetten sind DOLBY SYSTEM gekennzeichnet und haben oft einen Hinweis, dass DOLBY B bei der Aufnahme verwendet wurde. Auf einem Extrablatt mit den "liner notes" einer "Gould plays Bach" Kassette steht "New Dolby A transfers of original master tapes have been specially produced for MASTERWORK PORTRAITS ..." Wie ist das zu verstehen? (Die Kassette ist mit dem Doppel-D gekennzeichnet, weiter Angaben sind nicht vorhanden.) Müsste ich zum "richtigen" Abspielen einen Dolby A Kompander verwenden, oder bezieht sich das nur auf die Herstellung? (Ebenso von Interesse: Wie wurden/werden vorbespielte Kassetten im großen Rahmen hergestellt?) Abspielen dieser Kassette also mit Dolby B?
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#2
Zitat:cdj74 postete
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Alle diese Kassetten haben eines gemeinsam: "Play on NORMAL not CHROME" Hinweis, obwohl Chromdioxid Band verwendet wird, aber EQ 120 µSec. Wurde 120 µSec Chromdioxid Band nur in vorbespielten Kassetten verwendet? Was steckt dahinter?
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Das liegt einfach nur daran, dass beim Bespielen der Kassetten mit höherer als die Normalgeschwindigkeit, Höhen verloren gehen. Das Band selbst ist für 70 µSec ausgelegt. Bei der Wiedergabe werden durch 120 µSec die verlorenen Höhen wieder angehoben. Ob der Frequenzgang dann wieder glatt(er) wurde, ist mir nicht bekannt. Ich habe darüber nie ein Test gefunden.
Gruß,
Michael/SH

Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu (Ö v. Horvath)
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#3
Die Sache mit den 120 µs-Chrom-Musicassetten hat einen anderen Hintergrund.

Als die Entzerrung für Chromdioxid-Bänder (4,76 cm/s) festgelegt wurde, hat man zugunsten eines etwas niedrigeren Rauschens auf einen Teil der bei Chromdioxid wesentlich verbesserten Höhenaussteuerbarkeit verzichtet, was mittels Entzerrungsänderung von 120 + 3180 µs auf 70 + 3180 µs erreicht wurde. Der Fehler wurde kenntlich, als nach und nach immer mehr Cassettenrecorder mit Dolby B (preiswerte, integrierte Schaltungen) herauskamen, deren ca. 8-dB-Gewinn alles übertraf, was von Bandverbesserungen zu erwarten war, und ab dann wars natürlich schade um die gekappte Höhenaussteuerbarkeit.

Um nun der allgemein als "unterlegen" beurteilten Musicassette einen technischen Impuls zu geben, schlug BASF 1984 vor, die Bespielung so vorzunehmen, dass wiedergabeseitig die Entzerrung mit 120 + 3180 µs angewandt werden könne. Ergebnis: volle Nutzung der Chromdioxid-Höhenaussteuerbarkeit. Die Resonanz der Bespieler war durchaus positiv: in England waren zeitweise über zwei Drittel der „top charts“-Cassetten mit BASF-Chromdioxid-Band gefertigt. Die Klangqualität hat merklich gewonnen.

Übrigens hatte der Revox B 215 eine besondere Aufnahmecharakteristik: IEC II-Band (= Chrom, hochkoerzitive Fe-Bänder) können für die Wiedergabe-Entzerrung 120 + 3180 µs bespielt werden.

Zu #001: bitte zu beachten, dass es beim Schnellkopieren vorrangig um die Wellenlängen der Aufzeichnung(en), nicht um deren Frequenz geht. Wie sollte sonst die Überspielung mit 128facher Originalgeschwindigkeit funktioniert haben? - Die oben geäußerte Meinung ist irrig!

F.E.
ZEITSCHICHTEN, barrierefreier Zugriff im "GFGF-Buchladen", URL https://www.gfgf.org/de/b%C3%BCcher-und-schriften.html (ca. 240 MB)
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#4
Hallo Friedrich

Zitat:Friedrich Engel postete
Übrigens hatte der Revox B 215 eine besondere Aufnahmecharakteristik: IEC II-Band (= Chrom, hochkoerzitive Fe-Bänder) können für die Wiedergabe-Entzerrung 120 + 3180 µs bespielt werden.
Ich hatte mich vor längerer Zeit mal gewundert, was es mit dieser Wahlmöglichkeit TypeII-120µs beim B215 auf sich hat. Vielen Dank für die Klärung dieser Frage.

