Jungfernflug mit RS-1500US und lpr90
#1
Hallo Gemeinde,

gibt es einen feststehenden Begriff für die erste Aufnahme mit einem "neuen" Gerät? Bei meinem anderen Hobby heißt es "fist light" wenn man das erste Mal durch ein Teleskop schaut oder ein Photo macht. Nun, ich bin ohnehin ein Gegner von Anglizismen.
Hier der Bericht von meinem Wiedereintritt in die vertraute analoge Atmosphäre oder "mein liebes Tagebuch, heute habe ich Interessantes zu berichten....".
Die Maschine ist eine Technics RS-1500US. Die Mission ist eine Hommage an meine Jugend, das berühmte Mix-Band mit allen meinen Lieblings-Stücken, anders als damals von CD, nicht von Vinyl. 

Das bei Thomann bestellte RTM lpr90 ist heute Mittag eingetroffen. Leider war es ziemlich tiefgekühlt, so dass ich es zunächst in der Plastik-Tüte (ach nein, Kunststoff heißt das) belassen habe. Die Frage nach der korrekten Bias und EQ-Einstellung ist nach wie vor offen. Mein Technics RS-1500US hat für jede der beiden 3 verschiedene zur Wahl. Also - ich bin ja Inschinör - ein paar Test-Dateien heruntergeladen. 1kHz Sinus, der Länge wegen von hier:
https://virtualzeroaudio.com/pages/1khz-sine-wave
und 100Hz Sinus, 10kHz Sinus, weißes und rosa Rauchen und - ich dachte zunächst wofür soll das gut sein? - einen Sweep von 1Hz bis 96kHz. Hoffentlich verschrecke ich damit nicht die Fledermäuse. Letztere stammen von hier:
https://www.audiocheck.net/testtones_hig...naudio.php

Die .waf wurden auf eine CD gebrannt, denn meinem Marantz CD5003 traue ich weit mehr über den Weg als diesem Notbook, auf dem ich gerade schreibe. Folgende Erkenntnisse wurden gewonnen: sowohl bei den drei Sinus-Tönen als auch bei den beiden Rausch-Spektren führt bias 1 zu dem höchsten Pegel bei Hinterband-Kontrolle. Ich nehme mal an, das ist das Ziel der Übung. Die EQ-Einstellung macht bei weißem Rauchen einen deutlichen Unterschied. EQ 1: Höhen stark überhöht, bei EQ2 Höhen mäßig überhöht und bei EQ3 nur noch leicht überhöht im Vergleich zur Quelle. Der Hersteller hat vermutlich in den 1970ern nicht mit dieser Bandqualität gerechnet. Also, im folgenden wird bias 1 und EQ 3 verwendet. Meine bevorzugte Bandgeschwindigkeit ist 7 1/2 IPS.

Apropos Qualität: das Band von RTM ist absolut phänomenal, was man von der Spule gar nicht behaupten kann. Die ist nämlich total krumm. Die Packung von Thomann ist Atombomben-sicher, also der Transport zu mir war sicher nicht das Problem. Als das Band vollständig bespielt war, habe ich versucht, die Spule zu richten, ohne Erfolg. Ich habe das Band nun auf eine alte Sony-Spule gewickelt, die vernünftig läuft. Einerseits nervt die krumme Frontseite, weil sie im Licht blinkt wie ein Leuchtturm, andererseits hat man beim Rückspulen Angst es könnte das Gerät zerlegen. Sehr enttäuschen muss ich sagen. Vielleicht ist es besser einen Wickel zu bestellen und eine leere Spule dazu. Vielleicht können andere ihre Erfahrungen mit den RTM-Spulen schildern.

Zurück zum Band. Wie Erhard (musicus) richtig angemerkt hat, man stelle die VU-Meter mal gleich auf +6dB. Bei 1kHz Sinus kann man aussteuern bis sich die Zeiger biegen. Irgendwann sind dann tatsächlich doch Oberschwingungen zu hören. Ich tue mich schwer, eine exakte Grenze zu benennen - zumal diese frequenzabhängig sein wird - aber +6dB ist bei 1kHz noch unauffällig. Bei meinem Gerät ist der Wiedergabe-Pegel laut Anzeige links 1dB höher als rechts wenn die Quelle gleiche Pegel lt. VU-meter hat. In diesem Fall kann es durchaus sein, dass hier die Anzeige falsch ist. Ich habe die Pegel nicht gemessen. Eine erneute gründliche Reinigung der Tonköpfe brachte keine Änderung, also habe ich es mal dabei belassen.
Ach ja, der Sweep. Kurz nachdem meine Ohren gar nichts mehr hören passiert das, was wir in Hochfrequenztechnik mal gelernt haben: Multiplikation im Zeitbereich entspricht einer Faltung im Frequenzberich. Das Spektrum wird am Ort der multiplizierten Frequenz nach oben und unten gespiegelt. Diese Frequenz ist hier der Bias. Es klingt als wenn man bei einem Kurzwellen-Radio den Frequenz-Knopf dreht. Das ist völlig in Ordnung, denn kein vernünftiger Mensch würde Signale so weit außerhalb des hörbaren Spektrums auf so eine alte Maschine werfen.

Den Rest des Abends habe ich dann alles was irgendwie spektakulär klingt auf ein Band gebracht. Der Signal-Rauschabstand ist wirklich beeindruckend. Ich hatte Anfangs überlegt, ob ich liebe eine Maschine mit Rauschunterdrückung kaufe aber das scheint nicht nötig zu sein. Manche ältere Title rauschen auf der CD, die vom analogen Band kommt, auch nicht weniger.
Wie damals habe ich dann die Zählwerk-Stände zu den Titel geschrieben, um jedes Stück wiederfinden zu können. Nach dem erneuten Rückspulen des Bandes sind allerdings auf dem Zählwerk mal 2 Minuten (x2) verloren gegangen. Das Bestreben von Technics, einen Echtzeit-Zähler zu verwirklichen in allen Ehren, doch der Schlupf spuckt da beim Umspulen doch etwas in die Suppe.

Ich bin in Summe begeistert von dem Band und der Maschine. Es war die richtige Entscheidung. Nicht nur vom Klang her, auch wegen der Handhabung. Plötzlich bringe ich jedem Titel wieder Aufmerksamkeit entgegen, spule ihn auf der CD vor und zurück um die lauteste Stelle zu finden, höre genau, wann er endet, um schnell den Pegel auf Null zu drehen. Es ist die so hoch geschätzte Achtsamkeit, die bei der analogen Technik gefordert ist.


Liebe Grüße
Marcus / der Elbe
Technics RS-1500US, Technics RS-B49R, Technics ST-G450, Loewe SV 3490
das andere Hobby: https://elf-of-lothlorien.de
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Jungfernflug mit RS-1500US und lpr90 - von der Elbe - 26.11.2021, 23:16

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