Hallo Bernd, hallo in die Runde,
Die Fragen sind von nicht dem US-amerikanischen Normenausschuß (NARTB) von Annodunnemals angehörenden Deutschen nur mit plausiblen Vermutungen zu beantworten. Die Mühe dafür aber lohnt sich.
Der US-Bandgerätemarkt war vermutlich dominiert von AMPEX und das erste Gerät A 200 geht nach deren eigenem Bekunden auf Konstruktionsprinzipien der deutschen Magnetophone zurück.
Die Geschichte von John Thomas "Jack" Mullin, der gleich nach Kriegsende für den Transport zweier AEG-Magnetophone nach Kalifornien verantwortlich zeichnete, ist sehr spannend, aber gehört wohl nicht hierher.
Just dieser Herr Mullin brachte Ampex und Bing Crosby zusammen, und Ampex baute dann die ersten Geräte für Bing Crosbys Radioshows, die dieser bis dato meist live zwei mal pro Woche wegen der verschiedenen Zeitzonen in USA aufführen mußte. Das nervte ihn.
Von 1945/46 bis 1947 zeichnete Mullin die Bing Crosby Shows mit den Magnetophonen und aus Deutschland mitgebrachten Bändern auf und er schnitt sie auch. Wesentlich mehr, als 1000m ging bei den 30cm Bandtellern nicht drauf. Ich schätze, er kam damals auf gut 30 Minuten Laufzeit bei Ausnutzung bis über den Rand. Das war zwar viel, aber Bing Crosby zu wenig und die 1947 fertigestellte Ampex A 200 hatte denn auch überdimensionierte Bandteller!!! Ja! Bandteller für offenen Wickel auf Wickelkern und mit Schicht außen, wie beim Vorbild von AEG (siehe Bild von Peter Ruhrberg).
Hätte man den Durchmesser von 60-70 Millimetern der deutschen Wickelkerne dauerhaft übernommen, wären die Bandzugprobleme (die auch die Magnetophone schon hatten) nicht lösbar gewesen mit der damaligen Technik.
Das Verhältnis von Bandanfang zu Bandende wäre dann mindestens 1:5 gewesen. Das gibt massiven Schlupf an der Tonwelle. Ich vermute, daß man deshalb einem Kernduchmesser gewählt hatte, der das Verhälnis auf 1:3 bei den riesigen Tellern begrenzte.
Das gewählte Profil für den amerikanischen Wickelkern ist wesentlich einfacher präzise herzustellen, als das deutsche Pendant und durch den großen Ausschnitt sehr leicht, und sogar das vorhergehende (deutsche) System paßt gut hinein. Man hat dabei vermutlich auch an Kompatibilität gedacht.
Den Weg zur Verringerung des Schlupfes hatte dann später auch AEG gewählt und die 60 und 70 mm Kerne wurden geächtet. Zur Norm wurde der 100 mm Wickelkern mit AEG-Verriegelung. Dann hat man das Verhältnis 1:3 beim 30cm Teller.
Damit hier nichts durcheinander kommt: Erst die M5 hatte auswechselbare Bandaufnahmen.
Bis einschließlich T9u konnten die Studiolaufwerke nur freie Wickel oder Spulen mit AEG-Aufnahme abspielen. Auch die für den gehobenen Amateur gedachten AW-Laufwerke der AEG hatten nur AEG-Aufnahme, dafür gab es dann aber 22 cm Spulen. Es gab auch 30 cm Spulen mit AEG-Aufnahme. Beide Größen habe ich selbst. Für die Studiolauferke gab es Adapterzwischenstücke zur Aufnahme der NAB-Kerne und Spulen. Die etwa zeitgleich entstandene KL 15 hatte 18er Dreizackspulen.
Wenn bei den Profis in Deutschland Bänder aus USA auf NAB-Kernen oder -Spulen ankamen (die waren so genial verschraubt, daß man beides daraus machen konnte), dann wurden die vorsichtig umgewickelt, wenn sie bearbeitet werden sollten. Der Rundlauf dieser Ungetüme war nämlich nicht sehr prickelnd. Sie durften aber meist nicht schnell umgespult werden, dann hatte man sehr schnell das 3M-Band statt auf dem Wickelkern unter der Zimmerdecke. Das ist ja nun bei Masterbändern für die Schallplattenproduktion ganz ungünstig.
Die HiFi-Bewegung entdeckte diese NAB-Spulen für die Großspuler erst viele Jahre später und mit den Becherverriegelungen sahen die dann sehr,sehr schick aus. Für Revox´ Großspuler gab es von Anfang an Spulen mit Dreizack.
Die Ampex-Geräte, von denen ich bis in die 70er Jahre Unterlagen habe, hatten keine Verriegelung im Sinne der schönen Becher, sondern einfache Achsen meist mit Stiften für die Dreizackspulen. Auf den Achsen wurde dann der Verriegelungsgriff für den NAB-Auschnitt verschraubt. Das war eine sehr einfache konstruktive und dazu kostengünstige Lösung. -
Als in der Wolle gefärbter AEG-Telefunken Fan muß ich hier sagen: „Viel komplizierter als die seinerzeit patentfähige AEG-Wickelkernverriegelung hätte man dieselbe auch nicht konstruieren können“.
Mit den besten Grüßen
Manfred
P.S. Da bin ich ja zwischenzeitlich mehrfach überrundet worden.
Peter, Deine Bilder sind ja wunderbar. Ich komme im Moment an meine lange nicht so schönen Bilder nicht heran.
Für eventuelle Diskussionen über Schichtlagen (z.B. weshalb die Deutschen immer alles anders machen müssen):
Jack Mullin steht da just vor einer AMPEX A 200 mit Schichtlage außen. Später in "deutsche Schichtlage" umbenannt.
An der A 200 kann man vermutlich schon sehen, weshalb Ampex dann beim Modell 300 die Schichtlage drehte, aber das ist eine andere Geschichte.