Wie testet man Mikrophone?
#1
Ich habe hier einige Mikros herumliegen, nichts weltbewegendes. Dennoch würde ich die Mikros mal gegeneinander antreten lassen, um zu entscheiden, welches mein idealer Wegbegleiter für alle Fälle wird.

Aber wie testet man Mikros???
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#2
Die beiden Haupteigenschaften von Mikrofonen sind die Übertragungskennlinie(Frequenzgang) und die Richtcharakteristik. Die Bestimmung dieser beiden Kennlinien erfordert einen relativ großen Meßaufwand. Die Genauigkeit der Ergebnisse hängt zudem noch von der Qualität des verwendeten Referenzmikrofones ab. Zudem sollte das für diese Messung erforderliche Lautsprechersystem einen relativ ebenen Frequenzgang aufweisen, damit notwendige Fehlerausgleichsrechnungen nicht zu neuen Fehlerquellen werden.
Um Interferenzerscheinungen möglichst gering zu halten, empfiehlt es sich, die Messungen in einem schalltoten Raum oder im Freien (ohne Störgeräusche) vorzunehmen.
Falls kein Meßmikrofon mit sehr ebenem Frequenzverlauf zur Verfügung steht, kann auch (fast) jedes beliebige Mikrofon als Referenz verwendet werden, vorausgesetzt, der genaue Frequenzverlauf ist bekannt (Frequenzgangkurve liegt meistens dem Mikro bei). Der Leistungsverstärker sollte ohne Klangsteller sein, damit ein gerader Frequenzverlauf gewährleistet werden kann. Die zur Messung zum Einsatz kommende Lautsprecherbox sollte wenigstens einen einigermaßen guten Frequenzgang aufweisen. Außerdem muß sie der Dauerbelastbarkeit für hohe Frequenzbereiche standhalten.

Zur Messung des Frequenzganges eines Mikrofons ist eine Vergleichsmessung mit einem Referenzmikrofon bekannten Frequenzganges ein gangbarer Weg.
Man schließt einen durchstimmbaren Sinusgenerator an den Leistungsverstärker an, an dessen Ausgang wiederum die Lautsprecherbox angeschlossen ist. Das Referenzmikrofon sollte etwa 0,5...1 m vom Lautsprechersystem entfernt möglichst an einem Stativarm befestigt sein, damit erstens eine feste, definierte Stellung gewährleistet ist und zweitens keine Störgeräusche zu erwarten sind. Auch die Aufhängung an einem Faden ist geeignet, das Mikrofon ist dabei frontal auf das Lautsprechersystem gerichtet. Das Referenzmikrofon wird an ein geeignetes NF-Millivoltmeter angeschlossen.

Die einzustellende Lautstärke ist Ermessenssache, jedoch sollte bei Wahl einer Lautsprecherbox von z.B. 50 W Sinusdauerleistung die am Verstärker eingestellte Leistung von 5 W nicht überschritten werden (normalerweise genügen Leistungen um 1W vollkommen). Nun kann die Frequenzgangkurve aufgenommen werden im Bereich von 20...20000 Hz. Am besten wählt man hierzu eine doppeltlogarithmische Darstellung, d.h., ein relativer Pegel (mit willkürlich gewähltem 0-dB-Niveau) wird in der linearen, senkrechten dB-Skala und die Frequenz wird waagerecht ebenfalls logarithmisch abgetragen.
Vom aufgenommenen Frequenzgang des Referenzmikrofones (Kurve 1) wird anschließend die dem Referenzmikrofon beiliegende Frequengankurve (Kurve 2) geometrisch subtrahiert, d.h. alle Pegelwerte werden bei jeweils den gleichen Frequenzen von der ersten Kurve abgezogen. Das ist natürlich nur statthaft, wenn die Kurven im dB-Maßstab abgetragen wurden. Als Ergebnis erhält man (Kurve 3) den Frequenzgang der Lautsprecherbox. Dieses Zwischenergebnis ist jedoch lediglich ein nützlicher Nebeneffekt. Nun wird mit der gleichen Vorrichtung der Frequenzgang des zu untersuchenden Mikrofons gemessen (Kurve 4). Hierzu muß dieses exakt in gleicher Position angebracht werden wie vorher das Referenzmikrofon. Die abgegebene Lautsprecherleistung sollte hierbei gleich gewählt werden wie vorher. Jetzt kann in beschriebener Weise (Kurve 3) von (Kurve 4)subtrahiert werden, und man erhält als Ergebnis mit hinreichender Genauigkeit den Frequenzgang des zu untersuchenden Mikrofons.
Kennt man die Empfindlichkeit des Referenzmikrofones (angegeben in mV/Pa, auch als Feld-Leerlauf-Übertragungsfaktor bezeichnet), so kann auch die Empfindlichkeit des zu untersuchenden Mikrofons ermittelt werden. Dazu wird das Verhältnis der abgegebenen Spannungen bei der Frequenz 1 kHz benötigt.

