Studer a807 / Verzerrung
#1
Guten Tag, 

ich grüße Euch Smile  

Ich bin seit heute erstmals in meinem Leben Besitzer einer Studer Tonbandmaschine a 807. Sehr schöne Maschine. Gute erhalten, mechanisch läuft alles gut. 

Ich habe ein kleines Problem. Die Maschine verzerrt nach meinem Höreindruck bei den Aufnahmen. Es ist leider eine ohne VU - mit VU aktuell leider unbezahlbar. Ich arbeite seit geraumer Zeit mit Aufnahmen im Studiobereich und wollte die Maschine nutzen um Bandsättigung und Charakter auf Aufnahmen hinzuzufügen. 

Dass bei Übersteuerung eine Bandsättigung stattfindet ist mir klar. Aber dieses sollte ja nicht verzerrt klingen - also nicht im Sinne von kaputt und unangenehm. Ich habe die Maschine hinter einem hochwertigen EQ in meine Masterschleife eingeschliffen. Über XLR. Habe dann über die DAW eingepegelt. Also einfach mal fertige Stücke, die ohne die Maschine 1:1 in der Schleife bei ausgeschalteten Geräten identisch klingen. Dann die Maschine rein. So habe ich ja schonmal eine Idee davon, dass ich mich auf 0db Einpeglung befinde. Aber es zerrt extrem. Ich habe nun mit bis zu -9 db aufgenommen. Dann wird es besser, aber das Material klingt dann klanglich irgendwie geschlossen und immer noch nicht schön, wenn man es wieder lauter zieht. Vielleicht gehe ich da zu naiv ran? Kann es an den Bändern liegen? Es sind Revox-Bänder (eine Seite schwarz). BASF sollen besser sein, mehr Headroom vor Verzerrung haben. Kann das an Kondensatoren liegen? Oder an den Tonköpfen? Es sind Schmetterlingstonköpfe drauf. Die sehen eigentlich noch ganz gut aus, soweit ich das beurteilen kann. Mein Eindruck ist auch, dass die linke Seite in etwa 0.3 db leiser abspielt. Gibt es Tips wie ich da vorgehen könnte? Ich wollte erstmal andere Kabel und dann andere Bänder versuchen, oder die Maschine an einen Mixer anschließen? Bin leider kein Fachmann was die Maschinen angeht. Aber mit Studiogeräten oder im Auspegeln stelle ich mich in der Regel nicht total dumm an. Habe auch das Gefühl dass ein bisschen zu viel Stereoabbildung, Bässe und zum Teil Höhen verloren gehen. Das ist nach meinem Wissen etwas, das so nicht sein sollte bei den Maschinen. 

Über Rückmeldungen bin ich dankbar. 

LG

Andreas


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#2
Hallo,

möglicherweise hast du falsche Vorstellungen von "Bandsättigung" und "Verzerrungen".
Wenn deine Bandaufnahmen nicht verzerrt klingen sollen, darfst du mit der Aussteuerung nicht in die Sättigung gehen.
Davon abgesehen treten Verzerrungen auch schon vor "Sättigung" ein. Band-Übersteuerung setzt nicht plötzlich bei bestimmten Pegel ein. Je nach Bandmaterial hat man es mit einer unterschiedlich stark gekrümmten Kennlinie zu tun.
Davon abgesehen sind die Effekte auch noch Frequenz-abhängig. Band-Sättigung setzt bei hohen Frequenzen bei viel kleineren Pegeln ein als bei tiefen Frequenzen. Man muß also schon ein gewisses Verständnis der Vorgänge haben, um sie gezielt und mit erfolgreich für "künstlerische" Prozesse einsetzen zu  können.
Auf der technischen Seite ist zunächst mal sicher zu stellen, daß die elektronischen Signalzüge vor und hinter dem Bandgerät alle auftretenden Pegel verzerrungs"frei" übertragen können. Sonst bekommst du daher unerfreuliche Verzerrungen.
Eine ordentliche "stand-alone" Spitzen-Pegel-Anzeige kostet meines Wissens allenfalls ein paar hundert Euro, was für ein professionelles Studio keine Hürde darstellen sollte.
Davon abgesehen, kann jeder PC mit kostenloser Software ein PPM über sein Audio-Interface emulieren. Das mußt du dann nur noch an geeigneter Stelle in der A807 anschließen.

