Bänder-Untersuchung mittels Infrarot-Spektroskopie
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(12.02.2022, 19:43)Heinz Anderle schrieb: Mich wundert nur, daß man bei Agfa (noch nicht BASF) die neue und problematische Formulierung des Bindemittels möglicherweise vor der Markteinführung offenbar nicht wirklich getestet hat, wie es scheint - die Entwickler bei Agfa/Bayer müßten sehr wohl Zugang zu solcher Literatur gehabt haben.

Werner Singhoff, u.a. Leiter der Anwendungstechnik Magnetband bei AGFA (später auch BASF) verfasste 2010 in einer privat gedruckten Broschüre einen ca. 70seitigen Abriss über das Magnetband bei der AGFA. Darin findet sich gegen Ende folgende Passage, die vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringt.

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Tatsächlich fehlt in den ersten Jahren eine Zielvorgabe nicht nur für Entwicklung und Produktion sondern auch für Marktanteile und Preisgestaltung. Wie war das bei einem Unternehmen der Größe AGFAs oder gar Bayers möglich?

Der Verbrauchermarkt war durch die zwei Weltkriege und ihre Folgen jahrelang durch Warenmangel geprägt.

Die durch Bomben zerstörten oder durch Flucht verlorenen Haushalte und Unternehmen nahmen alles an Haushalts- und Investitionsgütern auf, was in den Geschäften und bei Zulieferern zu erhalten war. Die Waren wurden aber nicht nur in zu kleiner Stückzahl hergestellt, sondern auch in der gerade machbaren Qualität. Machbare Qualität war aber nicht durch den möglichen Stand der Technik vorgegeben, sondern durch die verfügbaren Rohmaterialien und Vorprodukte.

Mit einfachen Worten: Es wurde alles gekauft, was produziert wurde. Natürlich galt das auch für Firmen wie AGFA. Man fragte damals nicht, wie gut denn der Film sei, man war froh, daß man überhaupt so etwas „Kostbares“ bekommen konnte. Ein Film war „Luxus pur“, denn er ging über das hinaus, was zum Überleben dringend notwendig war.

So waren denn auch die ersten Abnahmebedingungen des Rundfunks für Tonbänder ein ausgehandelter Kompromiss zwischen der unbedingt nötigen Qualität für den Sendebetrieb und der herstellbaren Güte unter Berücksichtigung des technischen Wissensstandes und der Verfügbarkeit von Rohstoffen. Hinzu kam, dass Maschinen für die Produktion nicht käuflich waren, sie mussten selbst erdacht und erbaut werden oder mit Produzenten verwandter Ausrüstungen konzipiert, erprobt und hergestellt werden.

In diese Felder mußte Geld und Wissen investiert werden. Die Frage der Erforschung möglicher Kundenpräferenzen stellte sich nicht.

Und dennoch waren die Standards des deutschen Rundfunks beispielgebend für Kontinentaleuropa, weil sie produzentenseitig im Wesentlichen von zwei Bandherstellern und von einem Gerätehersteller, nämlich Telefunken, festgelegt wurden, durchaus mit dem ständigen Ehrgeiz, das technisch Machbare zu erreichen.

Europa war auch durchaus groß genug, die vorhandenen Kapazitäten mehr als auszulasten.

Man kümmerte sich kaum um die überseeischen Märkte und versäumte so zu erkennen, was auf den Unterhaltungsmärkten Englands und Nordamerikas entwickelt wurde und ablief. Man verpasste zunächst die Anforderungen und Chancen der größten Märkte der Welt.

Das Gesagte gilt nicht nur für die Bandindustrie, sondern auch für die Geräteindustrie in Deutschland.

So kam es z.B. dass der „Neuling“ für Studiomagnetbandgeräte, Studer, in den USA dem Erfinder Telefunken vollkommen den Rang ablief und der dort etablierten Firma Ampex das Leben durchaus sehr schwer machte.


Grüße
Peter
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(Konrad Adenauer)
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RE: Bänder-Untersuchung mittels Infrarot-Spektroskopie - von Peter Ruhrberg - 12.02.2022, 21:29

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