Doch, was heisst dies nun für mich konkret?

Zitat:die Bespielung so vorzunehmen, dass wiedergabeseitig die Entzerrung mit 120 + 3180 µs angewandt werden könne. Ergebnis: volle Nutzung der Chromdioxid-Höhenaussteuerbarkeit
Habe ich jetzt richtig verstanden, dass vorbespielte Kassetten mit 120 + 3180 µs bespielt wurden, um die ganze Höhenaussteuerung nutzen zu können, währenddem beim Standard-TypeII 70 + 3180 µs verwendet werden?

Oder andersrum: Wenn ich bei meinem B215 in Zukunft mit TypeII 120 + 3180 µs aufnehme, profitiere ich automatisch von dieser besseren Höhenaussteuerbarkeit? Wenn ja, nur bei Wiedergabe auf einem B215 oder auf allen Geräten?

Gruss
Etienne
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#5
Hallo Etienne,
ich denke das du auf allen Geräten davon profitierst bei denen sich die Wiedergabeentzerrung auf 120us umschalten lässt. Da 120us zuerst da waren sollte jedes Gerät diese Entzerrung beherschen. Entweder du schaltest halt am Bandsortenschalter auf Normal um, oder klebst die Indexlöcher zu, damit die Automatik die Cassette als Normal Band erkennt.
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#6
Halo Matze

Isch abe natürlisch eine B215... Smile

Mit der Frage betr. den anderen Geräten wollte ich eigentlich die Wiedergabekompatibilität auf Nicht-B215s ansprechen. Wenn ich nun diese Spezialität des B215 nutze und damit Kassetten für meinen Freund Samson bespiele - was passiert dann, wenn er sie z.B. auf seiner Studer A710 abspielt?

Die erste Frage war missverständlich formuliert.

Gruss
Etienne
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#7
Zitat:Friedrich Engel postete
... Ergebnis: volle Nutzung der Chromdioxid-Höhenaussteuerbarkeit.
...
Das deckt sich auch mit den Hinweisen auf manchen Kassetten. Wie gesagt, ich war von der guten Qualität der Aufnahmen überrascht.
Vielen Danke für die fundierte Antwort!
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#8
Hallo, Etienne,

du hast in #005 zielsicher den Schwachpunkt der Sache angesprochen: eine auf B 215 für 120 µs bespielte Cassette IEC II wird der B 710 natürlich konsequent als IEC II-CC erkennen (Kennöffnungen in der CC-Rückseite) und fröhlich mit 70 µs wiedergeben.

Anders sieht es bei manchen CC-Recordern fernöstlicher Herkunft aus, bei denen man "eigenverantwortlich" alle Einstellungen von Hand vornehmen kann; wer hier bei Wiedergabe einer 120 µs-CC den Entzerrungs-Schalter auf 120 µs stehen lässt, kriegt den Gewinn natürlich zugeteilt.

BASF hatte, nach meiner Erinnerung nur kurzfristig, im Rahmen ihres Studioprogramms für die Rohwickel-Abnehmer bzw. Studios, die Demo-CCs machen wollten, auch mal Chromdioxid-CC ohne die übliche Kennöffnung angeboten. Da es aber nur zwei Recorder gab, die damit was anfangen konnten - nämlich den B 215 und seinen professionellen Bruder -, war diese Eintagsfliege sehr schnell wieder verschwunden.

F.E.
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#9
Es gibt (gab) etliche Geräte bei denen man die Wiedergabeentzerrung manuell wählen konnte, z.B. auch mein Grundig CF-5500. Sonst, wie schon gesagt Löcher zumachen.
Bei diesen Erkenntnissen könnte ich ja glatt auf die Idee kommen den Grundig auch so zu modifizieren, dass CrO2 und 120µ auch bei Aufnahme geht.

