14.06.2005, 11:42
Am 14. Juni 2005, also heute vor 10 Jahren starb der irische Blues-Rock-Gitarrist Rory Gallagher.
Gallagher spielte in jungen Jahren in verschiedenen Bands (z. B. Fontana Show Band), im Rahmen dieser Aktivitäten kam er mit einer andern Band zu einem Auftritt im Hamburger Star-Club. Sein erstes großes, eigenes Ding war die Band "Taste", die den britischen Bluesboom um eine laute, brachiale, durchaus aber auch virtuose Variante bereicherte. Gallagher, der abseits der Bühne als nett und zurückhaltend galt, war auf der Bühne die Dominanz in Person. Seine Mitmusiker hatten nichts zu lachen und wenig zu spielen - die Band löste sich wegen dieser Differenzen auf.
In der Folge trat Gallagher nur noch unter eigenem Namen auf. Wenn es soetwas wie eine "Rory-Gallagher-Band" gab, dann war es die Formation mit Lou Martin (kb), Rod d'Ath (dr), Gerry McAvoy (bg). In dieser Besetzung festigte er seinen Status als einer der besten Gitarristen des Genres und tourte durch Europa, dabei häufig durch Deutschland und feierte Triumpfe auf der "Irish Tour". Gallagher gehörte zu den ersten Acts der Rockpalast-Veranstaltungen und war dort gern gesehener, häufiger Gast.
Gallagher wurde oft mit Eric Clapton verglichen. Dabei können zwei Karrieren kaum unterschiedlicher verlaufen. Anders als oft behauptet hat Clapton nicht den Blues beeinflusst - es war umgekehrt - und wurde vielen ups and downs unterworfen, verbunden mit stilistischen Wandlungen. Es gab einige Comebacks, heute ist Clapton Superstar und ist zu den Wurzeln zurückgekehrt, die Gallagher nie verlassen hat. Der verschwand, als seine Popularität den Zenith überschritten hatte, zwar nicht ganz in der Versenkung, aber fast. Stilistische Wandlungen waren ihm fern. Als Clapton, offen für allerlei aktuelle Einflüsse, in feinstem Zwirn als elder Statesman der geplegt-gelangweilten Bluesgitarre unter Pop-Einfluss auf der Bühne stand, fegte Gallagher, an Leibesfülle beträchtlich gewachsen, immer noch in Jeans, kariertem Hemd und Turnschuhen wie ein Irrwisch über die Bühne, Vitalität pur. Melancholische Versunkenheit und zart hingetupfte Töne waren seine Sache nicht. Seine Virtuosität war immer gekoppelt mit Druck und Drive. Auf dem Video eines Rockpalastauftrittes konnte ich mir Bild eines Musikers machen, der bei allem Können und allem damaligen Star-Status am Boden geblieben war: Er liess sich durch die peinlich-blöden Fragen von Albrecht Metzger nicht in seiner Freundlichkeit beirren, hatte nicht, wie heute selbst bei mittelmäßigen Gitarristen üblich, eine Armada von Gitarren dabei, die nach jedem Stück durch den Roadie ausgwechselt wurden, sondern stimmte sein einziges Instrument selber - während dem Spielen, quasi beim Flug über die Bühne. Ein direkt darauf folgendes Video von Nils Lofgren, das etliche Jahre später aufgenommen, also jünger war, hat dagegen ganz schön alt ausgesehen.
Wenn es etwas gab, was für Rory Gallagher typisch war, dann seine Bodenständigkeit. Mit einem Fuß fest im Blues verankert, mit dem anderen in der irischen Musiktradition, hat er seinen künstlerischen Standpunkt nie aufgegeben. Er war jemand, der die Musik liebte und lebte, aber nicht veränderte. Die Revolutionen überliess er anderen, auch den Star-Ruhm. Als Mick Taylor bei den Stones ausstieg, war Gallagher als Nachfolger in der engeren Auswahl und wurde zum Vorspielen nach Frankreich geflogen, wo die Band residierte. Ob er den Job gekriegt hätte, ist zweifelhaft. Er hat sich auch nicht groß darum bemüht, genausowenig wie er Wert darauf legte, Richie Blackmore bei Deep Purple zu beerben. "Let's Go To Work" hiess eine Live-Compilation, und das praktizierte er auch: Statt der Aktentasche den Gitarrenkoffer, statt ins Büro zum arbeiten in den Club zum Spielen. Zuletzt in ganz kleinem Rahmen, ohne Begleitung, alleine.
