Die Leichte Muse, z. B. James Last
#1
In den Bert-Kaempfert-Thread, dem Auslöser für dieses Posting, wollte ich nicht zu viele andere Namen 'reinbringen. Deswegen mache ich ein neues Thema auf. Dabei möchte ich nicht nur für James Last sondern für viele andere Musiker, die wir oft und gerne etwas belächeln, eine Lanze brechen. Dies mehr aus Respekt vor der Leistung, nicht so sehr, weil ich Fan bin.

Nicht jeder wurde so dumm geboren wie er sich gibt und nicht jeder wird auch so dumm sterben. Daß sich viele Musiker in künstlerischer Hinsicht für dumm verkauft haben (oder sich vekaufen ließen) hat damit zu tun, daß früher, wo doch alles vieeeel viel besser war, die gleichen Probleme bestanden, über die wir heute auch klagen: Mit Niveau ist es schwer, Geld zu verdienen. In der Folge sinkt das Niveau. Manchmal singt das sinkende Niveau auch noch.

Mir fallen spontan folgende Musiker ein:
Bill Ramsey, Paul Kuhn, Knut Kiesewetter, Gitte, Catherina Valente, Nana Mouskouri, Kurt Edelhagen, Hugo Strasser, Max Greger, Ernst Mosch und und und...

Diese Liste könnte jeder von uns beliebig verlängern. Was diese Musiker verbindet: Alle sind / waren sie honorige Musiker, Könner ihres Fachs, gediegene Handwerker, die eben nicht das Glück hatten, mit einer überbordenden Kreativität ausgestattet zu sein, die sich zwangsweise von selber den Weg sucht. Es ist nicht jeder ein Miles Davis, der sich musikalisch und aussermusikalisch erlauben kann was er will und dabei nicht nur sein Publikum, seine Kritiker sondern auch noch seine Vermögensberater entzückt.

Die genannten Musiker haben alle gemerkt, daß sie mit ihrer Musik nur schwer überleben konnten, und damals wie heute wollte das Publikum weniger anspruchsvolle Kunst sondern mehr Unterhaltung. Jedes Publikum bekommt die Künstler, die es verdient und wurde entsprechend bedient. Kaempfert ging nach America. Ob wegen der künstlerischen Herausforderung oder wegen der Aussicht, gut zu verdienen, weiß ich nicht. Er hat sich, aus welchen Gründen auch immer, für den schwersten Weg entschieden. Für Musiker war und ist die Konkurrenz in Amiland immens. Das sich Kaempfert dort etablieren konnte spricht für seine Klasse.

Last ist in Deutschland geblieben und hatte den größten Erfolg. Er stand hier auch unter ständiger Beobachtung und war, anders als Kaempfert, auf eine geradezu aufdringliche Weise permanent präsent. Hat jemals ein Musiker derart gnadenlos eine Masche bis zum Erbrechen durchgezogen? Er wurde zum Party-König. Wenn in den siebzigern eine solche gegeben wurde, so besorgte man 'was zum trinken, 'was zum knabbern und die neueste Scheibe von James Last, die damals, so schien es mir, mit der gleichen Regelmäßigkeit erschienen wie Spiegel und Stern. Heute ist er Flohmarktkönig. Wenn mich etwas an ihm besonders stört, dann das, daß meine seine Platten stapelweise beiseite räumen muss, wenn man auf Flohmärkten nach schwarzen Scheiben gräbt.

Greift man in die Masse dieser Veröffentlichungen und holt sich ohne zu wählen eine heraus, so findet man äusserst selten etwas richtig Schlechtes. Was diese Musik disqualifiziert ist die schiere Menge an ewig gleichem, die fehlende Abwechslung. Wer sich die Mühe macht, die Party-Platten auszusortieren findet brillante Live-Mitschnitte, Filmmusiken und auch heute noch gültige Eigenkompositionen neben bestechenden Arrangements. Dieser Teil seines Gesamtwerks ist zwar der kleinere, aber immer noch groß genug, um ein beachtliches Lebenswerk abzugeben. Daß das Handwerk auch bei den liedrigesten Produktionen immer gestimmt hat - heute ganz bestimmt keine Selbsverständlichkeit mehr - braucht nicht weiter erwähnt zu werden.