Grüße,
dieter
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#10
Zitat:Friedrich Engel postete
...
Zu #001: bitte zu beachten, dass es beim Schnellkopieren vorrangig um die Wellenlängen der Aufzeichnung(en), nicht um deren Frequenz geht. Wie sollte sonst die Überspielung mit 128facher Originalgeschwindigkeit funktioniert haben? - Die oben geäußerte Meinung ist irrig!
...
F.E.
Hallo Friedrich, neee, das ist nicht meine Meinung, das habe ich mal 'von hinterherum' erfahren. Jetzt frage mich bitte nicht, voher ich das habe, liegt mindestens 20 Jahre zurück. Kann sein, dass ich sie aus der damaligen 'Fachpresse' erhalten habe. Die damaligen Eisenoxid-Kassetten hatten jedenfalls im Vergleich mit selbst aufgenommenen Aufnahem, eine dermaßen dumpfe Wiedergabe, dass die Chromekassetten eine richtige Inovation bedeuteten. Sie klangen ähnlich, wie selbstbespielte Eisenoxidkassetten.
Gruß,
Michael/SH

Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu (Ö v. Horvath)
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#11
Zitat:dieter postete
Es gibt (gab) etliche Geräte bei denen man die Wiedergabeentzerrung manuell wählen konnte, z.B. auch mein Grundig CF-5500. ...
Unter meinen Tape Decks ist es auch ca. die Hälfte der Geräte bei denen man die Wiedergabe-Entzerrung manuell wählen kann/muss.

Wählt man wirklich nur die Wiedergabe-Entzerrung? Oder betreffen die Bandsorten-Wahlschalter auch die Aufnahme?

Ich habe mal in einem Manual geblättert: "Die Tonbandwahlschalter werden für Aufnahme und Wiedergabe verwendet."

Das heisst dann doch, dass ich jetzt manuell auf "NORMAL" (120 µs) schalten kann, obwohl ein Chromdioxidband eingelegt ist und ich dadurch eine bessere Höhenaussteuerbarkeit erreiche? (Also dass ich die selbe Funktion wie auf dem B215 Deck habe.) Oder unterläuft mir da ein großer Denkfehler?
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#12
Ja. Denn i.A. hast Du nur einen Schalter der bei Aufnahme wirkt und gleichzeitig die Entzerrung und die Vormagnetisierung umschaltet. Bei Wiedergabe wirkt der dann nur für die Entzerrung. Das Grundig hat zwar getrennte Schalter, aber der Entzerrungsumschalter ist m.W. nur bei Wiedergabe wirksam. Mein Idee war jetzt die Doppelfunktion des Bandsortenschalters aufzuheben.
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#13
... Ich hatte ja ganz vergessen hier zu antworten...

Zitat:Etienne postete
Mit der Frage betr. den anderen Geräten wollte ich eigentlich die Wiedergabekompatibilität auf Nicht-B215s ansprechen.
Meine Aussagen in Posting 004 beziehen sich auf die Wiedergabe solcher Cassetten.
Die Aufnahme ist nicht immer so einfach, da manche Recorder in Stellung "Normal" auch den Löschgenerator drosseln, so das man ein Chrom Band erstmal Vor-Löschen muss damit man die alte Aufnahme nicht durch hört. Man muss also wissen was man vor sich hat. Deshalb ja die Schalterstellung am B215. Volle Löschleistung, aber "die Andere" Entzerrung.
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#14
Hallo Matze

Mit dem B215 kann ich jedenfalls mit 120 µs bespielen. Wenn mein Freund Samson bei seinem Studer A710 (entspricht +/- dem B710 MKII) auf normal schaltet, müsste das Problem ja aus der Welt sein.

--

Hallo dieter

Zitat:Es gibt (gab) etliche Geräte bei denen man die Wiedergabeentzerrung manuell wählen konnte
Ich habe mir gerade das Manual des B710 MKI und B710 MKII angeschaut. Erstaunlicherweise hat die MKI einen Schalter für 70 µs, auto oder 120 µs. Dieser wird in der Zeichenerklärung unter *Wiedergabe* geführt, sodass ich annhme, dass er nur dort wirkt. Aufnahmen sind somit bei dem Gerät mit beim Type II mit 120 µs nicht möglich. Bei der MKII ist dieser Schalter weggefallen - wahrscheinlich weil Dolby C dazugekommen ist und bei der Verwenung der selben Abdeckleiste ein Schalter keinen Platz mehr hatte...

Gruss
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