Seine erste Gitarre begleitete ihn sein ganzes Musikerleben lang als Hauptinstrument. Ich erinnere mich an das Photo eines rohen Holzprügels, fast ohne Lack, mit korrodierten Metallteilen, wie aus einer Mülltonne gezogen. Darunter die lakonischen Unterschrift: Fender Stratocaster mit leichten Gebrauchsspuren.
Gallagher lebte völlig unspektakulär, keine Allüren, keine Excesse, keine Drogen, ausser Bier. Damit soff er sich still und unauffällig zu Tode, ganz bodenständig wie viele andere auch. Bei einer Lebertransplatation kam es zu Komplikationen, Gallagher starb an einer Lungenentzündung.
Was bleibt, ist ein Plattenkatalog, der das hören lohnt.
Da wären zuerst die Aufnahmen mit Taste, z. B. "On the Boards". Da wären seine beiden ersten Solo Alben "Rory Gallagher" und "Deuce", die einen melodischen, akustisch orientierten Musiker zeigen, der noch nicht so laut ist, wie er später wurde. "Tatoo" und "Blueprint" dürften zu seinen besten Platten gehören, ebenso wie "Calling Card". Die "Irish Tour" ist ein vitales, kaum zu toppendes Dokument seines Live-Schaffens. Die "G-men-Series" sind insofern originell, weil hier kursierendes Bootleg-Material einfach zurückgeklaut und auf eigene Rechnung veröffentlicht wurde. Von den Spätwerken gefällt mir "Jinx" sehr gut.
Postum erschien auch einiges an interessantem Material, hervorzuheben sind die "BBC-Tapes" mit einer definitiven Version von "Calling Card". Zitat eines Kritikers (war es Franz Schöler?): " Der Blues schnurrt dahin wie ein gut gewarteter 12-Zylinder". Sehr gut auch die Acoustic-Compilation "Wheel Within Wheels". Als Bluesmusiker mit irischen Wurzeln hatte Gallagher selbstverständlich immer ein Acousitc-Set mit im Programm, lange bevor MTV mit Mr. Clapton "unplugged" als Marke etablierte.
Bei Bruder Donal Gallagher scheint das Werk Rory's in vernünftigen Händen zu sein. Zwar will man Geld verdienen, aber die Reissues sind sorgfältig, das Material gut, eine Abzocke wie mit dem Erbe von Jimi Hendrix wird nicht betrieben. Demnächst erscheint eine neue Best-Of Compilation.
Quelle: Weite Teile aus der aktuellen "Good Times"
Gallagher spielte in jungen Jahren in verschiedenen Bands (z. B. Fontana Show Band), im Rahmen dieser Aktivitäten kam er mit einer andern Band zu einem Auftritt im Hamburger Star-Club. Sein erstes großes, eigenes Ding war die Band "Taste", die den britischen Bluesboom um eine laute, brachiale, durchaus aber auch virtuose Variante bereicherte. Gallagher, der abseits der Bühne als nett und zurückhaltend galt, war auf der Bühne die Dominanz in Person. Seine Mitmusiker hatten nichts zu lachen und wenig zu spielen - die Band löste sich wegen dieser Differenzen auf.
In der Folge trat Gallagher nur noch unter eigenem Namen auf. Wenn es soetwas wie eine "Rory-Gallagher-Band" gab, dann war es die Formation mit Lou Martin (kb), Rod d'Ath (dr), Gerry McAvoy (bg). In dieser Besetzung festigte er seinen Status als einer der besten Gitarristen des Genres und tourte durch Europa, dabei häufig durch Deutschland und feierte Triumpfe auf der "Irish Tour". Gallagher gehörte zu den ersten Acts der Rockpalast-Veranstaltungen und war dort gern gesehener, häufiger Gast.
Gallagher wurde oft mit Eric Clapton verglichen. Dabei können zwei Karrieren kaum unterschiedlicher verlaufen. Anders als oft behauptet hat Clapton nicht den Blues beeinflusst - es war umgekehrt - und wurde vielen ups and downs unterworfen, verbunden mit stilistischen Wandlungen. Es gab einige Comebacks, heute ist Clapton Superstar und ist zu den Wurzeln zurückgekehrt, die Gallagher nie verlassen hat. Der verschwand, als seine Popularität den Zenith überschritten hatte, zwar nicht ganz in der Versenkung, aber fast. Stilistische Wandlungen waren ihm fern. Als Clapton, offen für allerlei aktuelle Einflüsse, in feinstem Zwirn als elder Statesman der geplegt-gelangweilten Bluesgitarre unter Pop-Einfluss auf der Bühne stand, fegte Gallagher, an Leibesfülle beträchtlich gewachsen, immer noch in Jeans, kariertem Hemd und Turnschuhen wie ein Irrwisch über die Bühne, Vitalität pur. Melancholische Versunkenheit und zart hingetupfte Töne waren seine Sache nicht. Seine Virtuosität war immer gekoppelt mit Druck und Drive. Auf dem Video eines Rockpalastauftrittes konnte ich mir Bild eines Musikers machen, der bei allem Können und allem damaligen Star-Status am Boden geblieben war: Er liess sich durch die peinlich-blöden Fragen von Albrecht Metzger nicht in seiner Freundlichkeit beirren, hatte nicht, wie heute selbst bei mittelmäßigen Gitarristen üblich, eine Armada von Gitarren dabei, die nach jedem Stück durch den Roadie ausgwechselt wurden, sondern stimmte sein einziges Instrument selber - während dem Spielen, quasi beim Flug über die Bühne. Ein direkt darauf folgendes Video von Nils Lofgren, das etliche Jahre später aufgenommen, also jünger war, hat dagegen ganz schön alt ausgesehen.