MfG Kai
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#3
Hallo Andreas,

willkommen im Forum - wir haben offenbar nicht nur den gleichen Vornamen, sondern auch die gleiche Bandmaschine Wink

Deine Anfrage liest sich so, als wäre es nicht verkehrt, ein paar Grundlagen zu klären - dann wird manches wahrscheinlich von alleine klar. Von "innen" nach "außen" - und da es schon spät ist, in Kurzform:
  • Der "Pegel" auf dem Magnetband ist ein magnetischer Fluss. Er wird in "Nanoweber pro Meter Spurbreite" angegeben, kurz nWb/m. Typische Größenordnungen für den magnetischen Bezugspunkt sind 514 nWb/m oder 320 nWb/m.
  • Bei welchem magnetischen Fluss wie starke Verzerrungen oder Sättigung eintreten, hängt vom verwendeten Band und der Vormagnetisierung (oder Bias) ab. Über Details geben die Kurven in den Datenblättern zu den Bändern Aufschluss. Deutliche Verzerrungen (Klirrfaktoren von 3% und mehr) sind typischerweise erst mehrere dB oberhalb des Bezugspegels zu erwarten.
  • Bei Aufnahme und Wiedergabe treten die elektrischen Pegel am Ein- und Ausgang natürlich in ein (mehr oder minder) festes Verhältnis. (Nur) Wenn Du das kennst, kann man verlässliche Aussagen darüber machen, wieviel Verzerrung jetzt vom Band zu erwarten wäre.
  • Bei der A807 ohne VU-Meter ist die elektrische Lage hier relativ übersichtlich - da es Studioüblich keine von außen verdrehbaren Pegelregler gibt, und die +6 dBu elektrisch (1.55 V) normalerweise auch dem magnetischen Bezugspegel (z.B. 320 nWb/m) entsprechen. Es gibt aber (durch Jumper) die Möglichkeit, Ein- und Ausgangsempfindlichkeit in weiten Bereichen anzupassen, so dass die Maschine auch mit einfachen Hifi-Geräten zusammenarbeitet.
  • Klarheit schafft hier letztlich nur ein Messband mit einem definierten Pegel. Damit ist ein auch ein Abgleich möglich ("Wiedergabeeinmessung").

Mehr gerne bei Tageslicht.

(29.11.2020, 22:25)Bingiman schrieb: So habe ich ja schonmal eine Idee davon, dass ich mich auf 0db Einpeglung befinde.

Elektrisch vielleicht schon - aber magnetisch leider noch nicht. Hast Du ein Band mit einer bekannt "guten" Aufname? Wenn diese viel zu leise, viel zu laut oder gar verzerrt wiedergegeben wird, hättest Du eine erste Orientierung.

(29.11.2020, 22:25)Bingiman schrieb: Aber es zerrt extrem. Ich habe nun mit bis zu -9 db aufgenommen ... Vielleicht gehe ich da zu naiv ran?

Kai hat es schon geschrieben - es muss sichergestellt sein, dass an allen Stellen der Signalkette schon auf der elektrischen Seite nichts übersteuert ist. Das kann bei den vergleichweise hohen Studiopegeln schon passieren, je nachdem. Und dann wissen wir ja auch noch nicht viel darüber, was -9 dB auf der magnetischen Seite bedeuten - siehe oben.

(29.11.2020, 22:25)Bingiman schrieb: Kann es an den Bändern liegen?
...
Kann das an Kondensatoren liegen?
Oder an den Tonköpfen?

Das würde ich zuerst mal nicht vermuten. Klar, Tonköpfe mit Isopropanol und Wattestäbchen reinigen ist nie verkehrt - aber defekt sind sie äußert selten (obwohl das immer die Erste Vermutung von Neulingen ist...). Ja, auch Kondensatoren oder Bänder können defekt sein, aber Du brauchst zunächst Klarheit über die Pegelverhältnisse. Das ist zur Zeit das wahrscheinlichste Problem.

(29.11.2020, 22:25)Bingiman schrieb: Mein Eindruck ist auch, dass die linke Seite in etwa 0.3 db leiser abspielt. Gibt es Tips wie ich da vorgehen könnte?
...
Habe auch das Gefühl dass ein bisschen zu viel Stereoabbildung, Bässe und zum Teil Höhen verloren gehen. Das ist nach meinem Wissen etwas, das so nicht sein sollte bei den Maschinen. 