So hat James Last immer hohen Respekt von anderen Musikern genossen und auch von solchen Leuten, die selber mehr begeistert denn talentiert mit einem Instrument kämpften. Dieses "easy listening" war anscheinend oft genug ein "easy playing". Die harte Arbeit, die dahinter steckte, sah man oft nicht. Bei vielen jungen Musikern geniesst Last heute noch hohe Anerkennung, seine Konzerte werden 12 Monate vorher plakatiert und sind oft kurz danach ausverkauft. Eine James-Last-Tournee ist ein Großereignis ohne Spektakel. Ähnlich wie bei Udo Jürgens und ähnlich auch, wenn auch in viel kleinerem Rahmen, bei Reinhard Mey.

Und die anderen? Ramsey huldigte der Zuckerpuppe von der Bauchtanztruppe und kann es ich dank dem damit verdienten Geld leisten, immer wieder eine gute Jazz-Platte für Kenner abseits der Großkonsumenten zu besingen. Paul Kuhn, der Mann am Klavier, forderte im gleichnamigen Schlager für diesen mehr Bier, bekam dieses und noch einen Haufen Geld dazu, versteckte gekonnt den excellenten Arrangeur und Jazzpianisten, bis er sich vor ein paar Jahren wieder seinen Wurzeln zuwandte. Zusammen mit Greger, dem verhinderten Egerländer und Hugo Strasser, dem Tanlehrer der Nation, tourt er unter dem Motte "Swinglegenden" zusammen mit der SWR-Big-Band, dem ehemaligen "Südfunk-Tanzorchester Erwin Lehn". Kuhn hat auch in jüngster Zeit eine ganze Latte excellenter Platten eingepielt. Edelhagen war der wildeste der deutschen Nachkriegs-Jazzer. Mit softig-weichgespültem Sound ließ er den Marsch der Nationen zur Olympiade in München einflutschen. Das war dann auch der Höhepunkt seiner Karriere.

Catherine Valente hat Jazz gesungen, Gitte Hänning tut es heute noch, Nana Mouskouri hat vor kurzem eine Jazz-Tournee absolviert, Knut Kiesewetter konnte nie richtig aus seiner Haut und war auch als Schlagerfuzzi noch zu gut, um dauerhaft Erfolg haben zu können. Eine tragische Figur ist Ernst Mosch: Der Posaunist von Erwin Lehn blieb bei seinem erfolgreichen Dauerbrenner "Egerländer" hängen. Er verwurstete bömisches Liedgut derart großangelegt, langatmig und vor allem erfolgreich, daß es ihm nicht mehr vergönnt war, den Absprung für ein vernünftiges Spätwerk zu schaffen. Da ihn niemand erschiessen wollte, musste er auf natürliche Weise zu Tode kommen. Was Erfolg und Penetranz anbelangt war er schlimmer als Last zu seinen schlimmsten Zeiten.

Letztlich haben diese Musiker Gebrauchsmusik gemacht. Musik, die auch gebraucht wurde, sonst hätte sie sich nicht so fantastisch verkauft. Ich mag das meiste nicht, was da produziert wurde, aber meinen Respekt haben diese Musiker immer gehabt, und manches, was sie ganz zu Anfang oder auch am Ende ihrer Karriere gemacht haben, machmal auch eingestreut zwischendrin, finde ich richtig dufte.

Im Übrigen freue ich mich auf den Tag, an dem Stefan Raab mit seinem von ihm so titulierten "Humor" keinen Erfolg mehr hat. Vielleicht tut er dann das. was er wirklich gut kann: Arrangements für Big-Bands schreiben. Aber zuvor will er anscheinend Ralph Siegel beerben. Immerhin: Es gibt schlimmere wie Max. Und wenn Helge Schneider nicht gerade Geld mit einem Katzenklo verdient, spielt er excellent Jazz-Gitarre. Vielleicht kommt da mal aus ungeahnten Ecken Erfreuliches auf uns zu, hofft jedenfalls

Michael

by the way, Roy Black soll sehr darunter gelitten haben, daß er mit Schlagern Geld verdienen musste. Sein Herz hing, so sagt man, am Rock ' Roll.
Michael(F)
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[Kein Betreff] - von Michael Franz - 13.06.2004, 12:44
[Kein Betreff] - von wz1950 - 13.06.2004, 14:27
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