Wenn es etwas gab, was für Rory Gallagher typisch war, dann seine Bodenständigkeit. Mit einem Fuß fest im Blues verankert, mit dem anderen in der irischen Musiktradition, hat er seinen künstlerischen Standpunkt nie aufgegeben. Er war jemand, der die Musik liebte und lebte, aber nicht veränderte. Die Revolutionen überliess er anderen, auch den Star-Ruhm. Als Mick Taylor bei den Stones ausstieg, war Gallagher als Nachfolger in der engeren Auswahl und wurde zum Vorspielen nach Frankreich geflogen, wo die Band residierte. Ob er den Job gekriegt hätte, ist zweifelhaft. Er hat sich auch nicht groß darum bemüht, genausowenig wie er Wert darauf legte, Richie Blackmore bei Deep Purple zu beerben. "Let's Go To Work" hiess eine Live-Compilation, und das praktizierte er auch: Statt der Aktentasche den Gitarrenkoffer, statt ins Büro zum arbeiten in den Club zum Spielen. Zuletzt in ganz kleinem Rahmen, ohne Begleitung, alleine.
Seine erste Gitarre begleitete ihn sein ganzes Musikerleben lang als Hauptinstrument. Ich erinnere mich an das Photo eines rohen Holzprügels, fast ohne Lack, mit korrodierten Metallteilen, wie aus einer Mülltonne gezogen. Darunter die lakonischen Unterschrift: Fender Stratocaster mit leichten Gebrauchsspuren.
Gallagher lebte völlig unspektakulär, keine Allüren, keine Excesse, keine Drogen, ausser Bier. Damit soff er sich still und unauffällig zu Tode, ganz bodenständig wie viele andere auch. Bei einer Lebertransplatation kam es zu Komplikationen, Gallagher starb an einer Lungenentzündung.
Was bleibt, ist ein Plattenkatalog, der das hören lohnt.
Da wären zuerst die Aufnahmen mit Taste, z. B. "On the Boards". Da wären seine beiden ersten Solo Alben "Rory Gallagher" und "Deuce", die einen melodischen, akustisch orientierten Musiker zeigen, der noch nicht so laut ist, wie er später wurde. "Tatoo" und "Blueprint" dürften zu seinen besten Platten gehören, ebenso wie "Calling Card". Die "Irish Tour" ist ein vitales, kaum zu toppendes Dokument seines Live-Schaffens. Die "G-men-Series" sind insofern originell, weil hier kursierendes Bootleg-Material einfach zurückgeklaut und auf eigene Rechnung veröffentlicht wurde. Von den Spätwerken gefällt mir "Jinx" sehr gut.
Postum erschien auch einiges an interessantem Material, hervorzuheben sind die "BBC-Tapes" mit einer definitiven Version von "Calling Card". Zitat eines Kritikers (war es Franz Schöler?): " Der Blues schnurrt dahin wie ein gut gewarteter 12-Zylinder". Sehr gut auch die Acoustic-Compilation "Wheel Within Wheels". Als Bluesmusiker mit irischen Wurzeln hatte Gallagher selbstverständlich immer ein Acousitc-Set mit im Programm, lange bevor MTV mit Mr. Clapton "unplugged" als Marke etablierte.
Bei Bruder Donal Gallagher scheint das Werk Rory's in vernünftigen Händen zu sein. Zwar will man Geld verdienen, aber die Reissues sind sorgfältig, das Material gut, eine Abzocke wie mit dem Erbe von Jimi Hendrix wird nicht betrieben. Demnächst erscheint eine neue Best-Of Compilation.
Quelle: Weite Teile aus der aktuellen "Good Times"
Michael(F)