Hast Du die 0.3 dB Unterschied (beim Magnetband ist das schon "in den Krümeln suchen") bei gleichzeitiger Aufnahme und Wiedergabe beobachtet? Dann kann das nämlich vielfältige Ursachen haben. Bei der Aufnahme gibt es noch viel mehr als bei der Wiedergabe abzugleichen - deswegen fängt man immer mit der Wiedergabe an. Und ich meine nicht, dass Du gleich den Schraubenzieher schwingen und alle Potis verstellen sollst (bzw. die elektronischen Potis per Bedienfeld verstellen) - sondern Stück für Stück vom Band bis zum Rechner Klarheit über die Wiedergabeseite und ihre Pegel schaffen musst.

Ja, das sollte bei einem einwandfrei eingemessenen Bandgerät nicht so sein - und dem kann man auch gut beikommen. Alles Notwendige kann man hier lernen Smile

Viele Grüße
Andreas
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#4
Ich habe keine Ahnung von der Maschine, aber erstmal würde ich überprüfen ob ein Signal/Sinus zum Beispiel mit 0,775mv was in die Maschine rein geht auch am Ausgang wieder mit ca. 0,775mv raus kommt. Vielleicht ist die Maschine verkurbelt/verstellt.
Gruß Ulf

TF-Berlin
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#5
Ich würde erst ein mal die Pegelverhältnisse überprüfen. Dazu sind dB Angaben mit Bezug immer hilfreich (Notwendig!). Die DAW wird ja ein professionelles Audiointerface beinhalten, da kommen schon mal bei digitaler Vollaussteuerung (1 kHz Sinus 0dBFS) so was in der Gegend von 16 dBu Analog raus (im Handbuch des Interfaces nachzulesen).

Gruß Ulrich
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#6
Hallo Andreas,

ich würde zu der Maschine ein RTW Peakmeter kaufen und bei der Aufnahme an den Ausgang der Maschine anschliessen. Dadurch kannst du während der Aufnahme den Pegel hinter Band am Ausgang der Maschine sehen. Das RTW ist für eine Anzeige von 0dB bei einem Eingangspegel von +6dBu geeicht. Die Studer sollte als Studiomaschine auch auf einen Pegel von +6dBu für Vollaussteuerung eingemessen sein.

MfG, Tobias
Strom kann erst dann fliessen, wenn Spannung anliegt.
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#7
Hallo,

ich freue mich sehr über die hilfreichen Überlegungen und vielen Rückmeldungen. Ich werde diese eine nach der anderen durchexerzieren um auf den richtigen Weg zu gelangen mit der Maschine.

Vieles von dem was hier benannt wurde war auch schon in meinen Gedanken. Stimmt ich bin Neuling - aber mit Leidenschaft - in diesem Segment. Die Frage der korrekten Einpegelung hat mich bisher am ehesten beschäftigt. Idee war einen externen VU hinzuzukaufen, oder aber eben wie ich auch schon gelesen hatte eine extern RTW. Jedoch muss ich sagen, dass ich mit dem Anschluss der RTW vermutlich aktuell etwas überfordert wäre, da diese an eine bestimmte Platine angeschlossen werden soll, von der auch die Signale für die VU gespeist werden würden.

Meine Idee, dass vielleicht meine Vorstellung von Verzerrung und Sättigung nicht klar definiert sind, bzw. mir diese Art von Sättigung nicht bekannt ist hat mich auch schon beschäftigt. Nun hatte ich aber in meiner vergangenen Zeit auch mal eine Tascam 8 Spur, und habe teilweise auch Roland-Delays nur genutzt um auf einzelnen Spuren Bandsättigung zu erzeugen. Daher glaube ich schon, dass ich ein grobes Verständnis von dem Unterschieden einer positiven Verzerrung in Form einer Bandsättigung einerseits und andererseits von einer negativen, unschönen Art der Verzerrung andererseits habe. Auch eine zunehmende Verzerrung bei steigender Eingangslautstärke ist mir bewusst.

Meine Idee ist tatsächlich die, dass das Ausgangssignal über das Interface zu "heiß" ist. Ich werde mich hier belesen, was mein Interface da anbietet. Alternativ habe ich mir zum Summing einen Revox C279 zugelegt. Der sollte in ein paar Tagen kommen. Diese hat ein Zusatzbord dabei - u.a. auch mit einem Generatorton, ich glaube zur Einmessung der Maschine. Eventuell ist die behilflich um Rückschlüsse ziehen zu können um genauer die Quelle der Problematik zu identifizieren.