Um die Richtcharakteristik eines unbekannten Mikrofons aufnehmen zu können, wird eine Drehvorrichtung benötigt, die ihrerseits die Ausbreitung des Schalles möglichst wenig beeinflußt. Der Drehkörper kann schwer ausgeführt werden, so daß man ihn zusammen mit dem befestigten Mikrofon z.B. auf einen Tisch stellen kann. So kann man auf eine drehbare Lagerung verzichten, ohne daß man ein Umfallen der Vorrichtung befürchten muß.
Die abgegebene Spannung bei den verschidenen Drehwinkeln wird in ein Kreisdiagramm eingetragen, und man erhält eine Kurve die dem Diagramm für die Richtcharakteristik des Mikrofons entspricht. Man kann die Kurvenaufnahme für verschiedene Frequenzen vornehmen, 1 kHz ist dabei eine übliche Frequenz.
da die Richtcharakteristik normalerweise symmetrisch zur Längsachse des Mikrofons ist, kann man beide Hälften des Diagramms für unterschiedliche Meßfrequenzen nutzen, wobei man das Strichmuster dann sogar doppelt verwenden kann.
Die Radialkomponente kann entweder linear sein (bei Normierung auf den Wert 1 für den Maximalwert), Übliche Richtcharakteristika sind Kugel, Niere, Superniere, Keule und Acht. Jeder Ineressierte hat diese Diagramme sicher schon einmal gesehen.

Bernd
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#3
Ich hatte mir schon gedacht, dass es kompliziert wird Wink Auf jeden Fall vielen Dank für die Ausführungen! Ich habe mir die wichtigsten Passagen stichpunktartig notiert und werde versuchen, den Testaufbau einigermaßen hinzubekommen. Die Erfahrung lehrt mich jedoch, dass die Unterschiede zumeist so groß sind, dass ein perfekter Aufbau nicht immer nötig ist. Insofern werde ich anstelle des Sinusgenerators meine Test-CD hernehmen, die Werte zwischen 100 und 20000 Hz wiedergeben kann.

Eine dumme Frage am Rande: darf man Mikros unterschiedlicher Richtcharakteristika überhaupt direkt vergleichen?
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#4
Wenn es Dir, wie ich vermute, rein um den Frequenzgang geht, dann spielt die Richtcharakteristik eine untergeordnete Rolle.

Bernd
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#5
Ja, zunächst interessiert mich nur der Frequenzgang.
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#6
Um den Thread ist es ja ein wenig still geworden, weshalb ich letztlich nochmals anschieben möchte: Der Frequnezgang eines Mikrofones ist in teilweise dramatischer Form von der Richtcharakteristik abhängig, was beispielsweise in der Tatsache des so genannten Nahbesprechungseffektes relativ leicht einsehbar ist. Je näher ein MIkrofonprinzip dem Druckgradientenverfahren kommt, umso stärker wird dieser Nahbesprechungseffekt. Er ist damit bei Achter-Mikros am stärksten, bei 'reinen' Druckempfängern (es gibt sie eigentlich nicht...) am schwästen ausgeprägt. Die Niere liegt auf dem halben Wege zwischen Acht und Kugel, hat Probleme beider Verfahren geerbt.
Nieren haben wie Achter eine problematische Tieftonwiedergabe, weil sie den Membranantrieb entweder vollständig oder aber wenigstens teilweise aus dem Druckgradienten (also der Druckdifferenz vor und hinter dem Mebran) ableiten. Bei großen Wellenlängen ist da aber nicht mehr viel, weshalb der Mikrofonentwickler sich zum Tricksen genötigt sieht. Das gilt übrigens auch für die Messerei, denn man kann bei einem Nieren- oder Achtrmikro den (Tiefen-)Frequengang mit Messtricks linear 'hinbiegen', einfach indem man die Messentfernung, also den Nahbesprechungseffekt günstig ausnützt.

Ein immenses Problem ist die Frage der Gleichmäßigkeit des Polardiagramms, also der Frequenzgang außerhalb der Achse, was bei der Kugel leidlich geht, bei der Niere und weiter zur Acht wesentliche Probleme aufwirft, die der Konstrukteur nach seinen Vorlieben entscheiden muss. Man hört infolgedessen oftmals am Mikrofon-Produkt die 'musikalische Ausrichtung' des Konstrukteurs. Bedenken wir, dass die wenigsten Signale in der senkrecht auf der Membran stehenden Achse beim Mikro ankommen. Mikrofonfrequenzgänge werden aber so ermittelt. Weiterhin sorgt der jeweilige Raum mit seinen Begrenzungsflächen und deren Eigenschaften für einen in höheren Frequenzbereichen 'dollen' Frequenzgang der Übertragungseinrichtung, was nicht zuletzt die RRG veranlasste, Bewertungen oberhalb von 10 kHz abzulehnen.
Grundsätzlich empfehle ich euch die Mikrofonaufsätze Jörg Wuttkes auf der Seite der Fa. Schoeps (www.schoeps.de) zur Lektüre, da wird all das sehr schön lesbar aufbereitet. Hat man das drauf, weiß man, warum der Hase hoppelt.

Hans-Joachim
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