Ich freue mich auf jeden Fall sehr über die guten um Kompetenten Rückmeldungen und werde dies in Ruhe nochmals nachlesen und mich auch darüber informieren, welche Möglichkeiten ich haben könnte um eventuell auch Eingangs- und Ausgangsleistung an der Maschine zu messen. Die Köpfe habe ich auch nicht als erste Verdächtige auf dem Zettel Smile

Einen schönen Tag allerseits!
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#8
Ich verstehe auf jeden Fall, dass ich mich intensiver mit den elektronisch-fachlichen Hintergründen beschäftigen sollte um die Maschine angemessen in den Betrieb zu nehmen und auch gute Ergebnisse damit zu erzielen.
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#9
(30.11.2020, 15:48)Bingiman schrieb: Jedoch muss ich sagen, dass ich mit dem Anschluss der RTW vermutlich aktuell etwas überfordert wäre, da diese an eine bestimmte Platine angeschlossen werden soll, von der auch die Signale für die VU gespeist werden würden.

Ein RTW 1206D hat ganz einfach XLR Eingänge, da entspricht 6dBu am Eingang 0dB auf dem Peakmeter. Intern wird da nichts angeschlossen.

Da du dir ein Revox C279 zugelegt hast kannst du aber auch dessen Peak-Anzeige nutzen, dort kannst du den Master Ausgang umschalten auf 6dBu, 10dBu und 14dBu.
Bei so einem alten Mischpult ist aber immer die Frage wie gut es noch funktioniert.

Gruß Ulrich
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#10
Wenn du wirklich bis an die "Bandsättigung" gehen willst, brauchst du für den gewählten HF-Bias die Kurve der Sättigungspegel bei Wiedergabe als Funktion der Frequenz und einen Frequenz-abhängigen Abschächer am Ausgangs des Geräts, der dafür sorgt, daß diese Pegel unter Vollaussteuerung (0 oder +6 db) deines Systems bleiben, denn du willst ja keine objektiv höheren Pegel erzeugen, sondern nur einen Zusatz-Effekt (der vielleicht auch nur zugemischt werden soll).
Wenn du zusätzlich noch Vorstellungen hast, wie der Effekt-Frequenzgang aus "künstlerischen" Gründen sein sollte, kannst du das zusätzlich einbringen.
Für diese Anwendung kann es auch nützlich/vorteilhaft sein, den HF-Bias anders als für normale Tonband-Anwendungen einzustellen, zB. optimiert für Höhen-Aussteuerbarkeit zu Lasten der Tiefen-Aussteuerbarkeit.

So wie du die die bislang gehörten Verzerrungen charakterisiert hast, liegt der Verdacht nahe, daß es sich um Übersteuerung der Elektronik handelt. Übersteuerung im magnetischen System hat ausgeprägten Tiefpass-Charakterer und klingt deshalb viel "ziviler"/weniger aggressiv/hochtonreich als Begrenzung in Halbleiter-Verstärkern (das ist mit ein Grund, warum viele Leute die Magnettontechnik noch lieben).
Als einfachste Maßnahme wären bei Übersteuerung um 12 dB auch ein 12 dB Abschwächer am Ausgang angeraten, selbst wenn Sättigung bereits bei +9 dB eintritt. Verfeinern kann man die Sache später immer noch.

MfG Kai
Nachtrag: Es könnte hier auch hilfreich sein, nicht modernes hoch-aussteuerbares Bandmaterial zu verwenden, sondern welches aus dem vorigen Jahrhundert mit viel niedrigerer Sättigungsmagnetiserung. Um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Elektronik hinter dem Gerät übersteuert wird.
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#11
So. Problem ist erstmal gelöst. Habe die Ausgangsleistung an der Soundkarte verringert auf -10db. Im Studiobetrieb normalerweise auf +4db. Jetzt habe ich Bandsättigung aber keine unangenehme Verzerrung mehr. So wie es soll. Toll klingt die Maschine, das muss man sagen. Ich werde im nächsten Schritt das Pult zwischenschalten um besser und feiner justieren zu können. Eventuell wird es dann noch ein RTW, mal schauen. Step by step.
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